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Amtsblatt
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Anzeiger
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Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatk und Während der Saison: Amtliche Fremdenlisto.
Nr. 8 I
Donnerstag, den 19. Januar 1911
47. Jahrgang.
kuliikchali.
— Die evang. Pfarrei Aichelberg, Dekanat- Calw, wurde dem Stadtvikar Hermann Holzapfel in Geislingen übertragen.
Stuttgart, 17. Jan. Während die Automatenprozesse des vorigen Jahres ohne allzugroße finanzielle Nachteile für die einzelnen in Mitleidenschaft gezogenen Wirte waren — soweit seinerzeit Gefängnisstrafen ausgesprochen wurden, sind sie nunmehr im Gnadenwegr in angemessene Geldstrafen umgewandelt worden — ist für dieses Gewerbe im neuen Jahre ein neues Prozeßgespenst aufgetaucht, das mit seinen Folgen unabsehbar ist. In ungezählten Orten wurden gegen Wirte, weil sie entgegen den Vorschriften des neuen Weingesetzes eingeführtem Tirolerwein Zucker beigesetzt und das Getränk so zum Verkauf und Ausschank gebracht oder hiezu bestimmt haben, ein Untersuchungsverfahren — verbunden mit Beschlagnahmung der Weine eingeleitet und wohl gegen alle wird das Hauptverfahren eröffnet werden. Erfolgt Verurteilung, so handelt es sich ineben einer Geldstrafe um die Einziehung der beschlagnahmten Weine und dies ist das Schwerwiegenste, bedeutet es doch für manchen der Betroffenen den Ruin, denn die Anschrffungskosten waren enorm. Da feststeht, daß der 1910er Tirolerwein ohne Zuckerzusatz ungenießbar ist, wirft sich die Frage auf, ob es nicht seitens der maßgebenden Behörden — nachdem die große Einfuhr solcher Weine bekannt geworden war — angezeigt gewesen wäre, entsprechende Belehrungen und Ratschläge über erlaubte Behandlungen der Weine zu erteilen.
— Für verschiedene Zweige des Bauhandwerks veranstaltet die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart demnächst wieder einen Wettbewerb behufk Förderung des Sinns für tüchtige, meisterfähige Arbeit und gleichzeitig auch zur Förderung einer richtigen Kostenberechnung. Die eingesandten Arbeiten werden in dem neuen Ausstellungsgebäude beim Landesgewerbemuseum zu einer Ausstellung vereinigt werden. Bei dem diesjährigen Wettbewerb sollen versuchsweise außer den vorgeschriebenen auch solche Arbeiten zugelassen werden, die der betr. Meister oder Geselle ohnedies angefertigt hätte, falls die Zeichnung vorher der Beratungsstelle für das Baugewerbe zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt worden ist. Die Arbeiten find bis zum 1. März an die Beratungsstelle für das Baugewerbe in Stuttgart einzusenden.
Besigheim, 14. Jan. Gestern mittag kam auf dem hiesigen Bahnhof die 19 Jahre alte Tochter des Güterbeförderers .Rösser zwischen die Puffer zweier rangierender Wagen und trug so schwere Verletzungen davon, daß nach Aussage des Arztes keine Hoffnung auf Rettung besteht.
Heilbronn, 17. Jan. Die Eröffnung der elektrischen gleislosen Straßenbahn von Heilbronn nach Bückingen hat gestern stattgefunden.
Reutlingen, 14. Jan. Durch eine schadhaft gewordene Gasrohrleitung strömte in der letzten Nacht eine solche Menge Gas aus, daß der Wörthstraße 14 parterre wohnende Kaufmann Banzhaf samt seiner Frau und zwei Kindern nahe daran waren, einer Gasvergiftung zum Opfer zu fallen. Die Familie wurde gestern früh in völlig betäubtem Zustande betroffen Der Umstand, daß die Hausbewohner sofort auf das Unglück aufmerksam wurden und ärztliche Hilfe holten, bewahrte die Kaufmannsfamilie vor weiterem Schaden an Gesundheit und Leben.
Crailsheim, 16. Jan. Um die Stelle des Stadtschultheißen haben sich beworben: Städt. Sekretär Fröhlich in Stuttgart; Dr. Keiner, Syndikus in Mannheim; Schultheiß und Verwaltungsaktuar Kreeb in Hessigheim; Amtsgerichtsschreiber Meyer
in Stuttgart; Ratsschreiber Wahl in Aalen. Am Samstag werden sich die Kandidaten vorstellen.
Tübingen, 16. Jan. Die Bauarbeiten für den zweiten und dritten Teil der Neckarkorrektion werden der Firma E. Baresel in Cannstatt zu 2°/» Aufgebot gegenüber dem Voranschlag in Höhe von rund 283000 Mk. übertragen.
Göppingen, 16. Jan. Die letzten Sonntage die eine ausgiebige Ausübung des Rodelsports zuließen, haben auch hier zahlreiche Unfälle gezeitigt Es sind im Laufe jdes bisherigen Winters schon sieben bis acht Beinbrüche zu verzeichnen, ganz abgesehen von den Unfällen leichterer Art. Die hiesige Sanitätskolonne hat deshalb auch die sehr zweckentsprechende Einrichtung getroffen, daß in den in der Nähe der Rodelbahnen gelegenen Wirtschaften Verbandsmaterial, Schienen und Tragen für etwaige Hilfeleistung bereit gehalten werden.
Vom Bodensee, 16. Jan. Bei Meersburg am Bodenfee sah kürzlich ein Arbeiter einen gutgekleideten Herrn breitbeinig dem See zu torkeln. Als er noch sah, daß der Fremde Ueberzieher und Hut ablegte, vermutete er einen Selbstmordkandidaten und holte mutig Hilfe. Als beide mit Stangen bewehrt zur vermeintlichen Unfallstelle kamen, sahen sie ihren -Selbstmordkandidaten bis über die Hüften im Wasser stehen — und sich seine Hosen waschen. Auf die Frage der „Retter" was er tun wolle, sagte er: „I mueß meine Hose usewäsche; so kann i nit heim kumme." Inzwischen war er mit seiner „Us- und Abwäsche" fertig geworden. Mit den Worten: „So jetzt isches wieder suber, trockne tuns unterwegs" schlüpfte er tropfend in die nassen Hosen und zog frisch und frei der Heimat zu.
Bad Reichenhall, 16. Jan. Der Prinzregent von Bayern hat kürzlich 100 000 Mk. zur Errichtung eines Erholungsheims für Angehörige der bayrischen Armee gestiftet. Nunmehr hat ein ungenannt sein wollender Gönner von Bad Reichenhall weitere 100 000 Mk. für die Auftakt gestiftet. Die Anstalt wird in Reichenhall errichtet. Der Prinzregent übermittelte dem Stifter ein huldvolles Handschreiben, dem er sein Bildnis beifügte.
Würzburg, 14. Jan. In vergangener Nacht überraschte der Bäckermeister und Bürgermeister Johann Mahler in Ullstadt einen Einbrecher in seinem Hause. M. warf sich auf den Einbrecher, beide rangen miteinander, wobei es Mahler gelang, den Einbrecher zur Thüre hinauszudrängen Dort zog der letztere einen Revolver und feuerte 3 Schüsse auf Mahler ab; dieser stürzte durch einen Schuß ins Herz getroffen tot nieder. Die Frau des Mahler, die zur Hilfe herbeigeeilt war, erhielt von dem Einbrecher mit dem Revolver einen Schlag auf den Kopf und ist bedeutend verletzt. Der Täter entfloh gegen Langenfeld. In Betracht kommt ein großer, starkgebauter Mann, welcher tagsüber im Ort gebettelt hat.
Frankfurt a. O., 16. Jan. Wie der Frankfurter „Oder-Zeitung" gemeldet wird, ist der Ballon „Hildebrandt" im Wildenbruchsee, nördlich der Stadt Schönfließ in der Neumark aufgefunden worden. Die Gondel steckt noch im Morast, es befinden sich zwei Leichen darin.
Stettin, 16. Jan. Die „Stettiner Abendpost" meldet aus Wildenbruch bei Bahn: Der verschollene Ballon „Hildebrandt,, ist im Hochgöhrensee, 20 Minuten von Wildenbruch entfernt, aufgefunden worden. Er liegt 1?/s m unter dem Wasser. Von den beiden tödlich verunglückten Insassen stand der eine noch in der Gondel, der andere hat sich zur Seite übergelegt. — Nach einer Meldung aus Frankfurt a. O. steckt die Gondel im Morast.
Leipzig, 16. Jan. Das Reichsgericht hat heute die Revision des Redakteurs des Simplizissimus, Gulbransson, verworfen, der wegen Beleidigung
des Bischofs Dr. v. Keppler vom Landgericht Stuttgart zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist.
Kiel, 17. Jan. Das Unterseeboot „kl 3" ist in der Heikendorfer Bucht un Kieler Hafen gesunken. Das Hebeschiff „Vulkan" und der große Krahn der Kieler Werft sind zur Hilfeleistung abgegangen. Wie verlautet, ist der Unfall des Unterseebootes kl 3 wahrscheinlich infolge unbeachsichtigten Volllaufenseiner Abteilung des Unterseebootes'entstanden.
Kiel, 18. Jan. Das Unterseeboot „kl 3", welches gestern im Kieler Hafen gesunken ist, wurde heute geborgen. Die im Turm Befindlichen, Kapitänleutnant Fischer, Leutnant Kuppenberg und ein Matrose wurden leblos hervorgezogen.
Berlin, 16. Jan. In Verfolg der Moabiter Krawalle sind gegen die Stadtgemeinde Berlin für rund 200 000 Mk. Entschädigungsklagen angestrengt worden.
— Am 18. Januar jährte sich zum vierzigsten Male der Tag, an dem im Spiegelsaale des alten Schlosses der französischen Könige in Versailles in einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Heerführern König Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser ausgerufen und damit das neue Deutsche Reich begründet wurde. Schon bald nach den ersten großen Siegen der verbündeten deutschen Heere auf den Schlachtfeldern Frankreichs machte sich in den Staaten Süddeutschlands der Wunsch nach einer dauernden, engen Vereinigung mit den schon seit vier Jahren im Norddeutschen Bund zusammengeschloffenen Stammesbrüdern geltend; im Laufe des November 1870 wurden in Versailles die grundlegenden Verträge geschloffen, und nachdem auf Antraq des Königs Ludwig II von Bayern der Titel „Deutscher Kaiser" für das Oberhaupt des neuen Reiches angenommen war, erfolgte die feierliche Proklamation am 170 Jahrestage der Krönung des erste» preußischen Königs. Der Bundeskanzler Graf Bismarck verlas die Urkunde und Großherzog Friedrich I. von Baden brachte das erste Hoch auf den Kaiser aus. Von den deutschen Fürsten, die damals zum Bunde zusammentraten, sind heute, nach vierzig Jahren, nur noch Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen und Fürst Heinrich XIV. von Reuß j. L. am Leben; das Reich blüht fort im Sinne der Worte, die König Wilhelm am Tage vor der Kaiserproklamation dein Deutschen Volte zurief: „Uns aber und unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen allezeit Mehrer des Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.
Montreux, 14. Jan. Ein Großfeuer hat gestern das Hotel Continental, das für 150 Gäste eingerichtet ist, zum größten Teile zerstört. Es war in dem Kehrichtkanal, der bis zum Dachstock reicht ausgebrochen. Das Hotel war völlig besetzt. Die Fremden wurden im Schlafe überrascht. Viele von ihnen mußten über das Dach flüchten.
Paris, 17. Jan. Im Verlauf der heutigen Sitzung der '.Deputiertenkammer wurden von der Zuschauertribüne zwei Revolverschüffe auf den Ministerpräsidenten Briand, der auf der Ministerbank saß, abgegeben. Briand blieb unverletzt. Der Direktor des Armenwesens Mirmaud wurde an der Wange verwundet. Der Attentäter ist festgenommen. Es ist ein ehemaliger Gerichtsschreiber aus Bayonne.
Epernay, 18. Jan. In Damery hat gestern eine große Anzahl von Winzern den Weinkeller eines Champagnerweinhändlers vollständig ausgeplündert. Die Winzer zerbrachen 70000 Flaschen Champagner. Auch ein Rollivagen mit einer Ladung von 2500 Flaschen Champagner wurde geplündet und der Wein in die Marne gegossen.