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Nr. 128 j
Sams!a>i, den 28 . Oktober i!It>
17. Jahrgang.
Dkl türkisch-italienische Krieg.
Es ist immer noch nicht möglich, die italienischen Verluste bei dem letzten großen Angriff der Türken genau anzugeben, aber man kann schon sagen, daß sie niedriger sind, als man zuerst vermutet hat.
Bei Tripolis hat am Donnerstag früh ein erneuter schneidiger Angriff von etwa 10 000 Türken > und Arabern auf die italienischen Linien vom Gangaresch am rechten Flügel hinauf bis zum Rande der Oase, bei Bumelia, Sidi Mesri, dem kleinen Fort Sidi Mesn und dann hinunter bis zum Meere bei Henni und Scharaschat, also in wefier Ausdehnung, stattgefunden. Der erste Angriff der türkischen Reiter wurde zurückgeschlagen. Sie kamen aber mit Unterstützung zahlreicher Abteilungen regulärer und irregulärer Infanterie wieder und der Angriff wurde in verstärktem Maße in der Front, dann auf dem linken Flügel wiederholt, den die Türken zu umgehen versuchten. Es gelang auch einigen arabischen Abteilungen, in den Rücken der italienischen Front zu kommen, sie wurden aber umzingelt und aufgerieben. Nach Sonnenaufgang stiegen die Flugzeuge zur Erkundung auf. Sie konnten sofort die feindlichen Stellungen feststellen und dadurch die italienische Artillerie in den Stand setzen, mit großer Wirksamkeit einzugreifen. Auf dem rechten Flügel nahm das Linienschiff „Sizilia", das bei Gangaresch ankerte, am Kamps teil, der sich immer mehr verschärfte. Die Türken drangen erbittert bis knapp an die erste italienische Linie vor und versuchten, sie zu durchbrechen, aber sie wurden schließlich auf der ganzen Front zurückgeschlagen. Die Verluste sind beiderseits bedeutend, die Türken sollen über 1000 Alaun, eine Batterie und eine grüne Fahne eingebüßt haben, auch soll einer ihrer Führer gefallen sein. Die Italiener wollen wieder nicht mehr als 100 Alaun verloren haben. Da einige Italiener durch verräterische Schüsse der Araber von hinten gefallen sein solle», werden alle mit der Waffe in der Hand bei der Oase betroffenen Araber erschossen und alle dortigen Häuser und Hütten, sowie das Beduinendorf vor den Toren von Tripolis wurden niedergebrannt. Die Italiener glaube» damit die Gefahr im Rücken der italienischen Stellungen beseitigt zu haben. - Die Stadt Tripolis selbst ist ruhig.
Auch zwischen den östlich von B enghasi landenden Italienern und türkischen Truppen sowie Freiwilligen der Senussi, die sich hinter der Dattelpflanzung von Hadade versteckt hielten, soll ein neuer schwerer Kampf stattgesunden haben, wobei etwa 400 Italiener gefallen sein sollen.
Die Lage in Homs, Benghasi, Derna und Tobruk ist unverändert.
Zehntausend berittene Krieger der Stämme Tibbu und Tuareg sind in Tripolitanien angekommen. Teilweise haben sie wohl schon an den letzten Kämpfen teilgenommen. Die Aeroplane der Italiener hatten ihre Ankunft gemeldet.
Nach einem Privattelegramm aus Tripolis ist bei den südlich von Tripolis lagernden Arabern, j die sich in den ersten Tagen nach der Besetzung sehr italienerfreundlich zeigten, ein Stimmungswechsel eingetreten. Als Grund dafür wird angegeben, daß der neuernannnte Oberkommandant der türkischen Streitkräfte, Oberst Achmed, sich als ein sehr tüchtiger Organisator erweist, und in dem früheren Pariser Militärattache Fethy Bey einen Generalstabschef von großer Begabung besitzt, dem besonders seine genaue Kenntnis der Eigentümlichkeiten des arabischen Volks zu Hilfe kommt.
Das italienische Oberkommando hat bereits um weitere Truppennachschübe aus Italien gebeten. Demnach sind die seitherigen talienischen Verluste keineswegs unbedeutend.
Die bisherigen Ausgaben für die Mobilmachung von 36 000 Mann und die Okkupation der wesentlichsten tripolitanischen Küstenstädte werden schon auf 225 Mill. Lire berechnet. Jeder Tag steigert diese Ausgaben unverhältnismäßig.
Mailand, 26. Okt. Der Spezialkorresp. des „Avanti" meldet aus Tripolis, daß dort gestern 20 Todesfälle an Cholera vorgekommen seien. Das Blatt betont, daß sie ausdrücklich als solche sestgestellt worden seien.
kuiitkcbau.
— Seine Königliche Majestät hat auf die katholische, im Patronat der Krone zu besetzende Stadtpfarrstelle Wildbad den Expositurvikar Rob. Fischer in Mühlacker ernannt.
Stuttgart, 26. Okt. S. Maj. der König nahm vormittags die regelmäßigen Meldungen sowie die Vorträge des stellvertretenden Hofmarschalls, des Kabinettschefs und des Generalintendanten der Hostheater entgegen. Nachmittags begaben sich Ihre Majestäten mit dem Oberstallmeister nach Weil und besichtigten das Gestüt. Zur Tafel war der Dienst geladen. Hernach besuchten Ihre Majestäten die Vorstellung im Hoftheater.
Stuttgart, 22. Okt. Die Eisenbahnbau- und Betriebsinspektionen wurden von der Generaldirektion der Staatseisenbahnen angewiesen, zum Schutz der heimischen Bogelwelt auf die Vermehrung der Nistgelegenheiten durch Herrichtung und Erhaltung von Vogelschutzgehölzen an den Bahnböschungen hinzuwirken.
Stuttgart, 27. Okt. Der Versuch der Stadtverwaltung, der minderbemittelten Bevölkerung zu möglichst billigen Kartoffeln zu verhelfen, hkt in weiten Kreisen eine günstige Ausnahme gefunden. Der achttägige Termin für die Anmeldung von Bestellungen auf Kartoffeln, die zentnerweise zur Abgabe gelangen sollen, ist nun abgelaufeu und es sind bis dahin rund 8500 Zentner bestellt worden, was einem Quantum von 46 Eisenbahnwagen entspricht, während die Stadt ursprünglich nur 10 Eisenbahnwagen bestellt hat. Was dieses Quantum unter den gegenwärtigen Verhältnissen selbst für eine Stadt wie Stuttgart zu bedeuten hat, geht daraus hervor, daß auf dem gestrigen Kartoffel-Großmarkt auf dem Leonhardsplatz nur 650 Zentner zugeführt waren, die zu Preisen von 4,40 Mk. bis 6 Mk. pro Zentner abgesetzt wurden. Die von der Stadt vermittelten Kartoffeln sollen zu 3.50 Mk. bis 3,70 Mk. pro Zentner abgegeben werden. — Auch Göppingen und Ulm sind dem Beispiel von Stuttgart gefolgt; andere Städte folgen in nächster Zeit.
Eßlingen, 27. Okt. In der württ. Hoh« warenmanufaktur A.-G. in Obereßlingen drang dem in der Mitte der 50er Jahre stehenden Säger Maier ein von der Kreissäge zurückgeschlagene» Abfallstück mit solcher Wucht in die rechte Hüfte, daß es, den Körper durchbohrend, am Rücken wieder heraustrat.
Christophstal bei Freudenstadt, 26. Okt. (Schwerer Junge.) Der 21jährige Eisendreher Fr. Gaffer, der schon früher wegen schweren Diebstahls und anderer Verbrechen wiederholt zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, hat auchHetzt wieder von der Tübinger Strafkammer eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und zwei Monaten erhalten. Man fand bei ihm ein Buch, in dem alle Städte und Museen, in denen lohnende Einbrüche verübt werden können, genau verzeichnet waren. Auch mit Mädchenhändlern scheint er in Verbindung zu stehen. Seiner Bitte um Abänderung der Gefängnisstrafe in Zuchthausstrafe, damit er vom Militär frei werde, wurde nicht entsprochen.
Tübingen, 2 7. Okt. Herzog Philipp Albrecht, ältester Cohn des Herzogs Albrecht, hat die hiesige Universität bezogen, was hier große Freude unter der Studentenschaft hervorrief. Er wird sich die zwei nächsten Semester dem Studium der Rechtsund Staatswissenschaften widmen.
Besigheim, 26. Okt. Auf dem Bahnhof hat sich heute vormittag ein tödlicher Unglücksfall ereignet. Der 28 Jahre alte, erst seit Mai d. I. verheiratete Bauer P. Riecker von Ottmarsheim
Herz und Ehre.
Roman von Arthur Zapp.
(Nachdruck verboten.)
I.
In dem nahe der Bezirkshauptstadt gelegenen großen Vergnügungs-Etablissement „Buschmühle" fand ein Sommernachtsball statt. Die Paare schwangen sich trotz der heißen Luft im flotten Wirbel des Walzertaktes. Die Eltern der nie ermüdenden Tänzerinnen und diejenigen jüngeren Damen und Herren, deren Tanzbegeisterung der hohen Temperatur gegenüber nicht standhielt, hatten in kühleren Nebensälen Platz genommen oder ergingen sich draußen im Garten, der sich in großer Ausdehnung hinter dem Lokal erstreckte.
Eine schlanke, hübsche Blondine mit fast noch kindlich weichen Zügen seufzte vernehmlich, ihre Pas wurden schleppend. Ihr Tänzer brach sogleich den Tanz ab.
„Sind Sie müde, gnädiges Fräulein?" fragte er, ihr den Arm bietend, um sie aus dem Gewühl der Tanzenden zu führen.
Ihr Atem ging noch immer schwer.
„Es ist zum Ersticken hier!" sagte sie keuchend und schlug ihren Fächer auf.
„Darf ich ich Ihnen eine Promenade im Garten vorschlagen?" sagte er und sah sie etwas zaghaft an.
Ihr Gesicht strahlte freudig, und sie beeilte sich, ihre Zustimmung zu geben.
„Ach ja, ich sehne mich sehr nach frischer Luft — auch finden wir vielleicht Papa und Mama draußen."
Sie wollte ihre Schritte nach der großen Veranda lenken, von der eine Freitreppe in den Garten führte. Aber seine Mienen nahmen einen Ausdruck von Besorgnis an und er erhob den Einwand:
„Meinen Sie nicht, daß es besser ist, gnädiges Fräulein, wenn Sie vorher etwas umnehmen? Sie könnten sich doch leicht erkälten."
Sie nickte lächelnd.
„Ja, Sie haben Recht, Herr Lehnhard."
In der Garderobe nahm sie mit seiner Unterstützung rasch ihr Cape um, dann traten sie in den Garten ein. In dem breiten Mittelweg, von dem
sich mehrere Seitenpfade abzweigten, begegneten sie anderen Paaren, die gleich ihnen sich im Freien erholten. Der Temperatur-Unterschied war groß. Else Wollmar hüllte sich fröstelnd in ihren Umhang. In ihrem Blick, den sie jetzt zu ihm erhob, lag ein deutlicher Dank für seine Fürsorge. Aber was hatte er nur? Seine Stirn war, wie sie zu ihrer Verwunderung bei dem Hellen Schein der Gasglühlaternen bemerkte, finster gerunzelt, feine Augen sahen starr zu Boden. Schweigeno schritten sie eine Weile nebeneinander. Ab und zu warf das junge Mädchen einen verstohlenen Blick auf ihren Begleiter. Ihr wurde fast beklommen zw Mute.
„Meine Eltern scheinen doch nicht im Garten zu sein", bemerkte sie endlich, um das bedrückende Schweigen zu brechen.
Er fuhr wie aus einem Traume auf und sah sich um. Dann bog er in einen Seitenpfad ein. Hier war es stiller; nur selten kreuzte ein Paar ihren Weg. »
„Wenn es Ihnen recht ist", sagte er. „rasttzK wir einen Augenblick. Darf ich Ihnen jetzt vielleicht eine Erfrischung bestellen?"