Amtsblatt
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Nr. 11
Donnerstag, den 26. Januar 1911
47. Jahrgang.
kunascvau.
— Mach emer Bekanntmachung des König!. Ministeriums des Innern, betreffend die Auszeichnung von Angehörigen des Kgl. Landjägerkorps sind u. a. nachgenannten Angehörigen des Kgl. LandjägerkorpZ für vorzügliche Dienstleistungen und langjährige treue Pflichterfüllung Auszeichnungen zuerkannt worden: 1. Geldbelohnungen erhalten: der Stationskommandant Sanier in Calw, der Oberlandjäger Raichle in Wildbad; 2. öffentlich belobt werden: der Stationskommandant Nieß und der Landjäger Klöpfer in Neuenbürg.
Stuttgart, 23. Jan. Bei der Reichsgründungs- und Bismarckfeier im' großen Saal der Liederhalle hielt der Reichstagsabg. Basfermann eine glänzende Festrede. In derselben wurde in von nationaler Begeisterung getragenen Worten vor allem der Größte der Deutschen gefeiert. Bismarck habe damals erkannt, daß er zu dem großen nationalen Ringen auch das ganze Volk haben müsse, und daß er das Volk gewinnen könne durch ein freies Wahlrecht. Wenn dieses freie Wahlrecht heute wieder so kritisch beurteilt werde, so dürfe man wohl darauf Hinweisen, daß all die Kämpfe, die heute Preußen wegen einer freieren Gestaltung seines Wahlrechts erschüttern, Deutschland erspart bleiben durch die kluge Voraussicht Bismarcks und dieser Voraussicht war es auch zu verdanken, daß wir in den letzten 40 Jahren ohne starke Erschütterungen ruhig unserer Arbeit nachgehen konnten. Die nationalliberale Partei könne mit Genugtuung verzeichnen, daß die wichtigste der Forderungen ihres Programms, nämlich daß die nationalen Fragen ausscheiden sollen aus dem Kampfe des Tages und der Parteien, sich erfüllt habe. Bismarck hat uns dies gelehrt. Hoffentlich sei die Zeit vorüber, in der man sich über eine Reichstagsauflösung um eine Heeresvermehrung gestritten habe; neben einem mächtigen Heer und einer mächtigen Flotte sei eine verständige Kolonialpolitik, wie Dernburg sie getrieben habe, von Nöten. Der beste Freund der Monarchie sei der, der das Wort auf seine Fahne geschrieben habe, daß Thron und Volk zusammengehören. Auch am heutigen Tage dürfe man sest- stellen, was eine starke Monarchie geleistet habe für unsere arbeitenden Klassen. Die letzten 40 Jahre waren aber auch Jahre der Blüte. Man habe das Gefühl, daß wiederum eine neue Zeit anhebt für unser Volk, durch das eine große Erregung gehe; es sei das freudige Gefühl, daß über den Kampf der materiellen und sozialen Interessen sich wiederum ein Sehnen nach großen idealen Gütern in unserem Volk heraushebt. Es gelte zu kämpfen eingedenk der großen Tage auf dem französischen Schlachtfelde, eingedenk der großen Zeit eines großen Kaisers und Kanzlers, es gelte die finsteren Mächte des Klerikalismus zn überwinden durch echt liberalen Geist. Ein liberaler Mann, der aus dem Bann des Mittelalters die Kirche bekämpft hat, war Luther, dessen hohe Bedeutung jüngst auch von dem ultramontanen Reichstagsabg. Spahn jun. weitgehend anerkannt worden ist. Luther und Bismarck — beide sind Befreier, Kämpfer für geistige Freiheit. Möge das schwarz- weiß-rote Banner hochgemut in den Lüften wehen über ein einziges, freies, glückliches und zufriedenes deutsches Volk! Mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf das Deutsche Reich schloß der Redner seine mit stürmischem, anhaltenden Beifall belohnte vortreffliche Rede.
Stuttgart, 23. Jan. Mit dem am Samstag hier verstorbenen Kgl. Garteninspektor Nikolaus Gaucher ist eine in allen Obstbaukreisen des Landes bekannte Persönlichkeit aus dem Leben geschieden. Ein geborener Franzose, ließ er sich nach einem kurzen Aufenthalt in Basel im Jahre 1869 hier
nieder und begründete eine sich zu großer Blüte entwickelnde Baumschule. Durch Vorträge trug er viel zur Einführung und Hebung der Formobstbaumzucht in Württemberg bei, ebenso durch eine von ihm ins Leben gerufene Fachschule. Unsere Obstzüchter wußte er durch die frische und lebhafte Art seines Vortrages für sich zu gewinnen, obwohl er trotz seines' langen Aufenthalts in Württemberg die deutsche Sprache nur radebrechte. Durch geschickte Grundstücksspekulationen hat Gaucher sich ein bedeutendes Vermögen erworben.
— Im kommenden Frühjahr wird wieder ein Unterrichtskurs über Obstbaumzucht an der K. landwirtschaftlichen Anstalt in Hohenheim und an der K. Weinbauschule in Weinsberg, sowie erforderlichenfalls noch an anderen geeigneten Orten abgehalten. Hiebei erhalten die Teilnehmer nicht nur einen leicht faßlichen, dem Zweck und der Dauer des Kurses entsprechend bemessenen theoretischen Unterricht, sondern auch eine geeignete praktische Unterweisung für die Zucht und Pflege der Obstbäume. Zu diesem Zwecke sind dieselben verpflichtet, nach Anweisung des Leiters des Kurses in der Baumschule und in den Baumgütern der betreffenden Lehranstalt die entsprechenden .Arbeiten zu verrichten, um die Erziehung junger Obstbäume, die Veredlung, den Baumschnitt und die Pflege älterer Bäume praktisch zu erlernen. Die Dauer des Kurses ist auf zehn Wochen — acht Wochen im Frühjahr und zwei Wochen im Sommer — fortgesetzt. Der Unterricht ist unentgeltlich; für Kost und Wohnung aber haben die Teilnehmer selbst zu sorgen. Außerdem haben dieselben das etwa bei dem Unterricht notwendige Lehrbuch, die erforderlichen Hefte, sowie ein Veredelungsmesser, ein Gartenmesser, und eine Baumsäge anzuschaffen, was am Ort des Kurses selbst geschehen kann. Die Gesamtkosten für den Besuch des Kurses mögen nach Abzug der Arbeitsvergütung noch ca. 150 Mark betragen. Unbemittelten Teilnehmern kann ein Staatsbeitrag bis zu 50 Mk. in Aussicht gestellt werden. Für ihre Arbeit erhalten die Teilnehmer nach Ablauf der ersten vierzehn Tage eine tägliche Vergütung von 35 Pfg. Bedingungen der Zulassung sind: zurückgelegtes siebzehntes Lebensjahr, ordentliche Schulbildung, guter Leumund, Uebung in ländlichen Arbeiten. Vorkenntnisse in der Obstbaumzucht begründen einen Vorzug. Gesuche um Zulassung zu diesem Unterrichtskursus sind bis längstsns 20. Februar ds. Js. an das „Sekretariat der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart" einzusenden.
Freudenstadt, 23. Jan. !Der dritte Schneeschuhkurs ging gestern hier zu Ende. Er hat seine Vorgänger in jeder Hinsicht übertroffen, nicht nur in fröhlicher Stimmung, sondern auch mit den erzielten Leistungen. — In einem Extrazug trafen gestern vormittag über 200 Mitglieder des Uamilien- kranzes Stuttgart hier ein, ausgerüstet mit Rodel uud Ski. In 30 Schlitten ging es vom Marktplatz aus nach dem Kniebis und zurück. Zu dem gestern beim Kurhaus Ruhestein abgehaltenen alljährlichen Schneeschuhwettlauf waren die Skifahrer sehr zahlreich erschienen und die Beteiligung an den einzelnen Wettläufen war eine große. Die nach Hunderten zählenden Zuschauer waren Zeugen prächtiger Leistungen.
In Bietigheim fuhr beim Rodeln der 27 Jahre alte Gottl. Neuffer mit solcher Wucht aus einen quer über die Straße gespannten Draht, so- daß er sich die Mundwinkel auf beiden Seiten zerschnitt. Die schwere Verletzung mußte vom Arzt genäht werden. Ob es sich um einen herabfallenden Telegraphendraht oder um einen von gemeiner Bubenhand gespannten Draht handelt, wird die Untersuchung ergeben.
Göppingen, 21. Jan. Beim Bau der Bahnstrecke von hier nach Gmünd hat sich herausgestellt, daß die Baulinie auf der Markung Faurndau durch Versetzung der Bauprofile um 5—6 Meter verschoben wurde, was durch die nachträglichen Aenderungsarbeiten einen großen Schaden verursachte. Gegen die beiden Landwirte, auf deren Wiesen die Profilversetzung vorgenommen worden war, ist nun eine Untersuchung eingeleitet worden, die aber erst noch deu Nachweis erbringen soll, daß die Bezichtigten die Profile böswillig versetzt haben.
Tübingen, 24. Jan. (Schwurgericht.) Tagesordnung für die Sitzungen des 1. Quartals. Montag, den 30. Jan. vorm. 9 Uhr: Anklagesache gegen den verh. Säger und Müller Wilhelm Friedrich Haas in Dettingen, OA. Urach wegen versuchter Notzucht; Dienstag den 31. Jan. vorm. 9 Uhr; Anklagesache gegen den led. Former Christof Barth in Reutlingen wegen versuchten Totschlags. Nachtrag Vorbehalten.
Oberndorf, 24: Jan. Während die Ausführung der serbischen Gewehrlieferung die hiesige Waffenfabrik nahezu vollbeschäftigt und diese igegen 2000 Arbeiter in ihre Dienste gezogen hat, ist ihr nun ein neuer Auftrag auf 5000 bezw. 10 000 Gewehre für die mittelamerikanische Republik Costa- rika zugefallen.
Vom Bodensee, 21. Jan. Der für Friedrichshasen als Fremdenstadt längst schon als ein dringendes Bedürfnis empfundene Bau eines Gondelhasens erhält nun auch von anderer Seite einen kräftigen Anstoß. Eine Anzahl Sportsleute hat sich, laut „Konstanzer Nachrichten", zusammengetan, um in diesen Tagen in Stuttgart über die Gründung eines württembergischen Nachtklubs und im Zusammenhang damit auch über die Anlegung eines Gondelhafens und das Projekt einer Uferstraße zu beraten. Wie verlautet, steht für die Anlage der Quaistraße bereits eine namhafte Stiftung in Aussicht. Da auch die bürgerlichen Kollegien vor wenigen Tagen die Errichtung eines Gondelhafens auf das Programm gesetzt haben und da ferner die Kurgartenhotelgesellschaft ein starkes Interesse an der Ausführung der Uferbauten an den Tag legt, so ist nicht daran zu zweifeln, daß die allerdings mit großen Kosten verbundenen Projekte in einer nahen Zeit werden verwirklicht werden.
Pforzheim, 22. Jan. Auf das Ausschreiben der Eisenbahnbau-Jnspektion 'zur Herstellung der Bahnüberführung in der Erbprinzenstraße dahier liefen 14 Angebote, darunter 8 von hiesigen Unternehmern, ein; die niedrigste Offerte mit Mk. 75 595 stellte die Firma Klinge u. Co. in Frankfurt a. M., die nächsthöhere ein Geschäft Zachmann in der 15 Kilometer von hier entfernten Bahnstation Wilferdingen mit Mk. 100 383 und die höchste mit Mk. 134248 die Firma Dippold u. Stetzler hier. Die A.-G- Grün u. Bilfinger in Mannheim hatte Mk. 129 703 verlangt. Wer hat da richtig gerechnet?
Pforzhei m, 23. Jan. Eine 22jährige Kontoristin vergiftete sich heute nacht aus Liebeskummer und ein 52jähr. Privatier erhängte sich aus Schwermut.
Baden-Baden, 23. Jan. Am 24. Jan. ist unsere elektrische Straßenbahn genau ein Jahr im Betrieb. Und schon jetzt kann man sagen, daß das finanzielle Ergebnis derart günstig ist, wie es auch die Freunde der Bahn nicht vorausgesehen haben. Von der Kommission war für das erste Betriebsjahr (24. Jan. bis 31. Dezember) eine Einnahme von 122 000 Mk.jherausgerechnet worden. Tatsächlich aber wurden bis Ende Dezember 207 512 Mark vereinnahmt.
— Man schreibt aus Heidelberg: Bei einem heute hier abgehaltenen Schwimm fest wurde ein Intermezzo nicht gewöhnlicher Art improvisiert. Als Vertreter der Stadt waren drei Stadträte und