Wader Mwliik
Amtsblatt
für die Stadt Wildbad.
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Nr. 29.
Dienstag, den io. März 1908,
44- Jahrgang
Wrrnöfchnu.
— Eine direkte Telephonleitung Stuttgart—Köln ist in letzter Zeit sertigaestellt worden. Dadurch ist es möglich, von Köln anS beispielsweise mit Zürich nur mit einer Umschaltung (Stuttgart) zu sprechen, nachdem ja bereits im Herbst »origen Jahres die direkte Leitung Stuttgart—Zürich zu stände gekommen war. Die direkte Leitung von Stuttgart nach Köln ermöglicht überdies einen Verkehr von Stuttgart mit ganz Holland und zwar zu der relativ niedrigen Gebühr von 1.50 Mk. für ein Dreiminuten-Gespräch. Durch diese neue direkte Leitung dürste jedenfalls der bedeutende Telephon-Verkehr mit dem Rheinland, der seither infolge der Umschaltungen manchmal zu wünschen übrig ließ, eine wesentliche Erleichterung erfahren.
Stuttgart. Von den Sportvereinen in Deutschland haben die Turnvereine die meisten Mitglieder. Es gibt in Deutschland über 400 000 aktive Turner. Ihnen folgen die Touristenvereine mit über 200000 Mitglieder, denen die Radfahrervereine mit 115 000 sich anschließen In weitem Abstand folgen dann die übrigen Sportvereine, so die Segelsport- vercine mit 40 000 Mitglieder usw.
Herrenalb, 4. März. Heute wurde in Anwesenheit des Amtsgerichts Neuenbürg und eines Vertreters der Staatsanwaltschaft der Keller einer hiesige» Pension ausgegraben, da seit Jahren umgehende Gerüchte behaupteten, ein vor 18 Jahren in Herrenalb als Kurgast weilender Amerikaner sei spurlos verschwunden und wohl ermordet und in dem Keller verscharrt worden. Durch die vorgenommene Nachgrabung wurde die gänzliche Haltlosigkeit der Gerüchte dargetan.
Heilbronn, 7. März. Die Stadtgemeindeist, wie die jetzt beendeten Ermittlungen ergaben, durch die Unterschlagungen des früheren Gerichtsvollziehers Thumm, der durch Selbstmord endete, insgesamt um rund 6000 Mark geschädigt worden. Der Gemeinderat beschloß, beim Justizministerium um einen teilweisen Ersatz dieses Schadens nachzusuchen, mit dem Hinweis auf die ganz unhaltbare Weise, in der das Gerichtsvollzieherwesen in Württemberg z. Zt. geregelt ist.
— Ein Dienstmädchen in einer Conditorei in Calw betrieb einen schwunghaften Eierhandel, der nach ihrem Austritt entdeckt wurde. Die Erkundigungen zeigten, daß das Mädchen die Eier nicht von den Verwandten aus der Heimat bezogen hatte, wie es den Abnehmern angab, sondern daß sie diese aus dem Lager ihres Dienstherrn Hundertweise gestohlen hatte. Auch Kolonialwaren soll sie an eine Hehlerin um einen Spottpreis geliefert haben.
M aulbronn, 4. März. Auf Nimmerwiedersehen ist anscheinend der hiesige Stein- bruchbesitzer Rieger verreist; jedenfalls hatte er Furcht wegen seiner strafbaren Wechsel- Manipulationen. die er mit Hilfe eines ebenfalls verschwundenen Pforzheimer Architekten auSübtr. Sehr zu bedauern sind ca. ein Dutzend zu vertrauensselige Einwohner, die npn (als Bürgen) die von Rieger nicht einge
lösten Wechsel mit beträchtlichem Beträgen bezahlen müssen. Ob diese Leute durch den Verlauf der belasteten Steinbrüche wieder zu einem Teil ihres Geldes kommen, ist sehr fraglich, umsomehr, als auch derKowpag- non von R. sein Vermögen verlieren wird.
Reutlingen, 4. März. Die Schülerinnen der hies. Frauenarbeitsschule veranstalten alljährlich ein großes maskiertes Ballfest, das auch Heuer wieder im ersten Hotel unserer Kreisstadt, im „Kronprinzen", stattfand. Männliche Teilnehmer gibt es bei diesem großen festlichen Ereignis prinzipiell nicht. Die Hälfte' der Teilnehmer stellt nämlich bei dieser Gelegenheit selbst ihren Manu, d. h. sie kostümieren sich als fesche Burschen und übernehme' so die' Rechte und Pflichten der Ballherrn. Als manu«' liehe Ehrengäste finden sich bei diesem Ballfeste' der Frouenarbeisschule gewöhnlich nur würdige ältere Herren ein, so der Reutlinger Oberbürgermeister rc, Im übrigen aber steht an einem solchen Ballabend der Festsaal des Hviel „Kronprinzen" ausschließlich unter dnn Zeichen der holden Weiblichkeit. In diesem Jahr scheint nun das von jeher hochgehaltene Prinzip des Ausschließens männlicher Gäste besonders streng durchgesührt worden zu sein, denn nicht nur der Ballsaal selber war hermetisch verschlossen gegen jede» männlichen Eindringling, sondern auch die Restaurationsräume des Hotels durileu an diesem Abend von keinem männlichen Gast betreten werden. Das schönste an der Geschichte aber ist, daß man zu diesem Zweck einen Schutzmann am Eingang des Hotels postierte, welcher, wie Cerberus an der Pforte der Unterwelt, Wache hielt, damit kein männlicher Fuß die jungfräulichen Räume betrete. „Do berf heut kei Mannsbild nei" erklärte unerbittlich der tapfere Wächter des Hauses, und du Stamm-> gäste des „Kronprinzen" muhten sehen, daß sie an diesem Abend anderswo unterkamen.
Reutlingen. 8. März. Die Meisterprüfungen vor der Handwerkskammer des Schwarz, waldkreises erfreuen sich dieses Frühjahr eines außerordentlichen Zuspruchs. Es haben sich aus den verschiedensten Handwerkszweigen insgesamt 65 Kandidaten gemeldet, die in den Monaten März und April sich der Prüfung am Sitze der Handwerkekammer tu Reutlingen unterziehen. Der von der Kammer jeweils veranstaltete Vorbereitungskurs in Buchführung, Wechselkunde und Gewerberecht mußte Heuer erstmals in zwei Abteilungen gegeben werden. Der erste Kurs mit 17 Teilnehmern ging am 29. v. Mts. zu Ende, der zweite Kurs mit 20 Teilnehmern findet gegenwärtig unter der Leitung des Sekretärs der Kammer vom 4 , bis 12. ds. Mts. statt.
Langenau, 6. März. Bei der heute hier abgehaltenen Stadtschultheißenwahl erhielt Skadtpfleger Bohner 572 Stimmen, sein Gegenkandidat, Oberamtssekretär Ziegler, 21 Stimmen. Bohner ist somit als Nachfolger des verstorbenen Landtagsabgeordneten Haug znm Stadtschultheißen gewählt.
Schwenningen, 7. März. Die wirtschaftliche Depression macht sich hier am stärksten im Baugewerbe bemerkbar. Während in i den letzten Jahren um diese Zeit bis zu 50 s
und mehr Baugcsuche zur Genehmigung vor lagen — es wurden jährlich 70-100- Neu bauten erstellt — sind bis jetzt dieses Jahr noch kaum ein halbes Dutzend Baugesuche eingegeben worden. Keine einzige größere Firma beabsichtigt, dem Vernehmen nach, dieses Jahr eine Vergrößerung vorzunehmen, ein unerhörtes Vorkommnis im wirtschaftlichen Leben Schwenningens.
Pforzheim, 6. März. Zu den verschiedenen Unternehmungen der hiesigen Stadtverwaltung soll in Bälde auch eine städtische Leihanstalt (Piandhaus) treten, was allerdings einem „dringenden Bedürfnis" abhelfen dürfte.
Karlsruhe, 4 . März Seit Ende des vorigen Jahres wird ein großartiger Plan des Pxof. Rehbsck von der hiesigen technischen Hochschule lebhaft besprochen. Derselbe geht darauf aus, durch Anlage von Sammelbecken mittelst Talsperren und Kan aistollen die Wasserkräfte der Murg und ihrer oberen Seitentäler technisch zu verwerten. Eine gewaltige elektrische Zentrale oberhalb Forbach an der Murg soll 15 000 ?8 Herstellen. Die Gene» raldirektion der badischen Staatseisenbahaen hat den Entwurf angekauft, und es soll demnächst dem Langtag eine Vorlage darüber zu- gehen. Kürzlich hielt Herr Prof. Rehbock einen Bortrag darüber in der Technischen Hochschule- Bei dieser Gelegenheit kam auch ein Konkurrenz- entwurf des schweizerischen Ingenieurs Fischer- Rheinau zur Besprechung. DaS Ergebnis deS Vergleiches war augenscheinlich starl zu gunsten des Rehbockschen Entwurfes, sowohl was die Leistungen als was die Kosten betrifft.
Lillingen, 8. März. Das Hotel und Restaurant «zur Waldmühle" ging bei der Zwangsversteigerung um den Preis von 121000 Mk. in Besitz des hiesigen Vorschußvereins über. Ter Anschlag betrug 150 000 Mk.
Berlin, 7. März, DaS Urteil des Ehrengerichts gegen den Generalleutnant z. D. Grafen Wilhelm von Hohenau, der in dem bekannten kriegsgerichtliche» Nachspiel zum Moltke-Harden- Prozeß wegen nicht erwiesener Schuld freigesprochen worden war, ist jetzt gefällt worden. Das Ehrengericht Hat nach der N. G. C. den Grasen Hohenau zur Entfernung aus dem Offiziersstandc verurteilt und hat ihm auch die Orden und Ehrenzeichen abgesprochen. Das Urteil des Ehrengericht- ist bereits vom Kaiser bestätigt worden.
Berlin, 7. März. Die Reichrbank hat de» Diskont auf 5*/r"/o und den LombardzinS- fuß aus (U/,°/o herabgesetzt.
London, 6. März. Unter der Ueber- schrift „Unter welchem Könige?" veröffentlicht die „Times" einen Brief ihres militärischen Mitarbeiters, der mitteilt, der deutsche Kaiser habe an den englischen Marineminister Lord Tweedmouth einen Brief über die englische und deutsche Flottenpolitik geschrieben. Dieser Brief sei ein Versuch, den Marineminister im deutschen Interesse zu beeinflussen.
London, 6. März. Bei Schluß der heutigen Sitzung des Unterhauses gab der Staatssekretär ASquith folgende Erklärung ab: „Es ist Tatsache, daß Lord Tweedmouih am 18. Februar vom deutschen Kaiser einen Brief er-