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Königsberg i- Pr, 1. Dez. Auf dem Ober­teich sind zwei Knaben des Kastellans Höpfner im Alter von 10 und 11 Jahren auf der schwachen Eisdecke eingebrochen und ertrunken.

Augsburg, 30. Nov. Die geschiedene Pro­stituierte Maria Fischer wurde heute früh mit ein- qeschlaaenem Schädel in ihrer Wohnung aufgefunden. Es liegt Mord vor.

St. Blasien, 1. Dez. Die ledige Seraphine Strittmarder zog sich vor kurzer Zeit eine kleine Wunde am Fuß zu. Durch den Gebrauch farbiger Strümpfe entstand eine schwere Blutvergiftung, die den Tod herbeiführte. Ihre Schwester, die die Seraphine treu pflegte und, ihrer aufgesprungenen Hände nicht achtend, Verbandsstoffe wusch, zog sich dabei ebenfalls eine schwere Blutvergiftung zu, die nach qualvollen Leiden gleichfalls zum Tod führte. Beide Schwestern ruhen nun friedlich beisammen. (Vorsicht!)

Wien, 30. Nov. Während der gestrigen Parlamentssitzung kam es zwischen den tschechischen und deutschen Abgeordneten ^u einer großen Prügelei. Als der Justizminister Dr. von Hochenburger das Wort ergreifen wollte, erhoben die Tschechen einen wüsten Lärm, um den Minister am Sprechen zu verhindern. Es kam zu scharfen Auseinander­setzungen zwischen den Tscheschen und Deutschen, die schließlich in Tätlichkeiten ausarteten. Während sich die Abgeordneten beider Parteien eine Prügel­schlacht lieferten, erklärte der Präsident die Sitzung für geschloffen. Der Lärm und die Prügelszenen dauerten aber fort. Die Deutschen bemühten sich, die Tschechen aus dem Saale zu entfernen.

Wien, 1. Dez. Von maßgebender Seite wird im Auswärtigen Amt versichert, daß die Meldung der Wiener Reichspost, wonach Italien aus dem Dreibund auszuscheiden beabsichtige, unrichtig ist.

Paris, 1. Dez. DemFigaro" zufolge soll der französische Minister des Aeußern, de Selves, wegen der Zuspitzung des französisch-spanischen Zwistes zurückzutreten beabsichtigen.

Paris, 30. Nov. DerTemps" äußert sich im Anschluß an die Verhandlungen in beiden Häusern des englischen Parlaments auch über die militärischen ^enguMmouts" zwischen England und Frankreich. Diese bestehen, wie nach ihm jeder­mann wisse, nicht in der Form einer Allianz. Sie werden vielmehr in jedem Einzelfall getroffen, wenn die beiden Vertragsmächte es für nötig halten. Tatsächlich sei es so wiederholt gemacht worden, so 1905 (vor der Konferenz von Al^eciras) und 1909 (bei der bosnischen Krise), wo eine gemein­same Aktion der französischen und englischen Streit­kräfte von den beiderseitigen Generalstäben vorbereitet gewesen sei. Das sei aber jedesmal geschehen auf Grund einer besonderen Prüfung der Lage, nicht kraft einer allgemeinen Bündnispflicht, wie sie Frankreich und Rußland vereinige. In England wünsche man nicht weiter zu gehen, und Frankreich halte es auch für genügend. Begreiflicherweise, denn praktisch kommt es auf dasselbe hinaus und läßt doch beiden Teilen größere Bewegungsfreiheit.

Toulon, 30. Nov. Durch eine Explosion auf dem Dampfboot des Linienschiffes Voltaire wurde ein Mann der Besatzung getötet. Mehrere Leute wurden schwer verletzt.

Rom, 39. Nov. Heute abend setzte der Papst den in Rom anwesenden neuen Kardinälen den Kardinalhut auf. Kardinal Falkonio verlas als Aeltester im Namen der neu ernannten Kardinäle eine Dankadresse, in der er erklärte: Auch wir fühlen die Verantwortlichkeit Ew. Heiligkeit, insbe­sondere in diesen schlimmen Zeiten, da die Gesell­schaft bedroht ist von einer antireligiösen Be­wegung, die die Kirche Christi zerstören möchte. Durch energisches und stetiges Vorgehen, das du seit deiner Wall betätigt hast, wurde diesem Werk der Zerstörung rin Damm entgegengesetzt. Wir werden nicht verfehlen, zu beten, daß Gott dir bei­stehen möge in dem Kampfe gegen den Geist des Bösen und sind des Triumphes gewiß. In seiner Antwort dankte der Papst den neu ernannten Kardi­nälen, lobte sie und erinnerte sie an die schwierige Lage des Statthalters Christi, nicht um ihr Mit­leid zu erwecken, sondern um die Ueberzeugung in ihnen zu befestigen, daß besonders in der Gegen­wart der Purpur das Symbol der Schmerzen, des Leidens und der Aufopferung sei, das im Notfall mit dem Blut besiegelt werden müsse. Christus habe gesagt, die Kirche werde Gegenstand von Ver­folgungen sein. Aber man müsse auch auf den Sieg vertrauen, der gleichfalls durch die Worte Christi, den Schutzherrn der Kirche, verkündigt worden sei. Der Papst richtete sodann wohlwoll­ende Worte an die englischen, holländischen, ameri­kanischen und französischen Kardinäle und erteilte zum Schluß seinen Segen.

London, 1. Dez. Zu der Nachricht, daß die Aufnhme einer großen Anleihe für die Flotte be­absichtigt sei, verbreitet die Pall Mall Gazette das

Gerücht, daß es sich um einen Betrag von minde­stens 600 Millionen handle. In wohlunterrich­teten Kreisen erklärt mail das für äußerst wahr­scheinlich. Auch habe man Grund zur Annahme, daß die Anleihe den obigen Betrag übersteigen würde. Sie würde natürlich als Zuschlag zum üblichen jährlichen Flottenetat ausgenommen werden. Die Vorteile der Anleihe seien doppelter Natur, nämlich moralischer und materieller. Da in Deutsch­land eine große Kampagne zür Verstärkung der Flotte betrieben werde, so sei es naturgemäß, daß England entschlossen sei, den Maßstab von 2 Kielen gegen einen zu wahren. Sodann sei die Beschaff­ung hinreichender Docks für Dreadnoughts ein sehr wichtiges Erfordernis, zu dem ein erheblicher Teil der Anleihe verwendet werden soll.

In der britischen Marine werden große Aenderungen vorgenommen. Der neue Marine­minister Churchill hat ganz plötzlich und unerwartet fast alle seine obersten technischen Beiräte gewechselt. Das Motiv des Wechsels im leitenden Personal der Marine-Verwaltung ist nach offizieller Angabe, daß jetzt die Zeit komme, wo die Arbeiten für das neue Budget gemacht werden müssen, und es besser sei, da ohnehin Veränderungen bevorstehen, die neuen Männer sogleich anzustellen. Dies findet nicht unbedingten Glauben; vielmehr verstärkt sich der Eindruck, der bereits durch den Rücktritt des Herrn Mac Kenna vom Posten des Marineministers und die folgenden Enthüllungen von Faber und Beresford erweckt wurde, daß während der Sommer­krise die Marine oder Teile davon nicht im Zu­stande sofortiger Bereitschaft waren.

Petersburg, 1. Dez. Die Reichsduma nahm in dritter Lesung die Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Trunksucht an.

Petersburg, 30. Nov. (Das neue Ultima­tum an Persien.) Der russische Gesandte in Teheran hat gestern der persischen Regierung eine Note überreicht, in der die Beschwerden gegen Shuster und Lecoffre wiederholt und die Absetzung dieser beiden Finanzratgeber verlangt werden. Die Stel­lung der anderen von Shuster für den persischen Dienst verpflichteten Beamten soll im Einverständ­nis mit der russischen und der englischen Gesandt­schaft geregelt werden. Die persische Regierung soll sich verpflichten, ohne vorherig Einwilligung dieser Gesandtschaften keinen Fremden in ihre Dienste zu nehmen. Sie soll ferner gehalten sein, die Kosten der russischen Expedition nach Persien zu zahlen. Für die Beantwortung der Note wird eine Zeit von 48 Stunden eingeräumt. Falls die Note nicht günstig ausgenommen werden sollte, würde das russische in Reschd konzentrierte Expe­ditionskorps in das Innere des Landes vorge­schoben werden.

Teheran, 30. Nov. Nach einer stürmischen Sitzung bestätigte gestern das Parlament des neue Kabinett. Die Entscheidung wurde durch die Ileber- reichung der russischen Note beschleunigt. Diese Note hat in Regierungskreisen Bestürzung hervor­gerufen. Insgesamt befinden sich gegenwärtig 6000 Mann russischer Truppen in Persien.

Die LondonerTimes" melden aus Teheran, Persiens Parlament habe es einstimmig abgelehnt, dem zweiten russischen Ultimatum zu entsprechen. (Das bedeutet natürlich weitere militärische Besetzung Persiens durch Rußland mit Eröffnung von Feind­seligkeiten, deren Ausgang nicht zweifelhaft sein kann. Die reine Ranbpolitik wie bei Tripolis! Die Engländer liegen natürlich längst auf der Lauer, damit sie nicht zu kurz kommen bei der Verteilung des persischen Bärenfelles.)

New-Dork, 30. Nov. Eine schreckliche Fa- milien-Tragödie, die mit einem sechsfachen Morde endete, hat sich im hiesigen Italiener-Viertel abge­spielt. Ein in dürftigen Verhältnissen lebender Arbeiter Ploscia, der mit seiner ganzen Familie nur ein Zimmer bewohnte, konnte den Lebensunter­halt seiner Familie nicht bestreiten, zumal er auch einen großen Teil seines Verdienstes für sich selbst verbrauchte. Seine Frau, die zum Unterhalt der Familie beitragen mußte und von ihrem Manne öfters mißhandelt wurde, wollte diesen deshalb verlassen. Ploscia geriet darüber in eine solche Wut, daß er die Frau mit einem Revolver nieder­schoß. Darauf tötete er auch seine beiden Kinder, seine Schwiegermutter und seine zwei Cousinen, die die Wohnung mit ihm-teilten. Dann erhängte er sich.

Die Bildung einer neuen kleinen Insel gegen­über der Südküste von Trinidad erregte, wie aus Port of Spain gemeldet wird, große Aufregung in der Kolonie. Wolken von Rauch und Feuer, die aus dem Meer Hunderte von Fuß in die Luft schossen, gingen der Bildung des Landes vorauf und die Landbevölkerung an der Küste glaubte, daß das Ende der Welt bevor­stehe. Die Einwohner rannten aus ihren Häusern, fielen ans die Straßen nieder und beteten oder

flohen in die Wälder, um dort Schutz zu suchen. Am Morgen des 4. November beobachtete ein Fischer einen kleinen Landkegel, der sich aus dem Meer erhob, wo vorher nie etwas von Land zu sehen war. Beim Näherkommen sah er das Wasser wild bewegt und er ruderte so schnell wie möglich wieder fort, da er fürchtete, zu kentern. Gegen Abend gab es einen lauten Knall und dichte Rauch­wolken und Helle Feuerslammen drangen in die Luft. Die neue Insel, die ungefähr 2 Acres groß ist, liegt ungefähr drei Kilometer von dem Dorf Chatham entfernt in der Bucht von Erin, wo Ko­lumbus bei seiner Entdeckung von Trinidad ge­landet sein soll. Der Gouverneur Sir Leorge Le Hunte landete mit seinein Gefolge auf der Insel, trotzdem die Oberfläche derselben noch heiß war. Zwei Krater find vorhanden, die eine Oeffnuno von ungefähr 2 m haben. Der höchste Punkt befindet sich ungefähr 5 w über dem Meeres­spiegel.

Ms Stack unü Umgebung.

Wildbad, 2. Dez. Das Opfer in sämt­lichen evangelischen Kirchen Württembergs ist am ! Adventsfest für den Württ. Hauptverein der Gustav- i Adolf-Stiftung bestimmt.

! Wildbad, 2. Dez. Das Kinematographen- TheaterUnion" im Saale deralten Linde" , weist für morgen Sonntag wieder ein sehr ab- i wechslungsreiches, amüsante Stunden versprechen­des Programm auf. Der Besuch des unermüdlich Neuheiten bietendenKine" kann deshalb bestens empfohlen werden.

Wildbad, 2. Dez. Zum Vollmond (6_ Dez.) soll ziemliche Kälte auftreten, der zum letzten Mond­viertel (12. Dez.) Schnee und Wind folgen. Die letzte Witterung gilt auch vom Neumond (20. Dez.), während das erste Viertel (28. Dez.) Kälte bringt. Nach dem hundertjährigen Kalender fängt der Dezember mit Frost an, worauf er trübe wird (Regen), bis am 10. und bis zum 19. Frost und Schnee eintreten. Vom 22. bis zum Ende des Monats soll es kalt sein.

(Bauernregeln im Dezember). Wenn die Kälte in der ersten Adventwoche kam, so hält sie zehn volle Wochen an. Grüne Weihnachten, weiße Ostern. Dezember kalt mit Schnee, gibt Korn auf jeder Höh'. Je dunkler es über Dezember-Schnee war, je mehr leuchtet Segen im künftigen Jahr. Düngerreime: Wer spärlich seinen Acker düngt, der weiß schon, was die Ernte bringt. Hans düngte seine Felder schlecht, war Ackermann, jetzt ist er Knecht. Wer gute Ernte machen will, der dünge, pflüg' und grabe viel. Jobs läßt die Jauche in den Bach, ein Dumm­kopf nur tut es ihm nach. Dünger ist die Seele vom Ackerbau, sie gehören zusammen wie Mann und Frau. Gutes Vieh, gute Streu, reichlich Futter, gibt fetten Mist, reiche Ernten, viel Milch, Käs und Butter.

Die Revolution in China.

Petersburg, 29. Nov. Eine Privat-Depesche aus Peking meldet, Auanschlkai und andere dem Throne nahe stehende Getreue hätten der kaiser­lichen Familie geraten, zu flüchten oder einen würdevollen Selbstmord zu begehen, weil eine Auf­rechterhaltung der Dynastie aussichtslos sei.

Aus Peking sind nacheinander Meldungen eingetroffen, die die Lage der kaiserlichen Regierung wieder in einem wesentlich günstigeren Licht er­scheinen lassen. Optimisten verkünden bereits das baldige Ende der aufständischen Bewegung zugunsten der bisherigen Regierung. Das wäre freilich nur zum Teil den militärischen Erfolgen zu verdanken, zum überwiegenden aber denversprochenen Reformen, für die Auanschikais Ministerpräsidium gewisser­maßen als Bürgschaft angesehen wird.

Peking, 30. Nov. Meldungen aus Hankau besagen, daß dieVerhandlungen zwischen den Kaiser­lichen und den Revolutionären noch andauern. Die Revolutionäre bemühen sich, die Hilfe der fremden Konsuln und der Marinebehörden zu ge­winnen. Nach Konsularmeldungen aus Szetschwan vom 29. Nov. haben die Kaiserlichen die Auf­ständischen am 27. Nov. bei Ningyuen in einer regelrechten Schlacht besiegt. Die Missionen sind unbeschädigt geblieben und nicht bedroht.

Nanking, 1. Dez. Die Aufständischen haben die letzte Stellung der Kaiserlichen erobert.

Tokio, 29. Nov. Nach amtlichen Meldungen beginnt die Lage in der Mandschurei ernster zu werden. Japanische Truppen sind in Niutschwang eingetroffen.

Newyork, 1. Dezbr. Die gesamte Pacific- flotte hat den Befehl erhalten, sofort von Honolulu nach Schanghai abzudampfen. (Das amerikanische Eingreifen in die chinesischen Wirren scheint also doch zur Tatsache zu werden.)