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Amtsblatt Anzeiger
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M. 148
Samstag den 19- Dezember 1908-
44- Jahrgang
HlunöftHau.
Stuttgart, 15. Dez. Die zweite Kammer hat heute in der fortgesetzten Beratung der Volksschulnovelle die Debatte über die Frage ob der Religionsunterricht aus der Volksschule ganz beseitigt oder wenigstens seiner zentralen Stellung im Lehrplan entkleidet werden soll, beendigt. Es sprachen Dr. v. Kiene (Ztr.), Liesching (Vp.), Rembold-Aalen (Ztr.), Schrempf (B.K.). Zum Schluß hob dann noch der Kultusminister v. Fleischhauer hervor, daß es sich bei dem Religionsunterricht durch die Lehrer nicht um dogmatische Entscheidungen handle, sondern darum, das Interesse des Kindes für die biblische Geschichte zu wecken, was geschehen könne, ohne zu dogmatischen Fragen Stellung zu nehmen. Die nun folgende Abstimmung ergab die von Anfang an erwartete Ablehnung sämtlicher Anträge und zwar des soz. Antrags auf Beseitigung des Religionsunterrichts mit 72 gegen 16 Stimmen der Sozialdemokratie, sowie der Abgg. Mayer-Ulm und Betz, des soz. Eventualantrags, dem Religionsunterricht die letzte Stelle unter den obligatorischen Fächern einzuräumen, mit 68 gegen 19 Stimmen, und des Antrags Löchner die Erteilung des Religionsunterrichts den Ortsgeistlichen zu übertragen, mit 67 gegen 21 Stimmen der Volkspartei. Der weitere sozialdemokratische Antrag, der Raumlehre die Bedeutung eines besonderen Unterrichtsfaches zu geben, wurde in einfacher Abstimmung abgelehnt.
— Nach einem Erlaß der Ministerialabteilung für die höheren Schulen soll es keinem Anstand unterliegen, wenn von den Vorständen höherer Schulen im Laufe des Winters einzelne Turnstunden oder.sonstige Unterrichtsstunden oder auch ganze Nachmittage für die ganze Schule oder einzelne Klassen zum Schlittenfahren frei- gegeben werden. Eine Beaufsichtigung und irgend welche Verantwortung für etwaige dabei rintretende Unfälle können Schule und Lehrer jedoch nicht übernehmen.
Stuttgart, 15. Dez. Die Württember- gische Privatfeuerversicherung auf Gegenseitigkeit in Stuttgart läßt für ihre Bezirksagenturen in Württemberg zur Zeit 100 Postscheckkonten eröffnen um den Geldverkehr zwischen der Anstalt und ihren Vertretern so viel als möglich im Wege des Post- Ueberweisungs- und Scheckverkehrs zu erledigen.
Stuttgart, 16. Dez. Der Bildhauer Karl Schlayer spielt sich hier als Wunderdoktor auf. Er behauptet, mit seiner Tinktur die verschiedensten Krankheiten heilen zu können, sie soll heilsam wirken bei Gicht, Rheumatismus, Flechten usw. und nach seiner Behauptung sollen bei ihrer Anwendung sogar Kröpfe verschwinden. In Wirklichkeit hat aber die Tinktur keinen Heilwert; Schlayer ließ sich dafür schon bis zu 50 Mk. zahlen, während sie höchstens einen Wert von einer Mark hat. Er wurde wegen Betrug schon wiederholt bestraft, trotzdem preist er seine nichtssagende und höchst bedenkliche Tinktur immer wieder an und behandelt damit Kranke. Heute hatte er sich wieder wegen Betrugs zu verantworten und das Schöffengericht verurteilte den Kurpfuscher zu 4 Wochen Gefängnis.
< Stuttgart, 17. Dez. Verlagsbuchhändler Waldemar Hoffmann in Leipzig hat sein Anwesen, Herdweg 66, samt Park und Stallge- bäude, zusammen 60 ar, um den Preis von 265 000 Mk. an den Grafen Zeppelin verkauft, der es nächstes Frühjahr beziehen wird.
— Da sich bei der Abstimmung die Mehrheit der beteiligten Handwerker für die Einführung des Beitrittszwanges erklärt hat, wird mit Wirkung vom 1. März 1909 eine Zwangsinnung für das Friseurgewerbe in den, Oberamtsbezirken Calw, Freudenstadt, Horb Nagold uud Neuenbürg mit dem Sitz in Nagold errichtet werden. Von dem genannten Zeitpunkt ab gehören alle Handwerker, welche das Friseurgewerbe in den genannten Oberamtsbezirken betreiben, dieser Innung an. Zugleich wird aus diesen Zeitpunkt die bisher bestehende freie Friseurinnung geschlossen.
Agenbach, 15. Dez. Wie verlautet, ist gestern im Staatswald unterhalb Meistern von Holzhauern der Leichnam eines Mannes gefunden worden, der anscheinend Selbstmord beging, da sich ein Revolver neben ihm vorfand. Derselbe trug eine gute Uhr mit Kette, sowie säubern Anzug und schöne Schuhe.
Göppingen, 15. Dez. Von einem raschen Tode wurde gestern der Meister der Metallwarenfabrik Schweizer ereilt. Am Montag früh kurz nach 8 Uhr sagte er zu einem Kollegen in der Fabrik, es sei ihm in der Hand so „dumm," er könne den Hammer kaum mehr halten. Er soll ihm doch den Arm etwas massieren. Bald darauf sank jedoch Schweizer tot um. Er hatte, wie der herbeigerufene Arzt feststellte, einen Hirnschlag erlitten. Schweizer, der am Samstag noch woll Freude den Weihnachtsbaum für seine Familie richtete, war 37 Jahre alt. Er hinterläßt Frau und 8 Kinder.
Mannheim, 17. Dez. Die Metallindustriellen der Städte Mannheim, Ludwigs - Hafen, Frankental und Oggersheim haben aus dem Beschluß der heutigen Streikversammlung bereits die Konsequenzen gezogen. Im Lauf des heutigen Tages wird in sämtlichen Betrieben, die dem Metallindustrieverband angehören, den Arbeitern gekündigt. Von der Aussperrung, die am 1. Januar in Kraft tritt, werden etwa 40 000 Arbeiter betroffen.
Ettlingen, 15. Dez. Ein junger Ettlinger, namens Wilhelm Käst, hat am 18. November, wie der tiefbetrübten Mutter aus Casablanca gemeldet wird, bei einem Gefecht der Franzosen gegen die Marokkaner sein Leben eingebüßt. Der junge Mann erlernte hier das Schreinerhandwerk uud zog wohlgemut in die jFremde. Als er vor drei Jahren in das militärpflichtige Alter eintrat, ließ er sich, anstatt in Deutschland zn dienen, von der Schweiz aus zur Fremdenlegion anwerben. In dieser machte er den ganzen Feldzug gegen die Marokkaner mit. Einigemale haben auch ihn die Folgen des fieberreichen Klimas ins Lazarett gebracht. Doch seine junge, kräftige Natur hielt den Krankheiten Stand. Nun, am Schluffe des Feldzuges hat ihn noch eine feindliche Kugel in dem heißen Sande der afrikanischen Wüste eines ehrlichen Soldatentodes sterben lassen. Damit ist aber auch der einzige Sohn, die Hoffnung einer alten Mutter vernichtet.
Aus Stadt u. Umgebung.
Wildbad, 16. Dez. Daß vom nächsten Sommer an während der Badezeit ein direkter Wagen zwischen Berlin und Wildbad geführt werden soll, wurde hier mit hoher Befriedigung ausgenommen. Wildbad läßt sich nun von Berlin aus in 10—11 Stunden erreichen. Die Hoffnung erscheint berechtigt, daß die Zahl unserer Kurgäste aus Berlin, die schon bisher eine recht erfreuliche war, sich noch erhöhen werde. — Die Arbeiten an dem zu erbauenden Hotel auf dem Sommerberg und an de Rodelbahn werden bei der günstigen Witterung energisch gefördert. Die Baumaterialien für ersteren werden, soweit dies irgend tunlich, mit der Bergbahn befördert, was eine nicht gering anzuschlagende Erleichterung und Verbilligung bedeutet. — Mit der Erbauung eines Kurhauses scheint es nun ernst werden zu sollen. Wenigstens wurde die hiefür erforderliche Bodenstäche in den neuen Anlagen (ehemaliges Hofrat Burk- hardt'sches Anwesen) schon vor einiger Zeit abgesteckt. Die K. Domänendirektion darf sich des aufrichtigsten Dankes versichert halten, wenn sie den in dieser Richtung schon so oft geäußerten Wünschen Erfüllung bringt.
— (Einges.) Zum Zweck der Verständigung über einen gemeinsamen Vorschlag für die Bürgerausschußwahl hatten sich auf Einladung die Ausschüsse des Arbeitervereins, der liberalen Vereinigung und des Volksvereins am Abend des 16. Dezbr. im goldenen Adler hier eingefunden. In ruhiger, sachlicher Aussprache wurde zunächst festgestellt, daß der Wille für ein Zusammenarbeiten vorhanden ist. Sodann wurde ein gemeinschaftlicher Wahlzettel aufgestellt, mit dem die anwesenden Vertreter der drei Vereine sich einverstanden erklärten und für dessen unveränderte Abgabe sie eiuzutreten versprachen. Möge nun das Ergebnis der Wahl zeigen, daß die Einigungsbestrebungen nicht nmsonst waren, sondern daß auch hier nach dem Beispiel so vieler anderer Städte durch die Sammlung der Kräfte Ersprießliches geleistet werdeu kann.
— Die Metzgerswitwe Luise Metzler in Calmbach erwachte am Sonntag den 18. Oktober nachts gegen 11 Uhr an einem auffallenden Geräusch, das sie und ihre Tochter vom Laden her hörten. Sie war zunächst der Meinung, ihr Sohn sei im Laden und hole aus der Kasse Geld für sich. Sie stellte sich deshalb unter die Türe zwischen Wohnstube und Laden und hörte, wie jemand Geld aus der Kaffe nahm. Vom Schlafzimmer aus sah sie dann, daß jemand auch aus ihrer Kommode die Geldtasche herausnahm. Hierbei erkannte sie in der betreffenden Person nach Gesicht und Gestalt, wie sie meinte, den ledigen Taglöhner Karl Grether von Calmbach. Die Frau riß darauf dem Mann die Geldtasche wieder weg. In der Tasche befanden sich 11 Mk., in der Ladenkasse 1,50 Mk. Als die Frau Metzler die Türe verschließen wollte, um den Dieb zu fangen, packte sie dieser, stieß sie seitwärts und eilte davon. Die Polizei verhaftete auf die Anzeige der Frau Metzler hin den Grether. Dieser leugnete mit aller Entschiedenheit, der Täter zu sein. Auf die Zeugin allein konnte eine Verurteilung nicht erfolgen, u. so wurde Grether freigesprochen.