Amtsblatt
für die Stadt Witöbaö
tzrlcheint Dienstags, Donnerstags und Samstags-
Bestellpreis vierteljährlich 1 Mk. 10 Pfg. Bei allen rvürt- tembergischen Postanstalten und Boten im Orts- und Nachbarortsverkehr Vierteljahr!. 1 Mk. IS Pfg,; außerhalb desselben 1 Mk. 20 Pfg.; hiezu 1b Pfg. Bestellgeld.
MM,
MM
Anzeiger
für Witöbaö u. Wmgevung.
Die EinrücknngSgebühr
beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 8 Pfg auswärts 10 Pfg, Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden. Be: Wiederholungen entsprechender Rabatt.
Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.
Nr- 10 3
Samstag den 5- September 1908-
44- Jahrgang
Hlunöfctzau.
Neuenbürg. Am Sonntag den 6. Sept. findet von nachmittags 2 Uhr ab das Bezirks- misfionsfest hier statt. Redner: Pfarrer Jung- Feldrennach, Missionsprediger Munz-Stuttgart, Missionar Schaiblc-Tübingen.
LudwigSburg, 2. Sept. (Entsprungene Sträflinge.) Heute Nacht, vermutlich zwischen 2 und 3 Uhr. ist es drei Insassen der hiesigen Zuchthauses gelungen, zu entweichen, und trotz heute morgen sofort aufgenommener Streife des Zuchthauspersonals u. der Landjägermannschaft ist es bis jetzt nicht möglich gewesen, eine Spur der Ausreißer zu entdecken. Zwei davon gehören zur Kategorie der „schweren Jungen": der 28 Jahre alte, aus Speltdorf (Preußen) stammende Metzger Emil Rheinen, der seinerzeit wegen Beteiligung an der Englert'schen Mordangelegenheit zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, und der 37 Jahre alte aus Magstadt stammende Schneider August Reiser, der noch 13 Jahre zu verbüßen hatte; der dritte im Bunde ist der aus Zizishausen gebürtige 35 Jahre alte Heinrich Beutel. Darüber wie die drei in die Freiheit gelangten war Näheres noch nicht zu erfahren. In ihren Zuchthauskleidern dürften sie nicht weil kommen, doch ist damit zu rechnen, daß sie sich andere Kleider irgendwo zu verschaffen suchen werden- Ein Gerücht will auch wissen, daß die Ausreißer ihre Sträflingsanzüge schon in der Waschküche der Strafanstalt zurückließen, nachdem sie sie dort mit anderen vertauscht hatten.
— In Verbindung mit dem Cannstatter Volksfest wird am Sonntag den 27. Sep. tember nachmittags im Rennkreis auf dem Wasen ein Pferdetrabwettrennen (Trabreiten und Trabwagenfahren,) offen für Pferde aller Länder, adgehalten. Die Länge der Bahn beträgt zirka 2850 Meter. Für Preise find im ganzen 2975 Mk. ousgeworfen.
Untertürkheim, 31. August. In der Firma Daimlers Motoren-Gesellschaft sollen, wie verlautet, wieder umfangreiche Arbeiter- entlassungen vorgenommen werden. Dir schlechte Lage des Automobilmarktes zwingt zu dieser Maßregel; eine Hebung der Absatzverhältniss« scheint auch auf den Sieg des „Mercedes" Wagen nicht in höherem Maße erfolgt zu sein
Friedrichshafen, 3. Sept. Morgen findet im Sitzuugssal der Vereinsbank in Stuttgart eine Versammlung von Geldmännern unter dem Vorsitz des Geh. Kommerzienrats Dr. Steiner statt, betr. Erstellung eines Hotels in Friedrichshafen. Der städtische Kurgarten ist für das geplante Unternehmen in Aussicht genommen.
Fr i e dr i chsh afe n, 3. Sept. Heute vormittag fand im hiesigen Rathaussaal eine Sitzung der bürgerlichen Kollegien betr. Besprechung über das hier zu gründende Luftschiff, unternehmen des Grafen Zeppelin und über die etwaigen Leistungen hiezu seitens der Stadt statt. Graf Zeppelin führte aus, er beabsichtige mittels der Nationalspende und mit weiteren Mitteln eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen, um sein Unternehmen nicht mehr allein von seiner Person und seinem Leben abhängig zu machen. Wir müssen den Vor
sprung, den wir im Lufkschiffunternehmen gegenüber anderen Staaten haben, aus nützen und dürfen nicht stehen bleiben. Mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln dürfe er nicht frei und willkürlich walten, als ob sie sein Privateigentum wären, sondern er müsse diesen Fonds nach bestem Gewissen verwalten, so wie es das Unternehmen fördere. Dieser Standpunkt leite ihn allein bei dem Kauf des in Betracht kommenden Geländes in Friedrichshafen. Damit sei aber nicht gesagt, daß ihm die Freiheit fehle, das zu tun, was er für notwendig erachte. Mit bewegter Stimme gab der Graf die Erklärung: „Mein dringender Wunsch ist, in Friedrichshafen zu bleibe«, weil der See und die Umgebung ein sehr geeignetes Gelände für mein Unternehmen sind, weil ich persönlich mit Leib und Seele am See hänge und weil die Stadt Friedrichshafen mir schon so viele Ehren erwiesen hat, ich mit ihr seit langer Zeit verwachsen bin und von Herzen in ihr weile. Deshilb wird es mich sehr freuen, wenn wir uns einig finden könnten. Ich weiß, daß die Stadt große Opfer zu bringen hat, aber ich habe die feste Zuversicht, daß mein Unternehmen der Stadt eine glänzende Zukunft eröffnen wird." Nach diesen mit Bravorufen begleiteten Worten verließ der Graf den Saal. Der Gemeinderat beschloß nun, die Verhandlungen mit Direktor Colsmann mit Ausschluß der Oeffentlichkeit weiterzuführen.
— Direktor Colsmann ist entschieden dafür, das Unternehmen an einen anderen Ort zu verlegen. Von anderen Städten werde das Gelände unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Voraussichtlich kommt es noch soweit, daß die Stadtverwaltung das Gelände auskauft und dem Grafen z« einem billigen Preis überläßt
Friedrichshas.'n, 3. Septbr. In der heutigen Sitzung des Gemeinderats, bei der die Oeffentlichkeit ausgeschloffen war, wurde Direktor Colsmann mit der neu angeregten Idee bekannt gemacht, wonach die Stadt das in Frage kommende Grundeigentum erwirbt und an die Zeppelingesellschaft ans 100 Jahre verpachtet. Dieser Plan soll auch d:n Beifall des Grafen gesunden haben. Weiter verlautet noch, daß, wenn die Zeppeliu-Gesellschaft sich veranlaßt sehen sollte, ihr Domizil innerhalb einer gewissen Reihe von Jahren zu ändern, sie der Stadt ein Drittel der Kost.n des Grundstücksankaufs zurückerstatten werde. Die Zeppelin- Gesellschaft wird zwar nur eine verhältnismäßig geringe Pachtsumme, nämlich nur 5000 Mark im Jahr zahlen, dafür aber wird die Stadt durch das Unternehmen eine Mehreinnahme an Steuern haben,diedasFünffache übersteigen dürfte.
Mannheim, 31. August. Wenn irgend etwa» dem Publikum die Augen öffnen sollte über den schwindelhaften Charakter der Serien- losgeschäfte und der Losgesellschasten, so sind es die unverhältnismäßigen Gewinne, welche diese Unternehmungen abwerfen. Hier in Mannheim, wo diese Geschäfte wie Pilze aus der Erde schossen, ist die Behörde scharf hinter ihnen her. Die meisten sind schon ausgerottei und nur noch Nachzügler erscheinen zuweilen vor Gericht. So wurde am SamStag vor dem Schöffengericht gegen de« in Emden verhafteten
Kaufmann Bohlander 'aus Höhringen wegen Vergehens gegen das Lotterieqesetz verhandelt. B. hatte vom 1. Mai 1906 bis 30. April 1907 hier ein Serienlosgeschäft betrieben. In dem einen Jahr erzielte er trotz einer Ausgabe von 33 000 Mk. für Inserate einen Reingewinn von 48 000 Mk., so daß er die Uebernahms- summe von 27 000 Mk. schon im ersten halben Jahre bezahlen konnte. Als B. infolge von Belästigungen durch die Polizei nach Holland verzog, büßte er allerdings dort den Gewinn wieder esti. Das Urteil lautete auf 300 Mk. Geldstrafe.
— Das Hotel „Halm" in Konstanz wurde um den Preis von 600 000 Mark an Herrn Chermek in Frankfurt verkauft.
Aus Deutsch-Südwestafrtka. lieber den Besuch, den Staatssekretär Dernburg den Diamantseldern bei Lüderitzbucht abgestattet hat und über die Diamantfelder selbst wird der „D. Kolonialztg." aus Lüderitzbucht, 28. Juli geschrieben: Dernburg, der am 25. Juli morgens um 4 Uhr in Lüderitzbucht angekommen war, besichtigte die Lagerstätten der Diamanten noch am selben Tag. Mit der Bahn ging eS bis zur Station Colmannskopf, 16 1cm von Lüderitzbucht. Dort standen Reitpferde und Maultierkarren bereit, und in einer kleinen halben Stunde gelaugte die Kavalkade an eine Stelle, die sich als besonders reich erwiesen hat. De- Boden der ganzen Gegend besteht aus feinem Sand, der mit vom Wind geschliffenen linsenförmige», ungefähr 5 mm dicken Steinchen durchsetzt ist, die hauptsächlich aus Lhalzedon, schwarzem Kieselschiefer, Quarz und Achat bestehen. Das ausstehende Gestein gehört zur Urformation (FajergneiS, durchbrochen von Eruptivgesteinen mancherlei Art.) Die Inhaber des Schürffclds, die zugleich auch die Führer waren, nämlich die Herren Oberbahnmeister Stauch,RegierungsbaumeisterWeidt- mann und Oberingenieur Nissen kommandierten: „Halt, absitzen, legen!" Nun entwickelte sich ein Bild von unbeschreiblicher Komik. Ein Dutzend Menschen, Dernburg an der Spitze, legte sich auf den Boden und begann eifrig zu suchen. Nach 5 Minuten ruft Dr. Lotz: „Ich Hab' einen!" Alles läuft hinzu und richtig unter den kleinen Quarz- und Achatsteinchen blitzt hell ein Diamant hervor. Nachdem die Unterscheidungsmerkmale eingeprägt sind, wirft sich jeder wieder platt hin und fährt eifrig zu suchen fort. Manchem ist das Glück hold, und er findet einen Diamanten. Wir verweilten ungefähr eine halbe Stunde, und in dieser Zeit wurden zehn Steine gefunden. Nur beim einfachen Suchen sind seit Entdeckung der Felder, also >eit wenigen Wochen zwischen zweitausend nnd dreitausend Diamanten gefunden worden. Die Durchschuittsgröße ist '/i bis sts Karat, das ist ungefähr wie eine halbe Erbse. Der größte bisher gefundene Diamant hat rund ein Karat (^/,r). Das Muttergcstein, die Werkstatt, in der die Natur die Edelsteine herstellt, ist bisher nicht gefunden worden. Nirgends ist man noch auf Blaugrund gestoßen Die indischen und brasilianischen Diamanten werden »übrigens trotz hundertjähriger Bergarbeit auch j nicht im Blaugrund oder anderem anstehenden