Berlin, 19. Febr. Amtlich wird von der Karolineninsel Ponape gemeldet: Das Landungskorps der Schiffe Emden, Cormoran und Nürnberg stürmte am 26. Januar die verschanzte Stellung der Aufständischen. Seeleutnant Erhard und Obermatrose Kneidl sind gefallen, die Obermatrosen Pimperts und Karl Meyer, sowie der Matrose Agathon wurden schwer verwundet. Der Feind wurde zerstreut. Bis zum 14. Februar ergaben sich zahlreiche Aufständische, darunter sechs Rädelsführer. Die Beendigung der Operation steht bevor.
Berlin, 20. Febr. Aus Konstantinopel wird gemeldet: In Stachrowa und Ochrida (Wilajet Monastir) zerstörte ein heftiges Erdbeben etwa 300 Häuser und das Minaret der Hauptmoschee.
Berlin, 19. Febr. Der gestrige Sturm, der zeitweise einen orkanartigen Charakter annahm, riß von den Dächern vielfach Ziegel, Schieferplatten und Metallstücke herab und führte auch eine Reihe von Verletzungen herbei. In Nauen bei Spandau stürzte während der Stadtverordnetensitzung der hölzerne Aufbau des Turms auf dem Rathause mit donnerähnlichem Gepolter herab. Gegen 6 Uhr nachmittags hatte sich in Nauen die Gewalt des Sturmes so erhöht, daß der Königsplatz, auf dem das Rathaus steht, fast von Menschen geleert war. Plötzlich drang ein Zittern durch den 30 bis 40 Meter hohen Turm, die Spitze neigte sich nach vorn und stürzte mit donnerähnlichem Krach auf den Platz. Die untere Turmhälfte blieb noch einige Sekunden in ihrer alten Lage stehen und brach dann ebenfalls zusammen. Ihre Trümmer durchschlugen das Dach des Rathauses und die Dächer der Umgebung.
— Der neue deutsche Hundertmarkschein ist dieser Tage in Verkehr gesetzt worden. Die neuen Reichsbanknoten unterscheiden sich sehr wesentlich von den bisherigen. Sie sind zwar ebenso hoch, nämlich 10,2 Zentimeter, aber viel länger, nämlich 20,7 Zentimeter. Dem Beschauer fällt zunächst ein weißes Feld ins Auge, das leer erscheint, aber, wenn man es gegen das Licht hält, das Brustbild Kaiser Wilhelms I. erkennen läßt. Ferner gibt es eine andere wichtige Neuerung. Außer der Kaiserkrone, dem Zepter, Schwert und Reichsapfel und dem Adler, die auf der Note die Macht des Reiches präsentieren, und den Sinnbildern des Handels, der Industrie und der Landwirtschaft — — dem Merkurstab, Warenballen, Amboß, Hammer, Zahnrad nnd Pflug — zeigt der neue Hundertmarkschein zum ersten Male das Meer und drei in voller Fahrt befindliche Kriegsschiffe. So ist! auch die deutsche Flotte durch eine symbolische Zeichnung auf der Reichsbanknote repräsentiert. Die Vorderseite ist mit einem Kopf des Merkur und der Ceres geschmückt, auf der Rückseite sieht man eine Germania mit Krone, Schwert und wappengeschmücktem Schild, hinter der zwei starke Eichenbäume emporragen. Die Nummer der Note ist auf der Vorderseite zweimal, auf der Rückseite dreimal zu sehen. Das Ganze besteht aus geschöpftem Papier; der Druck ist meistens bläulicher Kupferdruck. Nur einzelne Zeilen und der Stempel sind rot.
Havres, 20. Febr. Im hiesigen Hafen brach gestern abend 11 Uhr ein gewaltiger Brand aus. Der Güterbahnhof samt 80 Güterwagen, die mit Waren aller Art beladen waren, sind dem Brande zum Opfer gefallen. Der verursachte Schaden wird auf über sechs Millionen Franks geschätzt. Ueber die Ursache ches Brandes sind die verschiedensten Gerüchte im Umlauf. Es steht noch nicht fest, ob Unfall oder Brandstiftung vorliegt.
— Aus London wird geschrieben: Alle Hebel werden jetzt in Bewegung gesetzt, die überschüssige gesunde Bevölkerung der Riesenstadt nach Kanada abzustoßen. In der City, im Westend prangen in gewaltigen Schaufenstern kanadische Landschaftsgemälde, kanadische Baum- und Bodenfrüchte, kanadische Farmmodelle. Nun ist auch ein offizieller Vertreter der Canadian Northern Railway Company hier angekommen mit der Mission, für die kanadischen Farmer 5000, genau fünftausend Gattinnen aus England anzuwerben und sie hinüber zu bringen. Man fragt sich unwillkürlich: Stirbt in unserem Nützlichkeits-Zeitalter alle Romantik aus? oder fängt sie erst recht an? Denn diese 5000 Frauen gehen auf gut Glück hinaus, ohne auch die leiseste Ahnung zu haben, wie der zukünftige Gatte aussieht. Tausende von Bewerbungsschreiben laufen täglich in den Bureaus der Gesellschaft in Whitehall ein und die 5000 Auserwählten werden in ganz kurzer Zeit zur Abreise bereit sein. In dem Heer von Unternehmungslustigen sind die verschiedensten Berufe vertreten, weshalb eine sorgfältige Auslese vonnöten ist. Die meisten Angebote sind echt englisch und zeigen den offenherzigen Ton der Londonerin. Ein charakteristisches Beispiel: „Ich bin ein junges, starkes, gesundes Mädchen. Ich verstehe mich gründlich aufs Wirtschaften. Ich spiele Hockey, Tennis, kann radfahren und schwimmen. Meine
hauptsächlichsten Vorzüge sind Musik, Gesang und Handarbeiten. Wenn ich nach Kanada auswandere, so bin ich bereit schwer zu arbeiten und ich weiß bestimmt, daß ich einem Farmer dort eine gute Frau abgeben werde. Es würde mich sehr freuen,! in den 5000 Auswanderinnen mit inbegriffen zu sein. Ich will mich gern verheiraten, nur hoffe ich, daß man mir keinen Mann mit roten Haaren! zum Gatten bestimmen wird." !
Madrid, 18. Febr. In dieser Woche be-! ginnt vor dem Schwurgericht in Alberia die Verhandlung in dem Prozeß gegen die Urheber des Verbrechens in der Ortschaft Godeo. Wie erinner- ^ lich, hatten eine Anzahl Personen aus Aberglauben einen Knaben ermordet und dessen warmes Blut einem Kranken als Arznei zu trinken gegeben.! Fünf Männer und drei Frauen haben sich wegen ^ dieses Verbrechens zu verantworten. Gegen alle, 8 dürste die Todesstrafe beantragt werden. I
Unterhaltendes
Zur Köhe.
Erzählung von Elsbeth Borchart.
(Forts.) (Nachdruck verboten.
Sie waren während ihres Gesprächs langsam vorwärts gegangen und hatten jetzt Steiners Haus erreicht. Niemand war zu sehen, es lag wie ausgestorben. - ' >
Bardini warf einen bedeutsamen Blick darauf. „Den Beruf, andern zu helfen, sie glücklich z»! machen." j
Jsa machte ein erstauntes Gesicht, doch er ging' auf eine nähere Erklärung nicht ein, sondern fuhr fort:
„Jede Frau sollte ihn haben. Sie meinten jedoch einen gesellschaftlichen Beruf, nicht wahr?" „Allerdings." ,
„Würden Sie ihn mir nennen?"
„Gewiß, gern — ich bin Schriftstellerin."
„Ah — auf welchem Gebiete?" i
„Auf welchem Gebiete der schönen Literatur." > „Haben Sie schon Werke von sich veröffentlicht?"
„Ja, zwei Romane."
„Romane also. — Ich lese seit langer Zeit keine Romane mehr, doch einen von den Ihrigen möchte ich wohl kennen lernen wollen."
Sie wollen einen deutschen Roman lesen?" , „Warum nicht? Sie zweifeln an meinen Sprach- kenntnissen, Signorina. Sie mögen recht haben, ich spreche das Deutsche nur unvollkommen, doch bin ich sicher, das Geschriebene verstehen zu können. § Es bleibt nur die Frage, woher ich mir einen Roman von Ihnen verschaffen kann." -
Jetzt lachte Jsa: „Das ist das Wenigste. Ich . habe ein Exemlpar meiner ersten Romane zufällig^ hier in Brunnen " .
„Wie, Signorina? Sie wollen so gütig sein, ihn mir zu leihen?"
„Ja, — gern."
„Darf ich mir erlauben ihn aus Mythenstein abzuholen und bei dieser Gelegenheit Ihnen und Ihrer Frau Mutter meinen Besuch zu machen?"
Jsa fühlte, wie sich etwas gegen diesen Wunsch Bardinis empörte. Unwillkürlich zögerte sie mit der Antwort.
Bardini hatte sie verstanden.
„Verzeihen Sie, ich vergaß im ersten Augen- blick! Seit gestern habe jedes Anrecht darauf verscherzt."
„Seit gestern? Warum das, Signore Bardini?" beeilte Jsa sich, den peinlichen Eindruck, den ihr Zögern hervorgerufen hatte, zu verwischen. Welche seltsamen Widersprüche kämpften in ihr? „Sind Sie denn seit gestern ein anderer geworden?"
„Als Mensch, nein. Doch — sagen Sie mir die Wahrheit, Signorina: Sie haben in mir keinen — Volksmusikanten vermutet? i
„Nein," gab Jsa nach kurzer Pause frei und offen zu, „wenigstens hätte ich nimmermehr geglaubt, daß ein solcher eine so — so —"
^ „Was, Signorina - ?" j
! „Eine so vielseitige Bildung besitzen könne."!
„Signorina — Sie machen mir ein hochbe- ! glückendes Zugeständnis." I
! Bardinis Augen leuchteten, aber ein seltsames Lächeln spielte in ihnen.
„Und auch Ihr Spiel," fuhr sie fort in der unklaren Absicht, etwas gut machen zu wollen, überragte das der anderen bei weitem."
„Das — ist Ihnen aufgefallen?"
„Es war nicht eben schwer, das zu merken, auch für weniger Musikverständige. Ich traue mir jedoch etwas musikalisches Verständnis zu. Der Ton Ihrer Geige hatte einen bestrickenden Klang."
„Kein Wunder — echte Stradivari", entfuhr es ihm halb wider Willen.
„Also doch eine Echte - ich dachte es mir. Wie kommen Sie zu diesem kostbaren Schatz?"
„Wie Sie das fragen! Zuweilen kommt auch ein simpler Musiker zu einer echten Stradivari, hahaha —" Ein eigentümlich spöttisches Lächeln begleitete seine Worte.
Sie sah ihn verwundert an und wußte nicht, ob er im Ernst oder Scherz redete.
„Verzeihen Sie," sagte er, wieder ernst werdend.
„Daß Sie mir etwas Vorreden wollten?"
„Nein — ich sprach im Ernst."
Ihre Äugen ruhten noch immer fragend auf ihm.
„Ich will Ihnen Aufklärung geben, Signorina — ich suche schon den ganzen Tag nach einer Gelegenheit dazu."
„Wovon sprechen Sie?"
Von meinem gestrigen Spiel bei der Truppe Vigaro."
„Von der Stradivari?"
„Nicht von ihr, sondern — von mir. Darf ich denn sprechen?"
„Natürlich, Signore."
Bardini zögerte sekundenlang, und seine Augen ruhten mit eigenem Ausdruck auf den reinen schönen Zügen Jsas.
„Signorina — ich täuschte Sie dennoch."
„Wie das?" rief sie befremdet und sah voll Spannung in sein Gesicht, das einen ihr unverständlichen Ausdruck zeigte.
»Ich — gehöre nicht zu der Truppe Figaro."
„Ah — zu welcher denn?"
„Zu keiner."
„Ich verstehe Sie nicht."
„Ich sagte ja, daß ich ihnen Aufklärung geben wollte, Signorina: Ich bin nicht der, für den Sie mich seit gestern zu halten berechtigt wären. Daß ich gestern mit der Truppe mitspielte, war nichts weiter als — ein toller, übermütiger Streich, den Sie sich aus meiner gestrigen Stimmung auf unserem gemeinsamen Spaziergang nach Morschach werden erklären können."
Sie sah ihn fragend und verständnislos an.
Es ist ganz einfach," berichtete er weiter. „Nachdem ich mich gestern von Ihnen verabschiedet hatte, traf ich Eine Landsleute — den Anführer und einige Mitglieder der Truppe „Figaro" und da ich aus ihren Worten vernahm, daß sie die Erkrankung eines ihrer besten Geiger beklagten, bot ich mich Ihnen zum Ersatz an Sie sehen mich noch immer verwundert an. Signorina — wahrscheinlich würde ich mich dazu nicht so schnell entschlossen haben, wenn ick in dem Anführer der Truppe nicht einen alten Bekannten aus Neapel entdeckt hätte. Das brachte mir die Erinnerung an — nun, an ein Ereignis zurück.
Mit Galgenhumor entledigte ich mich meiner mir selbst gestellten Aufgabe. Sie wäre mir nicht allzu schwer geworden, wenn Sie, Signorina, nicht dabei gewesen wären. Ich las aber in Ihrem Gesicht ein berechtigtes Befremden und ich hatte deshalb Mühe, nicht aus der Rolle zu fallen. Was mich allein hielt, war der Gedanke, Ihnen heute Aufklärung zu geben. Sie wichen mir aber zweimal geflissentlich aus, — nein, sagen Sie nichts dawider. Sie hatten ein Recht, mich zu ignorieren von ihrem Standpunkte aus; denn Sie mußten ja annehmen, daß ich Ihnen meine Gesellschaft aufgedrängt hätte, was ich als wirklicher Volksmusikant nicht hätte wagen dürfen. Doch nun sagen Sie mir, ob Sie mir meines Streiches wegen ernstlich zürnen?"
Jsa lächelte. Ihr war mit einemmale so froh und leicht zumute.
„Sie haben mir eine merkwürdige Geschichte erzählt, Signore", antwortete sie, „und ich gestehe es, daß Sie uns alle gestern ein wenig düpiert haben. Aber eins haben Sie uns damit doch gezeigt und bewiesen, daß Sie ein wirklicher Künstler sind."
„Darauf habe ich keinen Anspruch", ging er auf ihre letzten Worte ein, „ich liebe meine Geige und mein Spiel, das ist alles, ich treibe die Musik nur zum Vergnügen."
„Ihr Spiel läßt wohl auf einen Berufsmusiker schließen, indessen läßt sich Musik ebenso gut mit jedem anderen Berufe vereinigen," antwortete sie. „Ich zum Beispiel könnte mich von ihr nicht loS- machen, sie inspiriert und fördert meine Arbeit, sie ist mir so in Fleisch und Blut übergegangen, daß Sie zu meinem Leben gehört, wie das tägliche Brot und ich meine auch, sie verschöne und veredle erst jeden anderen Beruf."
„Sofern man einen andern hat", unterbrach Bardini Jsas Rede. „Damit kämen wir wieder auf die schon einmal erwähnte und nicht zu Ende geführte Frage zurück. Wenn ich zum Beispiel keinen anderen, ja überhaupt keinen Beruf hätte?"
„Unmöglich."
„Tatsache, Signorina! Ich reise in der Welt umher und sehe mir das Leben an, das ist mein
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