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Saigon: Amtliche Fremdenlisttz.
Nr. 122 I
Samstag, den 14- Oktober 1911
47. Jahrgang.
Der türkisch-italienische Krieg.
Ein reiner Zufall ist es, wenn eine erste Nach-' richt über stattgehabte Kämpfe nachträglich ihre, amtliche Bestätigung findet. Ob man deshalb die i Meldung glauben kann, daß die Türken einen Landungsversuch der Italiener im Hafen von Derna verhindert haben und diese nach kurzem Bombarde-! ment der Stadt wieder abfahren mußten, bleibt noch abzuwarten.
Die von mehreren Blättern verbreitete Meldung, daß bei einem Kampf bei Derna die Italiener geschlagen worden seien, wird italienischer- seits als falsch und tendenziös bezeichnet.
Die Besetzung von Mirsa Tebruk durch die Italiener bestätigt sich. Es soll dies die wichtigste Hafenstadt von Tripolis sein. Die Besatzung hat ziemlich zähen Widerstand geleistet, ehe die Stadt übergeben wurde.
Während des Bombardements von Tripolis wollen die Türken das italienische Torpedoboot „Garibaldi" zum Sinken und 2 italienische Panzerkreuzer außer Gefecht gesetzt haben. Außerdem stellen die türkischen Behörden, entgegen den ita-i lienischen Nachrichten, fest, daß die Stadt Tripolis sich nicht von selbst ergeben habe; die türkischen Truppen hätten sich in Ordnung einige Kilometer hinter Tripolis in befestigte Stellungen zurückgezogen. !
Der zweite Teil des italienischen Erpeditions-' korps ist nunmehr in Tripolis gelandet; es sollen > jetzt 20000 italienische Soldaten dort sein. Zugleich ist aber auch etwas anderes ausgetaucht, die Cholera! Es sollen bereits 4 Todesfälle zu konstatieren sein. Bei den auf eng bemessenen Räumen kampierenden beiderseitigen Truppen und der bekannten Antipathie der Türken gegen unbequeme Abwehrmaßregeln bedeutet das Auftreten der Cholera eine furchtbare Gefahr für Türken und Italiener.
Der Oberstkommandierende der Italiener, der General Caneva, hat an die Bevölkerung von Tripolis und Cyrenaika einen Aufruf erlassen, in dem er erklärt, er sei entsandt worden, um sie freizumachen. Das Volk werde von seinen Häuptlingen unter dem Schutz des Königs von Italien regiert werden. Alle religiösen und bürgerlichen Gefetzesvorschriften sollen unangetastet bleiben. Es werde auch keine Kontribution eingezogen werden und die jetzt bestehenden Abgaben würden revidiert, herabgemindert und eventuell ganz abgeschafft werden. Niemand soll gegen seinen Willen zum Waffendienst herangezogen werden. DaS Land werde unter dem Schutz des Königs von Italien ein Land des Islams bleiben. — Sehr verlockende Aus
sichten! Einige Araberhäuptlinge sollen daraufhin sich tatsächlich an Bord des italienischen Panzers „Pisa" begeben und die Unterwerfung ihrer Stämme angemeldet haben.
Die italienische Regierung lehnte in einer Zirkulardepesche die FriedenSvermittelung der Mächte a b und begründete dies mit dem Hinweis auf die Organisierung des türkischen Widerstandes in Tripolitanien. — Auch türkischerseits macht sich neuerdings eine kriegerischere Stimmung geltend; fanatische Führer und Häuptlinge predigen eifrig den „heiligen Krieg". Der günstigste Zeitpunkt für die Friedensvermittelung scheint noch nicht gekommen zu sein, wenn er nicht verpaßt worden ist. Fast möchte män's glauben nach den neuesten Meldungen.
Soeben trifft aus türkischer Quelle die Nachricht von einem ersten ernstlichen Zusammenstoß zwischen dem italienischen Landungskorps und den Türken ein. Am 11. Oktober soll es bei einer Rekognoszierung starker italienischer Abteilungen in der Umgegend von Tripolis zu einem heftigen Kampf mit türkischen Truppen, die eine Höhe besetzt hielten, gekommen sein. Die Italiener sollen ca. 1600 Tote und Verwundete gehabt haben; die Verluste der Türken sollen relativ klein sein.
Die angeblichen Verluste der Italiener klingen sehr orientalisch, immerhin ist aber ein Erfolg der Türken möglich, umsomehr, als sich die Italiener in das Gefühl der völligen Ungefährlichkeit der Türken eingewiegt haben. Die moralische Wirkung eines einigermaßen bedeutenden Erfolges in Kon- stantiuopel und damit die Rückwirkung auf die ganze Lage muß man sehr hoch einschätzen.
Bei dem kürzlich abgeschlagenen nächtlichen Angriff von 300 Türken gegen 1000 ital. Matrosen find italienischerseits pro Mann ISO, also insgesamt 120000 Patronen verfeuert worden. Als andern Tags das „Schlachtfeld" besichtigt wurde, fand man 3 tote und einen verwundeten Türken. Es waren also demnach je 30 000 Schüsse erforderlich, um einen Türken außer Gefecht zu setzen! Mn blutiger Krieg!
«untiscbal».
Stuttgart, 12. Okt. Der Verband der württ. Handwerkskammergenossenschaften hält seinen jährlichen Verbandstag am Mittwoch den 25. Oktober 1911 im Saale des Stadtgarten-Restaurants in Stuttgart ab.
— Gestern rückten die Rekruten der Infanterie und Artillerie bei ihren Truppenteilen ein.
Degerloch, 13. Okt. Heute mittag wurde von einem Stuttgarter Auto ein etwa lOjährigeS Kind, das aus einem Hohlweg hervorkam, überfahren und getötet.
In Eßlingen hat sich im Abort eines Weinrestaurants ein ca. SOjähr. Bursche erschossen.
Waiblingen, 12. Okt. Heute früh zwischen 7 und 8 Uhr prellten beim Rangieren des Milch- zugeS Schorndorf-Waiblingen zwei mit Milch beladene Eisenbahnwagen auseinander, wodurch beide Wagen ziemliche Beschädigungen erlitten. Viele Milchgefätze wurden zertrümmert und bedeutender Milchschaden verursacht.
Alten steig, 12. Okt. Gestern wurden hier Kartoffeln zu 3 Mark 60 Pfennig per Zentner verstellt.
Freudenstadt, 12. Okt. In der Zeit vom 15.—22. Oktober findet hier im alten Knabenschulhaus eK Wanderbeizkurs für Schreiner statt. Den Unterricht erteilt Fachlehrer H. Siegriest aus Karlsruhe. Das Schulgeld beträgt 5 Mark.
Freudenstadt, 12. Okt. Die Abhaltung des am Kirchweihmontag den 16. dS. Mt» in Schopfloch stattfindenden Viehmarktes ist vom Oberamt unter Einhaltung besonderer Bedingungen genehmigt worden.
Sulz, 13. Okt. Unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung, besonders aus den Kreisen der Ortsvorsteher, der katholischen und evangelischen Geistlichkeit, der Wissenschaft, sowie von Landwirten und Gewerbetreibenden fand am letzten Samstag hier die Herbstversammlung des Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohenzollern statt.
Schramberg, 12. Okt. In Lauterbach stieß im Laufe von Streitigkeiten der Holzschnitzer Albert Glück dem Bildhauer Gottfried Knieß ein Hohleisen so in die Brust, daß Knieß mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus verbracht werden mußte. Glück machte Notwehr geltend.
In Oelbronn kam eine 47jährige Frau, in Gemmrigheim ein kleines Mädchen dem Herdfeuer zu nahe; beide sind ihren schweren Brandwunden erlegen.
Heilbronn, 12. Okt. Die Teuerung macht sich hier auch im Rückgang des Fleischkonsums recht bemerklich. Während im September 1909 im hiesigen Schlachthaus 2224 Tiere mit zusammen 198 526 Kilo Schlachtgewicht geschlachtet wurden, waren es im Sept. d. I. trotz des Wachsens der Bevölkerung nur 2122 Tiere mit zus. 186830 Kilo.
Heilbronn, 12. Okt. In der Heilanstalt Weinsberg, wo er wegen eine- Gemüts- und Nervenleidens untergebracht war, stürzte Karl Roller, In-
Schuldbeladen.
Roman von Heinrich Tiadem.
(Nachdruck verboten)
Doktor Goldschmidt, der zum geheimen Aerger LangleyS dem Paare in zwei Schritten Abstand gefolgt war, bemerkte, wie es in den Augen des Baronets funkelt«. Als ehemaliger Mediziner hatte er längst ^erkannt, daß ,S mit dieser Frau nicht ganz richtig sei und er beschloß, sie nicht im Stiche zu lassen.
Als Langley, am Droschkenstand angelangt, sich von ihm verabschieden wollte, wehrte er ruhig ab.
„Ich werde mir erlauben, mit Ihnen zu fahren."
„Aber warum? ES ist doch gar nicht Ihr Weg," rief Langley wütend.
Goldschmidt neigte sich dichter zu dem Ohre des Baronets.
„Ich bemerke, daß Sie «inen unsauberen Streich planen — und den will ich verhindern."
„WaS fällt Ihnen ein? Wie können Sie sich in mein« Angelegenheiten drängen?"
Goldschmidt zog den Wütenden zwei Schritte abseits.
„Wenn Sie nicht vollständig vernarrt wären von Alkohol, so müßten Sie schon längst bemerkt haben, daß das Benehmen der Frau nicht normal ist."
„Wieso?" fragte Langley mit dummem Gesicht.
„Nun, entweder ist sie geistig nicht normal oder krank. Es gibt gewisse Nervenleiden, wissen Sie —"
Langley warf einen scheuen Blick zum Wagen, in dem Melitta, ohne auf die Unterhaltung ihrer beiden Begleiter zu achten, bereits Platz genommen hatte.
„Ich habe Sie im Verdacht, daß Sie mir etwas vorlügen, um mir den kostbaren Fang vor der Nase wegzuschnappen."
Zwischen den Augenbrauen des Doktors bildete sich eine leichte Falte.
„Hören Sie, Verehrtester, Sie können nun annehmen, was Sie wollen; wagen Sie eS aber noch einmal, mir eine Ihrer unsauberen Sottisen zu sagen, so bekommen Sie von mir auf offener Straße echte deutsche Maulschellen."
Der kleine Baronet war mehrere Sekunden sprachlos.
„Was?" schrie er, „Sie plumper deutscher Bauer wagen es, mir Prügel zu bieten? Das sollen Sie büßen! Sie werden sich mit mir duellieren!"
Damit wandte er sich um und rannte einige Schritte weg. Dann aber besann er sich und kehrte um.
Doch gerade hatte sich die Droschke in Bewegung gesetzt — er war Herr des Schlachtfeldes.
Er sandte dem Gefährt einen wütenden Fluch nach und trottete seines Weges. Da er keine Lust hatte, seinen edlen Zorn nach Hause zu nehmen, trat er in ein Nachtcafe und überlegte bei einem Glas« Absinth, wie er sich am glänzendsten für den ihm angetanen Schimpf rächen könnte.
XIX.
Goldschmidt hatte sich Melitta schweigend gegenübergesetzt. Sie nahm von seinem Einsteigen nicht di, geringste Notiz. Sie hielt den Kopf gesenkt, das Spitzentuch war über ihre Stirn hinabgesunken. Der Doktor beobachtete sie mit scharfen