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für öie SLaöt Wil'öbaö.

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Hirzu: Illustriertes Sonnta

Anzeiger

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gsblatt und mährend der Saison: Amtliche Fremdenlistq.

Nr. 46 I

Dienstag, den 18 April 1911

47. Jahrgang.

ktiliascbal«.

An der unter Aufsicht der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel stehenden staatlichen Fachschule für Feinmechanik usw. inSchwenningen beginnen am 2. Mai ds. Js. wieder neue Unter­richtskurse. Der Zweck der Fachschule ist, durch praktischen undtheoretischen Unterricht in verschiedenen Zweigen der Feinmechanik einschließlich Uhrmacherei und Elektromechanik für diese Gebiete ebensowohl tüchtige Gehilfen und Werkführer als selbstständige Gewerbetreibende heranzubilden. Das Nähere ist aus der Bekanntmachung im Gewerbeblatt Nr. 14 zu ersehen.

Calw, 14. April. Der Oberbahnwärter Fessele ist auf dem hiesigen Bahnhof unter einen Zug geraten aber noch glimpflich davongekommen, da ihm die Räder nur einige Fingerglieder abschnitten. Immerhin war seine Verbringung ins Krankenhaus notwendig.

Altensteig, t3. April. Die Handwerkerbank Altensteig e. G. m. u. H. hielt gestern in der Turnhalle ihre ordentliche Generalversammlung ab. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung war die Deckung des Verlustes von 45 000 Mk. aus dem Schmitzschen Konkurs. Nach lebhafter De­batte kam eine Einigung dahin zustande, daß die 9000 M. Hilfsfond und der Ueberschuß des Rech­nungsjahres 1910 hiezu verwendet werden sollen; Der Rest wird dem Reservefond entnommen, so daß sich dieser von 66 000 Mk. auf 46 000 Mk. ermäßigt. Im Bankpersonal wird kein Wechsel eintretev. Wenn diese Lösung derBankfrage" auch nicht allgemein befriedigt, so hält man sie doch für den besten Weg, die aufgeregten Gemüter wieder zu beruhigen.

Die Höhere Handelsschule, Direktor Emil Aheimer, Kirchheim - Teck, ältestes Institut seiner Art in Süddeutschland, teilt uns mit. daß der Eintrittstermin für das Sommersemester nicht nur der 20. April, sondern infolge besonderer Wünsche auch der 2. Mai sein wird.

Mühlacker, 12. April. Unter Anwesenheit von Oberamtmann Elsenhans und einem Vertreter der Generaldirektion der Post, Postrat Schloßberger, fand gestern hier eine Versammlung statt, um über die zu errichtende Automobillinie Wurmberg Sternenfels zu beraten. Die Vertreter der an­liegenden Gemeinden waren größtenteils einig. Die Sache ist spruchreif und wird von den bürgerlichen Kollegien nun jeiveils verhandelt werden. Die Gesamtauslagen pro Jahr betragen ca. 30000 M. Hieran geht ab die Entschädigungssumme der Post mit 8000 Mk., die jetzigen Einnahmen der Post von 4000 Mk. (die sich aber erfahrungsgemäß um das drei- bis fünffache erhöhen ließen), ferner ersetzt die Post bei Defizit 2000 Mk. und gibt ein unverzinsliches Darlehen von 7000 Mk. Die Straße müßte in bestem Zustande sein. Die Be­triebskosten kommen pro Kilometer auf 52 Pfg., der Fahrpreis pro Kilometer (einfache Fahrt) auf 78 Pfg. Die Anschaffung von 3 Wagen würde einen Aufwand von ca. 50 000 Mk. verursachen.

Aus Baden-Baden wird geschrieben: Um für das leibliche Wohl der Luftreisenden zu sorgen, befindet sich an Bord des Zeppelin-Luftschiffes Deutschland eine kleine Restauration. Für die Fahrt von Friedrichshafen nach Düsseldorf war die folgende Karte ausgegeben: Speisen, die Portion: Bester Beluga Malossol 4 Mk., französisches Mast­huhn 3 Mk, Straßburger Gänseleber-Pastete 3 Mark, Salate 1 Mk., Erdbeeren nach Melba 3 Mark; Weine: 1908er Rauenthaler Berg 4,50 Mk., 1905er Steinberger, Originalabfüllung, 8 Mk., Moseltreppchen 4 Mk., 1898er Duzru Beaucaillou 6 Mk., Burgeff grün 8 Mk., G. H. Mumm, Reims, ßout amorieuin, 17 Mk., Courvoisier Kognak***,

das Glas 1 Mk. Wer für die Fahrt 200 Mk. und darüber anlegt, darf auch solche Preise aus­geben, die für diese Verhältnisse durchaus rächt als zu hoch bezeichnet werden können.

Frei bürg, 11. April. Obwohl der Kamps gegen die Schundliteratur von allen auf das Volks­wohl bedachten Kreisen seit Jahren mit großer Energie geführt wird, ist kaum ein nennenswerter Erfolg zu verzeichnen. Es gibt immer noch Leute genug, die sich nicht scheuen, aus der Herstellung und dem Verkauf von Schundbüchern aller Art ein Gewerbe zu machen. Und diese seelenvergiftende Lektüre fordert immer neue Opfer. So wurden hier vor einigen Tagen drei Goldschmiedslehrlinge aus Pforzheim von der Freiburger Polizei festge­nommen, die, irregeleitet durch solche Banditenge­schichten, in einem Pforzheimer Geschäft ca. 500 Mark entwendet hatten und sich damit auf den Weg nach der Schweiz machten. Dis Burschen waren mit Revolvern nebst scharfer Munition be­waffnet. Nachdem sie sich zunächst in Karlsruhe mit Reiseutensilien versehen hatten, wandten sie sich nach Freiburg, wo sie sich in einer Wirtschaft durch große Geldausgaben und Geschenke an die weibliche Bedienung auffällig machten. Die Polizei erfuhr von demTreiben der hoffnungsvollen Burschen, nahm sie in scharfes Verhör und steckte sie schließlich ins Gefängnis.

Am 2. April war es ein Jahr, daß in Bethel bei Bielefeld Pastor D. von Bodelschwingh, der Leiter der dortigen Anstalten, gestorben ist. Bekannt ist seine Tätigkeit auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge. Er hat Bethel zu der größten Anstalt für Epileptische gemacht, die es gibt. Er war der Gründer von Wilhelmsdorf, der ersten deutschen Arbeiter-Kolonie, und ein Bahnbrecher bei der Bekämpfung der Not der sogenannten reisenden Handwerksburschen", die er seineBrüder von der Landstraße" nannte. Weniger bekannt ist, daß er auch für die deutschen Kolonien mit hin­gebender Liebe gewirkt hat. Er war der Vater und Leiter der Missionsgesellschaft für Deutsch- Ostafrika, die mit etwa 30 europäischen Missions­arbeitern in Usambara und Ruanda tätig ist. In der letzten Zeit seines Lebens weilten seine Gedanken mit Vorliebe in Ruanda, am Kiwusee, dem schönsten See Afrikas. Dort soll ihm auch ein Denkmal gesetzt werden in Gestalt eines Motorbootes, das den NamenBodelschwingh" tragen soll. Da der See plötzlichen Stürmen ausgesetzl ist, denen die gebrechlichen Fahrzeuge der Eingeborenen so leicht zum Opfer fallen, so ist ein solches Boot notwendig. Es wird nicht nur den Missionaren bei ihren Reisen dienen, sondern auch sonst zu Verkehrs- und Transportzwecken gebraucht werden. Die 3000 Kranken in Bethel bei Bielefeld haben schon an- qesangen, für dieses Denkmal zu sammeln. Aber vielleicht findet sich sonst noch mancher, der das Andenken des großen Mannes durch einen Beitrag zu der Sammlung ehren möchte. Gaben nimmt entgegen die Ostafrika-Mission in Bethel bei Bielefeld.

Vom Fränkischen, 11. April. Seine über 20 000 Mk. betragende Mitgift bewahrte ein Land­wirt in einer eisernen Kassette im Ofen auf. In den letzten Kältetagen heizte das Dienstmädchen den Ofen sehr stark, so daß natürlich durch die Glut dem Geldbehälter ordentlich mitgespielt wurde. Ein großer Teil des Geldes (Banknoten) ist rettungslos verloren.

Berlin, 12. April. Das Vermögen der Fried­rich Haase-Pensionsstiftung für hilfsbedürftige Schauspieler beiderlei Geschlechts, besteht aus 100 000 Mk. Unterstützung soll gewährt werden aus den Erträgen des Stiftungskapitals im Falle von Jnvalidät oder in Fällen der Not. insbesondere dann, wenn die Pensionsanstalt der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger nach ihren Satzungen

keine oder nicht genügende Unterstützung zu ge­währen in der Lage ist.

Der Ertrag der Wertzuwachssteuer wird geteilt zwischen dem Reich, den Bundesstaaten und Gemeinden. Das Reich bekommt die Hälfte, die Gemeinden zwei fünftel, die Bundesstaaten ein Zehntel. Je nachdem nun die Gemeinden, wie in Preußen, oder die Bezirkssteuerämter, wie in Würt­temberg, die Verwaltungsbehörden bilden, erhält der Bundesstaat oder die Gemeinde noch weitere Einnahmen aus dem Wertzuwachssteuergeschäft. Die Gebühr für die Probeveranlagung, den Fest­stellungsbescheid, in dem sestgestellt wird, ob und in welcher Höhe eine Zuwachssteuer im Veräußer­ungsfall anzusetzen ist, fließt in die Kasse der Bun­desstaaten oder der Gemeinde. Das Zuwachssteuer­amt erhebt auf diese Gebühr einen Kostenvorschuß von dem Grundstückseigentümer, der den Antrag auf Probeveranlagung stellt, von mindestens 20 Mark.

Im Weinbaugebiet der Marne herrscht nach den heutigen Meldungen die reine Revolution. Nicht bloß sengend und brennend, sondern im Kampf mit dem Militär und in trotziger, offener Auflehnung gegen die staatliche Gewalt ziehen die fanatisierten Winzer von Ort zu Ort, und das alles, obwohl erst ein Beschlußantrag im Senat angenommen wurde, noch lange nicht ein Gesetz fertig vorliegt. Es wird der französischen Regierung unmöglich sein, die widerstreitenden Interessen der eigentlichsten und besten Champagnergegend die eine enge Abgrenzung des Begriffs Champagner fordert, und der Champagner im weiten Sinn, die ihre Erzeugnisse auch noch durch die Etikette Cham­pagner profitieren lassen möchte, so zu vereinen, daß kein Teil sich benachteiligt fühlte.

Reims, 13. April. Die Lage wird immer bedrohlicher. Das ganze 6. Kürassierregiment in St. Menehould ist nach Epernay beordert worden. Ebenso sind ^ Schwadronen von hier in das Weinbaugebiet abgegangen. In Damery sind die Keller der Weinhändler- völlig verwüstet worden.

In den Ortschaften Damery und Dizy wurden fünf Champagnerhäuser, die in dem Ruf stehen, Wein aus anderen Departements zur Cham­pagnerbereitung zu benützen, sabotiert. Besonders in Dizy wurden arge Verwüstungen angerichtet. Die Kellereien der Firma Eastelane wurden voll­ständig ausgeplündert; von den daselbst lagernden 230000 Flaschen Champagner soll fast nichts übrig geblieben sein. Der gesamte Wein wurde in die Gosse abgelassen, und die Leute wateten stellenweise bis zum Knie darin herum.

Die Winzerausschreitungen in Ay und Epsrn- ay am Mittwoch waren noch viel ausgedehnter und furchtbarer, als es nach den ersten Meldungen den Anschein hatte. Mehrere tausend Winzer hausten den 'ganzen Tag wie Hunnen und Kani- balen in der Gegend. Sie verbrannten mehr als ein Dutzend Champagnerfirmeu, vernichteten Tau­sende von Hektolitern Wein in Flascben und Fässern, plünderten die Privatwohnungen der Fabrikanten und des Personals »oll ommen aus, nachdem sie sich in Champagner tierisch betrunken hatten. Geld­schränke wurden erbrochen und entleert, das Silber­zeug gestohlen, Möbel verbrannt, Geschäftsbücher vernichtet, das Maschinenmaterial zerbrochen, die Hühner aus den Ställen gezogen und lebend in den Scheiterhaufen geworfen, so daß ganz Ay nach Wein, Brand und geröstetem Fleisch riecht. Die Truppen waren ohnmächtig oder nicht an richtigen Orten und durften von der Waffe keinen aus­reichenden Gebrauch machen. Ay gleicht einer Stadt nach der Belagerung. Ganze Straßen sind niedergebrannt.

Paris, 13. April. Ungefähr 1000 Winzern gelang es gestern gegen 2 Uhr nachm, in die