Makler Tüwnik
Amtsblatt
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Nr. 30
Samstag, den 11. März 1911
47. Jahrgang.
klintkcbali.
Stuttgart, 7. März. Eine Uebersicht über die Diensttätigkeit des Landjägerkorps im Jahre 1910 wird im heutigen „Staatsanzeiger" veröffentlicht. Besonders bemerkenswert ist, daß im! Vergleich mit dem Vorjahr die Zahl der wegen Bettels erfolgten Festnahmen um nicht weniger als 3661 zurückgegangen ist, was in der Hauptsache ohne Zweifel der Einrichtung der Wanderarbeitsstätten zuzuschreiben ist.
Stuttgart, 8. März. Wie die Württ. Presse- korrespondenz meldet, wird die nationalliberale Partei des Wahlkreises Ulm-Geislingen-Heidenheim als Kandidaten für die Reichstagswahl den Handelskammersekretär Dr. Kehm in Ulm aufstellen. Die Ausstellung wird endgültig in einer am nächsten Sonntag stattfindenden Vertrauensmännerversammlung erfolgen. >
Stuttgart, 9. März. Im hiesigen Hauptbahnhof ist seit längerer Zeit versuchsweise ein neuer Fahrkartendruckapparat, wie er in anderen größeren Bahnhöfen Deutschlands schon verwendet wird, aufgestellt. Der Apparat, der etwa 3000 Mark kostet, druckt selbsttätig durch Vermittlung eines Schalterbeamten sämtliche Fahrkarten 2., 3. und 4. Klasse, Kinderbillets usw. für sämtliche württ. Stationen mittels Clichees, die er in alphabetischer Reihenfolge enthält. Im Bedarfsfall darf der Beamte nur mittels eines Hebels den Karton der verlangten Wagenklasse in den Apparat ein- legen, worauf derselbe die Karte genau so bedruckt, wie die jetzigen Karten. Für den außerwürttem- bergischen Verkehr kommt die Verwendung des Apparats nicht in Betracht.
Stuttgart, 8. März. Im Königin-Olgabau wurde in vergangener Nacht eingebrochen. Der oder die Einbrecher drangen von der Eberhardskirche aus in den Ulrich'schen ^Blumenladen ein, wo ihnen das Wechselgeld der Ladenkasse in die Hände fiel, und dann in das Herrenkleidergeschäst Herion, wo von ihnen die Tageskasse mit etwa 100 Mk. Inhalt mitgenommen wurde.
Stuttgart, 8. März. Zu dem unlängst von Prof. Hoffmann behandelten Thema „Ozonisierung des Wassers" erfährt das „Neue Tagblatt, daß auch mit Neckarwasfer und zwar schon in den Jahren 1906 jund 1907 eingehende Versuche dieser Art gemacht wurden, daß aber der sogenannte Karbolgeschmack durch Oxitation mit Ozon nicht beeinflußt werden konnte. Auch mit allen sonst bekannten Wasserreinigungsverfahren wurden Versuche gemacht. Insbesondere wurden nach einem in Antwerpen bewährten Verfahren mit naszierendem Chlor, das energischer und anhaltender wirkt als Ozon Versuche größten Maßstabs ohne Erfolg angestellt. Bewährt hat sich bis jetzt nur die zeitweilige Absperrung des Zulaufs zur Filteranlage, wenn stoßweise schlechtes Neckarwasser in Berg ankam. Die überall und ausnahmslos für die Beseitigung fchädiger Keime als zuverlässig bewährte langsame Sandfiltration ist betriebssicherer als Ozonisierung; letztere beseitigt suspendierte Stoffe überhaupt nicht. Beide Verfahren beeinflussen wasserlösliche Stoffe nur soweit solche oxidierbar sind.
Eßlingen, 9. März. Die Gemeindekollegien haben dem Kultusministerium einen weiteren Beitrag von 100000 Mk. für den Fall der Verlegung der Maschinenbauschule nach Eßlingen zur Verfügung gestellt und zugleich die Bürgschaft für die von Privaten gezeichneten 100000 Mk. übernommen. Damit hat das Gesamtanerbieten von Stadtverwaltung und Bürgerschaft die Höhe von 300000 Mark erreicht. Maßgebend für diese Beschlußfassung war der allgemeine Wunsch der Bürgerschaft, einen Ersatz zu bekommen, für so manche von Eßlingen weggenommene Öffentliche Anstalt und Behörde.
Mühlacker, 8. März. Während hier die Pforzheimer Bijouteriefabrik I. Emrich einen modernen Fabrikneubau erstellen läßt, ist die Bautätigkeit der Nachbargemeinden ebenfalls rege. In Enzberg sind nach Bewältigung riesiger Erdbewegungen der Kanal und die Werkgebäude zum großen, für 23 Gemeinden vorgesehenen Elektrizitätswerk im Rohbau fertig. Die Roserschen Lederwerke in Enzberg — früher Weiß'sche Papierfabrik — werden demnächst dem Betrieb übergeben werden.
Pforzheim, 8. März. In der Hagenschießstraße hier hat sich gestern ein 45jähriger Kaufmann aus unbekannter Ursache erschossen- — Der frühere Bijouteriehändler Haug, ein 69jähriger Witwer, der aus Gram über den Verlust seiner Frau schwermütig geworden war, trank in seiner Wohnung Lysol. Er wurde noch lebend ins Krankenhaus gebracht. — In einer der letzten Nächte stahl im „Europäischen Hof" ein dort übernachtender Fremder, der sich Josef Bonni nannte, ein altes Gemälde, die Geburt Christi darstellend.
Pforzheim, 9. März. Wie vor einigen Tagen berichtet wurde, machen gegenwärtig die Herren Lamprecht und Gerstel im Tal bei Niefern Flug- versuche'mit dem von ihnen selbst gebauten Eindecker. Diese Versuche haben zu einem vorläufigen glücklichen Ergebnis geführt. Es ist Lamprecht gelungen, trotz der Geländehindernisse einen ununterbrochenen Flug von 150 m Länge in 3 Vs w Höhe auszuführen.
Pforzheim, 8. März. Der Jnnungsausschuß der Handwerker hat betr. des Submissionswesens bei der Stadt unsere Anträge eingebracht, deren Erfüllung zur „Beseitigung und künftigen Verhütung berechtigter Beschwerden des selbstständigen Handwerkerstandes" beitragen soll. Die Handwerker wünschen, daß die Vergebung der Arbeiten auf eine ganz neue Grundlage gestellt wird. In erster Reihe wird die Bildung einer ständigen Kommission verlangt, die aus Mitgliedern des Stadtrats, des Stadtverordnetenkollegiums und Vertrauensmännern des selbstständigen Handwerks besteht. Diese Kommission soll in allen den Hand- werkerstaud berührenden Fragen gehört werden, ähnlich wie die soziale Kommission in Arbeiterfragen. Weiter wird gewünscht, daß Handwerksmeister als Sachverständige bei Aufstellung der Voranschläge und bei Ausschreibung der Arbeiten zugezogen werden, daß Sachverständige gemeinschaftlich mit den Bauämtern die eingelaufenen Offerten zu prüfen haben, daß die Sachverständigen — also immer wohl die Handwerker — die Befugnis erhalten, während und nach der Lieferung die Arbeit zu kontrollieren, daß die nachgerechneten Submissionsergebnisse veröffentlicht und bei der Submission alle Angebote ausgeschieden werden, die nach Ansicht der Behörden und Sachverständigen nicht mindestens einen Nutzen von 10 Prozent ergeben. Die letztere Forderung, so wird auch in der Begründung des Antrags erklärt, werde allgemein als der Kern der ganzen Angelegenheit betrachtet. Es werde mit Recht gefordert, daß die Verwaltungen nicht die Hand dazu hergeben sollen, die Kalkulation auf ein ungesundes Maß herabzudrücken. Im Gegenteil sollen die Verwaltungen mit Hilfe von Sachverständigen darauf sehen, daß dem bevorzugten Submittenten ein angemessener Verdienst bleibe, wie er im allgemeinen Interesse der Erhaltung seiner Existenz und Steuerkraft wünschenswert sei. — Ferner werden u. a. gewünscht; Freihändige Vergebung von Arbeiten im Werte bis zu 500 Mark in streng durchgesührter, wechselweiser Verteilung an alle Arbeiter desselben Berufs, Anerkennung der Fachorganisationen bei Vergebung von Arbeiten, Beschränkung der städtischen Regiearbeiten auf das notwendigste. Handwerksmäßige Arbeitenfür Private sollen durch die Stadt keinesfalls ausgeführt werden. Arbeiten und Lieferungen, für die geeignete Unter
nehmer in Pforzheim vorhanden sind, sollen nach auswärts nur dann vergeben werden, wenn der Preisumerschied wesentlich sei. Sei dies der Fall, so soll die Stadtvenvaltung sich vor der Vergebung an die auswärtige Firma mit dem hiesigen Unternehmer wegen der Preisfestsetzung ins Benehmen 'setzen. Schließlich soll dem Unternehmer kein Rechtsnachteil durch Verzögerung infolge Streiks erwachsen. Als Gegenleistung für die Erfüllung all dieser Wünsche wird der Stadt das Recht eingeräumt, Handwerker, welche die ihnen übertragenen Arbeiten nicht vorschriftsmäßig ausführen, auf 3—5 Jahre von städtischen Submissionen auszuschließen.
Vom Bodensee, 6. März. Nach den Beobachtungen der meteorologischen Anstalt in Zürich, Dr. Maurer, sollen die Witterungsaussichten für diesen Sommer wieder günstiger sein als in den letzten Jahren. Es sei eine interessante und zugleich merkwürdige Erscheinung in der Witterungsgeschichte, daß die Frühlings- und besonders die Sommerwitterung der letzten fünf Jahre in weitem Umkreise und namentlich in den Schweizer und den bayrischen Alpen ein bedenkliches Defizit von Wärme
> auftveise. Der auffallende Fehlbetrag in den mittleren Temperaturen erwecke den Eindruck, als ob wir uns bis jetzt diesseits der Alpen während eines großen Teils des Jahres in einer weitverbreiteten, andauernden Kälteperiode befänden. Ungefähr dieselbe Erscheinung, wenn auch nicht so stark, zeigte
^ sich in den kühlen Jahren 1886—1890; in ähnlichem i Grade wie von 1890—1910 war die Witterung 1836—1845 zur Zeit des letzten Gletschervorstoßes. ! Aus einer bald 100jährigen Reihe von zuverläßigen ! Witterungsaufzeichnungen könnender Schluß gezogen werden, der auch stets seine Bestätigung gefunden ' habe, daß solche ungewöhnlich starken Temperatur- Rückschläge immer wieder von stärkeren Wärmeperioden abgelöst werden. Der Eingangs erwähnte Beobachter ist der Ueberzeugung, daß in diesem Jahre jener Wärmeüberschuß uns wieder zu gute ! kommen werde.
j München, 9. März. Bei der großen Feier lder Landeshuldigung im Thronsaal der Residenz aus Anlaß des 90. Geburtstages des Prinzregenten war heute mittag ganz Bayern vertreten. Aus allen Berufsständen scharten sich die leitenden Vertreter um den Prinzregenten. Als er den Saal betrat, begrüßten ihn Fanfarenklänge. Festen Schrittes schritt er die Stufen zum Thronsesse7 ^ empor, wo er während der ganzen Feier mit be-
> wundernswerter Frische stand. Der erste Präsident !der Kammer der Reichsräte, Fürst v. Löwenstein, richtete an den Regenten eine Ansprache, die mit einem Hoch auf den Regenten schloß, das, lebhaft
! ausgenommen, brausend durch den Saal klang. Hierauf verlas der Prinzregent, von tiefer innerer Bewegung ergriffen, eine Ansprache, in der er seinen Dank an das Volk und die Vertreter des Volkes richtete und Gottes reichen Segen über das bayerische Land herabflehte- Er schloß mit den Worten: „Möge Friede und Eintracht auch fernerhin dem Lande beschieden sein, mögen alle Bayern sich in dem heißen Bestreben einig fühlen, dem Vaterland zu dienen und zu nützen, mögen Herrscher und Volk in alter Bayerntreue zu allen Zeiten zusammenstehen I" Nachdem der Prinzregent seine Ansprache verlesen hatte, schritt er die Stufen des Thrones herab auf den Fürsten Löwenstein zu und sprach ihm persönlich nochmals seinen Dank aus, wie er auch andere Mitglieder beider Kammern des Landtags, die Minister und andere begrüßte. Als der Regent, gefolgt von den Mitgliedern der königlichen Familie den Saal verließ, ertönten nochmals begeisterte Hochrufe.
Berlin, 8. März. Im preußischen Abgeordnetenhause hielt gestern Ministerpräsident v. Bethmann- Hollweg beim Kultus-Etat eine Rede, in der er