jene, die durch Geschoss« oder stürzende Mauer­trümmer sofort getötet wurden. Aber die vielen Unglücklichen, die sich stundenlang im Todeskampf wälzten, die Krüppel bleiben für ewige Zeiten! Ganze Familien waren gleichzeitig zu den Vätern versammelt worden. Nie werde ich das hübsche Kind vergessen, ein blühendes, 18jähriges Mädel, daS mit leichter Fleischwunde im Rücken, trotzdem ich sofort guten, stillenden Verband anlegte, eine Stunde später aus bloßer Furcht starb, die Schrecken der Beschießung könnten sich wiederholen! Ein zweijähriger Junge war von drei Granatsplittern am Kopfe verletzt worden, die Mutter wischte sein Gehirn ab mit dem weiten Aermel der Suria (Hemd) und reichte mir es, sorgfältig gesammelt: ich möge es wieder an Ort und Stelle bringen,sonst wird er geisteskrank". Arme Mutter! Der Kleine ver­schied nach wenigen Stunden. Einer Frau war der rechte Arm zerquetscht durch stürzende Mauer­trümmer, ein Mann mit zerstörtem Augenlicht saß im Winkel und winselte still vor sich hin. Von den zahllosen leicht Verwundeten will ich nicht sprechen angesichts des großen Elends, das beinahe heranreicht an die furchtbaren Schreckensszenen von Casablanca. Meine Verbandvorräte gingen schnell zu Ende. Von den beiden in der Stadt befind­lichen Aerzten, ein Grieche und ein Italiener, hat keiner eine Hand, gerührt. Dabei gab es allein im Hara (Judenviertel) 7 Tote und gegen 20 Ver­wundete.

Mittwoch vormittag wurde wieder geschossen, doch nur der Oasengürtel zum Ziel genommen, und zwar, weil ein Torpedojäger einfuhr mit einer Flagge, welche vor Zeiten vielleicht weiß war. Ich hatte sie sogar mit meinem vorzüglichen Zeiß nicht zu erkennen vermocht. Natürlich nahmen die vier Soldaten, welche die Gesamtbesatzung des Bordsch Sultanieh bildeten, das Boot sofort unter Feuer. Folge: die Zerstörung des ganzen Villenviertels von Scharaschat durch neue Beschießung. Inner­halb Tripolis fanden ewige Konsulatsitzungen statt; was da ausgekocht wurde in den langen Stunden, wissen die Herren heute wohl selbst nicht mehr. Ferner erneuerte sich die hastige Absendung von Waffen, Munition, Decken, Konserven usw. inS Innere.

Donnerstag, 5. Oktober: Frühzeitig mor­gens begann wieder die Beschießung von Fort Sultanieh, sowie der im Westen gelegenen drei kleinen Lehmgürtel, deren größter den stolzen Namen Fort Gergarish führt. Zugleich landete dort Marineinfanterie, besetzte die Wälle, brachte Ambulanzen, Munition und Proviant. Die Ambu­lanzen traten bald in Tätigkeit. Denn kampfmutig, wie landende Truppen nun einmal sind, beschossen sie sich gegenseitig, wobei es einen Toten und drei Verwundete gab. Mittags waren die Leute soweit rangiert, daß sie gegen die Stadt vorrücken konnten. Hier waren inzwischen längst die letzten türkischen Truppen abgezogen und halten Tür und Tor geöffnet bei allem, was behördliches Eigentum war. Die Araber plünderten nun selbst alles, was angenagelt war. Nicht nur Schreibtische, Vorhänge, Geschirr, Holzvorräte wurden fortgetragen, sogar die Bretter des Fußbodens wurden aufgerissen, Türen und Fenster ausgehängt. Um 5 Uhr abends, als die italienischen Truppen von Gegarisch her einrückten und zugleich unten an den Mauern des Serai Truppen landeten von Schiffen, welche in­zwischen in den Hafen gefahren waren, wurden oben am Serai vom nachplündernden Stadtmob sogar noch die Fenstergitter ausgerissen. Etwa 2000 italienische Weißjacken waren abends in der Stadt mit mehreren kleinen Geschützen. Es wurde sofort ein Kordon gezogen, die Hauptpunkte der Stadt besetzt und Patrouillen abgefertigt. Tripolis ist italienisch! Ruhm hat man sich wenig geholt.

zu singen begann in der alten wohlbekannten Weise, da wurde seine Hand ruhig. Ueber sein Gesicht ging ein Leuchten, als er nach einigen ein­leitenden Takten den alten seligen Sang anstimmte, mit dem er damals seiner ersten jungen Liebe eine heilige Weihe gegeben hatte.

Melitta schloß die Augen und ein glückliches Lächeln legte sich über ihre Züge.

ES war ein seltsamer, tief ergreifender Moment. Selbst Tarleton, dessen Seele auf Gemütseindrücke gewöhnlich nicht reagierte, wurde aufmerksam und lauschte mit einem Interesse, dar an Andacht grenzte, dem Liebeslied von der Insel der Seligen.

Niemand bemerkte, wie inzwischen John, der Diener, neu angekommenen Personen das Haus geöffnet hatte. Schnelle stolpernde Schritte, durch den dicken weichen Teppichbelag gedämpft, kamen die Treppen empor und näherten sich der offen­stehenden Türe des Salons.

Tarleton und Doktor Goldschmidt wandten sich schnell um, als plötzlich dicht hinter ihnen ein er- stickter heiserer Laut ertönte. Sie sahen sich einem barhäuptigen Menschen gegenüber, der mit ver-

Die beiden Befestigungen hatten als Besatzung je 4 Mann, man schreibe vier Mann; davon sind jene von Scharaschat neben ihren alten Geschützen gefallen. In der Stadt war kein einziger türkischer Soldat seit Mittwoch früh, und vorher nur soviel, als nötig waren, um den Rest Munition landein­wärts zu senden. Man hatte Lehmwälle und Bürgerhäuser beschossen, eine vollkommen wehrlose Stadt, und um sie zu besetzen, über eine Woche gebraucht, obwohl 48 Stunden reichlich genügt hätten.

klintlrcbau.

Bestätigt wurde die Wahl des Gipsers Friedrich Klaiber in Enzklösterle zum Orts­vorsteher der Gemeinde Enzklösterle.

Stuttgart, 18. Okt. DieDeutsche ReichS- post" tritt lebhaft dafür ein, daß Graf Zeppelin von den vereinigten bürgerlichen Parteien als Reichstagskandidat im Stuttgarter Wahlkreis auf­gestellt werde. Der Graf gehört keiner Partei an und man habe keinen Grund, ihn abzulehnen. Er sei gewiß zur Annahme einer solchen Kandidatur bereit.

Stuttgart, 18. Okt. Der Landesverband der württembergischen Verwaltungsaktuare hält am Sonntag, 29. Oktober, seine Jahresversammlung hier ab. Auf der Tagesordnung stehen die Frage der Anstellungsverhältnisse der Verwaltungsaktuare, die Aenderung des Revisions- und Abhörwesens und die Geschäftsvereinfachung in der Bezirks- und Gemeindeverwaltung.

Calw, 18. Okt. Heute nacht ^12 Uhr brach in dem der Frau Melchior Eisenhardt hier gehörigen Wohnhaus aus bis jetzt unaufgeklärter Ursache Feuer aus. Dem raschen und tatkräftigen Eingreifen der hiesigen Feuerwehr ist eS zu danken, daß das Feuer nur den Dachstock verzehrte; immer­hin hat das Haus durch die hineingeworfenen Wassermengen gehörig gelitten. Der entstandene Schaden ist durch Versicherung gedeckt.

Calw, 18. Okt. Die Kartoffelpreise bewegen sich zwischen 4 und 5 Mk-, je nach Qualität. Die Kartoffelernte ist besser ausgefallen, als man er­wartet hatte, und somit haben die Kartoffeln nicht den hohen Preis erreicht, den man im Sommer gefürchtet hatte; immerhin ist der Preis für dieses wichtige Nahrungsmittel genügend hoch. Auf dem hiesigen Bahnhof wurde in den letzten Wochen schönes italienisches Mo st ob st zu 7 Mk. per Zentner verkauft.

Liebenzell, 18. Okt. In der Nacht vom Sonntag auf Montag starb hier Herr E. Schönten, Besitzer des Gasthofs zum Adler.

Freuden st adt, 18. Okt. (Wintersport.) Zur Hebung des Wintersports wünscht der Hotel­besitzerverein eine Rodelbahn mit elektrischem Auf­zug, eine Schlittschuhbahn und eine Bobsleighbahn in Freudenstadt und stellt einen namhaften Beitrag in Aussicht. Der Gemeinderat sprach sich mit großer Mehrheit gegen Verwilligung eines städtischen Beitrags aus.

Freudenstadl, 18. Okt. In der Nacht vom letzten Freitag auf Samstag sind hier 2 ziemlich starke Erdstöße bemerkt worden.

Auf der Landstraße zwischen Talhausen und Epsendorf, OA. Oberndorf, hatten einige Epfen- dorfer Burschen quer über die ganze Breite der Straße große Steine gelegt und diese zwecks Täusch­ung mit Laub überdeckt, sich selbst aber tief im Gebüsch versteckt, um die Wirkung beim Heran­nahen eine» Automobils beobachten zu können. Ein hiesiger Automobilbesitzer fuhr über das raffinierte verdeckte Hindernis und ruinierte seinen Wagen gründlich; nur durch Zufall geschah kein größeres Unglück. Durch einen eben des Weges

kommenden Landjäger wurden die Täter aus ihrem Versteck hervorgeholt und sehen einer jedenfalls ge­hörigen Strafe entgegen.

Schramberg, 16. Okt. Gestern und heute wurde hier der 11. Delegiertentag der kath. Ar­beitervereine Württembergs gehalten. In der Hauptversammlung traten als Redner auf: General­sekretär Stegerwald-Köln,Landtagsabg. Graf-Stutt­gart und Landtagsabg. Walterbach-München.

Tübingen, 18. Okt. Die erste nationale Polizeihundeprüfung am nächsten Sonntag in Tü­bingen verspricht ein sportliches Ereignis ersten Ranges zu werden Es sind jetzt schon 18 Poli­zeihunde reinster Rassen und bester Dressur ange­meldet, so aus Würzburg, Hamburg, Köln, Frank­furt, Mühlheim, Pforzheim, Iserlohn. Von Stutt­gart kommen der berühmte Sherlock und Lux.

Neckarsulm, 1.7. Okt Aus Berlin kommt die telegraphische Nachricht über einen schweren Automobilunfall des Direktors der Neckarsulmer Fahrrad- und Automobilwerke Hardt und seines Chauffeurs Wöhr. Direktor Hardt, der seine Firma auf der Internationalen Automobilausstellung ver­tritt, war auf einer Fahrt im Grunewald mit einem Vorführungswagen begriffen, als ein Kind unmittelbar vor dem Kraftwagen, der in mäßigem Tempo fuhr, die Straße kreuzen wollte. Der Chauffeur bremste sofort mit aller Kraft, doch wurde durch den plötzlichen Ruck der Wagen heftig gegen die Bordschwelle geschleudert und überschlug sich. Die Insassen flogen in hohem Bogen heraus und wurden mit schweren Verletzungen vom Platze getragen.

Neckarsulm, 18. Okt. Die Weingärtnerge- sellschaft hat ihr heuriges Gewächs von insgesamt 585 Hektoliter zum Durchschnittspreis von 94 Mk. abgrsetzt. Dieser Preis ist in den letzten 20 Jahren weitaus der höchste.

Crailsheim, 17. Okt. Heute früh 7 Uhr wurde ein 17jähriges, besser gekleidetes Fräulein von auswärts tot in der Jagst aufgefunden. Die Persönlichkeit der Toten ist bis zur Stunde noch nicht näher festgestellt. Wahrscheinlich liegt Selbst­mord vor. Das Fräulein war gestern abend mit dem Zug hierher gekommen und hatte sich bei einem Jungen nach einem größeren Fluß in der Nähe erkundigt.

Welzheim, 18. Okt. Die Rest-Bahnstrecke Rudersberg-Welzheim der Nebenbahn Schorndorf- Welzheim soll am 15. November dem Betrieb übergeben werden.

Buchau, 17. Okt. Das Opfer der Bluttat vom Samstag, Gärtner G. Wield, ist gestern nach zweitägigen qualvollen Leiden im hies. Spital ver­schieden.

Berlin, 18. Okt. Der Reichskanzler hat sich am Sonntag von Hohenfinow zum Kaiser nach dem nahegelegenen Jagdschloß Hubertusstock be­geben, um ihm Vortrag zu halten, ist aber nicht zurückgereist, sondern auf Einladung des Kaisers dort geblieben, um mit ihm am Montag nochmals zu konferieren. Da in Hubertusstock wiederholt wichtige Entscheidungen gefallen sind, darf man immerhin gespannt sein, was der Reichskanzler dies­mal mitbringen wird. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß die Unterhaltung sich weniger um die innere, als um die äußere Politik gehandelt hat, um Tripolis und Marokko. Die Kongover­handlungen sollen in diesen Tagen ernst in An­griff genommen und eifrig gefördert werden. Die Richtlinien dafür mögen wohl in Hubertusstock fest­gestellt worden sein. Wie wir hören, liegt es keineswegs in der Absicht der deutschen Diplomatie, entsprechend den Anregungen des früheren Gouver­neurs v. Puttkamer auf eine Kongokompensation im Süden zu verzichten und mit einer Landab­

zerrten Zügen und gesträubtem Haar auf den in§ der Mitte des Zimmers stehenden Geiger blickte. Edelhagen, der der Türe den Rücken zuwandte, hatte in seiner Versunkenheit nichts bemerkt und spielte ruhig weiter.

Melitta jedoch hatte den Aufschrei vernommen sie richtete sich langsam empor und blickte zur Tür.

Strateau erkennend, wich sie langsam zurück mit abwehrend vorgestreckten Händen bis sie neben Edelhagen stand. Heftig erfaßte sie die Hand, die noch immer den Bogen führte. Erstaunt, »erträumt, wie aus tiefem Schlaf erwachend, blickte er auf.

Da Richard, sieh, er ist da er will mich ermorden."

Edelhagen wandte sich schnell um

Er stand Auge in Auge mit dem Menschen, der sich an seinem Leben und seinem Glück ver­griffen hatte.

Sekundenlang war es totenstill.

Aus allen Gemütern lastete die ungeheure Spannung dieser Sekunden nur einer emvfand nichts davon, und dar war der kleine Baronet

Langley, der dicht hinter Strakeau stand und halb blöde und halb tückisch lächelte.

Ah, musikalische Nachtunterhaltung schön, sehr schön, Mylady und Gentlemen," meckerte er. Habe noch einen Gast dazu gebracht. Schöne Geschichte das bin wohl der einzige Moralische in diesem Kreise, Hab der entlaufenen Ehefrau ihren Mann zugebrachi. Kann wahrhaftig nicht begreifen, lieber Marquis, daß Sie Ihr Haus für entlaufene Weiber öffnen"

Er brach ab, denn in diesem Augenblick gellte ein markerschütternder Schrei durch das stille Haus.

Edelhagen hatte sich Strakeau um einen Schritt genähert. Er hob den Arm wider ihn und Worte der Anklage stiegen auf seine Lippen. Doch er kam nicht dazu, sie auszusprechen. Aufschreiend, mit dem Ausdruck eines maßlosen Entsetzens wich Strakeau vor seinem Gegner zurück.

Hinweg du Geist der Rache waS willst du noch von mir! Hast du mich nicht schon genug gequält?"

Und mit einer plötzlichen Bewegung wandte er sich um und floh die Treppe hinab.

(Fortsetzung folgt.)