Unterhaltendes
Zur Höhe.
Erzählung von Elsbeth Borchart.
(Forts.) (Nachdruck verboten.
Ein guter Bekannter hatte dann ihre Neugier befriedigt und ihr erzählt, daß Bruchhausen seine Braut vor vier Jahren auf einem ähnlichen Bazar kennen gelernt habe. Dort hatte sie, eine Italienerin aus Mailand — sie weilte bei Verwandten in Berlin zum Besuch — in der Nationaltracht ihres Landes Orangen und andere Südfrüchte, sowie den feurigen Chianti und Asti spumante verkauft. Ihre Bude war damals wie auch heute, von Landsleuten und Deutschen umlagert gewesen und man hatte um einen Blick aus den dunklen, feurigen Angen, um ein melodisches „Grazie" von ihren schwellenden Lippen Unsummen für die Wohltätigkeit geopfert.
Bruchhausen war einer der eifrigsten Belagerer gewesen. Die Schönheit Carlotta Ferraris hatte ihn berauscht, wie der feurige Wein, den sie ihm mit zauberhaftem Lächeln kredenzte. Seitdem war er ihr nachgegangen, und schließlich waren sie ein Brautpaar geworden.
So hatte Frau Arnold es gehört und mit allerhand Ausschmückung Jsa erzählt. Jsa hatte ruhig zugehört, ohne mit der Wimper zu zucken. Das einzige, was sie dabei empfand, war der Wunsch, daß die junge Dame nie erfahren möchte was sie einst erfahren mußte: Enttäuschung über Bruchhausens Karakter.
Weiter würde sie sich mit dem Schicksal Bruchhausens nicht beschäftigt haben, wenn Frau Arnold sie nicht hin und wieder daran erinnert hätte. Das Thema Bruchhausen schien eine Schwäche bei dieser geworden zu sein; sie kam nicht los davon.
„Denken Sie nur," sagte sie einmal ganz alteriert, „was ich in Erfahrung gebracht habe: Bruchhausen soll ein echter Lebemann gewesen sein, und deshalb soll ihm seine erste Braut den Abschied gegeben haben."
Jsa war leicht zusammengezuckt und hatte die Erzählerin forschend angeblickt, doch als Frau Arnold harmlos weiter erzählte und in nichts verriet, daß sie diese erste Dräut kannte, wurde sie wieder ruhiger, und doch hätte sie sich am liebsten beide Ohren zuhalten mögen, um nicht die genauen Einzelheiten von Frau Arnolds Schilderung anhören zu müssen.
Glücklicherweise waren ihre Gedanken von Berufsangelegenheiten und der bevorstehenden Reise so in Anspruch genommen, daß darüber alles andere bald in Vergessenheit geriet.
Der Brief, den sie soeben an Thea geschrieben hatte sie unwillkürlich zu einem Vergleich zwischen ihrem und der Freundin Leben herausgefordet, und das Ergebnis war eine innere Befriedigung. In wenigen Tagen sollte sie in dem Lande sein, dessen Schönheit die Dichter besungen und vielfach beschrieben hatten. Und ihr Herz lwurde von großer Vorfreude erfaßt.
Da ertönte die Entreeklingel. Sie hob lauschend den Kopf. Ob die Mutter, die in der Stadt Besorgungen hatte, schon h-imkehrte? Nein eine andere bekannte Stimme sprach zu dem Dienstmädchen.
Jsa sprang auf. In demselben Augenblick wurde die Tier geöffnet, und eine kleine rundliche Dame schob sich hiuein.
„Guten Morgeu, meine liebe, junge Kollegin! Störe ich Sie nicht bei der Arbeit?"
„Durchaus nicht, Frau Arnold, bitte, treten Sie näher und nehmen Sie gütigst Platz. Ich habe nur soeben einen Brief an meine Freundin geschrieben; er ist fertig."
Mit Herzlichkeit ergriff Frau Arnold JsaS Hand.
„Ich kann es mir nicht versagen, ein wenig
bei Ihnen vorzusprechen. Sie Böse, haben sich so lange nicht bei mir sehen lassen."
„Verzeihen Sie, es gab so viel zu tun —" „Zu Ihrer großen Reise?"
„Ja; morgen wollte ich meinen Abschiedsbesuch machen.
„Das ist lieb von Ihnen — ich erwarte Sie *aber, nicht nur auf einige Minuten, hören Sie?"
„Für länger wird es smir nicht möglich sein, liebe, verehrte Frau."
„Ich verstehe: Keine Ruhe — ein wenig Reisefieber und so weiter. — Sie sind eigentlich zu beneiden. Kleines." Frau Arnold sagte stets „Kleines", obgleich Jsa sie ein gutes Stück Körperlänge überragte. „Schade, daß solche Reise so unbändig teuer ist. Sie Glückspilz können sie sich freilich leisten, ab unsereiner — na, wenn ich einmal gut verkaufe, gehe ich auch in die Schweiz.
— Kenne sie zwar von A bis Z, aber die Sehnsucht zieht einen immer wieder hin."
Wenn Frau Arnold auf das Gutvcrkaufen warten wollte, würde sie die Schweiz wohl nicht mehr zu sehen bekommen,, denn ihre Honorare waren nichts weniger als bedeutend zu nennen. Doch sie verstieg sich auch gar nicht zu dem Wunsche, ihrer jungen bevorzugten Kollegin gleich- kommeu zu wollen, wie sie überhaupt zu den wenigen gehörte, die ihr Talent und Glück von Herzen gönnte. Nur mit Jsas idealer Richtung war sie nicht immer einverstanden; sie schwamm vielmehr mit dem großen Strom in den Fluten des Realismus.
Die Damen hatten unterdes Platz genommen, und Jsa sprach ihr Bedauern darüber aus, daß ihre Mutter nicht zu Hause sei.
„Denken Sie nur Liebste, was mir neulich Interessantes zu Ohren gekommen ist," sagte Frau Arnold, nachdem sie eine Weile über gleichgiltige Dinge gesprochen hatte. „Mit Bruchhausens Verlöbnis scheint nicht olles in Ordnung zu sein."
„So?" machte Jsa peinlich berührt und suchte von dem Thema abzulenken, indem sie durch eine andere Frage geschickt darüber hinwegging. Doch es gelang ihr nicht. Frau Arnold war zu voll davon und kam immer wieder darauf zurück.
„Hören Sie nur! Die Braut hat einen Verehrer, einen Jugendfreund aus der italienischen Heimat, der sich ihr wieder nähert und alle Aussicht zu haben scheint, Bruchhausen aus ihrer Gunst zu verdrängen."
„O wie entsetzlich," rief Jsa, ganz erstarrt von dem Gehörten.
„Aber modern, ganz im Sinne unserer Zeit. Sehen Sie mich doch nicht so erschreckt und konsterniert an, Jsachen — die Laune und den Glauben an Ihre Ideale wollte ich Ihnen damit gewiß nicht rauben; ich habe auch nicht gedacht, daß Sie die Sache so auffassen würden."
Jsa holte tief und schwer Mem: „Was gehen sie mich an!" antwortete sie, ihr Mißbehagen zu verbergen suchend.
„Nun, sehen Sie." Frau Arnold schlang zärt-' lich den Arm um ihre Schultern. „Also wieder: Kopf hoch! Eine Schriftstellerin muß viel hören, um die Spreu von dem Weizen unterscheiden zu können, und — interesiant bleibt es immerhin.
— Aber nun. Kleines, ich sehe dort auf dem Tisch Ihren Hut und Schirm liegen. Wollten Sie aus- gehrn?"
„Ja, ich wollte den Brief, den ich vorhin an meine Freundin schrieb, zum Briefkasten tragen."
„O, dann begleiten Sie mich ein Stück heim
— wollen Sie?"
„Gern, meine Mutter kann ich sobald noch nicht zurückerwarten."
„Schön also — brechen wir auf."
Nach einer Weile verließen sie zusammen das Haus vud gingen dem Tiergarten zu.
Es war ein warmer sonniger Sommertag. Im Tiergarten duftete es nach Wiesenblumen und
Kräutern, und ein sanfter Lusthauch machte di Temperatur angenehm.
Die beiden Damen hatten über einem anregenden Gespräch, das Berufsangelegenheiten benaf, die vorangegangenen unerquicklichen Erörterungen über Bruchhausens Verlobung fast vergessen, als Frau Arnold plötzlich Jsas Arm erfaßte:
„Sehen Sie doch — schnell — da steht er ja."
„Wer?" fragte Jsa verwundert.
„Schnell — schnell — jener Mann an der Haltestelle der Elektrischen — sie kommen schon an, er wird sogleich aufspringen, und dann sehen Sie ihn nicht mehr. — Lassen Sie uns schneller gehen."
An der Haltestelle stand ein großer Mann, elegant, doch etwas künstlerisch gekleidet, den runden Künstlerhut tief in die Stirn gedrückt.
Nur noch wenige Schritte waren sie entfernt
— da kam die Elektrische an. Zufällig wandte er den Kopf, und den winzigsten Bruchteil einer Sekunde schweifte sein Blick gleichgiltig, wohl nur mechanisch über die beiden näherkommenden Damen hin, dann sprang er aus und die Elektrische fuhr ab.
„Haben Sie ihn gesehen?" fragte Frau Arnold.
„Nur flüchtig," antwortete Jsa, „sein Hut beschattete das Gesicht zu sehr, auch war es uns nur einen verschwindenden Augenblick zugekehrt. Wer war der Mann, der Ihnen solche Anteilnahme entlockt?"
„Kleines, erraten Sie es den nicht? — Der Italiener war es. Er soll hier in der Nähe wohnen - aber er trug einen Koffer in der Hand und fuhr der Stadt zu. Ob er verreisen will? Dann werde ich ihn vielleicht die nächsten Tage nicht sehen, schade! — Aber, — schön — schön
— imponierend ist er, gelt Kleines?"
Jsas Gesicht hatte sich versteinert.
„Ob er schön ist, konnte ich bei dem flüchtigen Sehen nicht bemerken — imponieren wird mir ein Mann, der es mit seiner und anderer Ehre so leicht nimmt, niemals. Ich möchte — ihm nicht wieder begegnen, noch je mit ihm etwas zu tun haben."
„Tugendstolzei"
Es durchzuckte Jsa. Hier fast an derselben Stelle hatte Thea vor Jahren den gleichen Ausspruch getan — an einem denkwürdigen Tage. Damals war es Winter, der Boden lag erstarrt unter der Schneedecke, und heute war lachender blühender Sommer.
Wozu kam ihr die Erinnerung? Sie schüttelte sie gewaltsam ab, und als sie am Lützowplatz von Frau Arnold Abschied nahm, um nach Hause zu fahren, war es ihr wirklich gelungen, die Geister j der Vergangenheit zu bannen, und ihre Blicke auf !das Nächstliegende, aus das verlockende Ziel zu ! richten: auf die Reise m die Schweiz, j Doch das beseligende Gefühl der Vorfreude, !dem sie noch in ihren Briefen an Thea einen so jubelnden Ausdruck verliehen hatte, wurde mit ! einemale durch allerhand bange, zweifelnde Fragen getrübt:
„Wird die Reise dir das geben, was du erwartest, wird dich nichts enttäuschen, kein Tropfen Wermut in den Becher der Freude fallen?" Und zum Schluß: „Wie wirst du wiederkehren?"
Es gab keine Antwort auf solche Fragen, und sie verstummten auch wieder von den Vorbereitungen und neuen Eindrücken.
(Fortsetzung folgt.)
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