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MM

Anzeiger

für Wildbad u. Mrngevung.

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Hierin Illustriertes Sonntagsdlatk und mährend der Saison: Amtliche Fremderrlistq.

Nl. 125 j

Samstag, den 21- Oktober 1911

47. Jahrgang-

Der türkisch-italienische Krieg.

In den heutigen Meldungen spielen die nächt­lichen Gefechte wieder eine große Rolle. Der Er­folg ist immer auf der Seite des Berichtenden. Nach Mitteilung des türkischen Kriegsministeriums hat am 16. ds. in Tripolis ein dritter Nachtkampf gegen die Italiener stattgefunden, die 60 Tote hatten. Nach italienischen Meldungen wurde in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch nördlich vom Bumelipnabrunnen eine türkische Patrouille gemeldet, die sich nach kurzem Feuergefecht zurück­zog. Sie ließ einen Toten und mehrere Verwundete auf dem Platze. Die Meldung, daß es während der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag zu heftigen Zusammenstößen zwischen Türken und Italienern gekommen sei, wobei letztere beträchtliche Verluste erlitten hätten, wird ebenso wie die Nachricht, daß die Cholera unter den Eingeborenen und den italie­nischen Truppen bestehe, von Rom aus bestimmt dementiert. Nach einer der Regierung vom General Caneva zugegangenen Mitteilung ist vielmehr der Gesundheitszustand der Truppen ausgezeichnet. Das TorpedobootFeccia", das vor Tripolis ge­scheitert ist, konnte nicht flott gemacht werden. Ein von England erbetenes Hilssschiff wurde mit dem Hinweis auf die neutrale Stellung dieser Macht verweigert. Das Kriegsgericht mußte gestern zum erstenmalzusammentreten,um 2 Araber abzuurteilen, die beschuldigt werden, mit dem türkischen Lager in Verbindung gestanden zu haben.

Am 18. Okt. vormittags erschien vorBenghasi die zweite Staffel des italienischen Expeditionskorps, begleitet von mehreren Linienschiffen, Panzerkreuzern und Torpedobooten. Admiral Aubry forderte den Platzkommandanten zur Uebergabe auf, . Die türkischen Behörden verweigerten sie und der italienische Admiral räumte infolge des schlechten Wetters noch eine Frist bis 6 Uhr früh für die Uebergabe ein. Um 6 Uhr, als die der Garnison gewährte Frist ergebnislos verlaufen war, schritt man zur Beschießung der Festungswerke, welche kurze Zeit andauerte, bis die Truppen mit der Ausschiffung beginnen konnten. Als die ersten italienischen Streitkräfte an Land stiegen, wurden sie von den Türken heftig angegriffen. Indessen gelang es den Italienern, den Gegner zurückzuschlagen und sich zu behaupten. Nach und nach wurden dann 4000 Mann ausgeschifft. Der Kampf begann gegen 9 Uhr früh und dauerte bei Sonnenunter­gang noch an. Die Italiener griffen nach einer glänzenden Wendung, die gegen Sonnenuntergang ausgeführt wurde, die Kaserne und das Dorf Sidi Hussain an und nahmen sie im Sturm. Alle Truppen waren am Abend an Land gebracht

und lagerten in der besten Stellung, die sie stark .befestigten. Heute morgen wurde es infolge der feindseligen Haltung der Araber notwendig, den südlichen Teil der Stadt zu bombardieren, auf den eine beschränkte Zahl von Kanonenschüssen abgefeuert wurde. (Ganz in italienischen Händen ist Bcnghasi also immer noch nicht.)

Die am 18. Okt. vor Homs angekommenen Truppen schickten gestern ein Boot mit Offizieren an Land, um den Befehlhaber der türkischen Streit­kräfte zur Kapitulation aufzufordern. Dieser erbat sich die Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen, um verhandeln zu können. Als er das Schiff betreten hatte, wiederholte man ihm die Aufforderung, sich zu ergeben, worauf er um Aufschub bat, der ihm nicht gewährt wurde. Nachdem er an Land zurückgekehrt war, verschanzten sich die Türken in der Kaserne und trafen Vorbereitungen für den Widerstand. Darauf eröffneten die italienischen Kriegsschiffe das Feuer auf die Kaserne und die Festungswerke, schonten jedoch die Häuser. Nach kurzer Zeit wurde eine weiße Flagge gehißt und die Italiener konnten landen. Da das Meer aber zu bewegt war, mußte die Landung auf heute verschoben werden.

Das angedrohte Erscheinen der italienischen Flotte im ägäischen Meer hat auch dort Verteidi­gungsmaßregeln zur Folge. Nach einer amtlichen Mitteilung der ottomanischen Regierung an die deut­sche Botschaft in Konstantinopel wurden in den Hafen von Smyrna und Saloniki Kontaktminen gelegt. Zur Vermeidung von Unfällen wird die Fahrstraße den neutralen Schiffen von Lootsenbooten gezeigt.

Mehemed Bey, ein Enkel von Abd el Kader, soll in Tunesien ein Freiwilligenkorps von 30,000 Mann gebildet und die Grenze von Tripolis über­schritten haben. Die für Aegypten gebildete Frei­willigenkorpsabteilung ist an der Grenze von Beng- hasi angekommen.

Nach Meldungen aus Tripolis erhielten die türkischen Truppen die Weisung, zu versuchen, die italienischen Truppen durch einen Guerillakrieg zu ermüden und langsam aufzureibeu, sich aber nicht in ernste Gefechte einzulassen, sondern nur fort­während den Gegner in Atem zu halten. Gestern haben die Italiener den Vormarsch angetreten. Ka­valleriepatrouillen wurden der Kolonne vorausge­schickt. Das Gros der Italiener soll eine Stärke von 20,000 Mann haben.

Konstantinopel, 19. Okt. Der hiesige Ver­treter Egyptens meldet dem Großwesir, daß in einer Volksversammlung in Egypten 20 000 . Pfund Sterling für die Fortsetzung des Krieges gegen Italien gesammelt worden seien.Jkdam" stellt fest, daß nur die Vereinigten Staaten von Amerika

ihre Neutralität nicht erklärt hätten. Es geht das Gerücht, die Vereinigten Staaten würden zugunsten der Türkei einschreiten, da die Amerikaner das Ausbeutungsrecht für die Schwefelminen in Tripolis besitzen. Amerika habe der Türkei Unterstützung gegen Angriffe der italienischen Flotte auf die Inseln des Archipels oder auf Kleinasien zugesagt, wozu die vor Mythilene eingetroffene amerikanische Flotte bestimmt sei. Die Note der Pforte betreffend die Durchfuhr durch die Meerenge bezieht sich nicht nur auf russischen Weizen, sondern auch auf ,den Weizen aus allen Häfen des Schwarzen Meeres.

Kuiiascbau.

Stuttgart, 19, Okt. (Keine Landeskranken­kassen für Württemberg.) In der letzten Sitzung des Gesamtkollegiums der Zentralstelle für Ge­werbe und Handel sprach der Referent im Namen der Mehrheit des Kollegiums sich gegen die Er­richtung von Landeskrankenkaffeu in Württemberg aus, gegen die auch zwei Drittel der Oberämter, ferner die Handels- und Handwerkskammern des Landes mit Ausnahme der Stuttgarter Handwerks­kammer und Rottweiler Handelskammer sich ent­schieden hätten.

Im Alter von 80 Jahren ist hier heute Generalleutnant z. D. Otto v. Clausen gestorben. Im Feldzug von 1866 war er Adjutant der ersten Brigade. Im Krieg 1870/71 führte er die fünfte Kompagnie des Olgaregiments und hat sich be­sonders in den Tagen von Champigny ausgezeÄnet.

Stuttgart, 18. Okt. Bei der. heutigen Ziehung der großen Stuttgarter Geldlotterie des Württ. Rennvereins wurden folgende Gewinne ge­zogen: 15000 Mk. Nr. 79 197; 6000 Mk.. Nr. 73 239; 2000 Mk. Nr. 94410; je 1000 Mk..Nr. 5474 und 8736; je 500 Mk. Nr. 1656.und 9383. (Ohne Gewähr.) Der 1. und der 3, Gewinn wurden von Generajagent I. Schweickert, Markt­straße hier, verkauft.

Stuttgart, 19. Okt. Gestern kurz vor Mittag stürzte sich eine Angestellte des Cafö's Aßfalg in selbstmörderischer Absicht oberhalb der Kömg-Karls-Brücke in den 'Neckar. Ein Knecht der Kreglingerschen Kunstmühle beobachtete sie, sprang ihr nach und brachte sie wieder ans Land. In bewußtlosem Zustand wurde sie ins Katharinen- Hospital verbracht.

Stuttgart, 19. Okt. Dem heutigen Kartoffel­großmarkt waren 750 Ztr. zugeführt. Preis 4.80 bis 6.20 Mk. per Ztr.

Die Bedeutung der Nadelreisstreu bespricht Oberförster Dr. Schinzingex-Hohenherm imLandw. Wochenblatt" und kommt zu dem Ergebnis, daß die Nadelreisstreunutzung für dm

Schuldbeladen.

Roman von Heinrich Ti adern.

(Nachdruck verboten)

Langley blickte mit dummem Gesicht hinter ihm drein.

Der Esel nun läuft er weg und läßt sein Weib im Stich. Na, Tarleton, Sie sind ein Glücks­pilz. Sie können nun rnit Goldschmidt um den Besitz des Liebchens würfeln."

Der Marquis trat mit einem schnellen Schritt dicht an Langley heran. Seine Augen bohrten sich in die blöden des Baronets wie zwei blanke Stahlklingen.

Hinaus aus meinem Hause! Und daß ich Sie nicht noch einmal hier sehe! Mein Diener würde sonst Arbeit bekommen."

Langley mackste erst ein ungemein verblüfftes Gesicht. Dann knurrte er mit verbissener Wut etwas Unverständliches vor sich hin und schob sich rückwärts.

Auf der Treppe begegnete ihm ein älterer Herr, der sich nach kurzem Gruß eilig nach oben

begab und von Tarleton als Doktor Stanhope begrüßt wurde.

Eine Stunde später lag Melitta, bei der nach Entfernung Strakeaus das Fieber mit voller Ge­walt losbrach, in einem eleganten Zimmer einer Krankenanstalt. An ihrem Bette war Doktor Stanhope, der Leiter der Anstalt, mit einem Assistenten und einer Pflegeschwester beschäftigt.

Das Urteil des Arztes lautete auf schweres Nervenfieber. Als die Schwester kopfschüttelnd bemerkte:Wir werden sie schwerlich durch­

bringen I", da nickte er ernst vor sich hin und sprach nach einer Weile:Wir müssen es eben ver­suchen!"

XX.

Zu derselben Zeit erregte an der Westminster- Abtei ein Mann mit unbedecktem Haupt und wirrem Haar das Aufsehen der Passanten. Mit schwan­kenden Schritten bewegte er sich über den freien Platz vor der altehrwürdigen Abtei und prallte entsetzt vor dem Schatten des vor dem Eingang stehenden Monumentes zurück. Er stieß halblaute Worte aus und sein Gesicht verzerrte sich dabei, als murmelte er greuliche Verwünschungen. Da­

bei fuhr er mit seinem Arm durch hie Luft und gestikulierte mit langen, dürren Fingern.

Man lachte und hielt ihn für einen Betrunkenen, und ein Nachtpoliceman schlenderte eine Zeit lang - hinter ihm drein und blickte ihm nach, bis er in der dunklen Millbank-Street, die sich dicht am Themse-Ufer hinzieht, verschwand.

Und weiter taumelnd gelangte er zu jenem großen, finstern Gebäude, das der Londoner mit großer Abneigungthe Millbank - Pententiary" nennt. Es ist die Korrektionsanstalt, die mit ihren sechs sternförmig auseinander laufenden Flügeln und seiner den ganzen Komplex umgebenden hohen Mauer ein Bild trostloser Melancholie bietet und aussieht, wir eine Filiale der Unterwelt.

Wie ein riesengroßes Ungeheuer lag das Ge­bäude da und glotzte aus vielen schwarzen Augen­höhlen in die Runde. Und in der weiten, wüsten Umgebung sah es nur einen einzigen Menschen. Und dieser Mensch stand an der Mauer und starrte hinauf zu den öden Fensterlöchern und hatte die Empfindung, im Innern einer dieser schrecklichen, dunklen, einsamen Zellen sich zu befinden und emporzustarren mit schlaflosen Augen gegen den