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')tr. 123 I

Dienstag, den 17- Oktober 1911

47. Jahrgang.

Der türkisch-italienische Krieg.

Während natürlich die Italiener die Nachricht von einer schweren Niederlage bei Tripolis als unwahr bezeichnen, hält die Konstantinopeler an­gesehene ZeitungSabah" dieselbe aufrecht und behauptet, die Regierung hätte auch bestätigende Nachricht erhalten. Auch bei Derna und Benge- hazi sollen die Italiener schwere Verluste erlitten haben, als sie versuchten, ins Innere des Landes einzudringen. Es wird auch behauptet, zwei ita­lienische Torpedoboote seien durch unterseeische Minen in die Lust geflogen. In den nächsten Tagen muß sich ja die Wahrheit über diese sich wider­sprechenden Meldungen Herausstellen.

Alach den bisherigen italienischen Angaben mußte man glauben. Der na sei schon längst be­setzt. Nach den neuesten Meldungen stellt sich aber heraus, daß diese Hafenstadt erst am 14. Oktober übergeben worden ist. Die Europäer wurden be­freit und' auf das italienische KriegsschiffGari­baldi" eingeschifft. Der Hafenplatz Misrata ist dagegen überhaupt noch nicht besetzt.

Die nächtlichen Angriffe der Türkei auf Tripolis gehen weiter. In der Nacht vom Freitag auf Samstag griffen nach einer italienischen Meldung gegen 3 Uhr 200 Mann türkischer Infanterie italienische Vorposten in dem Abschnitt westlich vom Posten bei der öfter genannten Pumpstation Bumeliana mit lebhaftem Gewehrfeuer an. Die Italiener erwiderten mit Jnfanteriefeuer und eini­gen Schüssen aus Schiffsgeschützen. Nach unge­fähr einer Stunde zogen sich die Türken zurück. Die Türken brachten auch Geschütze ins Gefecht. Einige Geschosse sielen in der Oase nieder. Man kennt dir genaue Zahl der Verluste nicht, die Italiener hatten vier Verwundete. (^)

General Caneva hat nunmehr die höchsten Zivil- und Militärfunktionen in Tripolis über­nommen. Er läßt 3000 Zentner Gerste zur Aus­saat an die bedeutendsten Stämme unentgeltlich verteilen.

Die Ausschiffung der bis jetzt eingetroffenen italienischen Truppentransporte ist beendigt.

Die römischeTribuns" meldet aus Tripolis: Die Stadt ist mit italienischen Soldaten angefüllt, denen sich die Araber nähern, in dem Bemühen, sich nützlich zu zeigen. Mit Ausnahme des 84. Jnf.-Regiments, das sich auf Vorposten befindet, haben die Soldaten die Erlaubnis erhalten, in der Stadt spazieren zu gehen, in der sie ruhig ihres Weges gehen wie in irgend einer beliebigen italienischen Garnison. Die Militärkapellen spielen. Bersaglieris bewachen das Palais des Gouverneurs. Das Leben in der Stadt spielt sich ruhig ab.

Man versichert, daß die Türken wenig Munition besitzen und daß Krankheit in ihren Reihen wütet. Strategisch halten sie eine ausgezeichnete Stellung besetzt und zwar auf den Hügeln südlich von Tripolis.

Eine böse Meldung bringt der in Alexandrien eingetroffene bisherige italienische Konsul in Hodeida, der mitteilt, er habe gehört, daß 30 bei den Eisen­bahnarbeiten in Hedschas beschäftigte italienische Arbeiter in den ersten Tagen des Oktober von den Türken ermordet worden seien. Die Nachricht wird auch von anderer Seite bestätigt und hinzu­gefügt, daß der Vorfall sich m Kerak ereignete. Kerak liegt etwas östlich des Toten Meeres an der Hedschasbahn und ist jener Ort, wo vor einiger Zeit türkische Soldaten und Beamte durch arabische Beduinen überfallen und niedergemetzelt wurden.

Der Scheich der Senussi hat im Hinterlande von Tripolis den Heiligen Krieg gegen die Italiener proklamiert und es sollen bereits über 30 000 Berittene dem Ruf dieses sehr einflußreichen Oberhauptes des Ordens gefolgt sein, denen noch das Vierfache folgen werde, für die Italiener ein böser Schlag!

Ueber die Stimmung im italienischen Volk ist eine Auslassung desPopolo Romano" bezeich­nend: Ein Friedensvertrag mit der Türkei, der als Bedingung die Anerkennung der vollen oder eingeschränkten Souveränität der Türkei über Tri­polis haben würde, ist heute unmöglich. Ein solcher Vertrag würde, selbst wenn er durch die Regierung abgeschlossen würde, vom Volk und seinen Ver­tretern zerrissen werden.

An unterrichteter Stelle ist nichts davon bekannt, daß der Deutsche von Lochow (nicht Lothow), wie ein italienisches Blatt meldet, aus Tripolis durch die Italiener ausgewiesen wurde. Bei der geringen Zahl Deutscher, die in Tripolis unter den Augen des deutschen Konsuls leben, müßte eine amtliche Nachricht bereits vorliegen, wenn die Ausweisung tatsächlich stattgefunden hätte.

Einer Anzahl türkischer Offiziere, darunter der bekannte Jungtürke Fethi Bey, Militärattache in Paris, ist es gelungen, über Tunis zum Kriegs­schauplatz nach Tripolis zu kommen.

Paris 14. Okt. Achmed Risa, dessen Wieder­wahl zum Präsidenten der türkischen Kammer als sicher gilt, erklärte dem Sonderberichterstatter des Matin in Konstantinopel: Wir sind uns unserer Pflicht gegen unser Vaterlaud bewußt und empfin­den lebhaft das Unrecht, das man uns angetan hat. Die Volksempfindung wird morgen einen Widerhall in der Kammer finden. Wir sind eben­so überrascht als entrüstet, denn vor kaum zwei Monaten empfing der türkische Thronfolger in

Italien eine außerordentlich warme Aufnahme. Ich selbst traf kurze Zeit nach der Proklamierung der türkischen Verfassung in Paris, wohin mich das jungtürkische Komitee entsandt hatte, Herrn Luzzatti, damals Ministerpräsident, der mir ausdrücklich er­klärte, daß Italien keine Absichten auf Tripolis habe. Seitdem hat Luzzatti mir häufig geschrieben und er erneuerte immer dieselbe Versicherung im wärmsten und herzlichsten Ton. Wir konnten also diesen unqualifizierbaren und ungerechten Angriff nicht erwarten. Wir hätten uns durch die Ver­mittlung einer befreundeten Macht wie Frankreich oder Rußland verständigen können. Auch hatten wir in Tripolis nur Truppen in genügender Zahl, um die Angriffe der Räuber von unseren Grenzen abzuwehren. Wir sind noch immer friedliebend, aber der Friede kann nur geschlossen werden, wenn die Bedingungen, die man uns anbietet, unserer nationalen Würde entsprechen. Solche Bedingungen sind noch niemand bekannt.

Konstantinopel, 14. Sept. Sowohl bei der Opposition wie bei den Mehrheitsparteien ist die Stimmung überwiegend für energischen Wider­stand gegen Italien.

Konstantinopel, 14. Okt. Wie aus Smyrna gemeldet wird, sind in dem Hafen und der Bucht von Smyrna bisher 65 italienische Fahrzeuge mit Beschlag belegt worden. Die Eigentümer haben gegen die Beschlagnahme Einspruch erhoben, da sie gegen das Völkerrecht verstoße. Auch in Konst«ntinopel selbst sind kleinere italienische Fahr­zeuge, sogar Privatmotorboote beschlagnahmt worden. Bei Mitylene wurde ein italienischer Segler mit Schwefel aufgebracht.

Die Eröffnung der türkischen Kammer am Samstag ging in einer Weise vor sich, die den Sieg der schärferen Tonart in der Türkei erwarten läßt. Schon die Thronrede ist recht bestimmt und unverblümt, und die Wiederwahl des bisherigen, jungtürkischen Präsidenten verrät, daß der Einfluß des Komitees in der Kammer noch stark genug ist. Said Pascha wird also entweder mit ihm rechnen oder die Kammer auflösen müssen, wie er schon angedeutet hat. Es ist aber sehr, sehr fraglich, ob Neuwahlen nicht eine noch schärfere Richtung ans Ruder brächten. Von Friedensverhandlungen ist kaum mehr die Rede; auch Italien ist wenigstens in seinen Veröffentlichungen fürs Volk in keiner Weise mehr entgegenkommend.

Nachdem sowohl Italien als die Türkei die Vermittelungsvorschläge der Mächte abgelehnt haben, notifizierten die letzteren die vorläufige Ein­stellung der Friedensverhandlungen.

Schuldbeladen.

Roman von Heinrich Tiadem.

(Nachdruck verboten)

Melitta, die noch immer regungslos in der Ecke des Wagens hockte, fuhr bei den letzten Worten heftig empor. Mit zitternden Gliedern verließ sie den Wagen, wäre aber wohl beim Aus­steigen zusammengebrvchen, wenn nicht Tarleton sie schnell gestützt hätte.

In dem hellerleuchteten Vestibül hob Melitta zum erstenmale den Kopf empor und strich mit zitternden, hastigen Händen ihr Kopftuch zurück.

Sie sind nicht Edelhagen," murmelte sie dann und heftete ihren starren Blick auf Tarleton.

Nein, Mylady, Sie werden meinen Freund hier treffen. Bitte, treten Sie in dieses Zimmer."

Er öffnete die Tür des Salons und zog der heftig zitternden jungen Frau einen bequemen Fau­teuil zum Kamin. Dann trat er wieder auf den Flur.^hinaus, wo Goldschmidt seiner harrte. Er rief den Diener John heran.

Telephonieren Sie sofort an Doktor Stan- hope, er möge schleunigst hierher kommen."

Dann trat er zu Goldschmidt.

Merkwürdig, was?" meinte dieser.

Traurig, sagen Sie lieber," entgegnete der Marquis ernst.Ich ahne, daß wir am Schluß­akt eines Dramas stehen."

Ich verstehe Sie nicht."

Wissen Sie nichts Näheres aus dem Leben Strakeaus?"

Nein, nichts."

Wie stehen Sie mit Ihrem Landsmann Edelhagen?"

Auf vertraulichem, ich kann sagen, freund­schaftlichem Fuß."

Gut, dann bleiben Sie hier und warten Sie den Verlauf ab. Da Sie nun einmal durch Zu­fall in die Affäre verwickelt worden sind, bin ich überzeugt, daß Edelhagen nichts einzuwenden hat, wenn Sie Mitwisser eines düsteren Geheimnisses werden, das sein Leben mit dem Strakeaus ver­bindet."

O nicht doch," protestierte Goldschmidt,wenn es sich hier um Geheimnisse handelt, liegt es mir

fern, mich hineinznmischen. Die Vorgänge vom heutigen Abend bleiben deshalb selbstverständlich in meiner Brust vergraben."

Bleiben Sie lieber hier, mein Freund. Ich werde Edelhagen sagen, daß Sie Melitta Strakeau hierherbrachten. Und ich ahne, daß bei den nun kommenden Dingen die Anwesenheit eines unpartei­ischen Zeugen sehr erwünscht ist!"

Und ohne Goldschmidts Erwiderung abzuwarten, stieg er die Treppe zum Zimmer Edelhagens empor. Als er auf mehrmaliges Klopfen keine Antwort erhielt, trat er in dem Glauben, sein Freund liege in tiefem Schlafe, in das Zimmer.

Edelhagen stand am geöffneten Fenster, regungs­los, den Kopf auf die Brust gesenkt.

Als Tarleton zu ihm trat und leise seine Schulter berührte, fuhr er heftig empor und blickte, wie aus tiefem, wüstem Traum erwachend, um sich. Der Marquis sah, wie über dem Antlitz seines Freundes ein Ausdruck tiefer düsterer Melancholie ausgebreitet lag. Er dachte daran, wie er vor Stunden den Freund an dieser Stelle verlassen hatte, und er wußte, was dessen Seele seit dieser Zeit be­schäftigt hatte.