Ltillige ;ur Wilddakcr Chronik.
Nr. 139
Samstag, den 28. November 1908-
44- Jahrgang.
Klrrte-u Haltendes.
Ein dunkles Geheimnis.
von Ewald August König.
(Fort.) NaHdr verboten.)
„Das dürfen wir nicht", unterbrach die Köchin ihn ruhig. „Der Herr Baron hat streng befohlen, nichts gegen den Verwalter zu unternehmen, damit der letztere keine Veranlassung finde, die Komtesse aufzusuchen."
„Na, ewig kann er doch nicht hier bleiben!"
„Freilich nicht; nach acht Tagen, wenn ich den Baron mit seiner Braut in Sicherheit weiß, werde ich diesem Herrn ^Verwalter schon zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Wissen Sie, Jakob, was in glaube?
Daß dieser studierte Herr von Habenichts sich hier ins gemachte Bett legen will."
„Oho! Sie wollen doch nicht sagen, daß er vorhat, die Komtesse zu heiraten?"
„Freilich! und Sie dürfen sich darauf verlassen, daß ich mich nicht täusche."
„Ah, dann ist es schade, daß der Baron nicht so lange wartet, bis dieser unverschämte Dummkopf sein Wort angebracht hat. Es wäre für uns eine famose Genugtuung, wenn er vor die Türe geworfen würde."
„Ich fürchte nur, daß wir auf die Genugtuung vergeblich gewartet Hütten."
Der Kammerdiener blickte betroffen auf. — Sie glauben doch nicht, daß die Komtesse seine Werbung angenommen hätte?"
„Wenn auch gerade nicht das, aber ich bin überzeugt, daß er ihr nicht gleichgil- tig ist."
„Na, gegen seine Verwaltung kann man freilich nichts einwenden und die Komtesse wird froh sein, einen so gewissenhaften und strengen Verwalter gefunden zu haben und —"
„Lieber Freund, ich habe scharf beobachtet und manches gesehen und gehört —"
„Still, hörten Sie nichts?" unterbrach der Rotkopf die redselige Köchin. „Wars doch, als ob man die Tür zum Park geöffnet hätte."
„So gehen Sie und sehen nach," sagte die Köchin, indem sie sich erhob, ich werde mich inzwischen überzeugen, ob die Komtesse schläft.
Der Kammerdiener nahm das Pistol, welches vor ihm auf dem Tische lag und ging hinaus; gleich darauf verließ auch die Köchin das Küchenzimmer. Sie stieg langsam die Treppe hinaus und öffnete die Tür zum Zimmer der Komtesse, nachdem sie auf wiederholtes Pochen keine Antwort erhalten hatte.
Die Komtesse saß in ihrem Sessel vor dem noch gedeckten Tisch und schlief; als die Köchin sich von der Festigkeit dieses^Schlafes durch lautes Rufen und ziemlich ^unsanftes
Rütteln überzeugt hatte, verließ sie ruhig das Gemach, um in die Küche zurückzukehren.
„Es war nichts, ich mnß mich getäuscht haben," sagte der Kammerdiener, der fast gleichzeitig mit ihr eintrat, „die Tür ist fest geschlossen und draußen hört und sieht man nichts. Der Verwalter schläft wie ein Dachs, ich habe einigemal an seine Thür geklopft, aber nichts regte sich drinnen."
„Die Komtesse schläft ebenfalls," erwiderte die Köchin, „der Barön kann kommen."
„Ich dachte soeben an unseren Kutscher," fuhr der Rotkopf fort, wenn er morgen heimkehrt und dem Verwalter das Vorgcfallene beichtet — aber ich denke, er wird seinem Schlaf eine andere Ursache unterschieben, denn seiner Herrschaft offen zu erklären, daß er sinnlos berauscht gewesen sei, darf er nicht wagen."
Das letzte Wort war den Lippen des Kammerdieners kaum entflohen, als ein Geräusch sich vernehmen ließ, ähnlich, wie wenn einige leichte, kleine Steinchen mit einer Fensterscheibe in Berührung kommen.
„Der Baron," sagte der Kammerdiener, der sich rasch erhoben hatte. „Er ist pünktlich, die Schloßuhr wird sogleich zwölf schlagen."
Er verließ die Küche und kehrte kurz darauf in Begleitung des Freiherrn zurück.
„Alles in Ordnung?" fragte der Edelmann, „schlafen beide?"
„Beide, Herr Baron," erwiderte der Kammerdiener.
„Gut, schirr die Pferde an und laß den Wagen in der Remise stehen, wir werden das gnädige Fräulein dorhin bringen. Ist die Garderobe gepackt?"
„Alles besorgt, das gnädige Fräulein wird nichts entbehren.
„Und die Schmuckschatulle?"
„Werde ich Ihnen nachher übergeben."
„Bon, jetzt sorge, daß wir sortkommen. Und Sie," fuhr der Freiherr fort, „Sie geht hinauf und sorgt dafür, daß das gnädige Fräulein reisefertig ist, wenn wir einsteigen wollen. Wo ist das Stubenmädchen?"
„Schon vor einer Stunde zu Bett gegangen. Der Verwalter zwang sie, ein Glas Champagner zu trinken.
Hm, das ist unangenehm, wir können nicht wissen, ob wir ihrer Dienste noch bedürfen. Na gehen Sie nur, ich hoffe wir werden allein fertig.
Die Köchin entfernte sich. Der Freiherr wanderte in fieberhafter Ungeduld auf und ab.
„Ich weiß nicht, woher es kommt, daß gerade heute diese bangen Ahnungen mich verfolgen?" sagte er. „Habe ich doch manche schwierigere nnd gefahrvollere Sache unternommen und glücklich zu Ende geführt, weshalb sollte mir dieses Unternehmen -. nicht ^ge
lingen?" — Das Feld ist rein, ein besonderes Hindernis habe ich nicht zu befürchten und doch will diese Ahnung behaupten, die Entführung werde nicht gelingen. Bah! Bin ich denn ein Mann oder bin ich ein Kind, daß ich von Ahnungen mich leiten lassen soll? Vorwärts! vorwärts! Das Zurück habe ich mir selbst unmöglich gemacht. Und wenn es wahr ist, daß ich heute die letzte Karte ausspiele, daß diese Karte mir entweder eine glückliche Zukunft sichert oder mich ins Verderben bringen wird, ist damit auch gesagt, daß ich das Spiel verlieren muß? Bah. — Sie hatten vortrefflich kalkuliert, der Herr Verwalter, das gnädige Fräulein, der Doktor und der weise Kreisrichter, aber meine Kalkulation dreht ihnen alle eine Nase. Sie glaubten, den Vogel schon in der Hand zu haben und müssen nun erfahren, daß er ihnen bei Nacht und Nebel entwischt ist. Möchte dabei sein, wenn sie abermals den Vorfall in Nummer Siebzehn breit treten und alle möglichen Gründe hervorsuchen, mit denen sie ihren Verdacht beweisen zu können glauben. Wenn diese albernen Spießbürger weniger geschwatzt und
dafür gehandelt hätten-aber sie dursten
nicht handeln, weil ihnen Beweise fehlten. —
Und wenn nun doch meine Ahnung richtig wäre? Gesetzt mein Plan sei verraten, und ein tückischer Zufall lasse ihn scheitern; gesetzt ferner, die fehlenden Beweise seien plötzlich gefunden und dadurch mein Schicksal entschieden; was dann? Ah, dann gibts für mich nur einen Weg —"
„Herr Baron, der Wagen steht bereit," meldete der eintretende Kammerdiener. „Ich habe die besten Pferde angeschirrt —"
„Gut, gut, nur nicht so viele überflüssige Worte! Schaff' jetzt das Gepäck in den Wagen und sieh zu, ob die Köchin mit der Toilette der Komtesse fertig ist. Sie soll die junge Dame vorsichtig heruntertragen, vorher aber einige Kissen in den Wagen legen, damit das Rütteln des Wagens sie nicht weckt. Da ich die Zügel führe, so wirst du dich zur Komtesse setzen; halt' dein Pistol bereit, sollten wir angehalten werden, so gibst du augenblicklich Feuer. Für den Fall, daß das gnädige Fräulein zur Unrechten Zeit erwacht, müssen wir mit Chloroform nachhelsen; ich hoffe, daß es nicht nötig ist. In O. wirst du für eine kranke Dame ein besonderes Kupee besorgen; sind wir einmal in Hamburg, werde ich sie schon meinen Wünschen geneigt zu machen wissen, denn dort besitze ich Lokalkenntnisse und gute Freunde. Vorwärts, die Augenblicke sind kostbar."
Nach einer Viertelstunde meldete der Kammerdiener, daß die Befehle pünktlich vollzogen seien; nachdem der Freiherr das Schmuckkästchen an Zäch genommen jhatte, welches außer
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