Waller Mimik
Amtsblatt
für die Stadt Wilöbaö.
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ML.
Anzeiger
für Witöbaö u. Mmgevung.
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Nr. 43.
SamStag, den 1t. April 1908,
44- Jahrgang
Hlunöschcrrr.
— Der bisherige Finanzminister vr. v. Zeyer ist vom König aus sein Ansuchen hin unter Anerkennung seiner langjährigen ausgezeichneten Dienste von der Leitung des Finanzministeriums enthoben und in den Ruhestand versetzt und der Präsident der Hofdomänenkammer v. Geßier zum SlaatSminister der Finanzen ernannt worden. Der König hat dem scheidenden Minister folgendes Handschreiben zugehen lassen: .Mein lieber StaatSminister vr. v. Zeyer! Ihr Schreiben vom 7. ds. habe ich erhalten und daraus mit aufrichtigem Bedauern ersehen, daß Ihr Alter und Ihr Gesundheitszustand Sie nötigen, mich um Enthebung von Ihrem Amte und um Versetzung in den bleibenden Ruhestand zu bitten. Angesichts solcher Grunde kan» ich nicht anders, als diese Ihre Bitte erfüllen, weshalb ich Sie hiemit rn Gnaden von Ihrem Anne als SiaatsMinistcr der Finanzen enthoben und unler Bewilligung des gesetzlichen Ruhegehalts in den bleibenden Ruhestand versetzt haben will. Bei diesem Anlasse erinnere ich mich gerne Ihrer langen und ehrenvollen Laufbahn in den verschiedensten staatlichen Stellungen, vor allem Ihrer zehnjährigen ebenso erfolgreichen wie verdienstvollen Tätigkeit an der Spitze des Finanzministeriums und Ihrer hervorragenden Mitarbeit bei einer Reihe der einschneidendsten und wichtigsten Fragen, die sich während .dieser Ihrer Amtszeit im wirtschaftlichen und polltlfchen Leben des Landes abspielten. Darum drangt es wich heule, Ihnen für alles, was Sie geleistet, meine volle Anerkennung und meinen wärmsten Dank zum Ausdruck zu bringen. Als äußeres Zeichen meiner Dankbarkeit lasse ich Ihnen meine Büste in Bronze zugehen. Meine beste» Wünsche ge- leiten Sie in den wohlverdienten Ruhestand und mit der Versicherung meiner dauernden wohlwollenden Gesinnung bleibe ich, mein lieber SlaatSminister a. D. Dr. v. Zeyer, Ihr gnädiger König Wilhelm."
— Der Wirkt. Slaatsral v. Scharpff ist unter Vorbehalt des Titels eines Staats rateS zum Presidenten der Hosöomänenkammer ernannt worden.
Stuttgart, 8. April. Für die Württ. Staatsbahnen befinden sich z.Zt. neue Personenwagen 1^. Klasse im Bau und werden bald zur Ablieferung gelangen. Die Wagen gleichen den zweiachsigen III. Klasse L Wagen; sie erhalten aucb zwei Abteile, Raucher und Nichtraucher und einen Abort. Die Fenster sind etwa- schmäler -eworden, doch ist die Anzahl derselben beibehalten. Die Sitzbänke sind einfacher als bei der III. Klasse und zum leichten Herausnehmcn eingerichtet. Gepäckträger kommen in Wegfall. Es erhält aber jeder Wagen eine genügende Anzahl großer, gußeiserner Haken für Hüte. Ueverzieher rc. Die Unter- gestellt find genau wie d,e der III. Klasse L-Wagen, mit derselben gute» Avfsderuiig Die Wagen machen sowohl von außen wie auch von innen einen guten Eindruck. Vorerst befinden sich 80 Glück davon im Bau, der drei Firmen übertragen ist, nämlich Heidelberg, Eh
lingen und Rastatt. Im Jum und Juli sollen die Wagen dem Verkehr übergeben werden.
Stuttgart, 1. April. Der Männerge- sangvrrein „Arion" von Brooklyn wird am 27. Juni mit dem Lloyddampfer „Barbarossa" von Newyork aus eine große Sängerfahrt nach Deutschland antreten, auf welcher der Bereu, auch in Stuttgart ein Konzert geben wird. Da der Verein von einer Anzahl Freunden begleitet sein wird, so wird die Reisegesellschaft aus etwa 230 Personen bestehen.
S tuttgart, 8 April. Als Oberregisseur der Oper ist der frühere Heldentenoc Kammersänger Emil Gcrhäuser für das K. Hoftheater verpflichtet worden.
Stuttgart, 8. April. (Kriegsgericht der 26. Division.) Der Bäcker Erwin Schlaich von Ebiygen wanderte im 17. Lebensjahr nach Amerika aus, kehrte aber im Sommer 1906 nach Deutschland zurück, um feiner militärischen Dienstpflicht zu genügen. Ec wurde dann am 1. Okt. 1906 vom Bezirkskommando Rottweil ausgehobcn und sollte am 12. Okt. beim Infanterieregiment Nr. 125 einrücken. Am 11. Oktober fuhr Schlaich nach Stuttgart um sich am andern Tag zu stellen. Zu gleicher Zeit erhielt er von einem Freund tu Amerika einen Brief, worin ihm diefer schrieb, er brauche nicht zu diene», da er sich längere Zeit im Ausland ausgchalten habe. Schlaich lieh sich durch den Brief verleiten, wieder nach Amerika zurückzu, kehren, und reiste noch am gleichen Lag ad. Während seines zweiten Aufenthalts in Amerika starb sein Vater und hinlertieß ihm 10000 Mark. Um sich nun sein inzwischen beschlagnahmtes Vermögen zu erhalten, entschloß er sich Anfang dS Js. nach Deutschland zurückzukehren. Am 24. Februar kam er nach Stuttgart, um. wie er angibt, sich beim R giment zu stellen, wurde aber von seinem Bruder abgehalten. Am gleichen Tag wurde er jedoch von einem Schutzmann, den ein Bekannter des Schlaich darauf aafmcrkiam machte, daß er steckbrieflich verfolgt werde, festgenommen. Wegen Fahnenflucht hatte er sich bei dem Kriegsgericht zu verantworten. Bei der Verhandlung machte er geltend, er sei der Ansicht gewesen, er brauche nicht zu dienen, weil er schon mit 17 Jahren nach Amerika «usgewandert sei. Das Kriegsgericht verurteilte ihn neben Versetzung in lie zweite Klasse des Soldatenstandes zu 7 Monaten Gejägnis, unler Anrechnung eines Monats Untersuchungshaft.
Calw, 8. April. Gestern sah man zahlreiche Konsirmandei. unter Führung von Geistlichen and Lehrern hier die Straßen durchziehen. Trotz des unsreundlichen Wetters blickten doch die jungen Wanderscharen vergnügt in die Welt, wenn sie auch auf dem Marsch von Hirsau, oder Teinach und Zavelstein .her gehörig eingeregnet worden waren. Nach eingenommener Erfrischung wurde die Heimreise per Bahn auSgesührt und irn warmen Wagen waren bald alle Strapazen der Wanderung unter strömendem Regen vergessen, was man aus dem frohen Gesang der jugendsrischcn Kehlen herausklingen hörte.
Tuttlingen 5. April. Das Schöffengericht hat vier hiesige Bäckermeister zu der
verhältnismäßig milden Geldstrafe von je fünf Mark verurteilt, weil sie in ihrem Betriebe statt Butter Margarine verwendet hatten. Der Staatsanwalt hatte 40 Mk. beantragt.
— Das Turmfundament des Straßburger Münsters senkt sich. Bereits vor Monaten ist über Schäden an einem der Mittelpfeiler des Straßburger Münsters berichtet worden, der die Veranlassung zu größeren baulichen Arbeiten geben wird. Neuerlich tauchen wieder Gerüchte von größeren ernstlichen Schäden auf, welche den Bestand des Münsters und seines Turmes in Zweifel setzen. Nach Informationen an zuständiger Stelle erfahren die Straßburger N. N., daß von einer ernsten Gefahr für die Besucher des Gotteshauses und die Straßburger Bevölkerung in keiner Weise die Rede sein kann. Allerdings haben die zur Feststellung der Ursache der Beschädigungen an dem Mitlelschiffspfeiler unternommenen sorgfältigen Untersuchungen ergeben, daß die eigentliche Veranlassung dieser Schäden in langsam fortschreitenden Senkungen des Turmfundaments zu suchen ist. Bei der hohen Bedeutung des Bauwerks für die ganze Welt, und in Anbetracht der ungeheuren Lasten, welche in Frage kommen, sind diese Bewegungen der Gegenstand ständiger und aufmerksamster Beobachtung der dazu Berufenen.
Berlin, 8. April. Das ReichSvereinSge- setz ist^nun auch in dritter Lesung angenommen. Von 367 Stimmen wareo 194 für, 168 gegen das Gesetz. 5 Abgeordnete enthielten sich der Abstimmung. Stürmische Bravorufe der Blockparteien, wilde Pfuirufe der Polen begleiteten die Verkündigung deS Ergebnisses durch den Präsidenten. Am Mini- stertijche gab es großes Händeschütteln und Gratulieren. Schmunzelnd nahm Fürst Bülow verbindlich lächelnd Herr v. Bethmann-Holl- weg die Glückwünsche entgegen. AVer es war ein scharfer Kampf, der heute in letzter Stunde ^lioch einmal um das Gesetz geführt werden mußte. Nicht als ob die Entscheiüung nur einen Augenblick noch in Frage gestellt gewesen wäre, denn der Block war vollzählig zur Stelle. Aber die Minderheit suchte ihren Unwillen darüber, daß sie das Ergebnis nicht zu ändern vermochte, durch Beantragung von namentlichen Abstimmungen und scharfe Angriffe auf die MehrheitSparteien zum Ausdruck zu bringe», obwohl alle diese Versuche, am Gang der Verhandlungen etwas zu ändern, vergeblich waren unv die meisten Mitglieder der Minderheit innerlich der Mehrzahl der Paragraphen des Gesetzes zustimmten. Etwas nach 8 Uhr konnte der Präsident den Abgeordneten gute Erholung und vergnügte Osterferien bis 38. ds. Mts. wünschen.
Bremen, 7. April. Zur Rückströmung der Amerika-Auswanderer wird gemeldct: Die gestern, beziehungsweise heute auf derWeser eingetroffenen Dampfer des Norddeutschen Lloyd, .Main" und „Kaiser Wilhelm II." brachten mehr als 4000 Passagiere von Newyork zu- rück. Davon waren 635 KajütSpassagiere und 3400 Zwischendeckspassagiere. Der Dampfer „Main" beförderte allein 2540 Zwischendeckspassagiere. Zum Weitertransport der