Nr. 203.
Amts- und Anzeigeblalt für den Oberamtsbezirk Calw.
94. Jahrgang.
Erscheinungsweiser Smalrvöchentl. Anzeigenpreis: Die kleinspaltige Zeile 20 Pfg., - g.- Eck' " - ' .. ^ ^
Reklamen 50 Pfg.
Schluß der Anzeigenannahme 9 Uhr vormittags. — Fernsprecher 9.
Dienstag den 2. September ISIS.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 3.30 vierteljährlich, PostbezugSpreiS im Orrs- u. Nachbarortsverkehr Mk. 3.S0, im Fernverkehr Mk. 3.60, Bestellgeld A Pfg.
Zw NW der KriegrWngeiM-Heimkehr.
Endlich doch Aussicht
auf baldige Heimkehr unserer Kriegsgefangenen
(WTB.) Berlin, 1. Sept. Der Reichszentralstelle f. Kriegs- imd Zivilgefangene ist vom Internationalen Roten Kreuz in Genf folgendes Telegramm zugegangen:
„Das Internationale Komitee beeilt sich, Sie zur endlich in Aussicht gestellten Heimschaffung der Gefangenen aufs herzlichste zu beglückwünschen. Dies ist der Umsicht und der taktvollen Leitung der dortigen Behörden, sowie der unermüdlichen Arbeit Ihres Vertreters in Versailles zu verdanken. Das Komitee durfte vor 8 Tagen in wichtiger Besprechung mit den französischen Behörden auf die besondere Qualifikation desselben Hinweisen. Wir hoffen mit Ihnen auf einen glatten Verlauf der Verhandlungen und ein baldiges Wiedersehen der Gefangenen mit ihren Angehörigen.
Beginn des Abtransports.
(WTB.) Köln, 1. Sept. Die ersten deutschen Kriegsgefangenen sind heute früh in Stärke von etwrz.1VVV Mann in Köln- Deutz eingetroffen.
Ei» englisch-russischer Geheimertrug.
Bern, 1. Sept. Die Genfer „Feullle" erhält aus unterrichteter Quelle Mitteilungen über einen geheimen Vertrag zwischen England und der Regierung Lianosows. Der Vertrag ist von höchster politischer Bedeutung, weil er einerseits ein neues Licht auf das Kabinett Lianosows wirst, das man bisher als provisorische Lokalregierung betrachtete, das aber tatsächlich berufen zu sein scheint, die Rolle einer panrussischen Regierung zu spielen, und weil er andererseits die russisch-englischen Beziehungen nach dem Sturz des Bolschewismus regelt. Nach dem Vertrage verpflichtet sich England:
1. mit allen Mitteln der Regierung Lianosows im Kampfe gegen den Bolschewismus und vor allem in ihren Bemühungen zur Besetzung Petersburgs zu unterstützen; 2. ihr Munition und modernes Kriegsmaterial, wie Tanks. Aeroplane usw. zu liefern, ebenso besondere Unterstützung für die von der Negierung Lianosows ange- worbenen Soldaten zu gewähren; 3. einen Druck auf Deutschland auszuüben, um die Rekrutierung der russischen Kriegsgefangenen in Deutschland zu erleichtern; 4. die von der Bolschewistenherrschast geprüften Regionen zu verpflegen. Zu diesem Zwecke wird eine v«n einer gemischten englisch-russischen Kommission besonders fcstzu- setzende Anzahl von Schiffen zur ausschließlichen Verfügung des russischen Ernährungsministers stchergestellt. 5. Nach Sturz des Bolschewismus der Regierung einen Spezialkredit bis zur Höhe von einer Milliarde Rubel zum Ankauf von Maschinen und Rohstoffen sür die Wiederherstellung der russischen Industrie einzuräumen, den einzuhalten hinsichtlich der Garantien der Regelung einer gemischten englisch-russiV'-m Kommission Vorbehalten werden soll.
Rußland seinerseits verpflichtet sich: 1. die besonderen Interessen Englands im Baltikum anzuerkennen; 2. den baltischen Ländern Gelegenheit zur Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechtes zu geben; 3. offiziell nach dem Falle Petersburgs sein Desinteressement an der Persischen Frage zu erklären; 4. alle Schulden der ehemaligen Regierungen an " kennen; 5 auf jeden bedeutenden Einkauf in Deutschland zu verzieh i n, so lange mit England auf Grund des abgeschlossenen Vertrags Kredite und Lieferungsverträge bestehen; 6. alle Verträge anzuerkennen, die zwischen England auf der einen Seite und Koltschak-Denikin auf der anderen Seile abgeschlossen wurden; 7. eine demokratische Regierung einzusetzen, die sich auf das gleiche Wahlrecht und auf die Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz stützt, — Die " -dichtenstelle desselben Blattes bemerkt, daß alle Zwischen England und Koltscbak Denifln abgeschlossenen Verträge vorläufig noch geheim seien, marn versichere jedoch, daß es sich um besondere Vergünstigungen handle, die England im Kaukausus und in den Petrolgebieten eingeränmt seien.
Me künftige ' HmdelSWlitik
md der mcrikmische Hmdel.
Amsterdam, 28. August. Das Pressebureau Radio meldet aus Earnarvon: Der Präsident des britischen HandelsamtcS, Sir Auk- land Geddes setzte in eine Rede die Pläne der britischen Negierung für die Wiederbelebung des britisch:« Handels und zur Unterstützung anderer Teile der Welt auseinander. GcddeS pries das Heilmittel für di« Mißstände, denen sich Großbritannien gegenübergestellt sehe, " gesteigerter Ausfuhr, bis eine monatliche Ausfuhr im Wert« von 100 Millionen Pfund Sterling erreicht sei. GeddeS sagte: Der ein
zige Weg, um unser Vermögen zu vergrößern, besteht in der Ausbreitung unseres Handels. Wir stehen augenblicklich folgenden zwei großen Fragen gegenüber: Wie gelangen wir zur Erzeugung und wie finden wir Märkte? Europa, das einer der größten Märkte war, ist durch den Krieg in Unordnung gebracht, verarmt und in manchen Teilen im Zustande bevorstehenden oder bereits vorhandenen wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Mittels Anspornung unserer Ausfuhr hoffen wir zu erreichen, daß in Europa die Erzeugung einsetzt. Mir schaffen ein Regierungsorgan für das Ausfuhr- und Kreditsystem, um so die Wiederaufnahme der Ausfuhr und des Handels nach dem desorganisierten Teile von Europa zu erleichtern. Wir tun alles, was wir können, um für die Industrie Europas Rohstoffe zu beschaffen und Rohstoffe nach den Ländern, deren Werke und Fabriken stilliegen, zu senden. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um ihnen die Kohlen, die wir entbehren können, zukommen zu lassen. Auf diese Weise hoffen wir, bevor viele Monate vergangen sind, daß dort, wo augenblicklich Stillstand herrscht, der Handel wieder in Fluß kommt. Zu diesem Zwecke sind wir auch bestrebt, den Konsular- und handelspolitischen Weg vollständig neu zu bilden, auszu- brciten und zu entwickeln,
Europa ist jedoch nicht der einzige Markt, Wir ergreifen alle Maßnahmen, um den Handel innerhalb des britischen Reiches zu fördern. Wir breiten unsere Handelsvertretungen im ganzen Reiche und ebenso in der ganzen Welt aus. Es wird gesagt, Amerika habe durch den Krieg wenig gelitten ,es würde die britischen Märkte mit Waren überschwemmen und von den europäischen Märkten Besitz ergreifen Das ist jedoch nicht der Fall, Amerika ist so gestellt, wie wir anderen alle, daß es mit Bezug- auf die Zukunft seines Handels großen Schwierigkeiten gegenübersteht. Während des Krieges hat Amerika seine Industrie stark entwickelt und die Gewerbe- tätigkeit seiner Bevölkerung ausgedehnt. Es ist so ungeheuer reich und erzeugt eine solche Menge von Rohstoffen, daß, während mir von der Einfuhr abhängen, es vollständig unabhängig ist und von seinen eigenen Erzeugnissen lebt, Amerika ist nicht nur eine große Industrienation und führt nicht nur in großem Maße Fertigfabrikate, sondern auch die meisten Rohstoffe aus, Amerika hat soviel, daß es wenig braucht, und die Folge davon ist, daß der Geldumsatz in Newyork und London zum Vorteil Amerikas alcsfällt, -Jener Weltumsatz, der Amerika zum Nutzen gereicht, richtet sich jedoch gegen sein Ausfuhrvermögen, Wir müssen von Amerika Rohstoffe bekommen, auf alle Fälle für die nächsten Jahre, und gerade, weil wir diese Rohstoffe nehmen müssen, wird es für Amerika immer schwieriger sein, seine fertigen, für die Ausfuhr bestimmten Fabrikate über den Ozean zu schaffen. Man behauptet, Amerika verkauft eine große Menge von Waren an alle europäschen Länder, Was für Waren erhält es dafür? So gut wie keine! Wenn Amerika Waren in Europa verkauft, werden sie in Geld bezahlt werden müssen, das auf seinem Wege nach der Newhorker Börse London passieren muß. Die Folge davon wird sein, daß die Börse das Bestreben haben wird, was das Geld betrifft, zugunsten Amerikas, was jedoch die Ausfuhr betrifft, zum Schaden Amerikas zu regieren. Dies bedeutet für Europa, daß die Lebensmittel, die es von Amerika erhält, im Preise steigen werden und daß die Fabrikate, die Amerika ihm liefert, so teuer werden, daß sie zum Schlüsse fast unerschwinglich sind. Daher muß Europa zum größten Teil seine eigene Rettung bewerkstelligen. Es tut nicht gut, wenn eine ganze Nation sagt: Wir wollen uns auf Amerika verlassen, es wird uns durchhelfen. Die Rettung Europas liegt in Europa und nur in Europa allein. Zu dieser wirtschaftlichen Rettung führt nur ein Weg, der Weg rastloser Arbeit, harter Arbeit und erhöhter Erzeugung in den Bergwerken, auf den Feldern und in den Fabriken.
Ernste Lüge IN der Psnlz.
* Berlin, 1. Sept. Wie die „Pol.-Parl. Nachr." hören, wird von berufener Seite die politische Lage in der Pfalz nach wie vor als sehr ernst beurteilt. Wenn auch der letzte Putsch der Landauer Hochverräter mißlungen sei, so dürfe damit doch die dort von Haas und seinen Gesinnungsgenossen entfaltete Bewegung auf Gründung einer Republik keineswegs als abgetan gelten.
* Mannheim, 1. Sept. Die Arbeit wurde heute vormittag in allen Betrieben in Ludwigshafen wieder ausgenommen. Von den 17 verhafteten Post- und Bahnbeamten sind alle bis auf einen aus der Hast entlassen worden. Die Arbeiterschaft fordert auch die Entlassung des letzten Ver hafteten, andernfalls sie abermals in den Streik eintrcten werden. — (Die Beamten waren von den Franzosen verhaftet worden, weil sie ihre Pflicht gegenüber den Landesverrätern erfüllt hatten.)
(WTB.) München, 2. Sept. Die Korrespondenz Hossmann meldet: Wegen der schweren Vorfälle in. Ludwigshafen und wegen der außerordentlichen Erregung in der Pfalz hat Ministerpräsident Hoffman« den General Fayolle (Kaiserslautern), den Vorgesetzten des Generals Eerard, "um eine Unterredung ersucht.
(WTB) München, 2. Sept. Die Korrespondenz Hossmann meldet: Ministerpräsident Hossmann und der Präsident des Bayer. Landtags haben an die Oberpostdirektion in Speyer und an das Bürgermeisteramt in Ludwigshafen je ein Schreiben gerichtet, in dem den Beamten des Ludwigshasener Hauptpostamts für ihr vaterländisches Verhalten der herzlichste Dank des Vaterlandes ausgesprochen wird. In dem Schreiben an das Bürgermeisteramt Ludwigshaien wird dieffs gebeten, der Bevölkerung den wärmsten Donk sür das furchtlose Verhalten und das tapfere Bekenntnis zu Staat und Reich auszu- sprechen. Zugleich wird die Hoffnung -n'sgedrückt, daß die glänzend bewährte EesillNung auch die weiteren Kämpfe der reichstreuen Bevölkerung glücklich Lberstehen werde zum Wöhle des teuren Vaterlandes und zur Ehre der schwer heimgesuchten Pfalz.
* Berlin, 1. Sept. Wie der „B. L. A." meldet, hat sich der Bevölkerung der Pfalz infolge der Vorgänge in Ludwigshasen große Erregung bemächtigt. In vielen Orten fanden Protestkundgebungen statt. Das französische Militär ist alarmbereit. In Lndwigshafen war am Samstag die Volksbewegung derart im Anwachsen, daß die ^"-"--llen olle Militärvosten von den öffentlichen Gebäuden zurnckzogen. Der Kontrolloffizier, Maior Mennetriere, soll dem Oberbürgermeister die Freilassung der am Montag Verhafteten zu- qesichert haben. Im Gegensatz zu dem von der französischen Militärbehörde bis Samstag aufrechterhaltenen Verbot, die Ludwigshafener Vorgänge in der Presse zu behandeln, stellt die Arbeiterschaft von Ludwigshafen die Forderung, daß ausführliche Berichte in den Blättern veröffentlicht werden. Wie der Mannheimer „Generalanzeiger" erfährt, fanaen die französischen Besatzungsbehörden in der Pfalz angesichts der gewaltigen Volksbeweanng an, die Unterstützung der revi'bff- kanischen Bewegung fallen zu lassen. Es verlautet, daß der kommand. General in der Pfalz, Eerard, abberufen und durch General Fanolle ersetzt werden soll.
Die Arbeiter von den defekte« Gebieten gegen die Abtrennungsbestrebungen.
* Berlin, 2. Sept. Aus Elberfeld wird dem „B. L.-M." mitgeteilt: Die Kartellkommission der freien Gewerkschaften der besetzten Gebiete, in der 400 06V Mitglieder vertreten find, erhebt in einer Entschließung Protest gegen die jüngsten Putschversuche Dortens und Genossen in der Rheinpfalz. Die Vertreter sind bereit, im gegebenen Augenblick alle Mittel gegen die Errichtung einer rheinischen N-publik anzuwenden.
Zm Süßeren Lage.
Die dauernde« polnischen Angriffe
an der oberfchlefifche« Grenze.
(WTB.) Breslau, 1. Sept. Das Generalkommando des 6. Armeekorps meldet: In der Nacht vom 31. August zum 1. September griffen polnische Banden unsere PostierunZen bei Eolkowitz an. Sie wurden unter Mitwirkung eines Panzerzuges abgewiesen. Feldwache Eotzschalkowitz wurde nach Feuer- vorbereitung durch Minenwerfer, die auf polnischem Gebiet aufgestellt waren, durch Banden angegriffen. In Bahnhof Gotz« schalkowitz eingddrungener F-ind wurde durch Gegenstoß znrück- geworfen. Versuche von Aufrührern, die Bahnbrücke nördlich von Tarnowitz, sowie Fernsprech- und Lichtdrähte in Antonien-, Hütte zu zerstören, wurden vereitelt.
Französische Beteiligung
bei den polnischen Grenzverletzungen
* Berlin, 2. Sept. Der „st. L.-A." meldet aus Gffiwitz: Gestern wurden bei einem abgewiesenen Vandenangriss aus eine Feldwache bei Pilgramsdorf Angreifer in französischen Uniformen beobachtet.
Bedrohliche Lage in den baltischen Provinzen nach Abzug de» de» lschen Truppen
Mitau, 31. Aue Die Lage an oer es../,c,ch lettischen Fron bei Pleskau ist äußerst bedrohlich. Der FrontdurchbruH der Bolschewisten ist vollständig gelungen. Die lettische Regie rung befördert die baltische Landeswehr beschleunigt an di, Front. Nach dem Abtransport der baltischen LandesweP