Amtsblatt

luv öle Slaöt Witdöod

Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags

Bestellpreis vierteljährlich 1 Mk. 10 Pfg. Bei allen rvürt- lenibergischen Postanstalten und Boten im Orts- und Nach­barortsverkehr vierteljährlich 1 Mk. 15 Pfg.; außerhalb ^desselben 1 Mk. 20 Pfg.; hiezu 15 Pfg. Bestellgeld.

derMoliik

Anzeiger

. für Wil'öbaö u. Umgebung.

Die Einrücknngsgebühr

beträgt für die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg., auswärts 10 Pfg., Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Hiezu: Illustriertes Sonn tagsblatt und mährend der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.

Nr. 130 j

Doimerstaq, dm 2 . November l 9 tt

47 . Jahrgang.

Dn it«1ikilisch-tiirkW Krieg.

In Konstantinopel schwelgte man am 30. Oktober allen Ernstes im Siegesjubel. Tri­polis sollte von den Türken und Arabern in zwei­tägigen harten Kämpfen zurückerobert, 7000-Ita­liener gefangen genommen, 500 getötet, 95 Ge­schütze, 37 Mitrailleusen und 17 Kisten Munition erbeutet worden sein. Jtalienischerseits wird jedoch amtlich gemeldet, daß diese Gerüchte sämt­lich aus der Luft gegriffen seien. Es fei seit dem 27. Oktober alles unverändert. Die nächsten Tage werden ja Aufklärung bringen.

Bei der Berliner türkischen Botschaft einge­laufene amtl. türkische Telegramme besagen: In der Nacht zum 24. bis zum nächsten Nachmittag wurden die Feinde bis zum Borort Mahalla zurückgedrängt. In der Nacht vom 27. wurde der Angriff erneuert, worauf die Italiener drei Forts räumten und zahl­reiche Vorräte und Munition zurückließen. Die Verluste der Italiener find bedeutend, die der Türken etwa 40 Tote und 100 Verwundete. Die Einnahme der Stadt ist in kurzem zu erwarten. Die italienische Botschaft teilt gegenüber anders­lautenden Nachrichten mit: Die Italiener sind in allen Kämpfen zu Wasser und zu Lande ohne Ausnahme siegreich geblieben. Seit der Besetzung von Tri­polis und der benachbarten Orte sind alle An­griffe des Feindes zurückgeschlagen, wobei ihm sehr schwere Verluste zugefügt wurden. Nach der Schlacht vom 26. hat kein Kampf mehr stattgefunden.

kunüscvau.

Stuttgart. Auf Schloß Schottenstein bei Seßlach begeht der frühere württ. Kriegsminister und Ministerpräsident, Gen. d. Inf. z. D. Frhr. Schott von Schottenstein am 2. Nov. seinen 75. Geburtstag.

Die Genesung der Herzogin Wera schreitet langsam voran. Die Lähmungserscheinungen der rechten Seite wollen noch nicht ganz wieder ver­schwinden. Doch bezeichnen die Aerzte den Zustand der Herzogin im allgemeinen als befriedigend.

Auf Grund der letzten Volkszählung vom I.Dezbr. 1910 hat sich ergeben, daß in Württem­berg 24 Personen im Alter von 95 100 Jahren, darunter eine mit 99 und eine mit 100 Jahren, vorhanden find.

Stuttgart, 1. Nov. Der Evangelische Synodus wird am 7. Nov. zu seinen Beratungen zusammentreten, die in der Hauptsache dem Ge­sangbuchentwurf gellen werden.

Stuttgart, 1. Nov. Zur Reichsversicher- uugsordnung hat das Ministerium des Innern einen Erlaß betr. die vorläufige Bestellung der Versicherungsbehörden ergehen lassen, wonach bis znr Errichtung der Versicherungsämter und Ober- versicherungsümter bei Spruch fachen an die Stelle der ersteren die Oberämler, an die Stelle der Oberversicherungsämter die Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung treten. Hinsichtlich der An­stellung, Kündigung oder Entlassung von Ange­stellten der Krankenkassen werden die Schiedsge­richte für Arbeiterversicherung bezw. das Landes­versicherungsamt als zuständig erklärt. Für die übrigen Aufgaben treten an die Stelle der Ver- sicherungsümter vorläufig die Oberämter, an die Stelle der Oberversicherungsämter für das Gebiet der Gewerbeunfällversicherung das Verwältungs- kollegium der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, im übrigen die Kreisregierungen.

Stuttgart, 31. Okt. Eine stürmische Ver­sammlung/wie sie in Stuttgart wohl noch nie da war, hat gestern abend in den Stadtgartensälen stattgefunden. Auf Einladung der vor kurzem ins Leben gerufenen Orts- und Landesgruppe des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie sprach der bekannte Reichstagsabgeordnete Generalleutnant z. D. v. Liebert über das Thema:Warum und wie bekämpfen wir die Sozialdemokratie?". Die außerordentlich zahlreich besuchte Versammlung setzte sich zusammen aus Vertretern aller Parteien, einschließlich der Sozialdemokratie, welch letztere ein Kontingent von einigen hundert Mann aufge- boten hatte. In seiner Eröffnungsansprache wies der Vorsitzende Frhr. v. Köttwitz darauf hin, daß nur nationalgesinnte, auf monarchischem Boden stehende Männer zu der Versammlung geladen worden seien, und daß er die andern bitte, diesem Umstand Rechnung zu tragen, widrigenfalls er un- nachsichtlich von seinem Hausrecht Gebrauch machen müßte. General von Liebert wurde in seinen Aus­führungen, die übrigens nur eine schwache Stunde in Anspruch nahmen, wiederholt von den Sozial­demokraten unterbrochen; einzelne seiner Aus­führungen wurden auch mit Pfuirufen und anderen Ausrufen der Entrüstung unterbrochen. Immerhin konnte er aber seine Rede noch in verhältnismäßiger Ruhe zu Ende fühlen. Der eigentliche Tumult setzte erst ein, als die Debatte eröffnet worden war und als zweiter Diskussionsredner der Sozial­demokrat Kummer sprach, um die Gründe darzu­legen, warum der amerikanische Arbeiter mehr nationale Gesinnung zeige und habe, als der deutsche. Der Redner behauptete, die ganze soziale Ver­

sicherung in Deutschland müsse der Arbeiter be­zahlen, und damit stieß er bei den Nichtsozial­demokralen auf stürmischen Widerspruch. Die weiteren Ausführungen gingen in den lärmenden Unterbrechungen aus der Mitte der Versammlung zum größten Teil verloren. Wegen einer Bemerkung, die am Presselisch nicht verstanden werden konnte, entzog der Vorsitzende dem Redner das Wort. Das war das Signal zu wütenden Kundgebungen der Sozialdemokraten, die unter erregten Pfuirufen auf Tische und Stühle stiegen und schließlich die Arbeitermarseillaise anstimmten. Die nationalge­sinnten Teilnehmer der Versammlung suchten mit Deutschland. Deutschland über alles" zu erwidern, vermochten aber gegen den geschlossenen Chorus der Sozialdemokraten nicht aufzukommen, die in der Folge auch noch einige weitere sozialdemokratische' Lieder sangen. Einige weitere Diskussionsredner, die sich unter Aufbietung ihrer vollen Lungenkrast Gehör zuschaffen versuchten, wurden niederaeschrieen. So dauerte das Lärmen und Tosen mit verschiedenen gegenseitigen Zu- und Zwischenrufen aus den beiden Lagern wohl eine halbe Stunde lang, und wenn eine Pause einzutreten schien, so füllten die Sozial­demokraten dieselbe mit kräftigen dreifachen Pfui­rufen auf den Reichsverband aus. Ein Genosse, der das Podium betrat, forderte die Sozialdemokraten auf, die weiteren Redner anzuhören; sein Vorschlag wurde aber nicht beachtet und einige weitere Redner, die zum Wort zu kommen versuchten, wurden mit den Rufen:Der Genosse Kummer soll reden!" niedergeschrieen. Das ganze Vorgehen der Sozial­demokratie zeigte, daß System in ihrer Haltung war. Schließlich erschien, vom Versammlungsleiter gerufen, Polizeiinspektor Junginger mit 3 Schutz­leuten und stellte die Namen der Hauptschreier fest. Als dies geschehen, sagte der Vorsitzende: Ich muß zn meinem Leidwesen die Versammlung schließen, denn in dem Ton, den die Sozialdemokratie heute angeschlagen hat, können wir nicht weiter verhandeln. Unter dem Pfeifen und Johlen der Sozialdemo­kraten stimmten darauf die nationalgesinnten Ver­sammlungsteilnehmer das LiedDemschland, Deutschland über alles" an, das sich diesmal gegen die Gegner durchzusetzen vermochte. Mil einem . dreifachen Hurrah auf Kaiser und Reich, während dessen die Sozialdemokraten zum Ausgang drängten, wurde die Versammlung geschlossen.

Stuttgart, I. Okt. Der Stuttgarter Turngau veranstaltet am nächsten Sonntag einen Eilbotenlauf, der um 9 Uhr früh von der Ecke ! Schloßgarten- und Neckarstraße ausgehl und auf dem Marktplatz in Gmünd endigt. Die ganze

Her; und Ehre.

Roman von Arthur Zapp.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

II.

Am anderen Morgen im nüchternen Tageslicht kamen doch wieder Bedenken und Zweifel über ihn, die ihn seinerzeit abgehalten, sich um Else's Neigung zu bewerben, und die ihn zu dem Ent­schluß bewogen hatten, die Stadt zu verlassen, um in der Ferne das Bild des jungen Mädchens zu vergessen. Nun aber galt kein Ueberlegen und Zaudern mehr. Der entscheidende Schritt war getan, und er durfte nicht mehr zögern, sich offen vor aller Welt und zunächst vor ihren Verwandten zu seiner Liebe zu bekennen. Ein Gefühl feier­lichen Ernstes senkte sich auf ihn, dem eine Dosis dumpfer Bangigkeit beigemischt war. Tat er auch recht? Würde sein Vorhaben für Else, für ihn selbst zum Glücke ausschlagen?

Zeitiger als sonst verließ er heute mittag sein Bureau in der Maschinenfabrik I. C. Meinardüs, in der er als Konstrukteur und Prokürist ange­

stellt war. Seit den letzten beiden Jahren war seine Stellung eine sehr einträgliche. Er hatte an einer Lokomobile, deren Herstellung eine Spezi­alität der Fabrik bildete, eine wesentliche Ver­besserung angebracht, und so bezog er außer seinem festen Gehalt von viertausend Mark einen kleinen Gewinnanteil, der im letzten Jahre dieselbe Höhe erreicht hatte wie sein Salair.

Um 12 Uhr machte er sich auf den Weg nach der Wohnung der Eltern der Geliebten. Um diese Zeit durfte er hoffen, den Professor Wollmar, der Oberlehrer am Gynmrffiuin war, zu Hause zu treffen.

Ab.r als er nun von dem Dienstmädchen in denSalon" geführt wurde, trat ihm die Frau Professor allein entgegen. Sie ging ihm sogleich mit ausgestreckter Hand entgegen, bevor er noch ein Wort geäußert hatte.

Ich errate, was Sie zu uns führt", sagte sie mit freundlichem Gesicht.Else hat mir gestern nacht alles erzählt. Das gute Kind ist nicht im­stande- vor ihrer Mutter etwas zu verbergen."

Sie wissen also", fiel Viktor Lehnhard ein, daß ich Else liebe und daß ich gekommen bin.

um Else's Hand von Ihnen und Ihrem Herrn Gemahl zu erbitten?"

Sie nickte.

Ich wußte es. Ich weiß, daß Else Ihre Liebe erwidert, und das ist für mich maßgebend. Freilich, die Entscheidung liegt nicht bei mir."

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und der Professor trat ein. An seiner Miene erkannte Viktor sofort, daß auch er bereits informiert war, und so brachte er ohne Umschweife sein Anliegen vor:

Ich habe die Ehre, Herr Professor, Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten."

Der Oberlehrer erhob abwehrend beide Arme.

Nicht so ungestüm, junger Mann", sagte er und warf durch seine funkelnden Brillengläser einen strengen Blick auf den ihm Gegenüber­stehenden.

Zunächst nehmen Sie einmal Platz!" Er deutete auf einen der um den Sophatisch stehenden Fauteuils. Und erst, als sich alle drei gesetzt hatten, fuhr er pedantisch und umständlich fort:Sie lieben also unsere Tochter?"