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Amtsblatt

für die Stadt Wit'dbaö

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Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenlistq.

Nr. 57.

Samstag, den 16- Mai 1908

44. Jahrgang

Wrrnöscharr.

Stuttgart, 15. Mai. Der Landtag hat gestern die Oberndorfer Wahl mit 54 gegen 30 Stimmen für ungültig erklärt.

Die Erhöhung des Briefportos im Ortsverkehr wird immer noch vielfach nicht beachtet; man erhält Briefe, die nur mit

3 Pfg. statt 5 Pfg. frankiert find. Das Strafporto beträgt seit 1. Mai 7 Pfg. für solche Briefe.

Stuttgart. (Bon der Bauausstel- lun g). Lebhaftes Interesse, auch für den Nicht­fachmann, dürften die gegenwärtig in Aus­führung befindlichen Eisenbetonbauten er­regen. Es sind im ganzen 3 Firmen vertreten: Wayß und Freitag, H. Rek und O. Böhmler. Der Bau der ersten Gesellschaft stellt eine 9,50 in lange, 15,80 m breite und 8,70 m hohe Halle dar und befindet sich gleich rechts des Eingangs in der Lindenstraße. Das äußere Gerippe des Ganzen besteht aus 4 Rahmen mit senkrechten Auflagepfeilern und dreieckigen Dachbindern ohne jede Zwischenstütze. Bei dieser Form kommt am besten die Wirkung der Eisenein­lagen zum Ausdruck, da mit gewöhnlichem Be­ton nur eine Bogensorm möglich wäre. Die

4 Binder haben einen lichten Abstand von 2,70 m; auf diese Entfernung muß sich also die darüber gespannte, ebenfalls in Eisenbeton erstellte, Dachhaut frei tragen. Die letztere bedeckt indes nur auf die untere Hälfte das Dach, während der obere Teil als Glasober- licht ausgebildet fft. Die architektonische Be­handlung lehnt sich völlig an die Konstruktion an in der Weise, daß die wesentlichen Teile der letzteren nicht verdeckt, sondern ausgebildet, aber alles unnötige Beiwerk vermieden ist. Während die tragenden Glieder mit gewöhnlichem Kies- belon ausg führt werden, wird die Dachdecke zur möglichsten Entlastung der Binder in BimS- beton erstellt und erhält außerdem nach unten eine Kassettierung. Die Abdeckung erfolgt durch Ruberoid, der sich bis jetzt sowohl hinsichtlich der Wasser,. Tropf, und Wärme,- als auch der Feuersicherheit am besten bewährt hat. Die Firma Rek bringt eine in flachen Bogen ge­wölbte, mit 13 m Spannweite angeordnete Halle zur Aufstellung, wie sie ohne Abschluß­wände als Bahnsteigdach, mit eingebauten Wänden als Maschinenhalle, Zollschuppen u. dergi. Verwendung finden kann. Besonderes Aufsehen dürften tue rechts und links 4 m weit ausladenden Kragarme erwecken. Das Ganze wird getragen von 6 Bindern, bestehend aus Mittelbogen, seitlichen Kragarmen und tragen­den Pfeilern; letztere sind durch LängSver- stetfungen unter sich verbunden. Die feste Dach- decke ist hier, ähnlich wie bei Wayß und Frei­tag, nur bis zur halben Höhe emporgesührt, während oben ein dreieckförmige- Oberlicht aus Drahtglas angeordnet ist. Das Dach ist gleich­falls mit Ruberoid abgedeckt und an der Innen­seite mit Kasetten versehen, die nicht nur den Zweck haben, die aufruhende Last zu vermindern, sondern auch für das Auge einen .hübschen, abwechselungsreichen Eindruck erzeugen. Die gesamte Betonierung wurde durch eine »or dem Bau ausgestellte Betonmischmaschine ausgeführt,

welche nicht nur das Mischen, sondern auch das Aufziehen des Betons selbsttätig besorgte. Otto Böhmler errichtet eine Halle, wie sie in ähnlicher Weise bereits auf einigen Bahnhöfen im Rheinland ausgeführt ist. Auf einer Reihe von Stützen, die in 10 m Abstand angeordnet und durch einen kräftigen Unterzug der Länge nach miteinander verbunden sind, ruht, und zwar daS ist das Bezeichnende an der Kon­struktion ohne jede Verwendung von Krags- trägern, die Dachdecke, die von der Milte an nach beiden Seiten flach abfällt und je 4 m weit ausladet. Die Querschnitts-Abmessungen der 55/55 em starken, rechtwinklig gewählten Stützpfeiler sowie des verbindenden Unterzugs sind durch die Größe der bei einseitigem Wind­druck auftretenden exzentrischen Belastungen be­dingt. Alle 3 Bauwerke stellen, jedes in seiner Art, einen kleinen Teil der vielseitigen An­wendung deS Eisenbetons dar und sind geeignet, durch ihre kühnen Formen nicht nur dem Fach-; mann, sondern auch dem Laien einen Begriff davon zu geben, welche Bedeutung diese Bau- weise heutzutage erlangt hat.

Neuenbürg, 13. Mai. Die Bezirks- kriegerversammlnng in Schömberg am letzten Sonntag war zahlreich besucht; es waren 28 Vereine vertraten. AuS den vom Schriftführer vorgetragenen Rechenschaftsberichten war u. a. zu entnehme», daß die Bezirksverbandskasse einer Stärkung bedarf. Ls wurde der Jahres­beitrag denn auch von 5 aus 10 Psg. pro Mitglied erhöht. Die Erhöhung soll gleich­zeitig zur Bestreitung der Kosten der beschloss, enen Kollektivhaftpflicht-Bersicherung dienen. Die Bezirkssterbekaffe hatte im verflossenen Jahr 18 Sterbesälle ä. 100 Mk. zu reguliere».! Dem Bezirksverband gehörten im Berichtsjahr! 38 Vereine mit 1868 Mitglieder» an, der Bezirkssterbekasse 27 Vereine mit 1008 Mit­gliedern. In den Bezirksausschuß wurden aus die nächsten 4 Jahre die bisherigen Mit­glieder (Kamerad Bürkle-Otrenhausen, Elven- Schömberg, Knöller-Neusatz, Kramrr-Dobel, Kübler-Calmbach, Weßinger-Birkenfcld) wieder­gewählt. Neu hinzugewählt wurde der Vorstand deS Wildbader KriegervereinS, Kamerad Stadtpfleger Gut bub. Die Wahl des Orts der nächsten BezirkSversammlung fiel auf Con­weiler. Mit derselben soll die Feier des 25jährigen Jubiläums de- dortigen Militär- vereinS verbunden werden.

Calw, 14. Mai. Auf dem 610 Meter, hohen Daumen bei Stammheim und aus dem 590 Meter hohen Jägerberg bei Althengstett werden Aussichtstürme errichtet.

Tübingen, 12. Mai. (Strafkammer.) DaS Dienstmädchen Lina Strinz von Stamm­heim hat aus dem Geschäft deS Konditors Marquardt in Calw mindestens 1000 Eier, 10 Zuckerhüte, 10 Pakete Würfelzucker, 12 Psd. Butter. 15 Pfd. Kaffeebohnen, Liköre, Zigarren, Schokolade und dergleichen entwen­det. Wert mindestens 172 Mk. Der größte Teil der gestohlenen Waren kam zu der Nach­barin Margarete Nothacker, Fabrikarbeiterr­ehefrau, die damit einen Handel trieb. Die Angeklagte Strinz machte geltend, die Roth-

acker habe sie in geradezu aufdringlicher Weise zu den Diebstählen verleitet, ihr zu Weihnachten ein Kleid geschenkt und immer gesagt, die früheren Dienstmädchen hätten auch gestohlen. Die Nothacker will nur einmal eine kleine Anzahl Eier von der Strinz für Waschen und Flicken erhalten haben, nicht wahr sei, daß sie der Strinz ein Kleid geschenkt habe, das Kleid habe 12 Mk. geko­stet. Die Strinz wurde wegen Diebstahls zu 3 Wochen und die Nothacker wegen An­stiftung und einfacher Hehlerei zu 4 Wochen Gefängnis verurteilt. Gegen letztere war ein Jahr Zuchthaus beantragt.

CarlSruhe i. -Schlesien, 15. Mai. Der König von Württemberg ist kurz nach 9 Uhr zu einem lOtägige» Jagdaufenthalt hier einge­troffen.

Peking, 7. Mai. (Riesenkatastrophe in China). In Hankan, dem Mündungspunkt ! des Hanstromes in den Jangtsekiang, hat sich eine Doppelkatastrophe zugetragen. In der Nacht geriet eine von den Hunderten der in der Hanmündung dichtgedrängt ankernden Dschunken, die mit Petroleum geladen war, bei heftigem Sturm in Brand und trieb stromab in den Jangtse, zahlreiche andere Fahrzeuge aller Art wurden vom Fever er­griffen, nahmen denselben Weg und gefähr­deten die am Jangtseufer liegenden Pontons, Helks und Dampfer. Gleichzeitig setzte vom oberen Han her eine große Flut ein, die das Wasser in 12 Stunden um 5 Fuß steigen ließ. Die i» der Zeit des niedrigen Wasserstandes bis dicht an den Fluß, ja oft in diesen hinein gebauten Hütten mit ihren Bewohnern wurden l in kürzester Zeit weggeriffen; in den sich bilden- ! de» gewaltigen Strudeln wurden die vom Feuer verschont gebliebenen Dschunken und ZenopanS, ja selbst mehrere Dampffähren in die Tiefe ge- zogen. Anfangs schätzte man die Zahl der ver­nichteten Fahrzeuge auf 600, die der Toten aus 900. Jetzt stellt eS sich aber heraus, daß daS entfesselte Element schon auf dem Laufe des Han gewaltige Verwüstungen angerichtet und zahllose Opfer gefordert hat. Die durch den Eintritt des Han in den Jangtse gegenüber von Wutschang sich bildende Unlerströmung läßt die Leichen erst bei Dang Lo, das ist 15 Seemeilen unterhalb HankauS, an die Oberfläche kommen, und hier wurden schließlich 5000 Tote angcschwemmi. Der materielle Schaden beläuft sich auf Millionen Taels. Nach einer f chinesischen Zeitung Hai ein amtliches Telegramm, > das die Anwohner und Schiffer warnen sollte, sechs Stunden uneröffnet im Amtszimmer des von seinem Posten abwesinden chinesischen Wasser­polizeibeamten gelegen.

New-Aork, 13. Mai. Furchtbare Wirbel­stürme in Arizona, Nebraska und Illinois zer­störten mehrere Ortschaften und Farmen. Die Ernten sind vernichtet, über 40 Menschen ge­tötet und mehrere hundert verletzt. In Omaha verloren 12 Menschen das Leben. ES ist der heftigste Tornado, von dem der Osten Nebras­kas je heimgesucht worden ist. Die Hälfte der Stadt Louisville ist dem Erdboden gleich­gemacht.