Wader MM

Amtsblatt

für die Stadt Wikövad.

(Erscheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. BestellpreisIvierteljährlich 1 Mk. 10 Pfg. Bei allen würt- ^tembergischen Postanstalten und Boten im Orts- und Nach­barortsverkehr Vierteljahr!. 1 Mk. IS Pfg.; außerhalb des­selben 1 Mk. 20 Pfg.; hiezu 1b Pfg. Bestellgeld.

Illustriertes Sonntagsblatk und

Anzeiger

für Witöbaö u. Umgebung.

Die EinrüSungSgebühr

beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 8 Pfg. auswärts 10 Pfg, Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

wahrend der Saison: Amtliche Fremdrnlisttz.

Nr. 38.

Dienstag, den 31. März 1908,

44- Jahrgang

HlunHschnri.

Stuttgart, 24. März. Die württ. Staats­eisenbahnverwaltung läßt die Frage der Ein­richtung elektrischer StaatSelsenbahnen eingehend durch ihre Techniker prüfen; ihr Interesse an der Sache bekundete sie neulich auch durch Teilnahme des Verkehrsministers, Eisenbahn- Präsidenten, Vorstands der Bauabtcilung und vieler sonstiger höherer Eisenbahnbcamten an zwei bezüglichen Vorträgen des Professors Bersenmeyer von der Technischen Hochschule. In Baden ist man einen Schritt weiter, inso­fern in dem dieser Tage erschienenen Eisen­bahnbaukreditgesetz die Einführung des elek­trischen Betriebs auf der Wiesental-Bahn ge­fordert wird; die Ersparnis gegenüber dem Dampfbetrieb ist auf 32 492 Mk. jährlich be­rechnet, wozu noch manche sonstige Vorteile, so namentlich die Befreiung von der Rauchbe. lästigung, treten.

Nagold, 29. März. In der heutigen Generalversammlung der hies. Handwerkerbank berichtete der Vorsitzende St. Schaible über die durch den anwesenden < staatlichen Bankre- visor Schumacher aus Stuttgart vor Kurzem vorgenommene Revision der Kaffe, die ein Manko von Mk. 14,385 ergeben habe. Der schon längere Zeit kränkelnde Kassier H., dem seit einem Vierteljahr ein Buchhalter zur Unterstützung beigegebeu wurde, war durch sein Leiden nicht mehr im Stande, die Bank­geschäfte pünktlich zu besorgen, wodurch Unre­gelmäßigkeiten in der Buchführung entstanden. Aus dem Bericht geht weiter hervor, daß der Kassier seinen Bankkredit um einige Tausend Mark überschritten hat, sodaß derselbe jetzt 11000 Mk. beträgt. Das Manko ist jedoch gedeckt durch eine Hypothek im Betrag von 15 000 Mk. auf das Gebäude des Kassiers und durch eine Bürgschaft der Frau Müller in Freudenstadt. Der Bankkassier H., der schwerkrank im Bett liegt, hat sein Amt vor Kurzem ^uiedergclegt und wird die Bank provisorisch auf vorläufig zwei Monate in das leerstehende Gebäude der Kaufm. Berg in der Bahnhofstraße verlegt, bis die im Mai einzuberusende Generalversammlung über die Frage, ob ein entsprechendes Hau» gekauft oder gemietet werden soll, definitiv entscheidet. Mit der Kassenführung wird der seitherige Buchhalter B der eine Kaution von 10000 Mark gestellt, provisorisch betraut. Der Vor­sitzende Schaible wurde in geheimer Wahl wieder an die Spitze der Bankverwaltung ge­stellt. Auch wurde der seitherige AufstchtSrat in seiner seitherigen Stellung belassen.

Pforzheim, 28. März. Der Verein badischer Bahnhofwirt« pflegt besondere Gedenk- tage im beruflichen Leben seiner Mitglieder in einfacher, aber würdiger Weise zu feiern. So wurde am 25. d. M. der Inhaberin der Bahn- hofwmschast in Pforzheim, Frau L. Sautter L,twe, die an diesem Tage aus eine 25jäh- rige, wohl allseits anerkannte Tätigkeit zurück- bltcken konnte, von dem Vorstand des Vereins, Herrn Bahnhofwirt und Hoflieferant Stelzer

von Karlsruhe, und den Herren der Vereins­leitung ein ebenso sinnvoll abgcfaßtes als künstlerisch auSgeführtes Diplom in freundlich­ster Weise überreicht. Der BereinSvorstaud wies in einer Ansprache auf die persönlichen Vorzüge der Jubilarin und ihre beruflichen Ver­dienste und Leistungen hin, denen es zu danken ist, daß die Bahnhofwirtschaft Pforzheim heute mit Recht als eine der angesehensten und best­geleiteten TüddeutschlandS gilt. Den Verdien­sten der Jubilarin gebührt eine um so größere Anerkennung und Würdigung, als sie, schon frühe der Stütze ihres Gatten beraubt, beinahe die ganze Reihe der Jahre die Last des Ge­schäfts allein zu tragen gezwungen war. Die Jubilarin dankte sichtlich gerührt in herzlichen Worten für die ihr erwiesene Ehrung. Ein kleiner Imbiß schloß die Feier.

-UeberdasSub missionswesen im Handwerk hat sich der Dresdener Oberbürgermeister Beutler vor kurzem in be­merkenswerter Weise geäußert. Nach einer kurzen Schilderung der vielfach so mißlichen Verhältnisse schreibt er in einem Brief an die Mitglieder des Dresdener JnnungsauSschusses u. a.: ES erscheint daher im Interesse dcS Handwerks erforderlich, Mittel und Wege zu finden, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Ja erster Linie wird hiebei auf die Innungen selbst gerechnet werden können, da sie über die einschlagenden Verhältnisse am besten orientiert und snmit am eheste» in der Lage sind, geeig­net» Vorschläge jzu machen. Ich glaube wohl annehmen zu können, daß auch meine Vermitt­lung in der Angelegenheit nicht unerwünscht sein wird und beabsichtige daher, zunächst die Herren Mitglieder de» JnnungsauSschusses zu eiuer Besprechung zusammcnzuberufen." Da» Vorgehen de» Oberbürgermeisters, gemeinsam mit drn Handwerkern und ihrer Organisationen über die Bekämpfung von Auswüchsen im Sub­missionswesen zu berate», ist ein erfreuliches; möchte eS unter den Vorstehern unserer Gemeinden überall Nachfolger finden.

Berlin, 28. März. Der Reichskanzler Fürst Bülow wandte sich kürzlich in einer be­merkenswerten Rede gegen die sozialdemokratische Resolution, welche sich für Ausdehnung des Reichslagswahlrechts auf die Landtagswahlen inden Bundesstaaten aussprach. Erwies zunächst darauf hin, daß der Reichstag nicht das Recht habe, sich in die Angelegenheiten der Bundesstaaten einzumischen und kam dann auf seine Ausführ­ungen zu sprechen, mit denen er im preußischen Abgeordnetenhause die Ausdehnung des Rcichk- tsgSwahlrechts auf Preußen als verhängnisvoll abgelehnt hatte. Er bestritt, damit das Reichs- ^ tagswahlrecht kritisiert zu haben. Die preußische s Staatsregierung hat gar nicht die Frage er­örtert, ob da» Reichstagswahlrecht im Reiche nützlich oder schädlich wirkt. Sie hat sich nur dahin erklärt, daß das Reichstagswahlrecht nach ! ihrer Ueberzeugung für Preußen nicht richtig iwäre. Aber wenn ich wirklich ein kritisches Wort über daS Reichstagswahlrecht gejagt hätte, was wäre denn da? Noch leben wir ja nicht im sozialdemokratischen Zukunstsstaat, wo von oben befohlen wird, was als wahr zu

gelten hat u. was nicht, wo Kritik nicht erlaubt ist und wo man das Maul zu halten hat. (Heiter­keit.) Warum soll denn gerade das Reichstags« s Wahlrecht sakrosankt sein, w» alle» llebrige, -Gott und Vaterland, Monarchie und Familie, Gesetz und Verfassung, Ordnung und Privat- s eigentum angegriffen und untergraben werden dürfen? (Lebhafte Zustimmung recht».) Warum soll denn gerade das Neichstagswahlrecht ein Rührmichnichtan sein, während e» jedem erlaubt ist, sogar von jedem erwartet wird, daß er das preußische Wahlrecht herrunterreißt? (Erneute Zustimmung.) Dabei haben wir beide, das hohe Haus und ich, keine Bedenken getragen, dos Reichstagswahlrecht umzumodeln, wenn uns danach gelüstete. Ich erinnere nur an das sogenannte Klosettgesetz (Heiterkeit rechts,) an die Gewährung der Diäten, an die Ausdehnung der Freifahrkarten. (Heiterkeit.) Würde mich irgend jemand widerlegen können, wenn ich sagte, daß auch nicht ein einziges anderes Wahlrecht auf freies Urteil, geistige Bildung und politische Erfahrung so wenig Rücksicht nimmt wie daS allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht? Ein Dogma ist daS geheime, gleiche, direkte und allgemeine Wahlrecht nicht. Zum Dogma macht es nur die sozialdemokratische Partei. Sie macht einen Fetisch daraus, einen Götzen. (Unruhe und Lärm.) Ich bin aber kein Fetischanbeter, ich treibe keinen Götzen­dienst. Oder wollen Sie (zu den Sozialdemo­kraten) mich wirklich nötigen, Ihnen die Binsen- Wahrheit zu beweisen, daß es ein für alle Länder und Verhältnisse passendes absolut gutes Wahl­recht nicht gibt? Der Abg. Naumann hat hier vorgestern über die verschiedenen Bundes- staaten Zensuren ausgeteilt (Heiterkeit,) je nach ihrer Verfassung und der Form ihres Wahl­rechts: die süddeutschen Sraaten 1a, Preuße« 3 b (Heiterkeit,) Mecklenburg 5b (stürmische Heiterkeit.) Glauben Sie wirklich, daß die Wohlfahrt und die Freiheit eines Landes aus­schließlich oder auch nur überwiegend abhängt von der Form seiner Verfassung oder gar seines Wahlrechts? Der Abg. Bebel hat ja früher einmal erklärt, er ziehe die englischen Verhält­nisse alles in allem den französischen vor. Nun, England besitzt nicht das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht. Und glaube» Sie wirklich, daß das von Naumann so sehr verabscheute Mecklenburg viel schlechter regiert wird, als Haiti? (Stürmische, lang andauern­de Heiterkeit.) Haiti aber besitzt das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht- (Neue große Heiterkeit.) Um jedes Mißverständnis auszuschließen, will ich ausdrücklich versichern, daß die verbündeten Regierungen keine Aender- ung des bestehenden Wahlrechts planen. Die verbündeten Regierungen denken an keine Aen- derung des bestehenden Reichstagswahlrechts. Aber was für das Reich gut oder wenigstens zuträglich ist, braucht noch lange nicht für Preußen geeignet zu sein. Im Reiche handelt es sich um große nationale Aufgaben und um Sozialpolitik. In Preußen handelt es sich um dre Fragen der Kirche, Schule und Verwaltung. Im Reiche steht die Wählerschaft unter Um­ständen unter der Wirkung dieser nationalen Verantwortlichkeit. Im Reiche kann das nativ-