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Nr. 50.

Donnerstag, den 30. April 1908,

44. Jahrgang

Wunöschau.

Se. Maj. der König hat den Bahn­hof- und Postverwalter Metzler in Vaihingen- Enz seinem Ansuchen gemäß auf die Bahnhof­verwalterstelle in Neuenbürg versetzt.

Stuttgart, 26. April. Der Landesver­band württemdergischer Wagnermeister hielt heute im Festsaal der Bürgerhalle seinen ersten Ver- bandstag ab, wozu etwa 120 Deligierte er­schienen waren. Nach dem Geschäftsbericht zählt der Verband gegenwärtig 1200 Mitglieder. Handwerkskammersekretär Dr. Bisinger referierte überWelche Maßnahmen soll der Verband zur Hebung und Förderung des Wagnerge­werbes für die Zukunft ins Auge fassen?" Zum Verbandsvorsitzenden wurde wieder Wag- nermeister Sigel (Gablenberg) gewählt. Als Ort des nächsten Verbau dsbigs wurde Ulm bestimmt.

Stuttgart, 27. April. Die feierliche Er­öffnung des neuen Wirtschaftsgebäudeszum Kursaal" in Cannstatt fand heute vormittag um 11 Uhr in Anwesenheit des Königs statt. Zu diesem Festakt hatten sich die bürgerlichen Kollegien mit Oberbürgermeister v. Gauß an der Spitze jeingefunden. Punkt 11 Uhr fuhr das Automobil des Königs am Portal des neuen Gebäudes vor, woselbst Gemeinderat Or Mattes nnd Bankier Hartenstein den Landes­herrn, in dessen Begleitung sich Generadjvtant Freiherr v. Bilfinger und Flügeladjutant Oberst­leutnant Hosacker befanden, begrüßten. Vor dem Eintritt in das Gebäude richtete bet der Schlüsselübergabe Architekt Albert Eitel eine kurze Ansprache an die Festversammlung. Mit großer Liebe und Freude habe er den Auftrag übernommen und er hoffe, daß diese Gefühle auch im vollendeten Bauwerk sich offenbaren würden. Sein Hauptbestreben sei es gewesen, das Neue dem Alten möglichst harmonisch und zweckmäßig anzugliedern. Er schloß mit dem Wunsche, daß das HauS den Wünschen und Ab­sichten deL Brunnenvereins vollauf emsprechen und seinen Gästen eine behagliche und gern besuchte Stätte sein möge. Gemeinderat vr. Mattes als Vorstand des BrunnenvereinS er­widerte daraus, daß er mit Dank den Schlüssel zu dem Hause, das ein schönes Zeugnis für das künstlerische und architektonische Können des Architekten ablege, entgegennchme. Ein Blick auf das jetzt vollendete Werk dürfte den Beweis liefern, daß der Architekt die ihm ge- stellte Aufgabe glücklich gelöst habe. Dafür sage er dem Architekten und Mitarbeitern seinen Dank und spreche Ihnen seine Anerkennung aus. Sr. Maj. den König, der durch seine hohe Gegenwart die einfache Feier ehre und ver­schönere, sowie die bürgerlichen Kollegien, die in liberaler Weise einen großen Teil des Bau­aufwands bewilligt haben, bitte er nun, in dar HauS einzutreten und sich davon jüberzeugen, daß versucht worden sei, bei aller Einfachheit, ein würdiges und künstlerisch abgerundetes Bau­wesen zu schaffen, das unserer Stadt zur dauern­den Zier gereichen soll. Dann betrat der König und die Festversammlung den Neubau, besich­tigten die neuerstellten Räume um sich im so­genannten Tanzsaal wieder zu vereinigen. Hier

brachte Gem.Rat Or. Mattes den Toast auf den König aus. Der Brunnenverein stehe heute an einem wichtigen Punkt seiner Entwicklung. Es gezieme sich heute, in ehrfurchtsvollem Dank dessen zu gedenken, was der Brunnenverein unserem Königshause verdankt. Der Brunnen­verein habe sich stets der größten Förderung seitens König Wilhelm I erfreuen können, der gerade für Cannstatt und seine Umgebung sich besonders interessiert habe. Gleich große Unter­stützung durfte der Verein von König Karl und dem jetzt regierenden König Wilhelm II erfahren. Den Tank für die Förderung wolle man dadurch abstatten, daß man gelobe, die königliche Stiftung im Sinne des hohen Stifters fortzuführen. Mit Dank und Stolz erfülle es die Anwesenden, daß der König die Ein­ladung zur heutigen Eröffnungsfeierlichkeit an­genommen habe. Mit Hinweisen auf das in unserem Lande bestehende herzliche Verhältnis zwischen Fürst und Volk, schloß Redner seine Ansprache mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf unseren in Ehrfurcht geliebten König. Die Musik spielte die Nationalweise und da- rauf ergriff der König dos Wort zu folgender Ansprache:Mit Freude bin ich der Einladung gefolgt, in Ihrer Mitte zu erscheinen, um das neuerstandene Gebäude einzuweihen. Herzlichen Dank sage ich meinem verehrten Vorredner und allen Anwesenden für den ebenso herzlichen als freundlichen Willkomm, den Sie mir bereitet haben. Sie haben nicht umsonst gesagt, daß die Interessen meines Hauses und diejenigen von Cannstatt, insonderheit diejenigen des Cannstatter Brunnenvereins miteinander ver­knüpft sind seit einer langen Reihe von Jahren. Ebenso wie meine Ahnen die Hebung des Bades und der Stadt Cannstatt und ihrer Interessen gefördert haben, so habe ich, soweit es in meinen schwachen Kräften stand, versucht, zum Wohle der Stadt und des Bades etwas zu tun und hoffe mit Gottes Hilfe auch ferner zu Nutz und Frommen weiter wirken zu können. Herzlichen Dank sage ich auch am heutigen Tage dem Architekten, dem es so wohl gelungen ist, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen und ein so schmuckes, schönes und geschmackvolles Gebäude, das allen Anforderungen zu genügen verspricht, fertigzustellen. Ich danke allen, die mitgearbeitet haben beim Zustandekommen des Werkes, und nun fordere ich Sie aus, mit mir einzustimmen in den Ruf:Die Stadt und das Bad Cannstatt sie leben hoch !" Der König zog daraus noch verschiedene Herren ins Ge­spräch und äußerte wiederholt seine hohe Zu­friedenheit mit dem Gesehenen. Gegen 12 Uhr verabschiedete er sich dann und damit ging die Feier allmählich ihrem Ende zu. Heute Abend wird ein Festbankett in den neuen Räumen die Bürgerschaft vereinen.

Stuttgart, 28. Mai. Was der erste Markttag infolge des Wetters schuldig geblie­ben, hat der heutige Tag wenigstens emiger- maßen wieder gut gemacht. Aber im allge­meinen war die Kauflust nur gering und ließ namentlich bei den Luxuspferden zu wünschen übrig. Im ganzen dürften etwa 350 Pferde ihre Besitzer gewechselt haben. Die Preise wer­den im allgemeinen nicht als schlecht bezeichnet.

Für das Paar schwere Arbeitspferde wurden in einz. Fällen bis zu 4000 Mk. angelegt, für leichte bis zu 2500 Mk. Auch in Schlacht- Pferden soll der Umsatz gar nicht gering gewe­sen sein. Aus dem Hundemarkt war daS Geschäft recht flau, während in der Wagen- uud Geschirrausstellung ein guter Absatz erzielt wurde, und zwar sowohl in Geschäfts- als auch in Luxuswagen und in Automobilen. Mas die gegen frühere Jahre wesentlich geringeren Um­sätze auf dem heutigen Pfcrdemarkt anbelangt, so wird man wohl nicht fehl gehen in der Annahme, daß dies mit auf Rechnung der allgemeinen rückläufigen Konjunktur zu schreiben

ist-

Wildberg, 28. April. Gestern traten hier die Uhrmachermeister des Enz-Nagoldver- band aus den Oberämtcrn Freudenstadt, Her­reuberg, Nagold und Neuenbürg zu ihrer Jah­resversammlung zusammen, um ihre Standes­angelegenheiten zu beraten. Der Versammlung wohnte auch der Vorstand des Landesverban­des, Hr. Uhrmacher Krauß von Stuttgart, in dankenswerter Weise an. Allgemein wurde betont, daß ein kollegialer Zusammenschluß auch in diesem Geschäftszweig nicht bloß wünschens­wert sondern zur Erreichung der anzustreben­den Ziele bei gediegener Geschäftsführung not­wendig sei. Es ist deswegen trotz Ablösung des Calwer-Amts vom Verband eine erfreuliche Beobachtung, daß fast alle Meister der obenge­nannten Bezirke demselben angehören. Nach Besichtigung der Stadt Wildberg statteten die Teilnehmer der Versammlung auch der Stadt Nagold einen Besuch ab.

Tübingen, 28. April. (Schwurgericht.) Landgerichsrat Dr. Kapff eröffnete die Sitzun­gen. Strafsache gegen den 1876 in Tübingen geborenen, rn Söflingen-Ulm wohnhaften ver­heirateten Schlosser Karl Schmid wegen eines Verbrechens der vorsätzlichen Brandstiftung. Am Vormittag des 20. Februars 1894 ist in dem Wohnhaus Nr. 5 des SchleifermühlewegS in Tübingen Feuer ausgebrochen, wodurch die­ses von der Familie des Vaters des Angeklag­ten und zwei weiteren Familien bewohnte Gebäude mit einem Brandschaden von 8637 Mark bis auf die Grundmauer zerstört wurde. Der Angeklagte, der zur Zeit der Tat Lehr­ling war, und sich inzwischen nach Söflingen verheiratet hat, stellte sich nach 13 Jahren, von Gewissensbissen geplagt, freiwillig der Staats­anwaltschaft und gibt an, er habe die Tat be­gangen, weil er von seinem Vater schlecht be­handelt worden sei und deshalb zur Marine gewollt habe. Nach dem Gutachten des Ge- richtSarztes ist der Angeklagte ein etwas ner­venschwacher Mensch, für seine Tat aber ver­antwortlich. Tie Geschworenen bejahten die Schuldfrage. Staatsanwalt Klöpfer beantragte

1 Jahr und 6 Monate Zuchthaus. Der Ver­teidiger, Rechtsanwalt Hähnle bat, nur auf eine Strafe von 1 Jahr zu erkennen. Das Urteil lautete auf 1 Jahr Zuchthaus, wovon zwei Monate Untersuchungshaft abgehen. Nach

2 Jahren wäre das Verbrechen verjährt gewe- sen. Als Obmann der Geschworenen fungierte Hofapotheker Dr. Metzger von Wildbad