WaderMoiilk

Amtsblatt

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Anzeiger

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Nr- 34.

Samstag, den 21. März 1908.

44- Jahrgang

WrrnHschnrr.

Zu dem bevorstehenden Rücktritt des FinanzmiuisterS vr. v. Zeyer äußert sich heute derSt. Anz." in folgender Weise: Von einem Korrespondenzbureau ist die Nach­richtverbreitet und von einzelnen Tagesblättern ausgenommen worden, der Staatsminister der Finanzen I)r. v. Zeyer habe seine Zuruh esetzung erbeten und erhalten, und es sind hieran be­reits Kombinationen über seinen Nachfolger ge­knüpft. Diese Nachricht ist nicht zutreffend. Der Herr Staatsminister beabsichtigt allerdings mit Rücksicht auf sein vorgerücktes Lebensalter sich in den Ruhestand zu begeben; über den Zeitpunkt ist jedoch noch nicht entschieden/'

Stuttgart, 18. März. Hinsichtlich des Rückgangs des württ. Eisenbahnertrags wird heute imSt.-Anz." amtlich milgeteilt: Das nicht unerhebliche Mindererträgnis der Staatr­eisenbahnen im Jahr 1907 hat nicht sowohl seinen Grund in einem Rückgang der Ein­nahmen als in der Steigerung der Ausgaben. Die Einnahmen werden voraussichtlich sowohl den Etatssatz von 1907 wie das Rechnungser- gebnis von 1906 übersteigen. Soweit sich zur Zeit übersehen läßt, werden die Einnahmen mehr betragen gegen den Etatssatz etwa 700000 Mk. und gegen da-Rechnungsergebnis von 1906 etwa 1600000 Mk.; dagegen ist bei den Ausgaben mit einer Steigerung zu rechnen gegen den Etatssatz um etwa 3000000 Mk. und gegen das Rechnungsergebnis von 1906 um etwa 7 700 000 Mk. Der Reinertrag wird deshalb nach dieser Schätzung um etwa 2300000 Mark hinter dem Etatssatz und um etwa 6100 000 Mk. hinter dem Rechnungsergebnis von 1906 zurückbleiben. Die Annahme, daß die Einführung der vierten Wagen- klasse diesen Rückgang des Gesamtertrags ver­ursacht habe, wird als unzutreffend erklärt. In der Hauptsache sei die Steigerung de» persönlichen Aufwands die Ursache der bedeu­tenden Steigerung der Ausgaben im Ganzen.

Stuttgart, 19. März. Geheimrat Eduard Zeller ist gestern nachmittag 2'/« Uhr in Stuttgart nach nur knrzem Krankenlager in dem hohen Alter von 94 Jahren gestorben. Der berühmte Philosoph und Theologe war am 22. Januar 1814 in Kleinbottwar geboren, erhielt, zur Theologie bestimmt, seine wissen­schaftliche Bildung erst in dem Seminar Maul- bronn, dann auf ter Universität Tübingen und 1836 in Berlin; 1839 kam er als Repe­tent nach Tübingen, wo er sich 1840 als Privatdozent habilitierte. 1842 begründete er in Verbindung mit mehreren anderen Gelehr­ten dieTheologischen Jahrbücher", die bis zu ihrem Erlöschen (1857) der neuen kritischen (sogenannten Tübinger) Theologenschule als wissenschaftliches Organ dienten. 1847 ging Zeller als Professor der Theologie nach Bern, 1849 nach Marburg. Doch wurde er hier aus Veranlassung seiner Gegner gleich beim Eintritt in die philosophische Fakultät versetzt. 1862 folgte er einem Rufe als Professor der Philosophie nach Heidelberg. 1872 einem sol­chen an die Universität Berlin. 1894 erhielt Zeller aus Anlaß seines 80. Geburtstags vom

Kaiser die Ernennung zum Wirkt. Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz. Im selben Jahr trat er von seiner Lehrtätigkeit zurück und ließ sich in Stuttgart nieder. Hier folgte nun eine Reihe von Jubiläen, an denen die ganze Gelehrtenwelt regen Anteil nahm. So besonders 1899 das 50jährige Jubiläum der ersten deutschen Professur und 1906 das 70jährige Doktorjubiläum. Van Zeller- Schriften sind außer seinem Hauptwerk Die Philosophie der Griechen" (184452) zu nennen:Platonische Studien" (1839,) Geschichte der christlichen Kirche" (1847,)Das theologische System 'Zwinglis" (1853,)Die Apostelgeschichte" (1854,)Platos Gastmahl" (1857,)Vorträge und Abhandlungen" (186584.)Geschichte der deutschen Philo­sophie seit Leibniz" (1873,)Staat und Kirche" (1873,)David Friedrich Strauß" (1874,) Friedrich der Große als Philosoph" (1886). Ein außergewöhnlich reiches Gelehrtenleben hat hier seinen Abschluß gefunden. Als er zur Schule kam, lebte noch der alte Napoleon; Männer, die für unser jetziges Geschlecht be­reits der Geschichte angehören, wie Baur und Strauß, sind Glieder des Kreises gewesen, mit dem er zusammenarbeitete, und bis in sein hohes, nur von wenig Sterblichen erreichtes Alter hinein war ihm körperliche und geistige Frische beschieden. Ein Meister der Darstellung, ein wirklicher Künstler in der Gestaltung des Stoffes und ein Denker von überraschender Schärfe und Vielseitigkeit genoß er weit über die Kreise der Fachgelehrsamkeit hinaus be­wundernde Verehrung.

Stuttgart, 18. März. (Kriegsgericht der 26. Diwsion.) Als am 21. Sept. v. I. das Grenadierregiment Nr. 1l9 mir der Bah» vom Manövergelände in die Garnison zurück­befördert wurde, spielte sich in einem Eisenbahn­wagen ein Vorfall ab, der ein Nachspiel vor dem Kriegsgericht hatte. Während der Fahrt spießte der Grenadier Fiechter scherzweise mit seinem Seitengewehr ein Stück Brot auf und fuchtelte damit herum. Ein Kamerad ermahnte ihn, keine Dummheiten zu machen, worauf Fiechter das Seitengewehr wieder einsteckte. Fast gleichzeitig nahm der Grenadier Kurz das Gewehr des neben ihm sitzenden Grenadiers Brüstlc und drückte eS, in der Meinung es sei entladen, mit den Worten:Wenn du nicht aushörst, dann schieße ich", in der Richtung gegen Fiechter ab. Unglücklicherweise war daö Gewehr von Brüstle nicht entladen worden, der Schuß traf Fiechter ins Gesicht und hatte schwere Verletzungen zur Folge. Brüstlc wurde dasrechteAuge zertrümmert,das herausgenommen werden mußte, außerdem wurden ihm zwei Zähne ausgeschlagen und (die Oberlippen zer­fetzt. Nach dem ärztlichen Gutachten bestand auch Gefahr für das linke Auge, es konnte aber gerettet werden; die Sehkraft bleibt im­merhin vermindert. Der Verletzte wäre am Tage darauf zur Reserve entlassen worden Er lag bis zum 27. November im Lazarett u. bezieht jetzt eine monatliche Rente von 40 Mk. Das Kriegsgericht verurteilte Kurz wegen Kör- perverletzung durch unvorsichtige Behandlung und Mißbrauchs einer Dienstwaffe zu sieben

Wochen Festungshaft. Brüstlc erhielt drel Wochen strengen Arrest, weil er trotz wieder­holten Befehls sein Gewehr nach der Hebung uicht entladen hatte.

Stuttgart, 19. März. Ueber den Fremdenverkehr in Groß-Stuttgart im Jahr 1907 wurde von seiten des Statistischen Amtes der Stadt Stuttgart folgendes mitgeteilt: 1) Neuzugezogene Familie» und selbständige Per­sonen in Groß-Stuttgart 4526 mit zusammen 8833 Seelen (1906: 4850 mit 8833 Seelen); 2) Passanten m hiesigen Gasthöfen 275,970 (1906: 260 909).

Biberach, 17. März. In den letzten Tagen ging die Mitteilung durch die Blätter, daß ein hiesiger Knabe infolge Verblutung nach einer Zahnoperation gestorben sei. Diese Nach­richt wurde dann dahin richtig gestellt, daß es sich hier um einen Fall der so seltenen Hämo­philie, d. h. Bluterkrankheit, handle. Die letztere Mitteilung ist richtig. Hier isi ein» Familie durch diese Krankheit schwer heimge­sucht. Nach den wissenschaftlichen Feststellungen geht die Vererbung der Bluterkrankheit durch die gesunde Frau auf die Männer (Söhne) über, indem aus der Ehe eines Bluters mit einer gesunden Frau durchaus gesunde Kinder entstehen, die gefunden Töchter des Bluters aber wieder Mütter von Blutern werden können, sodaß also nur die Söhne, nicht die Töchter Bluter sind. In der Tat sind auch einer hiesigen, in besten Verhältnissen lebenden Kausmannsfamilie die beiden Söhne (Bluter) in jugendlichem Alter trotz sorgsamer Pflege und Behütung gestorben. Der kürzlich ge­storbene Knabe gehört einem Zweig dieser Familie an. Für die Krankheit muß eine außerordentliche Dünnwandigkcit und leichte Zerreißbarkeit der Blutgefässe verantwortlich gemacht werden, sodaß heftiges Nießen, eine unsanfte Berührung, das Putzen der Zähne, schon heftige Blutungen verursacht. Die von dem Nebel betroffenen Familien sind auf das Tiefste zu bedauern, denn außer äußerst sorgsamer Lebensführung läßt sich gegen das glücklicherweise sehr seltene Leiden gar nichts tun.

Pforzheim, 17. März. Ein ganz be­deutender Verlust ist an einer Sendung von Bijouteriewaren entstanden, die eine hiesige Firma über See schicken wollte. Bon den fünf Kisten mit wertvollem Inhalt ist eine zwischen hier und Hamburg ansgeraubt worden. Es sind jfür 20 000 Mk. Schmucksachen abhanden gekommen. Von den Tätern hat man keine Spur. Natürlich ist man eifrig dabei, den ge heimni-vollen Vorfall aufzuklären.

Karlsruhe, 19. März. Karl Hau, der Mörder seiner Schwiegermutter Frau Molitor ist im Zuchthause zu Bruchsal an galoppieren- der Schwindsucht erkrankt. Hau ist von den Acrzten aufgegeben worden.

Karlsruhe, 17. März. (Ein teurer Bienenschwarm.) Eine nicht alltägliche Schaden- ersatziorderung hatte kürzlich das Oberlandes« gericht Karlsruhe zu prüfen. Fräulein H. in Malsch (badisches Brigachtal) wurde von den Bienen eines dortigen Schuhmachers überfallen. Sie trug schwere Wunden davon nnd forderte deshalb von dem Schuhmacher B. gemäß §