am Sonntag 120 verloren gegangen oder stark beschädigt worden sind. Die Königin wird sich heute nach Bruimisse begeben. Auf dem Fluß zwischen Dordrecht und der Nordsee sind 45 Boote gesunken, die Mehrzahl der Mannschaften ist ertrunken. Bei Steenbergen sollen 38 Leichen angespült worden sein.
Antwerpen, 4. Okt. Während der letzten Stürme haben auf der östlichen Schelde achtzig Fahrzeuge Schiffbruch erlitten. Vierzig von ihnen sind gesunken. Eine große Anzahl von Personen ist umgekommen.
Wien, 2. Okt. Die Blätter melden aus Belgrad die Veröffentlichung eines neuen Dokuments über König Peters Mitschuld an der Ermordung des Königs Alexander und der Königin Draga. Die neue Veröffentlichung geht wieder von zwei Teilnehmern der Verschwörung aus und bezeichnet König Peter direkt als Urheber des Königsmordes.
In Ischl erschoß sich der 67jährige bayerische Kammerherr Fürst Alfred Wrede. Der Fürst weilte mit seiner Gemahlin dort zum Sommeraufenthalt. Kurz bevor das Fürstenpaar zu Tisch gehen wollte, zog sich der Fürst in sein Zimmer zurück und tötete sich durch einen Schuß in die Herzgegend. Ueber das Motiv sind die verschiedensten unkontrollierbaren Gerüchte im Umlauf.
Paris, 4. Zept. Bei einer Revision, die Vizeadmiral Bellue am Tage nach der Katastrophe auf der „Libert6".auf dem Panzerkreuzer „Patrie" vornahm, gab er Befehl, die Sicherheitsschleusen, die zur Unterwassersetzung der Pulverkammern dienen, in Tätigkeit treten zu lassen. Von 38 Schleusen funktionierten 26 nicht. Vizeadmiral Bellue schrieb in seinem Bericht folgendes: „Wäre am letzten Dienstag an Bord der „Patrie" ein Brand ausgebrochen, so hätten die Pulverkammern nicht unter Wasser gesetzt werden können und wir hätten eine neue Katastrophe zu beklagen gehabt." — Diese Erfahrung scheint den Vizeadmiral zu seinem bekannten strengen Befehl der Ausschiffung der Pulvervorräte und Munition an Bord der in Toulon liegenden Kriegsschiffe veranlaßt zu haben..
Nantes, 3. Okt. In einer Fabrik in Trig- nac zersprang heute morgen ein Schwungrad. Durch umherfliegende Eisenteile wurden 5 Arbeiter getötet. Der Materialschaden ist bedeutend.
London, 2. Okt. Bei dem Sturm im Kanal strandete bei Boulogne gestern der Dampfer König Friedrich August der Hamburg-Amerika-Linie. Er wurde gegen einen Wellenbrecher getrieben und
liegt noch dort. Zahlreiche Schleppdampfer kamen, um Hilfe zu bringen. „König Friedrich August" hat mehrere hundert Passagiere für Amerika an Bord.
In Dublin droht infolge des Bäckerstreiks eine Hungersnot. Die arme Bevölkerung beginnt zu verzweifeln. In mehreren Stadtvierteln hat die Menge Brotwagen angegriffen und geplündert.
Petersburg, 2. Okt. Der Bischof von Kiew, Thihirinski, ist gestern, während er die Totenmesse für Stolypin bei überfüllter Kirche abhielt, bei den ersten Worten niedergestürzt und infolge eines Herzschlages nach wenigen Minuten gestorben. Das traurige Ereignis machte auf die Gemeinde einen erschütternden Eindruck.
Abo (Finnland), 3. Okt. Der Präsident deS Hofgerichts, Akermann, ist durch einen Revolverschuß getötet worden; der Täter hat Selbstmord verübt.
Portugal. Die royalistische Bewegung ist trotz aller Dementis der Regierung nun doch stark genug geworden, um ein Vorgehen zu wagen. Der Einfall Conceiros von Spanien her widerlegt aufs beste die amtlichen Beswichtigungen. Aus Lissabon freilich meldet man schon wieder Erfolge der Republik; es wird von dort aus gemeldet: Dem Vernehmen nach versuchte eine Kolonne Royalisten die Grenze in der Richtung auf Chares, Provinz Trafos Montes, zu überschreiten, wurde jedoch zurückgedrängt. Ein Zollbeamter wurde getötet. Man machte den Versuch, die Brücke bei Entrecamiento in die Luft zu sprengen. Die Bevölkerung von Santo Tirso hat sich erhoben und royalistische Fahnen aufgepflanzt.
Lissabon, 3. Okt. Kapitän Caeva Conceiro, das Haupt der portugiesischen monarchistischen Verschwörer, ist am 1. Oktober, morgens 2 Uhr, mit 4000 Bewaffneten, mehreren Geschützen und Mi- trailleusen, sowie 120 Mauleseln in Portugal eingefallen.
Mexiko, 4. Okt. Madero wurde zum Präsidenten von Mexiko gewählt.
Marokko.
Paris, 4. Okt. (Agence Havas.) Eine endgültige Einigung über die Markkofrage steht unmittelbar bevor. Es konnte festgestellt werden, daß auf beiden Seiten der lebhafte Wunsch nach einer Einigung besteht, da Staatssekretär von Kiderlen-Wächter und der Botschafter Cambon einzig und allein bestrebt sind, zu einem Text zu gelangen, der vollkommen klar und jeder Zweideu
tigkeit bar ist und so für die Zukunft jede Ursache zu Reibungen oder Mißverständnissen verhütet. Man verhehlt sich indessen nicht, daß die Kongofrage nicht weniger schwierig und nicht weniger heikel ist.
Ich -in anders, als ich w«r.
Daß ich mich verändert habe.
Sagt die Welt mir immerdar;
Wahrlich, ohne Scherz zu sprechen.
Ich bin anders, als ich war.
Was die Herrn und Damen trieben.
Schien mir lobenswert fürwahr; Tadelnswert scheint jetzt mir alles.
Ich bin anders, als ich war.
Große Zirkel liebt' ich einstens.
Wo man fröhlich scherzt und lacht Und wo einer auf den andern Lästert und sich lustig macht;
Jetzt entflieh' ich weit von dannen,
Seh' ich eine solche Schar,
Torheit scheint mir all ihr Treiben,
Ich bin anders, als ich war.
Hört' ich sonst die Deputierten Sprechen, sich beraten viel.
Dacht' ich mir: das Wohl des Landes Ist allein ihr Wunsch und Ziel;
Doch jetzt scheint mir, daß so mancher Niemals Patriot noch war,
Landeswohl ihn wenig kümmert;
Ich bin anders, als ich war.
Sah ich sonst ein schönes Mädchen,
Fühlt' ich Liebe gleich zu ihr.
Meine Augen strahlten Sehnsucht,
Und ein Engel schien sie mir;
Wie ich heute denk', verschweig' ich.
Doch auch jetzt noch immerdar,
Seh' ich eine, muß ich seufzen.
Bin noch immer, wie ich war.
(Die Jagd im Oktober.) Mit dem Monat Oktober ist die Gnadenfrist Meister Lampes vollends abgelaufen. Nun dauert es auch nicht mehr lange, so beginnen auch die Treibjagden, und die echte Weidmannsfreude erreicht damit ihren Höhepunkt. Außerdem nimmt die Jagd auf Gelt- und Schmaltiere des Rot- und Damwildes ihren Anfang. Die Hirschbrunst erreicht ihr Ende. Der Dachs wird gegraben und geschossen. Auch die Jagd auf Fasanen, Rebhühner, Wildenten, Bekassinen ist in vollem Gange. Auf Raubvögel muß der Jäger fernerhin achten.
AiMirtbrirs «m Schorsch in Annika.
Schikago, 'n Dag nach'm Schwobafest.
Mei lieber Fremd Hermäntlel
Grüeß de Gott, Hermäntlel Freut me dei Tond- heit und beim Weib die ihr!
Dein Brief an mi in der „Wildbäder Chronik" Han e mit meine Fremd aus'm Schwobaländle g'lesa und Hot uns älle donderschlechtig g'freut.
Deim Weib mueß e ällerdengs Recht geba, wenn se zue der gsagt Hot, wenn älle Kätzla so lang brauch« bätet, bis se uf d'Welt komma, wie dei Brief an mi braucht Hot, no gäb's net viel Kätzla uf der Welt. I Han scho gmoint, du hättest de am End gar ohne Absäned und Testament in der Eil g'schwend amol em Kappelberg nauf zue g'macht, um de von deine Strapaza ausz'ruha. Weil d'aber gottlob älleweil no frisch und monier bisch und euer» Luftschiffdag und sogar 's Feuerwehrfest ohne weiter« Lchada für dei Londheit, als halt a rechts Jammerkätzle, überstanda hasch, will e der vor lauter Freud glei dein Brief beantwort«.
Daß mer bei ons in Schikago a Art Cann- statter Volksfest im Herbst hält, hasch vielleicht scho g'hört; mer hoißt's kurzweg 's Schwobafest. Do giebt's älles wie bei euch au: Deutschs Bier äller Sorta, b'sonders bayrischs, warme Würstla — kurze dicke und lange dünne —, Necker-, Stei' und Rhei'- wei', Küechla und Waffla, Bretzela und Hefareng, Pfannakuecha, Schweinsrippla und Knöchla,g'roichte und greane Brotwürst, Kalbsfueß und Gelbwurst, kurzom älles, was a Schwobamaga g'wöhnt isch. Aber ebbes Han e doch vermißt: d'Spätzla! So ebbes z'vergessa! 's nächst Johr mueß aber extra a Spatzaköche her und wenn's mer' Alte markiera mueß! A Schwobafest ohne Spätzla, dees derf's net amol in Amerika geba!
Daß au a Ochs am Brotspieß g'hängt isch, kaasch der denke, und was für oinerl Der isch fast noch amol so schwer g'wesa wie der in Cannstatt. (Randbemerkung: Aber hör, Schorsch, jetzt mach's no halbfett; i Han der doch extra g'schrieba, dü sollest net so arg aufschneida, i glaub der net älles I Ueberhaupt hosch jo du den in Cannstatt gar net g'seha — über's Meer rüber!j
. Schaubuden«, Kine, Auto- und andere Karussel,
, Schießbudena mit echt bayrische Schützaliesla aus Mencha, Hippodrom mit echt mexikanische Mustang, russische und amerikanische Rutschbahn«, älles in schwerer Menge vorhanda! Am besta Hot mer die russisch zwoisitzig Rutschbah' g'falla. Woisch au, worom? I will der's sag«, denn im Wildbad der- henta sieht mer jo koi russische Rutschbah', höchstens am Bartlamaimarkt a ganz oifachs Karussel. Also, woisch, Hermäntle, mei Weib, 's Rickele, isch in manche Sacha a bisle glustenig, und wie mer so vor dera Rutschbah' standet und die Leut älle do ra rutsch« sehet wie's Donderwetter, moint se uf oimol ganz schüchtern: „Du, Schorsch", moint se, „wöllet mer au amol?" — „Nadierlich rutschet mer au amol, wenn der's Spaß macht," sag i schnell, nemm se an der Hand und führ se nuf, wo mer ei'steigt. Mer nemma neba enander Platz und — hussah! — goht's au scho los! Mei Rickele isch net druf g'faßt g'wesa, isch kolossal verschrocka und mit'm Schroi „O Schorsch!" isch se mer um de Hals g'falla und Hot se an me «'klammert wie a Beißzang, daß mer schier der Schnaufer verganga isch. Zum Glück Hot der Rutscher net lang dauert. Wo mer no ausg'stiega gwä sen, Hot mei Rickele absolut hoim wölla. Derhoim Han e no, wo mer gemüetlich uf'm Sofa g'sessa sen, g'sagt: „Rickele", Han e g'sagt, „seit unserem Hochzichdag bisch mer nemme so fest um de Hals g'falla wie heut obed uf der Rutschbah'!" - —
Uebrigens tuet en Schikago beim Schwobafest oifach älles mit: ehmolige Schwoba, Boyra, Badenser, Preußa, Sachsa, Oesterreicher, Italiener, Russa, Engländer, Neger und Chinesa, Milliardär und Bettelleut; älles freut sich, schreit und jubelt am Schwobafest. So a g'mischte G'sellschaft trifft mer net amol im Wildbad, gell, Schorsch? —
In de deutsche Zeitenga Han e in letschter Zeit g'lesa, daß die Marokkog'schicht friedlich ausgang. I und mei Rickele hent scho älleweil Angst gheet, i müeß am End Widder nach Deutschland ei'rücka. Woisch, Schorsch, do ließet mir Schwoba en Amerika onser Vadderland au net im Stich! Ueberhaupt gega d'Franzhosa und Engländer dätet die Deutsch-Amerikaner gern ihr'n Mann stella! Dera übermüetiga G'sellschaft sott mer amol ihr große
Lapp stopf«. DeeS Krieagsschiff-U'glück in Toulon Han e au g'lesa. Gell, do isch die Lotterwirtschaft in der französisch« Marine wieder aufkomma; in der englisch« würd's au net viel besser sei', wenn der deutsch Kaiser amol de Deckel vom Hafa dät. Dees isch halt doch a friedliebender Ma'; oder moisch, er hätt scho losg'schlaga, wenn er de Russa trau« dürft? Gell, do sitzt der Has im Pfeffer!
Uebrigens hent do jetzt d'Jtalianer en schlecht« Salat a'gmacht für Deutschland mit ihrem Raubzug nach Tripolis l Do kann a bais Donderwetter für ganz Europa draus werda! Bis mei' Brief über em Bach drüba isch, isch der Deisel zwischa Jtalia und der Türkei woll scho losganga! No, Schorsch, mer wölla halt abwarta und Neu« trenka I 's Schlecht' kommt emmer von alloi. —
Weil d' von onserer Heuriga amerikanischa Hitz, von der ihr derhenta em sonst mollig küehla Wildbad au ebbes g'schbiert hübet, ebbes wissa möchtest, so will e der no des Oine saga: Sei froh, daß d' in Wildbad gwä bisch und net in Amerika! So ebbes möcht e nemme mitmacha! I wohn ema zwölf Stock hoha Wolkakratzer im neunta Stock. Do hent mer vierzeh' Dag lang vor lauter Dampf gar net dra denka dürfa, derhoim z'schlofa. Em elfe rom sent mer äls in a Kirch in der Nochber- schaft ganga, zwoi leichte Deppich unter'm Arm; dort hent mer mit viele Andre in der Vorhalla uf'm Stoiboda g'schlofa. Derhoim rom Hot mer's überhaupt net ausg'halta. An Kloider Hot mer derhoim rom blos no a Hemed a'gheet; scheniera hot's do nemme geba! Am liebst« hätt' mer dees au no ra do. — Und dees bisle Durst, Hermäntle! I will weiter nex me klaga, aber in dem Sommer Hot mer bei ons seine Send« a'büeßa könna, dees kaasch mer glauba, wenn d' mer au sonst scheint's net älles glaubsch.
Aber jetzt mueß e für deesmol schließa, sonst kost't mei Brief 's dobbelt Porto; und spara mueß mer, au en Amerika, denn do isch au scho lang nemme älles Gold, was glänzt!
Also b'hüet de Gott, Schorsch, samt Weib und Kender,, und schick' bald widder en recht lang« Brief durch d' Chronik
deim alta Freund
0. Schorsch en Schikago.
Es nicht immer «och, die „Wildbider Stzromk" für dis letzte WerteWr 1911 bei der SiMio« z« Welte»!