lür die S1crdt Wlldkxad

Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags

Bestellpreis vierteljährlich 1 Mk. 10 Pfg. Bei allen rvürt- leinbergischen Postanstalten und Boten im Orts- und Nach­barortsverkehr vierteljährlich 1 Mk. 16 Pfg.; außerhalb desselben 1 Mk. 20 Pfg.; hiezu 15 Pfg. Bestellgeld.

Anzeiger

für Wildbcrö u. Umgebung.

Die Einrücknngsgebühr

beträgt für die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg., auswärts 10 Pfg., Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Hirju: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlistq.

Nr. 1t9

Samstag, den 7. Oktober 1911

47. Jahrgang.

Dn türkisch-ilMknischc Krieg.

Tripolis ist gefallen! Trotzdem die Er­folge des Bombardements von Tripolis sich als recht bescheiden Herausstellen, indem sehr viele Schüsse viel zu kurz waren und die Geschosse in das Meer fielen, ungeheure Wassersäulen in die Luft wir­belnd, haben die offenbar recht entmutigten Türken Tripolis bereits aufgegeben. Der Krieg dürfte deshalb allem nach sich nicht lange hinziehen, wenn auch der Guerillakrieg im Hinterlande von Tri­polis noch manche Opfer beiderseits erfordern wird.

Wir lassen die neuesten 'Nachrichten hier folgen.

Tripolis, 5. Okt., 3 Uhr 10 nachm. Um die Mittagsstunde wurde auf dem Fort Sultayia die italienische Flagge gehißt und vom Geschwader mit Kanonendonner begrüßt. Das Fort wurde von Landungskompagnien besetzt, die unter dem Schutz der Schiffe dort blieben. Die Schiffe liegen zum Teil im Häfen, zum Teil in kurzer Entfernung von den zerstörten Festungswerken vor Anker. Giornale d'Jtalia" erfährt aus bester Quelle, daß vou den 3 unmittelbar vor Tripolis liegenden Kreuzern viele Matrosen in Tripolis gelandet seien und sich vor den Konsulaten und der christlichen Kirche verteilt haben, wo Pater Rosetti, 2 Franzis­kaner, 2 Nonnen sowie 2 Kranke zurückgeblieben waren. Die Matrosen fanden in der Stadt, die verlassen scheint, keinen Widerstand, und besetzten unter Führung mehrerer Offiziere ein Fort, wo sie einige Leichen fanden. In Rom hat die Nachricht von dem Bombardement von Tripolis wenig Aufregung hervorgerufen.

Rom, 6. Septbr. Nachdem am Dienstag das Bombardement von Tripolis eine Stunde ge­dauert und Granaten den Leuchtturm in Trümmer gelegt hatten, wurde das italienische Feuer stärker, das türkische schwächer. Viele türkische Geschütze wurden, wie man sah, demoliert und der Palast des Gouverneurs war von Kugeln durchlöchert. Die inneren Forts hörten um 5 Uhr zu feuern auf, die äußeren Forts kämpften weiter und ihre Schüsse waren besser gezielt. Die Kais waren total verlassen. An vielen Stellen brach Feuer aus. Bei eintretender Dunkelheit hörte das Bom­bardement auf. Es wurde gestern morgen wieder ausgenommen und zwar noch heftiger als am Tag vorher. Die äußeren Forts fielen in Trümmer und erwiderten das Feuer nicht länger. Die Türken entsandten ihre Geschütze auf die Anhöhen über der Stadt und begannen von dort zu feuern, jedoch wurden sie von Schrapnels der italienischen Geschütze zerstreut und flohen. Hierauf zeigte sich die erste weiße Flagge. Die Italiener rüsteten

Boote aus, um mit 4000 Mann aus den Kriegs- Da die Türkei den ersten Akt der Kaperung gegen­schiffen zu landen. Das türkische Feuer war im! über der italienischen Handelsmarine ausgeführt allgemeinen scharf und schneidig, doch keine ihrer! hat, behält sich die italienische Regierung, indem sie Granaten erreichte die Kriegsschiffe. Die italienischen s von dem ihr nach Art. 211 des Handelsschifffahrts

Schiffe erlitten keinen Schaden, noch Verluste an Menschenleben.

Tripolis, 6. Okt. Nach der Landung der italienischen Matrosen am Fort Sultania begaben sich die Araber, die zu den Stämmen der Um­gebung von Tripolis gehören, auf das Admirals­schiff und gaben ihre Unterwerfung kund mit der gleichzeitigen Bitte um Einstellung des Bom­bardements. Der deutsche Generalkonsul als Dojen des Konsularkorps bat den Admiral, die Aufrecht­erhaltung der öffentlichen Ordnung nnd den L>chutz der Person und des Eigentums der fremden Kolo­nien in der von den Türken verlassenen Stadt übernehmen zu wollen. Man landete darauf noch weitere Kompagnien Matrosen mit Kanonen und Schuellfeuergeschützen und besetzte die Stadt Tripolis militärisch. Auf dem Fort Sultania blieb ein Posten. Die Besetzung ging ohne Zwischen­fall vor sich. Die gelandeten Truppen werden unter den Befehl des Kapitäns zur See Coni ge­stellt und Kontreadmiral Borcadolmo zum Gou­verneur von Tripolis ernannt. Ueber den Er­folg der Beschießung wird privatim gemeldet: Die feindlichen Geschosse haben in Tripolis ver­hältnismäßig wenig Schaden angerichtet. Das Haus des deutschen Dragoman wurde schwer beschädigt. s?j Es befinden sich noch etwa 4000 Europäer in der Stadt. Getötet wurden 6 Soldaten und 6 Is­raeliten, schwer verletzt 5 Soldaten und 1 Israelit. Die Deutschen sind wohlauf. Die Muselmanen verhalten sich untätig und beten darum, daß das Bombardement nicht wiederholt werde.

Konstantinopeler Blätter melden, der italienische Kreuzer Cavour sei vor Tripolis durch eine See­mine oder ein Torpedo in die Luft gesprengt worden. Die Nachricht ist höchst verdächtig. Zunächst ist der Cavour kein Kreuzer, sondern der neueste italienische Dreadnought mit 21 500 Tonnen Ver­drängung, sodann war bisher vor Tripolis gar kein Dreadnought. An der Beschießung von Tripolis sollen nach den näheren Meldungen außer den 3 öfter genannten Kreuzern noch 6 weitere und 16 Torpedojäger sich beteiligt haben.

Paris, 5. Okt. Gestern abend hier einge­troffene Depeschen berichten, daß die Stadt Beng- hast von den Italienern bombardiert wird.

Konstantinopel, 6. Okt. Der Landungs versuch der Italiener bei Prevesa wurde abge­schlagen. (Diese Meldung wird bestritten.)

Rom, 5. Okt. Das Amtsblatt veröffentlicht folgende Bekanntmachung des Mariueministeriums:

kodex zustehenden Recht Gebrauch macht, vor, tür­kische Schiffe wegzunehmen und zu kapern. Ferner wird von ihr gemäß des Art. 216 des Handels­schifffahrtskodex als Kriegskontrebande betrachtet werden: Kanonen, Flinten, Gewehre, Revolver, Pistolen, Säbel, sowie andere Schuß» und Trag­waffen jeglicher Art, ferner Kriegsmunition, Militär­material jeder Art und im allgemeinen alles, was ohne weitere Verarbeitung zur unmittelbaren See- und Landesrüstung dienen kann.

Konstantinopel, 5. Okt. Der deutsche, der russische und der englische Botschafter, sowie der bulgarische und rumänische Gesandte statteten ge­stern abend der Pforte einen Besuch ab. Die Bot­schafter erklärten, daß die Großmächte bereit seien, falls die Türkei mit Italien nicht in Verhandlungen eintreten wolle, ihre guten Dienste zur Verfügung zu stellen, bedauerten aber, daß das jungtürkische Komitee in Saloniki einen Aufruf erlassen habe, worin die türkische Regierung aufgefordert wird, bis zum letzten Blutstropfen Widerstand zu leisten und mit allen Mitteln den Krieg fortzusetzen. Die Regierung werde hoffentlich dieser Aufforderung nicht Gehör schenken, da sonst die Lage und die Verhandlungen erschwert würden.

Berlin, 6. Okt. Die italienische. Regierung hat den Mächten eine Note überreicht, worin Italien den Mächten bekanntgibt, daß es in keinem Fall in eine einfache Mediatisierung von Tripolis unter Anerkennung der Souveränitätsrechte des Sultans einwilligen werde, sondern als Kampfpreis für den begonnenen Krieg sowie der aufgelaufenen Kosten jetzt bedingungslose Einverleibung von Tripolis in das Königreich Italien verlangt.

Das Antworttelegramm Kaiser Wilhelms an den Sultan, der ihn pm Vermittelung gebeten hatte, soll nach Berliner Blättern folgenden Wort­laut haben:Ich hege Liebe und Verehrung zu Eurer Majestät und Ihrem ganzen Lande und bedaure lebhaft die Krise, die Sie gegenwärtig durchmachen. Ich halte meiner Regierung befohlen, zu versuchen, ob diese Krise zu vermeiden sei. Unsere Bemühungen sind indes leider fruchtlos geblieben. Mit Gottes Hilfe wird indes der Augenblick kommen, wo ich eine Lösung der Krise fördern kann."

blintlscbaii.

Stuttgart, 6. Okt. Heute sind es 20 Jahre, daß König Wilhelm von Württemberg den Thron

Schuldbeladen.

Roman von Heinrich Ti ad ein.

(Nachdruck verboten^

Groß, breitschultrig, mit gesunder, gebräunter Gesichtsfarbe und dichiem Vollbart," schilderte Caree Edelhageu.

Strakeau legte die Hand vor die Stirn; diese war mit Schweiß bedeckt und die Hand zitterte. In seinen Zügen stand ein Ausdruck tiefer See­lenqual.

Dann aber raffte er sich mühsam zusammen.

Ich hatte mich getäuscht der Herr ist mir ganz unbekannt. Ich werde ihn einladen. Aber wo ist mein Bleistift?"

Ich glaube, er entfiel Ihnen."

So war es. Der Bleistift lag auf dem Tep­pich unter dem Stuhle Strakeaus.

Caree nannte nun noch mehrere Namen, die Strakeau in die Liste der Einzuladenden eintrug.

Nun aber werden die Leute nicht er­staunt sein, von einem Unbekannten eingeladen zu werden?"

Ich werde selbstverständlich vorher mit jedem Einzelnen erklärende Rücksprache nehmen."

Das wäre sehr freundlich von Ihnen. Nehmen Sie schon im voraus meinen Dank."

Nachdem Strakeau gegangen war, saß Caree noch lange in tiefem Nachdenken vor seinem Schreibtisch.

Ich habe jetzt keinen Zweifel mehr", murmelte er vor sich hin.Wie ein dichter Schleier zieht sein Verhängnis 'sich um sein Haupt zusammen. Und es wird ihn zermalmen ich ahne es. Schade um dieses herrliche Genie.

XVII.

Als Strakeau eine Stunde später sein Haus betrat, hörte er schon auf der Treppe die Töne einer Geige. Leise, unsichere Töne, wie sie von Händen mit geringer Uebung hervorgebracht werden.

Er kannte diese Töne. Und er wußte, wessen Hand den Bogen führte. Er hatte sie lange nicht mehr gehört, diese weichen, zarten Töne der arm­seligen Geige, die Melitta einst vor Jahren als Andenken von einem armen Teufel von Kollegen, den sie in den letzten traurigen Tagen seines Lebens gepflegt hatte, zum Geschenk erhalten hatte. Sie

hielt das Ding wert und hatte oft in müßigen Stunden den abgespielten Bogen ergriffen und mit ihrer schwachen Kunst ein wenig gespielt. Das Anerbieten ihres Gatten, ihr Unterricht zu erteilen, hatte sie konsequent abgelehnt. Darauf hatte er sich nicht weiter um ihre Marotte bekümmert.

Er haßte das süßliche Kantilenenspiel, das sie trieb, und vermied nach Möglichkeit, es zu hören.

Heute aber blieb er vor der nur angelehnten Zimmertür stehen und horchte. Die Tatsache, daß Melitta heute, nach der starken Gemütserschütterung, ihre Violine zur Hand genommen hatte, überraschte ihn in hohem Maße.

Bald aber war es nicht nur diese Tatsache, die ihn regungslos auf die Stelle bannte, sondern vielmehr das, was da im Zimmer gespielt wurde. Und wie es gespielt wurde. Es war ihm oft, als stammten diese Töne gar nicht von der Hand seines Weibes. Das war nicht die gewöhnliche, schüchterne, etwas unbe­holfene Spielweise Melittas. Es war Musik, in der Schwung lag und entschiedene Kraft der Empfindung.

Und dennoch war es Melitta, die den Bogen führte. Er merkte es an so mancher Eigentümlich- heit ihrer Tongebung.

i