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Sir 124 I
Donnerstag, den 19 Oktober 1911
47. Jahrgang-
Der Misch-italienische Krieg.
Auch die letzten zwei Tage ist um Tripolis nichts Wesentliches geschehen. Die Konstantinopeler Zeitung „Sabah" berichtet zwar wieder von einem siegreichen Gefecht der Türken gegen ins Innere vordringende italienische Truppen, wobei 100 Italiener gefallen seien; doch klingt dies unwahrscheinlich. Nach neuesten Meldungen herrscht unter den türkischen Truppen großer Mangel an Lebensmitteln, was lähmend auf ihre Tatkraft wirkt- — Munir-Pascha hat den Oberbefehl an Oberst Nim- sciat-Bey abgetreten.
Die italienische Vorpostenlinie zieht sich nun vom Fort Sultanje längs dem West-und Südrand der Oase bis gegen Sidi Mestri hin und umschließt alle Brunnenanlagen, di« Tripolis mit Wasser versorgen. Die Italiener wollen die Türken in aller Form aushungern. Da die Türken gänzlich unvorbereitet waren und von jeder Zufuhr von außen abgeschnitten sind, ist dies leicht zu bewerkstelligen.
Tripolis, 18. Okt. Der italienische Oberbefehlshaber beschloß, Hom» zu besetze« und entsandte dorthin Truppen unter der Eskorte von Kriegsschiffen. Die türkische Garnison in Horns wird zur Kapitulation aufgefordert werden. Fall» sie diese ablehnt, wird die Besetzung mit Waffengewalt vorgenommen werden.
Konstantinopel, 17. Okt- Wie dys Eri-gS- mimsterium auf Grund seine; Nachrichten aus Tri, poljs der Presse mitteilt, hatte« hje wiederholt»« türkischen Angriffe keine erwähnenswerten Erfolge, da die italienischen Truppen durch die Artillerie der Kriegsschiffe geschützt wurden, Doch exlittxn die Italiener kleinere oder größere Verluste, Die Italiener landeten in Tobruck 500 Mann Marineinfanterie.
Gestern früh ist eine türkische Schiffsdivision vom Goldenen Horn mit unbekanntem Ziel qbg»- gangen.
Konstantinopel, 18 . W. Da? Amtsblatt veröffentlicht eine kaiserliche Verordnung, wonach die aus Italien stammenden Waren vom Tage der Kriegserklärung UN einem 100 "/oigen Zoll unterworfen werden sollen,
Konstantinopel, ly. Okt. We „Hghah" meldet, hat der Mnisterra.t beschlossen, feine Vermittlungsaktion anzuuehrnen, sondern den Krieg fortzusetzen, bis Italien auf der Grundlage de? Standpunkts, den ose Pforte einnimmt, Verhandlungen eingehe. „Sabah" meldet ferner einen neuen Angriff der Türken von Dschisan aus gegen die Italiener. Ikdam erfährt, daß die Türken einen Sturmangriff auf Tripolis vorvereiten.
Vier neu« Aerqplane, die aus Frankreich in Rom angelangt sind, wurden zusammen mit 7 Flugmaschinen der militärischen Fliegerschule nach Tripolis gesandt, 11 Offiziere, von denen einige an dem Wettsluge Bologna-Venedig teilgenymmen hatten, werden die Apparate lenken und neuartige Bomben mit sich führen, deren Wirkung entsetzlich sein soll- So wird in Tripolitanien zum ersten male die schrecklichste Waffe der modernen Krieg-, führung verwendet werden.
Berlin, 18. Oft- Eine sichtlich offiziöse Meldung wendet sich auf? neue gegen die Behauptungen, man sei über die Absichten Italiens überall besser unterrichtet als in Berlin- Sie lautet: Auswärtige Blätter haben mit Bezug auf die Tripolisangelegenheit von einer Spezialmission gesprochen, mit der die italienische Regierung im August dieses Jahres den französischen Botschafter in Rom, Barrere, bei der französischen Regierung betraut habe. Wie wir aus zuverlässiger italienischer Quelle erfuhren, hat diese angebliche Speziqlnüssion niemals existiert, Die Mitteilungen der italienischen Regierung an die französische sind vielmehr auf dem regelmäßigen Wege durch den Botschafter in Paris ergangen. Im übrige» ist keine auswärtige Macht früher als die andere von den Absichten der italienischen Regierung mit Bezug auf Tripolis in Kenntnis gesetzt worden.
London, 18. Okt. Aus London wird erklärt, daß die gestern an der Berliner Börse verbreiteten Gerüchte über eine bevorstehende formell« Annexion Egyptens von Seiten Englands jeder Begründung entbehren. Weit davon ist man jedenfalls nach der Neutralitätserklärung nicht mehr.
Toulon, 18. Okt. Der Panzerkreuzer „Leon Garnbetta" ist nach den Küsten der Türkei und Tripolitanien in See gegangen, gm die französischen Interesse» zu schützen. - *
-tz
Die Wahrheit über die Beschießung von Tripolis erhält die „Kölnische Volksztg." durch einen außerordentlich interessanten Bericht über die Vorgänge in Tripolis. E? geht daraus hervor, daß die Italiener in ihren Berichten geradezu unglaublich gelogen hatten. Dem in tagebuchartiger Fprm gehaltenen Briefe entnehmen wir Folgendes:
Montag, st- Oktober. Türkische Munllions- txanspyrte gehen unaufhörlich in Riesenkarawanen nach dem Innern ob. Um 4 Uhr kam wieder ein Torpedojäger angedampft. Er brachte Galli Zamarr und zwei Offiziere. Es wurde Uebergabe der Stqdt gefordert. Die Türken erklärten, daß es keinen verantwortlichen Walt gäbe und überdies hier nicht der Regierungssitz sei. Man möge aus Htamhul Befehl zur Uebergabe bringen, Hann ge
schehe eS, sonst nicht. Es wurde von einem italienischen Kriegsschiffe per Marconi nach Konstantinopel gedrahtet. Nachts um 1 Uhr kam Antwort: „Widerstand leisten I" Dabei ist die Stadt vollkommen wehrlos.
Dienstag, 3. Oktober, brachte ein Torpedojäger die Mitteilung, mittags werde die Beschießung beginnen, die europäischen Familien sollten die Stadt verlassen. Wohin, ließ der Herr Kontre- admiral aber nicht sagen, ein Schiff war nicht vorhanden, und ins Innere kann man sich schließlich doch auch nicht sichern; mqn käme vielmehr vom Regen in die Traufe. So blieben denn auch jene, welche gerne noch gegangen wären. Nach 3 Uhr begann die Beschießung. Sie richtete sich zuerst auf das sogen. Spanische Fort und auf Bordsch (Kastell) Scharaschat im Osten, beim Beginn des Oqsengürtels. Beide, wie auch aAe andern Pprdsch der Umgebung, sind harmlose Lehmringe, wie sie schon von Waren angelegt würden, mit einem 2 om dicken Mörtelüberwurf. Manche Granate trifft, manche nicht: es gibt Staub- und Wassersäulen in stetem Wechsel. Die See ist unruhig, läßt nur geringe Treffsicherheit zu, daher wenden sich die Italiener bald der eigentlichen, bewohnten Stadt zu, und da ist denn die Wirkung fürchterlich. Ueberall schlagen die Bomben ein, am dichtesten im Hara, dem Judenviertel, das in direkter Schußlinie hinter dem roten Seefort liegt. Schuß auf Schuß fiel in die unglückliche Stadt. Eine Granate tötete im Hause des deutschen Dragomans namens Quetta zwei Personen und verwundete L weitere. Viele Geschosse vergessen zu explodieren und liegen gemütlich in verschiedenen mehr oder weniger zugänglichen Winkeln. Bor meinem Hause liegt ein großer, freier Platz, der Sammelpunkt der Karawanen nach Ghadames. Hier erschlug eine Granate etliche an der ganzen Geschichte unschuldige Ziegen, die uns sonst mit Milch versorgten. Die zweite gelangte bis ans Haustor, machte ein Loch in den Sand, vergaß aber glücklicherweise, daß sie nochmals in die Luft gehen sollte. Das französische und englische Konsulat wurden beschädigt; fünfzig Schritte vom österreichischen Konsulat wurde das Haus des Bankdirektors Brescani zerstört; wieder fünfzig Schritte weiter noch ein Haus. Im umgebenden Oasengürtel zersplitterten die Palmen massenhaft. Europäische Villen und Landsitze werden zerstört. Zeitweise zischen die Geschosse zu mehreren gleichzeitig über meinem Kopf. — Nach Beendigung des Bombardements, mit Einbruch der Dunkelheit, füllte ich meine Verbandtasche, steckte ich in die Satteltaschen, waS Platz hatte, und begann einen Rundgang. Furchtbar, was ich zu sehen bekam! Das Elend, das Blut! Glücklich
Roman von Heinrich Tiadem.
(Nachdruck verboten)
„Seine Hände — o da — seine Hände l Sieh — Richard — zu Hülfe!" schrie Melitta auf.
Edelhagen drückte sie sanft in den Sessel ufld legte seine Hände auf ihre Stirn.
Sie ließ es geschehen, griff begierig nach seinen Händen und preßte sie noch fester gegen Stirn und Augen.
„O, das tut gut — so gut! — O Gott, wie es da brennt — wie Flammen aus der Hölle I"
Und nach einer Weile mit klagender Stimme:
„Geh weg von wir — Richard — ich bin verdammt — ich ^ daß Weib eines — eines Mörders."
Eine Frage schwebt» dem Manne an ihrer Sette aus den zitternden Lippen, die Frage, die seit Tagen in seiner Seele blutende Wunden riß. Doch er sprach sie nicht au». Welchen Wert hätte
in diesem Augenblick, dg die Gedanken Melittas wie wilde Vögel über ihrer sieberverwirrten Seele flattert»«, ein Geständnis oder ein Leugnen ihrer MitschuU gehabt?"
„Sei ruhig, ganz ruhig," bat er mit welcher Stimme.
Und wirklich beruhigte sie sich unter dem Zuspruch dieser sanften Stimme, die wie altbekannte traute Klänge in ihrer Seele widerhallten — sie schloß ihre Augen.
Edelhagen erhob sich leise und trat zu den beiden Herren»
„Was ist das für ein seltsamer Zustand?" frggte ?r mit besorgter Mene.
„Sie sind ja wohl Arzt, Doktor," wandte sich der Marquis an Goldscknsidt. „Was meinen Sie?"
Dieser schüttelte mit bedenklicher Miene den Kopf.
„ES ist eine schwere Nervenkrise — kein Zweifel. Ein beginnende» Neryensiebex mit den stärksten Symptomen."
„Aber wü? machen wir denn mit der Armen? Hier kann sie doch nicht gut bleiben."
„Ganz in der Nähe ist eine vorzügliche Pri-
vatkrankengnstalt," sprach Tarleton. „Warten wir ab, waS Doktor Stanhope meint. Er muß jeden Augenblick kommen."
In diesem Augenblicke hob Melitta den Kopf und öffnete die Äugen. Sie blickte suchend umher.
Edelbagen trat schnell an ihre Seite und ergriff wieder ihre Hände.
„Richard, — ich muß sterben — ich fühle es. Hier drinnen in meinem Herzen — und im Kopf, da frißt der Tod — o, wie das schmerzt!"
„Sei ruhig, mein liebes Kind, du wirst wieder gesund werden," tröstete Edelhagey.
„Nein nein — Richard — nicht wieder gesund. Uber — ich bitte dich — einmal noch — nur ein einziges mal — spiele jenes Lied — das von damals — du weißt —"
Edelhagen stand einen Augenblick regungslos.
„Du mußt es tun," rief Tarleton, „vielleicht beruhigt es sie."
Edelhagen rückt«, holte mit wenigen raschen Schritten seinen Violinbogen von seinem Zimmer und setzte die Geige ans Kinn. Seine Hand zitterte, als er den ersten Strich machte. Dann aber, als das herrliche Instrument unter seinen Händen