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Nr. 129

Dienstag, den 31. Oktober l91t

47. Jahrgang.

Allerseelen - Stimmung

in den Kgl. Anlagen.

Verschwunden ist der Menschen Flut,

Des Tönemeisters Taktstock ruht.

Die Musentempel steh'n verlassen,

Rauhreif deckt den Herbstesrasen.

Einsam steht das Kurhaus droben.

Nur ein Vöglein sitzt dort oben,

Trauert nach den lieben Gebern,

Seiner Kleinen Miternährern.

Kaltes Wehen aus den Höhen,

Verlassen sind die Schwanenseeen,

Kein munt'res Entlein kommt geschwommen. Kein Schwan erwartet mehr mein Kommen.

Vom Scheiden redet jedes Blatt,

Das seinen Baum verlassen hat.

Bis die Blätter wieder sinken.

Manchem wohl der Tod wird winken.

Ueber's Jahr wird mancher fehlen.

Den wir hörten gern erzählen Vom Getrieb der großen Stadt,

Vor dem er sich geflüchtet hat;

Muß Wildbads traute Stätten meiden. Erzählt uns stumm vom ew'gen Scheiden; So mancher Bürger auch der Stadt Schläft übLr's Jahr an and'rer Statt. .>

Drum halt' dich immer gut bereit.

Zu scheiden in die Ewigkeit,

Nichts nimmst mit, wer du auch bist.

Als gute Werke, merk's, o Christi Wildbad. 0.

Aw italieiiisch-tiirkijHe Krieg.

Nur Mut! Die Sache wird schon schief gehen!" so könnte man mit einigem Recht den Italienern zurufen. Selbst römische Berichte müssen zugeben, daß die Italiener recht verlustreiche Kämpf« namentlich ün Benghasi zu bestehen hatten. Und bei der verschärften Nachrichtensperre, die man eintreten ließ, ist anzunehmen, daß die amt­lichen Berichte nicht das volle Bild der Wahrheit geben. Immer stärker wird die Beteiligung der Araber an den Kämpfen die Entfesselung des heiligen Kriegs beginnt zu wirken. Der italienisch­türkische Krieg wird erst richtig beginnen!

Da sowohl den römischen wie türkischen amt­lichen Berichten aus begreiflichen Gründen nicht zu trauen ist, ist es interessant, den Bericht eines Kriegskorrespondenten zu lesen, dem es gelungen ist, der Zensur zu entwischen. Er meldet aus

Tripolis über Tunis: In dem Kampf am Mon­tag den 23. dieses Monats wurden 565 Italiener I getötet oder verwundet. Die Verluste der Türken i sind nur gering, dagegen die der arabischen Reiter !sehr erheblich, wenn auch geringer als die der i Italiener. Seit dem Putschversuch der in der ! Stadt sich aufhaltenden Araber am Montag ist .die ganze äußere Stadt streng abgesperrt. Auch ^die vornehmsten Araber werden, sowie sie die ! Straße betreten, visitiert.- Hunderte wurden ge­fesselt eingebracht und erschossen. Die Italiener schießen schlechter als die Franzosen in Casablanca. Ihre frühere Disziplin hat aufgehört. Die Mann­schaften haben buchstäblich den Kopf verloren, die Offiziere haben die Leute teilweise nicht mehr in der Hand. Der Generalstab ist übemervös, die Gendarmerie ebenso. Am Donnerstag entstand von morgens 4 Uhr an ein fürchterlicher Kampf bei Sokra. Hunderte von Arabern brachen durch die italienische Verteidigungslinie und verschwan­den in den Oasen. Es war das erstemal, daß die Araber zu Fuß kämpften. Die Verluste auf beiden Seiten sind riesig. Die Türken zogen sich zum erstenmal bei dem Angriff nicht freiwillig zurück, sondern wurden regelrecht geschlagen.

Tripolis, 30. 'Okt. Der Oberkommandant des tripolitanischen Operationskorps teilte heute hierher telegraphisch die Verluste mit, die die unter seinem Kommando stehenden Streitkräfte vom 23. bis einschließlich 26. Okt. in den Kämpfen vor Tripolis erlitten haben. Demnach sind 13 Offiziere und 369 Mann getötet und 16 Offiziere und 142 Mann verwundet worden. Der Kriegsminister be­hält sich vor, die Namen folgen zu lassen. Das Mißverhältnis zwischen der Zahl der Toten und Verwundeten ist aus der Tatsache zu erklären, daß einige Abteilungen, darunter das 11. Bersaglieri- regiment, aus allernächster Nähe angegriffen wurde. Die Lücken in den verschiedenen Heeresabteilungen vor Tripolis sind übrigens bereits ergänzt worden.

Die italienischen Truppen haben eine Verteidig­ungslinie, die hinter der während der letzten Tage innegehabten liegt, eingenommen, weil die Leichname, die vor der alten Linie liegen,die Luft verpesteten und das Wasser in einen gesundheitsschädlichen Zustand versetzten. Die neue Front ist kürzer und bietet daher den Vorteil, daß die Truppen in Reserve gehalten werden können. Türkischerseits wird das als Rückzug aufgefaßt.

Die Entscheidung zu Gunsten der Italiener wurde durch die vier Kruppschen Batterien herbei­geführt, die von der türkischen Garnison, als diese sich nach Süden zurückzog, verlassen werden mußten. Das Feuer aus diesen Kruppschen Geschützen war

es, das die Türken und Araber zwang, die schon eroberten Punkte aufzugeben. Bis zum Eintreffen dieser Artillerie war die Lage der Bersaglieri und der Marineinfanterie eine sehr kritische ge- ' wesen. Die Bersaglieri und die Marineinfanterie ' hatten schwere Verluste. Das Endergebnis war, daß die Türken und Araber sich in verhältnismäßig : guter Ordnung zurückzogen.

! Enver Bei ist in Benghasi eingetroffen. ES soll Ihm gelungen sein, über Aegypten den Scheck der ' Senussi zu erreichen und das ganze Hinterland von i Tripolis zum Heiligen Krieg zu einigen.

! Die türkische Presse jubelt über die türkischen Erfolge in Tripolis.

In der Nacht auf 29. Okt. gegen 2 Uhr er­folgte auf die südliche Front der italienischen Stel­lungen um Tripolis ein neuer verhältnismäßig un­bedeutender Angriff, der namentlich gegen den Brunnen Bumeliana gerichtet war, aber zurückge­schlagen wurde. Gegen 4 Uhr und 6 Uhr wurde der Angriff wiederholt und ebenfalls glänzend ab­gewiesen.

Saloniki, 29. Okt. In der Nacht vom Freitag zum Samstag sind an der Küste von Kassandra gegen Mitternacht vier italienische Kriegs­schiffe bemerkt worden, die auf eine gewisse Ent­fernung an das Kap Kara-Burun herankamen, die dortigen Befestigungen mit Scheinwerfern äbleuch- teten und nach einer halben Stunde wieder ver­schwanden.

lluntkcbau.

Stuttgart, 31. Okt. S. M. der König hat sich gestern vormittag aus einige Tage nach Neu­wied zum Besuch der fürstlich Wied'schen Familie begeben.

Stuttgart, 30. Okt. Die bedrängte und betrübte Lage einer Frau hat der schon öfter- vorbestrafte Buchbinder Christian Paulus von Laufen a. K. auf gewissenlose Weise ausgebeutet. In einer Wirtschaft hatte er gehört, daß der Sohn der Frau in Untersuchungshaft ist. Er ging zu der Frau, gab sich als Gefängniswärter aus und machte ihr vor, er wolle ihrem Sohn, der mindestens 34 Jahre Zuchthaus bekomme und den er. sehr bedaure, zur Flucht verhelfen. Weiter log er die Frau an, er habe für ihren Sohn 20 Mark aus­gelegt. Die Frau glaubte dem Schwindler und händigte ihm 80 Alk. für ihren Sohn zur Flucht ein. Am andern Tag kam er wieder und spiegelte der Frau vor, er werde ihren Sohn nachts heraus­lassen und sie solle 100 Mk. und einen Anzug, nach Ulm schicken. Der Frau waren aber inzwischen Bedenken gekommen. Sie benachrichtigte die.

Her; und Ehre.

Roman von Arthur Zapp.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Sie antwortete nicht, aber der Blick, init dem sie jetzt zu ihm hinübersah, verriet ihm ihr bis da­hin keusch und ängstlich gehütetes Geheimnis.

Dank, tausend Dank!" jubelte er und zog ihre beiden Hände an seine Lippen.Und nun, da ich weiß, daß ich Sie lieben darf, daß Sie meine Liebe nicht verschmähen, nun bleibe ich. Ja, ich bleibe, und wir werden glücklich sein, - unaus­sprechlich glücklich."

Er sah mit strahlenden Augen zu ihr hinüber und ihre Blicke hafteten minutenlang ineinander, während ihre Herzen klopften vor Seligkeit.

Sporengeklirr und lautes Stimmengewirr riefen die Beiden wieder in die Wirklichkeit zurück.

Erschrocken sah sich Else um.

Mein Bruder!" mahnte sie, sich zugleich er­hebend.

Auch Viktor Lehnhard sprang sofort auf, reichte

ihr den Arm und schleuderte langsam mit ihr zum Hauptweg zurück. Hier trafen sie auf Else's Bruder, einen Artillerieleutnant, der mit einem - anderen Herrn plaudernd und rauchend im Garten promenierte. i

Als der Offizier des Paares ansichtig wurde,! tauschte er mit Viktor Lehnhard einen höflichen: Gruß, seiner Schwester rief er zu:

Du, Else, Mama sucht dich. Sie ist mit Papa im kleinen Saale links. Herr Lehnhard hat vielleicht die Freundlichkeit, Dich dahin zu be- j gleiten."

Der junge Manu verbeugte sich zustimmend und beflügelte dann seine Schritte. Mit seiner! linken Hand strich er kosend über die auf seinem rechten Unterarm ruhenden Finger der Geliebten. ' Als er wenige Minuten später mit seiner Beglei­terin vor ihre Eltern trat, verriet nichts in seinem Aussehen und seinem Gebaren die leidenschaftliche Szene, die sich zwischen ihm uud dem jungen Mädchen ereignet hatte. In Else's Wesen freilich gab sich eine stille Erregtheit kund, die ihre Wangen färbte uud ihre Augen leuchtend machte und die dem scharfen Blick der Mutter nicht entging. .

Ein halbes Stündchen später machte sich die Familie Wollmar auf den Heimweg.

Else und Viktor Lehnhard tauschten noch einen c vielsagenden Blick und Händedruck. Wenige-' Minuten später folgte auch er.

Behaglich schleuderte er in der lauen Sommer­nacht dahin, ein frohes Lächeln auf den Lippen. Jeder Kleinmut war von ihm gewichen. Tor, der er gewesen, zu zagen! Liebte er sie denn nicht mit aller Kraft feines ehrlichen Herzens? Gab ihm nicht seine Liebe das Recht, nach ihrem Be­sitz zu streben? War er doch in der Lage, ihr ein Los zu bereiten, das selbst höheren Ansprüchen, als die bescheiden Erzogene machen würde, genügen konnte. Besaß er nicht eine für seine 28 Jahre ungewöhnlich einkömmliche Stellung? Konnte er sich nicht das Zeugnis geben, ein in seinem Fach anerkannt tüchtiger, leistungsfähiger Mensch zu sein? Und hatte er nicht das Bewußtsein, daß er, soweit menschliche Berechnung reichte, der Ge­liebten eine von allen Annehmlichkeiten des Lebens verschönte, glückliche Zukunft schaffen konnte?-

Als Viktor seine Wohnung erreicht hatte, schlich