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Nr. 126 j

Dienstag, den 24- Oktober 1911

47. Jahrgang.

Der türkisch-italienische Krieg.

Nach dem türkischen Ministerium des Innern zugegangenen Nachrichten haben die Italiener in und bei Benghasi 800 Mann, die Türken nur 115 Mann verloren. Nach italienischen amt­lichen Angaben sind bei dem Kampf um Benghasi l6 Unteroffiziere und Soldaten gefallen. 71 Mann, darunter 17 Offiziere, sind schwer verwundet. Wer lügt da wieder am ärgsten?

Rom, 23. Okl. Die Agenzia Stefani meldet aus Tripolis: Ein Funkentelegramm berichtet die Besetzung von Derna (d. h. wohl die vom Sturm bisher verhinderte Landung. Wehrlos gemacht warDerna wenigstens nach den bisherigen Meldungen schon seit 18.) Ein türkischer Kapitän und sieben Matrosen, die sich in ein Verstell geflüchtet hätten, seien gefangen genommen worden. Der Bischof von Tripolis habe dem General Cansva seine Ergebenheit und Treue versichert.

Von dem italienischen Angriff auf Derna am 16. Okt. die Besetzung erfolgte am 18. Okt. gibt der Berichterstatter desCorriere della Sera", der an Bord des Postdampfers Giava zusah, fol­gende anschauliche Schilderung:

Am 16. Okt. früh trifft dieGiavu" vor Derna ein. Italienische Kriegsschiffe kreuzen vor der Stadt, in der Ferne der mit Truppen gefüllte TransportdampferFavignana", beschützt von den TorpedojügernCoatit" undAgorda". Die Flotte besteht aus derNapoli" und den KreuzernPisa", Amalfi" undSan Marco". Der Kommandant des PostdampfersGiava" geht an Bord der Pisa", deren Kommandant PreSbitero ihm die Uebergabe von Derna auf 4 Uhr nachmittags an­kündigt. Die Kriegsschiffe lagern vor Derna seit tags zuvor und Verhandlungen bezüglich der lieber- gäbe begannen sofort, stießen aber auf Schwierig­keiten. Ein Parlamentärboot derPisa" mit weißer Flagge wurde vom Land aus beschossen und mußte sich eilig zurückziehen. Die Schiffe antworteten mit etwa zehn Kanonenschüssen. Es lag aber nicht in der Absicht des Kommandanten, die Stadt mit Gewalt zu nehmen. Am 16, Okt. früh dauerten die Verhandlungen fort. Die Araber­häuptlinge waren unter den gewöhnlichen Beding­ungen bereit, sich zu ergeben, aber die Türken waren entschieden dagegen. Das Gros ihrer Trup­pen zog sich von der Stadt zurück; hundert Mann Infanterie und etwas Artillerie blieben zur Ver­teidigung der Stadt zurück. Um 11 Uhr 30 be­traten die türkischen Parlamentäre das Land und gleich darauf wurde auf derPisa" das Signal für die Beschießung gehißt. Der erste Schuß fällt und tötet zwei Türken; die nächsten Schüsse treffen

die Kaserne, ein gewaltiges Gebäude von mehreren tausend Quadratmeter Flächenraum. Es ist nach kurzer Zeit in eine Ruine verwandelt. Die Stadt liegt teilweise hinter Hügeln versteckt. Die Schüsse schlagen auch hier ein. Vom .Land erfolgt keine Antwort. Um 12 Uhr 30 hört das Feuern auf. Eine Schaluppe derPisa" nähert sich der Stadt. Am äußersten Ende, beim Leuchtturm, etwa 150 Meter vom Land, altgekommen, erhält sie lebhaftes Gewehrfeuer und muß scheunigst wenden, ohne Ver­luste aber, da die Brustwehren mit Sandsäcken geschützt sind. Aufs neue beginnt die Beschießung. Bei einem kleinen Hause, einem Marabut gehörig, erscheint die grüne Fahne, das Zeichen des heiligen Krieges. Vom Lande wird mit Kanonenschüssen geantwortet. Alle Schiffe beteiligen sich jetzt an der Beschießung. Der Lärm der Schüsse und der Widerhall der platzenden Granaten zwischen den Hügeln ist furchtbar. Die Stadt ist in Feuer und Rauch gehüllt. Ab und zu ein Ausblick zwischen den Rauchwolken zeigt die Stadt als eine einzige Ruine. Auch das italienische Konsulat ist ver­schwunden.San Marco" richtet ihr Feuer auf den Palmenwald, von woher die Türken immer noch mit unnützem Gewehrfeuer antworten. Um 2 Uhr läßt das Feuer nach. Das Landungs- manöoer beginnt. Fünfhundert Matrosen in Scha­luppen und beschützt vom TorpedojägerLanciere" und den TorpedobootenEuro" undLampo", nähern sich dem Lande, aber der schwere Wellen­gang macht die Landung unmöglich. Die Türken schießen auf die Schaluppen und die Torpedoboote antworten. Die türkischen Kanonen richten kernen Schaden an. Gedeckt von den Torpedobooten, kehren die Schaluppen zu den Schiffen zurück und Mannschaften klettern an Bord der Kriegs­schiffe. Das Feuer aus den großen Schiffsgeschützen wird noch heftiger als zuvor wieder ausgenommen. Die Stadt ist ein Feuermeer. Nichtsdestoweniger fahren die hundert türkischen Soldaten fort, aus gedeckten Stellungen zu schießen. Ihre Verteidig­ung ist gut vorbereitet, hinter tiefen Schützengräben. Selten ist ein Soldat oder ein Araber zu sehen, ein zu kleines Ziel für die Kanonen. Ein großes Petroleumlager geht in Flammen auf. Um halb vier Uhr nachmittags schweigen die Schiffskanonen. Die Schiffe bereiten sich zur Nachtruhe vor.

Petersburg, 25. Okt. In diplomatischen Kreisen verlautet, daß während der letzten Tage zwischen allen Großmächten ein reger Meinungs­austausch über eine Vermittlung zwischen Italien und der Türkei stattgefunden hat. Angeblich soll beschlossen worden sein, daß Deutschland im Namen aller Großmächte die Initiative ergreift. Gegen­wärtig sondieren die Vertreter Deutschlands in

Rom und in Konstantinopel von neuem, um für beide Teile annehmbare Friedensbedingungen fest- ' zustellen. Erwartet wird, daß die VermittluNgs- ! frage nicht später als bis Ende der Woche geklärt «wird.

klintlscbail.

Stuttgart, 23. Okt. Wie das Südd. Korresp.-Bureau hört, hat Ihre Kaiserliche Hoheit Frau Herzogin Wera in der Nacht vom Samstag zum Sonntag einen leichten Schlaganfall erlitten. Im Lause des Sonntags ist eine Verschlimmerung nicht eingetreten. Das Allgemeinbefinden der hohen Frau ist nicht unbefriedigend.

Stuttgart, 23. Okt. Fürst und Fürstin v. Bülow sind zu kurzem Besuch bei Verwandten hier eingetroffen. Heute mittag begaben sie sich in Begleitung des Gesandten v. Bülow nach Lud­wigsburg, wo dessen Sohn beim Ulanen-Regiment dir. 30 in Garnison steht. Der Fürst und die Fürstin setzen morgen ihre Reise nach dem Genfer See fort, um einige Tage in Montreux zu ver­weilen.

Stuttg'art, 23. Okt. Bekanntlich hat die Verwaltung des Stuttgarter Ortskrankenkassenver­bandes das Schloß Freudental bei Besigheim zum Zweck der Schaffung eines Erholungsheims für die Krankenkassenmitglieder angekauft. Der Kauf­preis betrug 70 000 Mark, eine nicht eben sehr hohe Summe, wenn man bedenkt, daß zum Schloß auch ein ziemlich großer Grundbesitz gehört. Die Einrichtungskosten sind zu 43000 Mark veran­schlagt, sodaß der Gesamtaufwand für das neue Erholungsheim auf 113 000 Mark sich stellen wird. Von den Kosten will der Krankenkassenverband 33 000 Mark aus dem Reservefonds decken, den Rest durch Aufnahme eines Darlehens.

Die Lebeusmittelteuerung hat neuerdings ver­schiedene Städte veranlaßt, zur Selbsthilfe zu greifen und insbesondere die Kartoffellieferung für die weniger bemittelten Kreise in die Hand zu nehmen. Verschiedene Anzeichen deuten aber darauf hin, daß die jetzt ergriffenen Schritte nur den Anfang einer Bewegung bedeuten, die bestimmt noch größeren Umfang annehmen und auch noch die Fleisch- und Milchlieferung für die städtische Bevölkerung in ihre Kreise ziehen wird.

Stuttgart, 23. Okt. Die Sozialdemokratie zeigt im Hiublick auf die bevorstehenden Reichstags­wahlen in der Abhaltung von Volksversammlungen zu Agitationszwecken auf den verschiedenen Gebie­ten eine große Betriebsamkeit. In den nächsten Tagen kommt auch der Genosse Pannekoek, der an der Tagwachtkrise, wenigstens indirekt, eine ge-

Schuldbeladen.

Roman von Heinrich Tiadem.

(Nachdruck verboten

Es tönte Gelächter und Flüche. Mehrere Men­schen stolperten in das Dunkel. Ein Streichholz flammte auf und verpuffte. Dann griffen viele Fäuste durch die Luft nach einem Menschen, der sich nicht wehrte. Ein Messer klirrte auf dem Boden.

Dann ein heiserer Schrei ein Mensch stürzte. Um ihn bewegten sich schwarze Gestalten wie taumelnde Teufel. Man hörte Füße stampfen. Jemand schwang eine Eisenstange durch die Lust einmal zweimal. Beim zweitenmal fuhr sie in etwas hinein, das einen dumpfen, krachenden Ton gab. Eine warme, feuchte Masse spritzte umher dann war alles still.

Von fernrrher gellte ein scharfer Pfiff. Dann noch einer. Es waren die Wächter der Nacht, die an jedem Abend ihr Leben an einem Seiden­faden durch diese Wildnis trugen. Sie sind ge­wohnt, in der Finsternis zu sehen und ihr Ohr

kennt die Töne der Nacht. Ihre Herzen aber sind hart gegen die Schrecknisse ihres Nachtlebens.

Sie waren zu vieren, als sie aus dem Kampf­platz ankamen. Da war alles dunkel und still. Nur em Mensch lag da, starr und kalt.

Am nächsten Morgen vernahm die Stadt London, daß der berühmte Geiger Strakeau in einer der berüchtigtsten Gegenden der Stadt das Opfer eines Uebersalles geworden sei. Man bedauerte das sehr lebhaft. Die Blätter behaupteten, Strakeau sei berufen gewesen, ein Stern erster Größe am Musikhimmel zu werden, wenn nicht dieser Unfall ihn betroffen hätte.

Im übrigen, so fragte man sich, was hatte Herr Strakeau in dem Verbrecher-Quartier Londons zu

suchen 7

XXI.

Edelhagen pilgerte nun jeden Tag zum Kranken­hause und erkundigte sich nach dem Zustande Me­littas. Meistens war Doktor Stanhope selbst an­wesend und erteilte gern Auskunft. Leider war diese Tag für Tag gleich trostlos. Das Fieber wütete mit ungemeiner Stärke und Hartnäckig­keit. Tagelang stand der Tod am Bette der

Kranken und überlegte, ob er sie fordern sollte oder nicht.

Der Tod ist ein boshafter, schadenfroher Ge­selle. Er schielte zu dem Manne hinüber, der jeden Tag mit schmerzlicher und sorgenvoller Miene zum Krankenbett geschlichen kam. Er grinste und hob die Hand zur Stirne der Kranken. Doch immer noch besann er sich unt> zog die Hand zurück.

Und als er tagelang gestanden und sich be­sonnen hatte, siehe, da hatte er eines Nachts still seine Hippe genommen und war kopfschüttelnd hinweg gegangen.

Er trat in das Nebenzimmer, wo ein junger Schotte mit halbgeschlossenen Augen von Heimat und Wiedersehenssreude träumte. Und er schlug dem armen Burschen seine harte Knochenhand ins Gesicht, daß die träumenden Augen erstarrten und das Herz stille stand.

Dann ging er zum Hause hinaus.

Eines Abends, als Doktor Stanhope die bange Frage Edelhagens nur mit einem ernsten Kopf­schütteln und einem stummen Händedruck beant­wortete gnd Edelhagen sich in tiefer Niederge­schlagenheit in seine Wohnung zurückbegab, traf er