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Saison: Amtliche Fremdenlisty.

Nr. 40 I

Dienstag, den 4 April 1911

47. Jahrgang-

klilillscbali.

Stuttgart, 31. März. In seiner Abschieds­rede bei der heutigen gemeinschaftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wies Oberbürgermeister von Gauß nochmals aus die Gründe hin, die ihn zu seinem Rücktritt veranlaßt hätten, besprach sodann sein Verhältnis zu den bürgerlichen Kollegien und betonte, es werde auch fernerhin nötig sein, daß der Stadtvorstand so wie er jederzeit seine Ueber- zeugung entschieden geltend mache. Er dürfe sich durch keine Gegnerschaft davon abschrecken lassen, das zu tun, was er für richtig halte. Während seiner Amtszeit habe er vielleicht in vielem geirrt, aber sich den Aufgaben des Amtes stets aufs Ernsteste gewidmet. Der Redner nahm Abschied mit dem Wunsche, daß er keinen Nachfolger erhalten möge, der keinen eigenen Willen besitze. Für die ihm vielfach zuteil gewordene Unterstützung und für jede Freundlichkeit, die er erfahren habe, sprach er herzlichen Dank aus. Bürgermeister Dr. Rettich und Bürgerausschußobmann Dr. Erlanger widmeten dem Scheidende» herzliche Dankesworte, indem sie seine Verdienste um den Fortschritt der Stadt hervorhoben. Das dienstälteste Gemeinderatsmit­glied rief dem Scheidenden gleichfalls ein Herz liches Lebewohl zu.

Stuttgart, 1. April. Bei der Stuttgarter Straßenbahn wird vom 1. Mai an der 5-Minuten- betrieb eingeführt werden.

Stuttgart, 1. April. Der Stuttgarter Wirtsverein beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung mit der Gründung einer Genossenschaftsbrauerei. Es wurde beschlossen, in der nächsten Zeit eine Versammlung einzuberufen, in der die Frage be­handelt werden soll. Zu dieser Versammlung sollen die Wirtsvereine Cannstatt, Ludwigsburg und Eß­lingen eingeladen werden, damit mit diesen Ver­einen gemeinsam über die Gründung einer Ge­nossenschaftsbrauerei verhandelt werden kann. Für die Neugründung ist von den Mitgliedern des Stuttgarter Wirtsvereins eine repektable Summe gezeichnet.

Stuttgart, 31. März. Der Stromtarif für den Bezug von Elektrizität aus den städtischen Werken ist von den bürgerlichen Kollegien einer Revision und zwar im Sinne einer Verbilligung unterzogen worden. Der Preis für die Kilowatt­stunde unter gewöhnlichen Verhältnissen zu Be- leuchtnngszwecken wurde für die Zeit vom 1. Oktober bis Ende Februar von 5-8 Uhr auf 50 Pfennig (bisher 60 Pfennig) festgesetzt, für die übrige Zeit auf 30 Pfennig (bisher 40 Pfennig). Für Kraft­zwecke ohne Beschränkung auf gewisse Zeiten sollen durchschnittlich 22 Pfennig festgesetzt werden (bis­her 40 bezw. 18 Pfennig.)

Calw, 30. Mürz. Eine angenehme Folge der Einrichtung der Wanderarbeitsstätten ist das Auf- Hören des Bettelns durch arbeitsscheue Stromer Es ist sehr selten, daß ein Handwerksbursche wegen Bettelns aufgegriffen wird. So kommt es. daß das Oberamtsgefängnis keine Insassen mehr erhält und somit entbehrlich geworden ist. Die Finanz­verwaltung hat deshalb in einen Verkauf des Oberamtsgefängnisses gewilligt und den Verkauf dieses Gebäudes öffentlich ausgeschrieben. Die wenigen Gefangenen, die noch dem Oberamc an­fallen, werden im Amtsgerichtsgefängnis unter­gebracht werden. Die Wanderarbeilsstätte war in diesem Winter täglich von 2040 Reisenden ausgesucht; mit dem Eintritt besserer Witterung hat die Zahl derselben aber bedeutend abgenommen.

Heilbronn, 31. März. Die hiesigen Mitglieder der Fleischerinnung sind mit ihrem Beschluß, auf staatliche und städtische Submissionen keine Einzel­offerten mehr abzugeben, durchgedrungen. Das Strufanstaltenkollegium in Stuttgart hat auf das

von der Heilbronner Handwerkskammer wirksam unterstützte Gesuch der Innung die Direktion des hiesigen Zellengefängnisses gestern telegraphisch angewiesen, das Offert oer Innung (mit 5°/o Ab­gebot) anzunehmen. Gleichzeitig hat auch die Stadt­verwaltung die Lieferung für das Krankenhaus der Innung übertragen und zwar mit einem Abgebot von 10"/o bei Kalb- und Ochsenfleisch, 12°/o bei Wurstwaren, 8°/v bei Schweinefleisch.

Tübingen, 30. März. (Strafkammer.) Anfangs November hatte Ankerwirt Christian Beck in Altensteig auf entmostete Tirolertrauben Wasser aufgegossen und den hiedurch gewonnenen Trester­wein etwa 500 Liter teils ungemischt, teils mit reinem Wein vermischt, durch Verkauf und Aus-' schank in den Verkehr gebracht. Beck wurde wegen Vergehens gegen das Weingesetz zu 20 Mark Strafe und den Kosten verurteilt. Der beschlagnahmte Wein wurde eingezogen. Eine überaus rohe Tat verübte der Metzger und Wirt Fichtler von Unterniebelsbach am Abend des 14. Dezember. Ging da der 64jähr. Sodawasserfabrikant Becker von Ottenhausen bei Einbruch der Dunkelheit allein den Weg von Feldrennach nach Ottenhausen, als er unterwegs einem Fuhrwerk begegnete, neben dem zwei Männer hergingen. Fichtler war es, der mit seinem Fuhrwerk in Begleitung des Bauern Beck von Weiler denselben Weg in der Richtung nach Feldrennach fuhr. Als Becker an deren Fuhrwerk vorbeikam, ging Fichtler auf ihn zu, packte ihn hastig am Halse und warf ihn in den Straßengraben, kniete auf ihn, entriß ihm seinen Spazierstock und schlug mit diesem solange auf Becker ein, bis der Stock abbrach, wobei er besonders Kopf und Ge­sicht traf. Fichtler, vom Schöffengericht Neuenbürg Hiewegen zu 2 Monate Gefängnis verurteilt, legte Berufung ein, worauf gegen ihn eine Geldstrafe von 150 Mk. ausgesprochen wurde, an deren Stelle im Unvermögensfalle 30 Tage Gefängnis zu treten haben.

Die ordentlichen Schwurgerichtssitzungen des II. Vierteljahrs beginnen in Tübingen am Mon­tag den 24. April ds. Js., vorm. 9 Uhr. Zum Vorsitzenden ist Landgerichtsrat Dr. Kapff ernannt.

In dem Verlag von A. und S. Weil in Tübingen ist die erste kommentierte Ausgabe des Wertzuwachssteuergesetzes, das mit dem 1. April in Kraft tritt, erschienen. Verfasser ist Kameral- vermalter Miller in Güglingen. An der Hand des Gesetzentwurfes, der Kommissionsberichte und Reichs­tagsverhandlungen wird die schwierige Materie gemeinverständlich erläutert und allgemein verständ­lich gemacht. Des inneren Zusammenhanges wegen sind im Anhang das Reichserbschaftssteuergesetz und vom Reichsstempelgesetz die Abschnitte IXXI mit den bundesrätlichen Ausführungsbestimmungen ausgenommen. Die beigegebenen Zuwachssteuer­tabellen bilden ein wesentliches Hilfsmittel für die SteuerberechmlNg. Dieses kommentierte Reichs­gesetz über die Zuwachssteuer kostet bei 1VIII und 200 Seiten gebunden 3 Mk. und kann all­gemein empfohlen werden.

Friedrichshafen, 31. März. Das Luftschiff Deutschland" stieg heute vormittag '/-9 Uhr zur zweiten Probefahrt auf. Sofort nahm es den Weg über die Stadt zum See, der spiegelglatt daliegt. Der herrliche sonnenhelle Frühlingstag ließ den Kreuzer in blendendem Weiß erscheinen. Bis zur Höhe von 3000 Metern herrschte schwacher Südwest. Das Riesenschiff stieg bis 1800 Meter hoch, sodaß es zeitweise nur wie ein kleines Fahr­zeug erschien. Es hat in 2fffftündiger Höhenfahrt die Probe der Leistungsfähigkeit glänzend bestanden. Vortrefflich funktionierte auch die neue Seiten­steuerung. Die Propeller arbeiteten sicher, wenn auch mit laut hörbarem Geräusch. Um 11 Uhr

kam das Luftschiff in eleganter Fahrt von St. Gallen über Konstanz hierher zurück, überflog die Stadt in großem Bogen und stieg um 11 Uhr 10 Minuten langsam auf das Zeppelingebäude nieder, nachdem zuvor die rote Flagge an Bord des Schiffes die Landungsmannschaften herbeigerufen hatte. Die Landung verlief glatt, fast spielend. Nach weiteren 10 Minuten war das Luftschiff in der Halle geborgen.

Vom Bodensee, 30. März. Einen schönen Fang hat dieser Tage ein Fischer von Hard bei Bregenz gemacht, dem nicht weniger als 10 Stück Weller tauchWels" genannt) ins Garn gingen. Die Fische hatten das ganz kolossale Gewicht von 148, 130, 120 bis herab auf 40 Pfund. Die Weller halten sich bekanntlich mit Vorliebe in den schlammigen Teilen der Gewässer auf und lauern, mit ihren Bartfäden spielend, hinter versenkten Baumstämmen, Steinen, Holztrümmern und dergl. auf ihre. Beute, Fische, Krebse, Wasservögel etc. die von dem Harder Fischer gefangenen Pracht­exemplare wurden an eine Friedrichshafener Fisch­großhandlung und von dieser an Großbetriebe, Hotels und dergl. verkauft.

! Kaiser Wilhelm weilt seit Mittwoch wiederum

auf seiner herrlichen Besitzung Achilleion auf der Insel Korfu, wohin ihn die Kaiserin und die Prinzessin Viktoria Luise bekanntlich begleitet haben. Der Aufenthalt des Kaisers auf Korfu ist lediglich der Erholung gewidmet, politische Angelegenheiten spielen hierbei also keine Rolle.

Berlin, 30. März. Generalfeldmarschall Frhr. v. d. Goltz äußerte einem Redakteur derMorgen­post" gegenüber, er kenne Hrn. v. Schlichting als einen besonnenen Offizier, bei dessen ganzen Charakteranlage es ausgeschlossen sei, daß er seine Leute mißhandelt, ja auch nur zu schroff behandelt habe. Die Art von Korrektur, die er an einem albanesischen Soldaten vorgenommen habe, sei um so eher zu verstehen, als die Albanesen weder türkisch noch sonst eine Sprache außer der albanischen Sprache verständen. Hrn. v. Schlichting seien aber nicht die eigenartigen Ehrbegriffe der Albanesen bekannt gewesen: Jede Berührung seines Körpers empfindet er als tödliche Beleidigung So sei der Vorfall auf eine Verkettung außergewöhnlicher Umstände zurückzuführen, ohne daß den Offizier irgend welche Schuld treffe.

Die infolge der geplanten Herbstsession des Reichstages in sichere Aussicht zu nehmende Hinausrückung der Neuwahlen bis Ende Januar 1912 hat die Agitationsflut nicht unmerklich ab­gedämpft und wird im allgemeinen dazu beitragen, daS parteipolitische Leben vor einer gewissen Ueber- hastung zurückzuhalten, die schon da und dort ganz unverkennbar zutage getreten war.

Berlin, 30. März. In der heutigen Reichs­tagssitzung führte der Reichskanzler zu der Frage der Abrüstung und der Schiedsgerichte u. a. aus: In der Frage der Abrüstung ist bisher noch nie­mals ein auch nur einigermaßen begründeter Vor­schlag aufgetaucht, der sich ernsthaft diskutieren ließe. Die Zeit der Kabinettskriege ist vorüber. Stimm­ungen, aus denen heute noch Kriege entstehen würden, wurzeln in dem Gegensätze, der vom Volksempfinden getragen wird, und dieses Empfinden läßt sich leider leicht beeinflussen, insbesondere auch durch Treibereien in der Presse. Ist es möglich, dagegen ein diplomatisches Gegengewicht zu schaffen, so ist das außerordentlich erwünscht, aber für ein praktisches Vorgehen reicht dieser Gedanke nicht aus. Deutsch­land hat in vierzigjähriger Friedenszeit bewiesen, daß es keine Händel sucht. Sollte der Abrüstungs­gedanke greifbare Gestalt erhalten, so bedarf es eines festumrissenen Programms, und wer nur ver­schwommene Vorschläge macht, der läuft Gefahr, selbst zum Störenfried zu werden. Einem inter-