WaderMonik

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Hirru: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdrnlistq.

Nr. 104

Dienstag den 8- September 1908-

44. Jahrgang

Wrrnöschau.

Stuttgart, 5. Sept. Aus dem Wasen fand gestern die Versteigerung der Plätze für Schaubuden, Karussells usw. über das diesjährige Volksfest statt. Unter lebhafter Beteiligung wurden für den laufenden Meter je nach Lage 1268 Mk. erlöst. Die 4 Plätze für Ring- und Plattenwurfspiele waren besonders begehrt, man bezahlte für je 6 w, Platz 200410 Mk. Die höchste Platzmiete bezahlte ein Kinemato- graphenbefitzer, und zwar für 27 m 1560 Mk. Insgesamt kamen etwa 80 Plätze zur Versteiger­ung, wofür rund 35000 Mk. erlöst wurden Gut vertreten sind Kinematographen, von denen nicht weniger als 8 erscheinen werden. Auch an Dampfkarusfells fehlt es nicht. Für das Volksfest ist außer der Vorführung von Pferden, Pferderennen und Trabwettfahren auch ein Automobilblumenkorso vorgesehen. Der Korso, veranstaltet vom Württ. Automobilklub, findet am Montag, 28. Sept. statt.

Von den Ludwigsburger Ausreißern ist jetzt wenigstens einer wieder dingfest gemacht worden. Wie dasNeue Tagbl." erfährt, ge­lang es am Freitag abend zwei Schutzleuten, beim Kupferhammer in der Nähe von Pforz­heim den aus dem Ludwigsburger Zuchthaus entwichenen Raubmörder Emil Rhein er fest­zunehmen. Dieser wollte erst Widerstand leisten, wurde aber bald überwältigt und ins Amts­gefängnis gebracht. Wie sich aus einem bei ihm gefundenen Steuerzettel ergab, hatte er die Nacht vorher auf einem in der Nähe von Pforzheim gelegenen Hof genächtigt und dort dem Eigentümer einen ungebetenen Besuch ab­gestattet. Auch ein anderer Gefährte aus dem Zuchthaus scheint während der Nacht in seiner Gesellschaft gewesen zu sein. Der Ausbruch aus demZuchthaus selbst scheint,derLudwigsburger Zeitung zufolge, in der Weise bewerkstelligt worden zu sein, daß die drei sich aus dem gemeinschaftlichen Schlafsaal in den nebenan befindlichen Aboctraum begaben l und durch eme von dort nach dem Gange führende schwere eisenbeschlagene Türe, die vermutlich vorher schon durch Ausgewichten und Wiedereinstecken der Schließkolben rc. für die Flucht vorbereitet gewesen war, den Gang und weiterhin den Hof erreichten. Da dieser nickt mehr wie früher militärisch bewacht ist, war es den dreien möglich, dort unbeachtet am Küchengebäude emporzusteigen und dann unter Verwendung eines Seiles über die Mauer zu gelangen.

Pforzheim, 6. Septbr. Gestern nach­mittag 4 Uhr gelang es der hiesigen Schutz­mannschaft, auch den zweiten Ausbrecher aus dem Ludwigsburger Zuchthaus, den schweren Einbrecher Schneider August Reiser zu erwischen und trotz eines neuen Fluchtversuchs festzuhalten. Nachdem Samstag vormittag der erste Aus­reißer, der Metzger Rheinen, nach Ludwigsburg gebracht war, wurde noch gestern abend auch Reiser unter sicherer Bedeckung wieder ins Zuchthaus zurückgeliefert.

Schramberg, 7. Sept. Bei der heutigen Stadtschultheißenwahl wurde Harrer (bereits

früher gewählt, aber nicht bestätigt) mit 849 Stimmen tmedergewählt; sein Gegenkandidat Doll erhielt 779 Stimmen.

Berlin, 1. Sept.Die Schallplattenfabrik Hannover-Linden hat die Rede, die Graf Zeppelin auf einer ihrer Platten gesprochen hat, zur Verfügung gestellt. Der Wortlaut 'der Rede ist folgender:Die Fahrten meines Luftschiffes in das Herz der Schweiz und an den Rhein, hinunter nach Mainz und zurück nach Stuttgart haben überall den Glauben erwachen lassen, däS von mir verheißene sichere Durchfahren des Luftreichs sei der Erfüllung nahe. Die gezwungenen Landungen während der Dauerfahrt und die schließliche Vernichtung des stolzen Fahrzeuges durch Sturmes- und Feuersgewalt haben das gewonnene Vertrauen nicht mehr zu erschüttern vermocht. Ganz Deutschland, wie ein Mann entschlossen, die kostbare Errungenschaft festzuhalten, hat sich zu der Tal zujammengetan durch opferfreudige Gaben, mir die Vollendung des Begonnenen zu ermöglichen. Wie traurig wäre es, wenn das begeisterte Hoffen zu Schänden würde, wenn der herrliche Aufschwung, den das deutsche Volk in dieser Sache genommen, im Sande verlaufen müßte. Gott sei Dank, wir glauben diese Furcht nicht zu haben. Was Unkenntnis des wahren Sachverhalts auch an Zweifeln verbreiten mag, die fachmännische Untersuchung und die wissenschaftliche Beurteilung aller Vor­kommnisse bei den Fahrten bis zum tragischen Ende haben das Zutreffen meiner alten An­nahmen nur zu bestätigen vermocht. Meine Lufschiffe werden bald zu den betriebssichersten Fahrzeugen zählen, mit denen weite Reisen bei verhältnismäßig geringer Gefahr für Leib und Leben der Insassen ausführbar sind. Mit froher Zuversicht darf das deutsche Volk demnach annehmen, daß es sich mit seiner hochherzigen Spende einen Weg zur wahrhaftigen Eroberung des Luftmeers aufgetan hat, daß es bald im Besitz von Lufts bissen scin wird, die zur Er­höhung der Wehrkraft und damit zur Erhaltung des Friedens beitragen und in mancherleiweise dem Verkehr, der Erforschung und allerlei Aufgaben der Kultur dienen werden. Wenn mir noch ein paar Jahre des Schaffens ge- schenkt werden, so werde ich das seltene Hohr Glück haben, den vollen Erfolg einer bedeut­samen Erfindung, zu'deren Werkzeug ich erkoren war, erleben zu dürfen. Am höchsten aber ist Gott dafür zu preisen, daß mein Schaffen mit seinen wechselvollen Schicksalen in der Seele des deutschen Volkes eine allen gemeinsame und darum alle verbindende begeisternde Teilnahme wachgerufen hat. Piein Werk konnte nur wachsen und reifen, weil ich ausreichende Bildung zum Begreifen der chir gestellten Aufgabe und die Lebensstellung, sowie die Mittel besaß, um mir das Wissen und Können, die Geschicklichkeit und die Leistung von Gelehrten, Ingenieuren und von Arbeitern jeder Art vom Fein­mechaniker bis zum Taglöhner, dienstbar zu machen,- alle waren unentbehrlich, aber je weniger Schule, Vorkenntnisse und Fertigkeit die verschiedenen Aufgaben erforderten, desto leichter waren die mit diesen Betrauten zu er­

setzen. Nur selten war ein Wechsel notwendig, da das gesteckte Ziel alle ohne Unterschied des Stammes, der Lebensstellung, der religiösen und politischen Anschauung und des Besitzstandes zum stolzen freudigen Zusammenwirken begeisterte und alle haben auch, mit Ausnahme bisher' des kapitalgebendeu Unternehmers, Vorteile >;nd Verdienst dabei gefunden. Nur mit solcher geordneten Verbindung der verschieden abge­stuften Gaben und Kräfte war das hohe Ziel zu erreichen. So stellt der Erfolg ein Bild dar dessen, was sich heute einmal wieder in der herzerhebendften Weise in Deutschland vollzieht: gleiches Handeln hat alle, Fürsten und Volk, alt und jung, reich und arm, zu gleicher Tat vereint, der die wertvolle Frucht nicht versagt bleibt. Möchte die Freude des gesamten deutschen Volkes an seiner Tat e» zu stets erneutem, einigem Zusammengehen, ohne welches die ihm innewohnende Kraft niemals zur vollen Wirkung kommen kann, anfeuern zum Nutzen und zum Heile des Vaterlandes.«

Aus der Schweiz. In neuester Zeit fängt man in der Schweiz auch an, den Wind für die Produzierung elektrischer Energie sich dienstbar zu machen. In Chaux de-Fonds ist soeben eine solche Einrichtung dem Betrieb über­geben worden; man sieht da auf einem Hanse ein 9 m hohes eisernes Türmchen, auf dem ein gewaltiges Rad von 2,4 m Durchmesser den Wind auffängt, die produzierte Drehung auf die Motoreinrichtung im Hause überträgt und so elektrische Energie erzeugt, die zur Beleuchtung der Räume verwendet wird. Wenn auch über Chaux-de-Fonds die Windsbraut öfter als in anderen Gegenden und mit ordentlicher Wucht hinfegt, so hat doch ihr unregelmäßiges Erscheinen für den ganzen Apparat Unzulänglichkeiten im Gefolge, wenigstens so lange, als nicht speziell für diesen Zweck oervollkommnete Akkumulatoren erfunden find. Seit längerer Zeit ist auch bei Herisau eine solcheWindmühle" in noch größeren Dimensionen fertig gestellt und zwar auf einer im Bau begriffenen Naturheilanstalt. Die Absicht war hier, die Beleuchtung, Heizung, überhaupt alle Anstaltseinrichtungen durch die aus den Wind gewonnene elektrische Kraft zu betreiben. Momentan ist jedoch der Bau ins Stocken gekommen, da sich der Unternehmer verdaut" hat. Immerhin bildet das gewaltige Rad, das sich hoch auf dem Berge langsam im Wind dreht, eine Attraktion für die Fremden, die mit Kopfschütteln den Apparat betrachten

Zu den zahlreichen Zahn- und Draht­seilbahnen, die zu den aussichtsreichen Höhen der Alpenwelt führ-n, ist nunmehr als kühnstes Werk der Verkehrstechnik der frei durch die Luft gehende Bergaufzug am Grindelwald zum Wetterhorn hinzugetreten. Der geniale Er­bauer der Elberfelder Schwebebahn, Regiernngs- baumeister Feldmann, hat das System dieser Bahn hier weiter entwickelt und nach Ueber- windung großer Schwierigkeiten ein Werk geschaffen, das voraussichtlich einen vollständigen Umschwung im Bau der Bergbahnen herbei- fnhren wird. Leider ist es dem 1905 verstorbenen Feldmann nicht vergönnt, sein