Es geht sogar bis Basel hinauf. Wir wären froh, wenn wir so gut daran wären, wie das Schweizerland. Das sind wir leider nicht und deshalb bitte ich recht sehr, daß die Herren aus dem Norden uns unterstützen, daß endlich dieser Zustand, den wir nicht schön finden, beseitigt wird. — An den Schulschiffverein sind sowohl vom Kaiser, wie vom Prinzregenten Luitpold von Bayern, denen beide Huldigungstelegramme gesandt wurden, dankende Antworttelegramme ergangen, in denen die größte Sympathie für die Bestrebungen des Vereins ausgesprochen wird.
— Der Fischermcister Ernst, der bekannte Hauplbelastuugszeuge im Prozeß Eulenbura ist, nach der „Deutsch. Ztg.", infolge der Aufregungen, die ihm der Prozeß bereitete, vom Verfolgungs- Wahnsinn befallen worden. Jede Aussicht auf eine Wiedergenesung des bedauernswerten Mannes sei ausgeschlossen.
— Letzte Woche hatte laut „Zuger Nachr." eine Automobilgesellschaft, die mit Windeseile die Strecke Zug-Arth durchfuhr, ein „nettes" Abenteuer. Bei Eiola war ein Landwirt damit beschäftigt, ein wohlgefülltes Faß Jauche auf seine Wiesen zu führen. Das dahersausende Auto wollte daS ländliche Vehikel ^überholen, rannte aber an, kam zum Stillstand und riß im gleichen Moment den Zapfen aus dem Jauchewagen, so daß sich das edle Naß in weitem Bogen ins Auto ergoß! Gerade liebenswürdig waren die nassen, nur an Pariser Parfüm gewöhnten Insassen nicht gestimmt, als tätige Hände damit beschäftigt waren, das Auto auszuschöpfen.
Berlin, 88. Aug. Die „Vossische Ztg." meldet aus Mailand: Im Golf von Genua wurde der Leichnam eines etwa 40jährigen gutgekleideten Mannes aufgefunden. Die Kleider wiesen die Adresse einer deutschen Firma auf. An der Stirn des Toten wurde eine Schußwunde festgestellt. Der „Corners della Sera" vermutet, daß der Selbstmörder der aus Feuerbach geflüchtete Photograph Ulmer ist, der bei Böblingen seine beiden Kinder ermordete.
— Von einer höchst bedeutsamen Neuerung im Kriegswesen wird der „Inf." Mitteilung gemacht. An maßgebender Stelle gehl man allmählich mir dem Gedanken um, Motorfahrzeuge nicht bloß für den Kriegsfall als Personen- und Lastautomobile zu verwenden, sondern die Kriegswagen des Altertums in moderner Form wieder aufleben zu lassen. Es handelt sich dabei um Ausprsbieren von Mustern gepanzerter Autowobil-Kriegswagen. Die neuen Wagen find ausgerüstet mit einer 5 Ztm.» Schnellfeuerkanone, die auf einer Drehscheibe am Rahmen des Fahrzeuges befestigt ist und infolgedessen nach allen Richtungen hin Schußfeld hat. In horizontaler wie vertikaler Richtung ist das Geschütz schnell auf alle möglichen Ziele, namentlich auch auf Luftfahrzeuge zu richten und zu verwenden. Zum Schutz des Führers und der fünf Geschützbedienungsmannschaften ist das Fahrzeug mit einem Panzer umgeben, der aus Nickelstahl besteht und 3,5 Mm. Dicke besitzt. Die Munition lagert ebenfalls innerhalb des Panzers und reicht für 100 Schuß; aber nicht nur die Munition befindet sich im Schutze dieses Panzers, sondern es sind sämtliche Vorrichtungen zum Gebrauch und zur Leitung des Kriegswagens, zur Bedienung des Geschützes gegen „Gewehrfeuer" vollkommen gedeckt. Das Fahrzeug fährt mit 50—60 Pferdekrafl und vermag steile und rauhe Abhänge leicht hinauf und herab zu passieren und alle möglichen Wendungen selbst auf ungünstigem Gelände mit Eleganz auszusühren.
MnterHaLtenöes.
Schloß Schönfeld.
Erzählung von Franz Teller.
(Forts.) (Nachdr verboten.)
Heinrich preßte unwillkürlich die Hand auf die Brust und sagte, mühsam die Worte hervorbringend: „Fräulein Mehlburger ist gewiß für jeden Mann und sei er anch noch so hoch gestellt, um ihrer selbst wegen begehrenswert."
Frau Lehmann wußte jetzt, wie es um sein Herz stand und lächelte befriedigt.
Mathilde gewahrte mit unruhvollem Staunen, daß ihr Bruder ungewöhnlich erregt war.
„Und so ist anzunehmen," fuhr die Greisin, Heinrichs Worte ergänzend, fort, „daß hier eine Heirat aus Neigung und nicht nur des Geldes wegen stattfindet. Das Letztere halte auch ich eines Edelmannes unwürdig."
Heinrich von Godsberg fühlte einen Schmerz in dem Muskel, den man Herz nennt, daß er laut hätte aufschreien mögen, aber er bezwang sich mit Manneskraft und stand trotz bitterer Seelenqual ruhig da. Nur das umflorte ?luge und ein leises Zittern jder kräftigen Gestalt ! deutete auf innere Bewegung. Frau Lehmann bemerkte das und auch Mathilde, welche den Bruder so genau kannte, sfühlte, wußte jetzt, daß seine Erschütterung in einer tiefen Neigung für Elsa Mehlburger ihren Ursprung habe. Ihr Blick verriet schmerzliche Teilnahme.
Frau Lehmann nahm wieder das Wort: „Doch dies beiseite, ich komme mit Ihrer Erlaubnis aus den eigentlichen Zweck meines Besuches zurück. Ich erwähnte bereits, daß ich als Hilfsmittel in Ihrer peinlichen Lage nur Arbeit, redliche Arbeit zu bieten weiß."
„Arbeit?" wiederholte Heinrich fast gedankenlos.
„Ich bin noch immer Teilhaberin der großen Firma Lehmann u. Co. in Berlin und komme, Ihnen, Herr Baron, einen Platz auf dem Kontor vorläufig freilich nur mit kleinem, aber immerhin ausreichendem Salär anzubieten."
Heinrich von Godsberg lachte grell und bitter auf: „Handlungskommis! Ein Godsberg Handlungskommis! Das ist das Ende, das wagt man mir zu bieten?"
Mit der Faust schlug er sich vor die Stirne.
Die alte, kleine Frau warf den Kopf zurück, und ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck energischen Stolzes, der dem Hochmütigsten der Godsberg nickts nachgab.
„Mein Herr von Godsbeag," sagte sie, und der Ton entsprach dem Gefichtsausdruck, „die alte Frau, die vor Ihnen sitzt, entstammt einem Geschlechts, so alt und edel, als das Ihre. Auch meine Vorfahren ritten mit den Kaisern in das gelobte Land, das Schwert in der Faust." Sie hielt inne, das Antlitz verlor den so prägnanten Ausdruck unbezwinglichen Stolzes, und die Stimme war weich, als sie fortfuhr: „Jung heiratete ich den Mann meines Herzens, einen wenig begüterten Kaufmann, ich, die Tochter von hundert Ahnen. Mein edler Gatte wurde leidend, er konnte dem Geschäfte nicht mehr vorstehen, es ging zurück. Da nahm ich die Leitung in die Hand und setzte meine ganze Kraft ein für den Gatten, für die Kinder. Ich war Buchhalter, Korrespondent, Fabrikaufseher und arbeitete mit nimmer ermüdendem Mfer Tag und Nacht, wie nie ein Kaufmann redlicher gearbeitet hat. Gott segnete mein Tun, das Geschäft hob sich unter meiner Hand, ward größer, einträglicher und brachte reichen Gewinn. Doch mein schönster Lohn war der dankbare Blick des dem Tode geweihten Gatten, mit dem er seinen Buchhalter und Geschäftsführer begrüßte, wenn ich nach des Tages Mühen an sein Schmerzenslager trat. Das tat ich, die Tochter eines der ältesten Geschlechter Deutschlands, ich nahm den Kampf mit dem Leben auf und siegte. Ich war 'so stolz auf die Früchte meines Fleißes, wie mein Vorfahr darauf, daß er an der Seite Gottfrieds von Bouillon die Mauer Jerusalems überstiegen hatte. Meine Kraft machte das bescheidene Handelshaus zu einem Weltgeschäfte. Arbeiten Sie, Herr Baron, wie ich für Mann und Kinder gearbeitet habe, für dieses liebe Mädchen, auch als Handlungskommis, und Sie werden sich so glücklich in erfüllter Pflicht fühlen, wie nach siegreichem Kampfe im Felde. Das war es, was ich Ihnen zu sagen hatte."
Die Dame hatte mit einer Würde, einem stolzen Bewußtsein, einer überzeugenden Kraft gesprochen, die des tiefsten Eindrucks auf die Hörer nicht verfehlte. Heinrich ging, als sie geendet, mehrmals im Zimmer ^auf und ab, heftig wogte es in ihm.
Mathilde saß da, stumm die Hände gefaltet, und sah mit staunender Bewunderung in das faltige Gesicht der Greisin.
Diese fuhr nach einiger Zeit fort: „Ich weiß wohl, daß die Tätigkeit des Kaufmanns nicht Jedermanns Neigung entspricht, es muß auch Kriegsleute geben, deren hoher Beruf es ist, ihr Vaterland in der Gefahr zu verteidigen; aber noch besser weiß ich, daß unfern Lieben gegenüber erfüllte Pflicht am glücklichsten macht. Ich habe geboten, was ich geben kann. Habe ich nach Ihrer Ansicht die Grenzen überschritten, welche dem ferner Stehenden gezogen sind, so halten Sie es einer alten, wohlmeinenden,Frau zugute."
Was in Heinrich von Godsbergs Seele in diesen wenigen Minuten vorging, hätte er später wohl selbst nicht sagen können. Das Bewußtsein, verarmt, existenzlos zu sein, den Mangel vor der Tür zu haben, der jähe Schmerz um ElsaS Verlust, die gewaltige Wirkung der Worte der alten Dame, der Gedanke an die arme, arbeitsfreudige Schwester, der Slolz des Edelmannes, des Offiziers, kreuzten sich in wildem Wirrwar in seinem Innersten.
Plötzlich wandte sich Heinrich um, sein Gesicht war bleich, zeigte aber den Ausdruck des Entschlusses. Er ging auf Frau Lehmann zu nahm ihre Hand, küßte sie, sich niederbeugend' und sagte: „Ich will arbeiten, wie Sie, gnädige Frau, ich nehme ihre Hilfe dankbar an."
Sin freudig-glückliches Lächeln erschien in dem alten, runzelvollen Gesicht, und sie strich, als ob sie ein Kind vor sich habe, liebkosend leicht mit der Hand über sein Haar.
„Sie sind eia echter Godsberg. Herr Baron, ich freue mich Ihres Entschlusses. Ich werde alles Nötige veranlassen."
Sie erhob sich und küßte Mathilde.
„Mein Liebling, meine fleißige Stickerin, wird auf ihren mannhaften Bruder stolz sein, nicht so?"
. „Und nun, Ihr letzten Kinder Godsbergs, malt Euch die Zukunft in rosigerem Lichte aus; Arbeit beglückt. Wenn ich nicht irre, lautet der Wahlspruch Ihres Geschlechts: „Furchtlos allewege!" Bleiben Sie ihm treu im Kampfe des Lebens."
Damit schritt die alle Dame hinaus und ließ zwei tiefbewegte Menschenkinder zurück.
Als es dunkel geworden war, schritt Hein- rich die Landstraße entlang, welche nach Schön- seld führte. Magnetisch zog ihn das Haus an, welches das holde Mädchen barg, dem sein Herz gehörte. Vielleicht erblickte er sie durch ein Fenster und könnte für dieses Leben von ihrer Lichterscheinung Abschied nehmen. Seine Seelenpein suchte Linderung in starker körperlicher Bewegung und rasch schritt er dahin. Er hatte eine alte Lodenjoppe angezogen und eine Jagdmütze aufgesetzt, er wollte in Schönfeld nicht erkannt sein.D
Er kam an dem Eingang, schritt hinein in den Park, rasch einen Seitenweg zu gewinnen suchend, und bemerkte nicht den an einem Boskett lauernden Kammerdiener Müller, der hinter ihm murmelte: „Baron Heinrich, was will der hier?"
Godsberg ging auf einem Seitenpfade nach dem Schlosse, einige Fenster waren erleuchtet, aber von der Geliebten war nichts zu gewahren. Er ging langsam nach der Grabkopelle und weilte dort einen Augenblick. Die glänzenden Gestalten seiner ritterlichen Vorfahren stiegen in feinem Geiste auf und er ließ sie vorüberziehen, die eisengepanzerten Ritter der Vorzeit. Und wieder sah er sich auf einem Kontorstuhl, vor dicken Büchern die Feder führen. Er fuhr mit der Hand über die Stirn, dann senfzte er: „Es muß sein, die Pflicht über alles."
Und weiter ging er in den dunklen Gängen. Auch jetzt gewahrte er den Kammerdiener nicht, der ihm mit schleichendem Blick folgte. Unerwartet stand Heinrich vor dem alten Turme; er stieg hinauf und lehnte sich wie am Abend seiner Ankunft über die Brüstung.
Der Mond ging auf und sandte sein bleiches Licht über die Landschaft hin, aber Gods« berg sah nichts von Wäldern und Bergen, er sah jetzt nur Elsaß rosiges Antlitz vor sich.
Ein leichter Schritt veranlaßte ihn, sich rasch umzuwenden, und vor ihm im halben