WaderMronik
Amtsblatt
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Nr. 127 I
Wirnöfchair.
Stuttgart, 26. Okt. Es ist schon vorgekommen, daß Personen unter dem Vorgeben, Beamte oder Arbeiter der Telegraphenverwaltung zu sein, unbefugter Weise Zutritt zu den Häusern verlangt und Diebstähle ausgeführt haben. Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich, daß die beim Neubau und bei der Unterhaltung der Telegraphen- und Fernsprechanlagen beschäftigten Beamten u. Arbeiter mit Ausweiskarten versehen werden, deren Vorzeigung vom Publikum verlangt werden kann, bevor den sich zu Ausführung von Arbeiten an den Telegraphen- u. Fernsprechanlagen meldenden Beamten und Arbeitern der Zutritt zu den Räumlichkeiten gestattet wird.
Herrenberg, 26. Okt. Oberamtswundarzt Dr. Grundler ist im Alter von 48 Jahren auf tragische Weise aus dem Leben geschieden. Vor Jahresfrist hatte er als stellvertretender Oberamtsarzt einen totaufgefunde- nen Handwerksburschen zu untersuchen, wobei er sich eine Blutvergiftung zuzog, die ihn wiederholt hart an Grabesrand brachte. Er erholte sich jedoch so, daß er seine Praxis wieder aufnehmen konnte, allerdings nur auf kurze Zeit, denn ein schweres Kehlkopfleiden, das mit der Blutvergiftung in Zusammenhang gebracht wird, warf ihn erneut auf das Krankenlager und führte seinen Tod herbei.
Gült langen, 29. Okt. Der hiesige Jagdpächter, Rosenwirt Kramer, hatte das einem hiesigen Jäger noch nie beschieden gewesene seltene Jagdglück zu verzeichnen, heute vormittag einen prächtigen Fasanenhahnen im Gewand Halden erlegen zu dürfen.
Tübingen, 27. Okt. (Schwurgericht.) Am 17. Mai d. I, wurden zwei Merklinger Wilderer in der Hut des Forstwarts Wiedmann in Möttlingen auf der württ. bad. Grenze von Wiedmann überrascht. Dabei kam es zu einem Feuergefecht bei dem einer der Wilderer, Friedrich Lutz, getötet und der Forstwart schwer verwundet worden ist. Diesem mußte ein Bein abgenommen werden und er erscheint bei der heutigen Verhandlung auf zwei Krücken gestützt als Rekonvaleszent. Der Fabrikschuster Ludwig Lutz von Merklingen steht unter der Beschuldigung, daß er gleichfalls auf den schon schwer verletzt am Boden liegenden Wiedmann geschosseu, ihn mit einer Schrotladuug auf die Brust getroffen und zu töten versucht hat, vor den Geschworenen. Er leugnet die Tat und schiebt alle Schuld auf seinen getöteten Genossen und Vetter Friedrich Lutz. Er wird von den Geschworenen des Jagdvergehens und der versuchten Tötung schuldig erkannt und zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Tübingen, 26. Okt. Der „Jähzorn" dürfte für einen hiesigen Weingärtner üble Folgen haben. Er warf seinen abgestumpften Kehrbesen aus der Spitalscheuer nach einer Anzahl Schulbuben, die sich vor der Scheuer tummelten und Unfug trieben. Der Besen fuhr dem 7jährigen Söhnchen eines hiesigen Werkmeisters direkt in die Augen. Schwer verletzt mußte das Kind in die Augenklinik verbracht werden. Ob das Augenlicht erhalten werden kann, ist noch zweifelhaft.
Samstag dorr 31- Oktober 1908-
— Kaiser Wilhelm wird auch in diesem Herbst, wie schon in früheren Jahren, der Jagdgast des Fürsteu zu Fürstenberg in Donau- eschingen sein. Soweit bekannt, gedenkt der Kaiser Anfang November in Donaueschingen einzutreffen. Man nimmt bestimmt an, daß dann der Monarch bei dieser Gelegenheit auch seinen schon länger angekündigten Besuch in Friedrichshafen zur Besichtigung der Zeppelinschen Luftschiff-Anlagen ausführen wird.
Tübingen, 29. Okt. (Schwurgericht.) Goldarbeiter Friedrich Schnaufer in Birkenfeld, der im Rausche seine Schwiegermutter erschlagen hat, war heute der Körperverletzung mit tödlichem Ausgange angeklagt. Seitseiner 1904 erfolgten Verheiratung wohnte der An- geklagtebei seiner Schwiegermutter, einer Witwe Schwämmle in Birkenfeld; er selbst arbeitete Tags über in einer Fabrik in Pforzheim. In jenem Geschäfte wird seit Frühjahr an den Montag Vormittagen nicht mehr gearbeitet. Nachdem nun der Angeklagte am Montag den 17. August den ganzen Vormittag hauptsächlich Wein getrunken hatte, begab er sich nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr in stark betrunkenem Zustande auf die Wiese, wo seine Schwiegermutter mit Grasmähen beschäftigt war. Sie empfing ihn mit den Worten: „So jetzt kommt der Lump!" In der Erregung hierüber riß er ihr die Sense aus der Hand und versetzte mit dem stumpfen Teil derselben der 66 Jahre alten Frau mindestens zwei so wuchtige Hiebe auf den Kopf, daß verschiedene Schädelbrüche mit Blutergüssen insGehirn entstanden,dieTags darauf den Tod der Frau zur Folge hatten. Tötungsabsicht zog der Angeklagte in Abrede, er soll aber seine Schwiegermutter öfters mit Totschlägen bedroht haben. Der Angeklagte wollte sich an den ganzen Vorfall infolge seiner damaligen Betrunkenheit nicht mehr erinnern. Dies ist nach dem Gutachten des Sachverständigen Verstellung. Unter Zubilligung mildernder Umstände wurde der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 2 Jahre Gefängnis, abzüglich 2 Monate Untersuchungshaft, verurteilt.
Tübingen, 29. Okt. (Schwurgericht.) Der 19jähr. Postanwärter Viktor Huber in Enzklösterle war wegen Erkrankung der Postagentin Klingler in Enzklösterle vom März bis August der dortigen Postagentur als Stellvertreter mit einem Taggeld von 4 Mk. 20. Pfg. beigegeben und hat sich nach und nach 700 Mk. aus der Postkasse genommen und umdiese Unterschlagungen zu verdecken, die Bücher, Register und Rechnungen unrichtig geführt. Huber wurde zu 6^2 Monat Gefängnis verurteilt.
Friedrichshafen, 29. Okt. Graf Zeppelin ist heute Nachmittag '123 Uhr bei prächtiger Witterung mit Herzog Albrecht aufgestiegen.
— Graf Zeppelin und Herzog Albrecht sind nach 3^2 stünd. glänzender Fahrt über Oberschwaben und Lindau um 6 Uhr gelandet. Der Abstieg war durch Nebel stark erschwert.
Friedrichshafen, 29. Okt. Drei Luft- schiffahrteu werden dem Grafen Zeppelin in unvergeßlicher Erinnerung sbleiben: am 3. Juli ds. Js. hatte der Graf die Genugtuung, den König und die Königin als Passagiere in sein Luftschiff aufnehmen zu dürfen; in glän-
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zender 6stündiger Fahrt überzeugte sich am 27. Oktober Prinz Heinrich von Preußen persönlich von der Vortrefflichkeit des Zeppelinschen Riesenfahrzeugs, spendete entzückt und erstaunt dem Erfinder hohe Anerkennung, und heute, am 27. Oktober, führte Zeppelin den kommandierenden General des 13. Armeekorps, Herzog Albrecht, durch das Reich der Lüste. Um 2 Uhr 40 Min. flog das Luftschiff über die Stadt in einer Höhe von 250—300 Nieter in der Richtung nach Ravensburg. Seiten- und Höhensteuer zeigten ganz ihre hervorragenden Eigenschaften. Die vollkommene Lenkbarkeit des Riesenflugschiffs tat sich auch heute vor aller Welt kund. Die Fahrt gestaltete sich zu einer längeren Landsahrt. Sie führte über Tettnang, Ravensburg, Weingarten, Baienfurt, Loßberg, Wolfegg, Kißlegg, Wangen, Hergatz, nach Lindau, von wo das Luftschiff Meder über dem See auf Friedrichshafen zusteuerte.
Pforzheim, 29. Okt. Heute früh 6.18, als der Arbeiterzug von Calw eintraf, versagte bei der Einfahrt in den Pforzheimer Bahnhof die Bremse. Der Zug riß einen Prellbock nieder. Die Lokomotive zertrümmerte die Mauer des benachbarten Aborts und blieb dort stehen. Die Reisenden wurden stark durcheinandergeworfen. Verletzt wurde niemand.
Frankfurt a. M., 28. Okt. Die „Frkf. Ztg." meldet aus Friedrichshafen: Prinz Heinrich wurde, wie ein Mitfahrender erzählt, nicht müde, immer wieder, ganz überwältigt von den Eindrücken der Reise, seiner Bewunderung und seinem Entzücken über die Fahrtüchtigkeit des Zeppelin'schen Luftschiffs in begeisterten Worten Ausdruck zu verleihen. Strahlend vor Glück und Freude über das Erlebte, sahen wir ihn in die Halle wieder zurückkehren und dann wandte er sich an den Grafen Zeppelin, schüttelte ihm lang, warm und herzlich die Hände nud sagte nach vielen Worten des Dankes und der Verehrung etwa: Ich habe schon lange Ihr Luftschiff für vortrefflich gehalten, aber jetzt bin ich mehr als ich sagen kann, überwältigt und entzückt von dem, was sich mir bot. Dieser Tag ist einer der schönsten meines Lebens und ich werde jetzt sofort an meinen kaiserlichen Bruder nach Berlin telegraphieren und ihm erzählen, was Sie uns gegeben haben. Der Prinz-Admiral hat das Schiff geprüft und sich entzückt über seine Leistungen geäußert. Er hat selbst das Steuer gehandhabt, im Nebel über den Ueberlinger-See den Weg gesucht, Schwenkungen gemacht und die Motore geprüft.
— Dem Reichstag ist gestern der Entwurf des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zugegangen. Der Entwurf bestimmt u. a., daß, wenn durch ein im Betrieb befindliches Kraftfahrzeug ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, der Halter des Kraftfahrzeugs verpflichtet ist, dein Verletzten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden weder durch ein Verschulden des Fahrzeughalters oder der von ihm zur Führung bestellten oder ermächtigten Person, noch durch fehlerhafte Beschaffenheit des