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Amtsblatt
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Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatt und,rvshrend der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.
Nr- 37.
Samstag, den 28. März 1908.
44. Jahrgang
Wun-sch<rrr.
— Se. Maj. der König hat u. a. eine ge- hobenePostsekretärstelle inWildbab dem Ober- postsekretär Kübel daselbst übertragen.
Stuttgart, 25. März. Das Finanzministerium erläßt jetzt das Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen für die zu er> bauenden Königlichen Hoftheater in Stuttgart. Neben der Einladung einer beschränkten Anzahl von im Theaterbauwesen erfahrenen deutschen Architekten sind zu dem Wettbewerb sämtliche in Württemberg ansässige oder geborene Architekten eingeladen. Als Schlußtermin für die Einsendung der Entwürfe ist der 1. Oktober 1908 festgesetzt. AuSgesetzi sind 3 Preise von 10 000, 7000 und 3000 Mark. Das Preisgericht besteht aus 12 vom Finanzministerium ernannten Herren, worunter auch Prof. Gabriel v. Seidl-München, Seeling-Charlottenburg und Semper-Hamburg.
Stuttgart. Vor etwa 14 Tagen ist links der Straße Cannstalt-Münster in der Nähe des König Wilhelm-Viadukts der erste Spatenstich zum Bau de» neuen Groß-Stutt- garter Elektrizitätswerks geführt worden. Architekt P. I. Manz-Stuttgart erstellt im Auftrag der Stadt zunächst 2 Hauptteile, von denen einer für das MafchinenhauS, der andere für das Kesselhaus bestimmt ist. Beide Gebäude sollen bis 1. November die maschinellen Einrichtungen zurErzeugung von 30 000-pferdig,m, elektrischem Strom ausgenommen haben. Für eine spätere Erweiterung der Anlage sind Vorkehrungen getroffen. Der Baugrund, Neckar- wiesen am Fuße einer kleinen Bergwand, ist nicht besonders geeignet, da er viel sandigen Lehm, eine tiefe Kiesschicht und viel Wasser enthält. Gegen 250 Arbeiter und ein halbes Dutzend Lokomobile sind von früh bis spät tätig, mit Einbruch der Dunkelheit nimmt ein« Nachtschicht, 150 Mann stark, die Arbeit auf.
Calw, 27. März. Die Krokusbliite hat begonnen. Auf der Rötenbacher Wiese blühen schon Hunderte der lieblichen Frühlingsboten und in kurzer Zeit werden die Wiesen bei Zavelstcin wie übersät von den blauen Blumen sein. Am letzten Sonntag wurde Zavelstein von vielen Touristen ausgesucht, jrine Steigerung deS Besuchs wird mit der Hanptentsaltun- der Blüte eintreten.
Bad RippoldSau, 23. März. Wie der „Grenzer" berichtet, geht da- weltbekannte Mineral- und Moorbad RippoldSau auf I. Dkt. d. I. an eine Aktiengesellschaft über, wobei der bisherige Besitzer O. Goeringer auf eine längere Reche von Jahren die Oberleitung beibehält. Mit der Uebergabe an „Goeringrrs Mineral» und Moorbad-Aktiengesellschaft Rip- pold-au" wird ein weiterer moderner Neubau erstellt werden und das Kuretablifscment auch sonstige bauliche Veränderungen erfahren.
— In Balingen fand eine Aktionärversammlung für da» zu gründende Balinger Zementwerk statt, das nunmehr gesichert ist. Da» Stammkapital von 850 000 Mk. wurde insgesamt gezeichnet. Die Beschaffung einir
Hypothek von 300000 Mk. ist gleichfalls gesichert. Die letzte Zementprobe hat nach Aussage der Sachverständigen ein vorzügliches Material ergeben. Das Werk soll bis zum Herbst fertiggestellt sein, «s wird deshalb mit dem Bau sofort begonnen.
Gmünd, 24. März. Die Verüber des großen Juwelen-DiebstahlS, der in der Nacht auf den 31. Dez. vor. Js. in der hiesigen Goldwarenfabrik von Böhm u. Tie. ausgeführt und bei dem Goldwaren und Juwelen im Werte von ca. 120 000 Mk. erbeutet wurden, sind, wie schon berichtet, in Berlin verhaftet worden. Damit hat der Einbruch, der seinerzeit so großes Aufsehen erregte, seine Aufklärung erfahren. Der Haupttäter und Anstifter, ein ehemaliger kaufmänniichcr Angestellter der Firma Böhm u. ,Cie., der Kaufmann Richard Kaufmann, der von seiner früheren Anstellung her in den Räumen der bestohlenen Firma genau vertraut war, hatte den Einbruch aufs eingehendste vorbereitet; namentlich hatte er auch gerade die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr für die Ausführung de» Diebstahls in Aussicht genommen, da in diesen Tugen die Musterkoffer der Reisenden neu gefüllt und für die neuen GeschäilSreisen fertig gemacht zu werden pflegen. Da Kaufmann aber selbst den Einbruch nicht auszuführen wagte, begab er sich »ach Berlin, um in dortigen Verbrecherkneipen Umschau nach einer geeigneten Hilfs- perstzp zu halten. Diese fand er dann auch iu einem schon vorbestraften Einbrecher namens Langfeld, mit dem er am 30, Dezember gemeinschaftlich nach Gmünd abreiste und gleich in der Nacht nach der Ankunft hier den Einbruch auslührte. Mit den gestohlenen Goldwaren begaben fte sich am anderen Morgen nach Stuttgart, wo Kaufmann, der nur die wertvollsten Sachen mit sich führte, eine sehr kostbare Brosche durch einen Dienstmann versetzeu ließ; er beging dabei aber den dummen Streich, seinen Militärpaß als Ausweis mitzugeben. Am Abend des 31. Dezember fuhren die Einbrecher nach Berlin zurück. Unterwegs veriuchte Kaufmann, sich von seinem Komplizen Lang- seid freizumachen; letzterer gab ihn aber nicht frei, sondern verlangte seinen Anteil an der Beute. Für die Unterbringung der gestohlenen Goldwaren in Versatzgeschästen usv». nahm Kaufmann die Hilfe ein,-? weiteren Berliner Einbrechers namens MaraSki in Anspruch; dieser ließ sich auch von Kaufmann Goldwaren im Werte von mehreren Tausend Mark zum Versetzen übergeben; er lieferte das Geld aber nicht ab, sondern verschwand damit und stahl Kaufmann außerdem noch den Ueberzi-Her. Nunmehr kam Kaufmann mit einem Schankwirt Guse aus der Schönhauser Straße in Verbindung, der Hehlerdienste übernahm und verhaftet wurde. Er legte ein Geständnis ab, auf Grund dessen die ganze Gesellschaft verhaftet wurde. Bon der Diebsbeute wurde nur noch ein kleiner Teil ermittelt.
— Auf die bereits widerrufene Nachricht hin, daß Hau im Zuchthaus» zu Bruchsal an galoppierender Schwindsucht erkrankt sei, wandte sich der in Bernkastel a- d. Mosel lebende
Vater desselben an dir Verwaltung der Zuchthauses. Tr bekam die Nachricht, daß sein Sohn gesund und wohl sei. Die Familie Hau hofft auf die Wiederaufnahme des Prozesses.
Berlin, 24. März. (Reichstag.) Beratung de» Etat» des Reichskanzlers. Fürst Bülow fortfahrend: Aus verschiedenen Aeußerungen entnehme er, daß der Wunsch bestehe, er möge sich über den Brief äußern, den der Kaiser an Lord Tweedmouth gerichtet habe. Au» Gründen der Diskretion gegenüber einem Pri- valbrief sei er nicht in der Lage, diesen Brief iu öxtsuso vorzuleseu. Er füge aber hinzu, daß er außerordentlich bedauere, hiezu nicht imstande zu sein. Dieser Brief könnte nämlich von jedem von uns, von jedem aufrichtigen Freunde guter Beziehungen zwischen Deutschland und England unterschrieben werden. (Hört! hört!) Dieser Brief war nach Form und Inhalt ein Privatbries. Das eine schließe das andere gar nicht aus und der Brief eines Souveräns werde dadurch, daß cr politische Fragen berühr», noch nicht zu einem Regierungsakt. (Sehr richtig.) Es handle sich um »in Betätigungsrecht, das von allen Souveränen beansprucht werde und das unserem Kaiser zu beschränken er kein Recht habe. Es sei eine Probe durch nichts gerechtfertigter Entstellungen, wenn behauptet werde, der Brief des Kaisers sei rin Versuch, den für das englische Marinebudget verantwortlichen Minister im deutschen Sinne zu beeinflussen und bedeute einen Ein- griff in die inneren Angelegenheiten des britischen Reiches. Unser Kaiser sei der letzte, zu glauben, daß der Patriotismus eines englischen Ministers es vertragen würde, vom Ausland Ratschläge zu akzeptieren, hinsichtlich der Gestaltung des englischen Marinebudgels. Aber was für die englischen Staatsmänner gelte, gelte ebenso für die führenden Männer eines jeden Landes, das Anspruch auf Achtung und Selbständigkeit erhebe. In den Fragen der Wehrhaftigkeit des eigenen Landes lehne jedes Volk eine fremde Einsprache ab und ziehe nur die eigene Sicherheit und die eigenen Bedürfnisse zu Rate. (Sehr richtig.) Von diesem Rechte der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung mache auch Deutschland Gebrauch, wenn eS eine Flotte schaffen wolle, die den Küsten und dem Hnndel den noiwtntngen Schutz gewähren soll. (Bravo.) Dieser defensive Charakter unseres Flottenprogramms und unserer Flottenpolitik könne gegenüber d«n unaufhörlichen Versuchen, uns England gegenüber aggressive Absichten und Pläne anzudichten, nicht oft und nicht scharf genug hervorgehoben werden. Wir wünschen mit England in Ruhe und Frieden zu leben. Darum empfinden wir es bilttr, daß ein Teil der englischen Publizi- stik wieder von einer deutschen Gefahr sprach, obwohl die englische Flotte unserer Flotte mehrfach überlegen ist, obwohl andere Lender stärkere Flotten besitzen als wir und mit nicht geringerem Eifer an dem Ausbau der Flotte arbeiten. Trotzdem sei eS Deutschland, immer wieder Deutschland, gegen das die öffentliche Meinung iu England durch eine gehässige Polemik aufgeregt werde. (Gehr richtig.) ES