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blatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.
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Samstaq, den 30. September
1!Ui
47. IahiMim.
Krieg Wischen Italien und der Türkei.
Die Kriegserklärung zwischen Italien und der Türkei ist heute früh in unserem friedlichen Schwarzwaldtale bekannt geworden und giebt Anlaß zu tiefernsten Erörterungen.
Durch Extrablatt-Aushang konnten wir folgende Dieldungen bekannt machen:
Konstantinopel, 29. Sept. Die Bezieh» ungeu zwischen der Türkei und Italien gelten als abgebrochen, nachdem der außerordentliche Ministerrat das Ultimatum Italiens abgelehnt hat Die Eröffnung der Feindseligkeiten steht unmittelbar bevor.
Rom, 30 Septbr Italien und die Türkei befinden sich seit gestern mittag halb 3 Uhr im Kriegszustand. Tripolis und Lyrenaika find blockiert und an die Mächte ist bereits entsprechende Mitteilung abgegangen. Die deutsche Allianz- Verpflichtung kommt nicht in Betracht.
Tripolis, 29. Sept. Zehn italienische Schlachtschiffe sind vor Tripolis angekommen.
Die Kriegserklärung ist gestern Freitag in Konstantinopel unter ungeheurer Aufregung der Bevölkerung bekannt gegeben worden.
Die Aussichten für eine friedliche Lösung der Tripolisfrage waren von vornherein gering. Italien hat durch seinen Minister des Auswärtigen in der Nacht vom 26. auf 27. ds. an den italienischen Geschäftsträger in Konstantinopel folgende Depesche gerichtet, von der er auch dem ottomanischen Geschäftsträger in Rom Mitteilung machte: „Während einer langen Reihe von Jahren hat die italienische Regierung niemals aufgehört, der Pforte vorzustellen, daß es absolut notwendig sei, dem Zustand der Unordnung und Vernachlässigung, in dem Tripolis und Cyrene von der Türkei gelassen wurden, ein Ende zu machen, und daß diese Gegenden der gleichen Wohltat des Fortschrittes wie die übrigen Teile Nordafrikas teilhaftig würden. Ein solcher Wechsel, der sich auf die allgemeinen Forderungen der Zivilisation gründet, stellt für Italien ein vitales Interesse erster Ordnung dar, angesichts der geringen Entfernung, die diese Gegend von der italienischen Küste trennt. Andererseits stellen die Nachrichten, die die kgl. Regierung von ihrem Konsularagenten in Tripolis und Cyrenaika erhält, die Lage als außerordentlich ernst dar in
folge der Bewegung gegen die italienischen Untertanen, die augenscheinlich von Beamten und anderen behördlichen Organen hervorgerufen ist. Diese Bewegung bildet eine große Gefahr nicht nur für die Italiener, sondern auch für die Fremden jeder Nationalität, die mit Recht beunruhigt und besorgt um ihre Sicherheit sind und Tripolis zu verlassen anfangen. Die Ankünfte von Militärtransporten in Tripolis, auf deren ernste Folgen die italienische Regierung die ottomanische aufmerksam zu machen nicht verfehlt hat, können nur die Lage verschlimmern und legt der kgl. Regierung die unbedingte Verpflichtung auf, den daraus drohenden Gefahren vorzubeugen. Die italienische Regierung, die sich gezwungen sieht, von nun an an den Schutz seiner Würde und seiner Interessen zu denken, ist entschlossen, zu einer militärischen Besetzung von Tripolis und Cyrenaika zu schreiten. Diese Lösung ist die einzige, die für Italien in Betracht kommt, und die kaiserliche Regierung möchte demzufolge Anordnungen treffen, daß dieser Schritt bei den gegenwärtigen ottomanischen Vertretern in Tripolis auf keinen Widerstand stoßt und daß die sich aus ihr ergebenden Maßnahmen ohne Schwierigkeiten getroffen werden können. Weitere Abmachungen können von den ^Regierungen endgiltig festgelegt werden, um die l Lage endgiltig zu regeln. Die kgl. Gesandtschaft sin Konstantinopel hat den Auftrag erhalten, eine entscheidende Antwort hierauf von der otto- manischen Regierung innerhalb 24 Stunden nach der Vorlegung des gegenwärtigen Schriftstückes zu verlangen, widrigenfalls die italienische Regierung sich genötigt sehen würde, die zur Sicherung der Besetzung beabsichtigten Maßnahmen unverzüglich zu treffen. Wollen Sie hierzu noch bemerken, daß in dem Termin von 24 Stunden die Antwort auch durch Vermittlung der türkischen Botschaft in Rom uns mitgeteilt werden soll. Gez.: San Giuliano." — Also ein Ultimatum!
Wie fast sicher vorauszusehen war, hat die Türkei das italienische Ultimatum abgelehnt. Die Italiener haben dies offenbar auch nicht anders erwartet und sich gut vorbereitet, sodaß sie sofort mit' der Blockade der tripolitanischen Häfen ein- setzen konnten; fast genau so wie die Japaner vor Port Arthur.
Die Türkei behauptet nun, Italien stelle sich ! durch seinen Raubzug nach Tripolis außerhalb des Völkerrechts und kündigt ihrerseits dasselbe an.
! Deutschlands Allianz mit Italien wird durch ^ einen italienisch-türkischen Krieg nicht berührt, da die Türkei nicht zu jenen Mächten zählt, welcke im deutsch-italienischen Allianzvertrag gemeint sind.
Immerhin ist die Lage jedoch für Deutschland bei der fast innigen Freundschaft, die es auch mit der Türkei seit so langer Zeit verband, eine recht difficile und Herr v. Kiderlen-Wächter wird seine ganze Diplomatenkunst in nächster Zeit zu beweisen haben. Strikte Neutralität kann die einzig richtige Parole für Deutschland in diesem für den Weltfrieden so gefährlichen Kriege sein, zu dem England mit bekannter Meisterschaft gehetzt hat, um des Dreibundes Kräfte zu zersplittern, nachdem es ihm nicht gelungen ist, Frankreich gegen Deutschland zu Hetzen.
Für die Türkei kann dieser Krieg der Anfang vom Ende werden, denn Kreta und die anderen noch unter türkischer Oberhoheit stehenden Vasallenstaaten werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach die willkommene Gelegenheit, das tückische Joch abzuschütteln, nicht entgehen lassen. Die Anzeichen hiefür sind bereits vorhanden.
In Tripolis sind bereits verschiedene Kriegskorrespondenten eingetroffen.
Die in Tripolis und Cyrene ansässigen Italiener verlassen eiligst das Land, da sie mit Recht befürchten, ernsten Mißhandlungen ausgesetzt zu werden.
Der größte Teil der Angehörigen der italienischen Kolonie wurde unentgeltlich nach Syrakus befördert und ist somit in Sicherheit. Die wenigen Zurückbleibenden, welche sich, da alle Dampfer vollgepfropft waren, nicht mehr flüchten konnten, sehen allerdings bei dem mächtig auflodernden Fanatismus der Muselmanen schlimmen Tagen entgegen, wie überhaupt sämtliche noch in Tripolis weilenden Europäer.
kunascbau.
— Auf den 1. Oktober, den Beginn des Eisenbahnfahrplans für den Winterdienst, sind die Postverbindungen des Landes neu geregelt worden. Die Personenposten, die Botenposten und die zur Postsachenbeförderung mitbenützten Privat-Kraft- wagenfahrten sind unter Angabe ihrer Kurszeiten in der als Anschlag gedruckten Uebersicht „Postverbindungen in Württemberg vom 1. Oktober 1911 an" zusammengestellt. Neu eingerichtet wird infolge des Wegfalls der Kraftwagenfahrten auf der Strecke Gernsbach—Herrenalb—Wildbad eine tägliche Personenpost zwischen Gernsbach und Herrenalb und zwischen Herrenalb und Neuenbürg.
Stuttgart, 27. Sept. Die Herbstwanderversammlung der Nationalliberalen (Deutschen) Partei findet am Sonntag 15. Oktober in Böblingen statt. Referate haben übernommen außer dem
Schuldbeladen.
Roman von Heinrich Tiadem.
(Nachdruck verboten)
XV.
Am Abend dieses Tages trat der Marquis Tarleton in das Zimmer Edelhagens. Dieser saß am Fenster und hatte ein Buch auf dem Schoß. Doch seine Augen blickten versonnen über den Rand des Buches hinaus in die Wipfel der Parkbäume.
„Nun, mein Lieber, was treibst du denn den ganzen Nachmittag hindurch? Ich sah dich nicht seit dem Mittagessen."
„Aber ich dich auch nicht," entgegnete Edelhagen lächelnd. „Ich habe Briefe geschrieben, gelesen, geträumt — alles in allem einen halben Tag mit nichtssagender Tätigkeit vergeudet. Und du?"
„Ich habe gearbeitet. Sieh her, was ich gemacht habe."
Damit legte er ein Blatt Papier vor Edelhagen
hin. Dieser warf einen Blick darauf, dann sah er in großem Erstaunen in die Höhe.
„Holla, was ist das?"
„Eine Zeichnung, wie du siehst," entgegnete der Marquis trocken.
„Ja, das schon — aber — wozu das?"
„Erkennst du das Gesicht?"
„Freilich. Es ist Strakeau. Die Arbeit ist künstlerisch."
„Die erste Hälfte deiner Antwort ist mir wertvoller als die zweite," lachte Tarleton. „Ja, es ist Strakeau — und ich kann sagen, er ist vorzüglich getroffen."
„Noch einmal, wozu das?"
„Gedulde dich, du wirst es sehen."
Der Marquis zog einen Stuhl neben den des Freundes und begann von anderen Dingen zu plaudern.
Nach Verlauf einer Viertelstunde trat ein Diener in das Gemach.
„Mister Wield wünscht Sie zu sprechen, Sir. Befehlen Sie, daß ich ihn ins Arbeitskabinett führe?"
„Lassen Sie ihn hierher kommen."
Wenige Augenblicke später betrat ein anscheinend junger Mann das Zimmer. Er begrüßte die Anwesenden mit ruhiger Höflichkeit und wandte sich dann an den Hausherrn.
„Sie wünschten mich zu sprechen, Sir?"
Tarleton nickte ihm freundlich zu.
„Sie sind pünktlich wie immer. Nebmen Sie Platz."
Dann wandte sich der Marquis an Edelhagen.
„Ich stelle dir hier Herrn Wield vor, den Leiter meiner ausgedehnten Geschäfte. Ich glaube, ich sprach dir schon von ihm."
„Ach, in der Tat!" rief Edelhagen. „Ich bin erstaunt, eine solche Fülle von Umsicht und Geschäftsgewandtheit bei einem verhältnismäßig noch so jungen Manne anzutreffen."
Da diese in freundlichem Ton gesprochenen Worte hauptsächlich an Wield gerichtet waren, machte dieser eine höflich dankende Verbeugung, wobei ein schwaches Lächeln über seine ruhigen, energischen Züge flog.
„Sie täuschen sich in mir, mein Herr. Meine Jugend ist nur äußerlich. Eben habe ich die Vierzig überschritten."