sorgt werden, daß etwa tägl. 78 l auf den Kopf der Bevölkerung kommen. Hiezu kommt nun noch das bekannte Projekt der Stadt Stuttgart, sich unser Enzwaffer zuzuführen und zwar in der für unS ganz erschreckend großen Zahl von 500 Sekundentitern. Gegen dieses für uns so verderbliche Projekt muß auch der Kurverein entschiedene Stellung nehmen, und mit A- fbietung aller nur erdenkbaren Mittel dagegen arbeiten, damit die staatliche Geneh­migung dieses für uns so unheilvollen Projekts verhindert wird; denn wenn auch anfangs nur 500 Sekundenliter genannt werden, so kann und wird es dabei sein Bewenden nicht haben, da Stuttgart nach den vielen Eingemeindungen aller umliegenden Städte und Vororte jetzt erst sich recht ausdehnen und entwickeln wird; dazu kommt, wie sich in jüngster Zeit gezeigt hat, daß die Wasserverhältnisse in Cannstatt, Unter­türkheim und Wangen in Zukunst einfach nicht mehr Hallbai find, so daß die Wasserversorgung sich nicht bloß aus Stuttgart allein, sondern auf ganz Großstuttgart sich erstrecken müßte und so d'e 500 Sekundenliter bei weitem nicht mehr reichen würden. Was aber 500 Sekun­denliter bedeuten, das mag man sich vergegen­wärtigen, wenn man sich die Tatsache vor Au­gen hält, daß dies der Wassermenge be­deutet, die sich in der Gegenwart durchs Enzbeet ergießt. Daraus nun kann man sich ein Bild machen, wie er etwa mit der so notwendigen Wiesenbewässerung auSsehen würde in unserem Tal, wenn man sich wie im ver» ganzenen trockenen Jahre vergegenwärtigen müßte, daß das zu erstellende Stauwerk normalerweise statt 4 mal nur kaum 1 mal gefüllt werden könnte. Das Stauwehr soll nun bekanntlich 5,5 Millionen Cubikmetcr Wasser aufuehmen können, wenn aber wie im Jahre 1896 die Enz eine solche Unmasse von Geröll und Sand mit sich führt, daß das ganze Enz- tal damit bedeckt wird und sich dasselbe also im Stauwehr niederlassen würde, dann müßte notwendigerweise obige Anzahl von Kubikmeter Wasser ganz bedeutend verringert werden. Weiler wurde bemerkt, daß die Gefahr der Schädigung unserer lebensspendenden Th rmal- quellen, welche für unser geliebtes Wildbad daS Sein oder N-chtsein bedeuten, gar nicht aus­geschlossen sei bei dem ungeheuren Druck, den die aufgestauie Wassermenge auf die ihr unter gelagerten Gesteinsmassen ausüben würde, wo­gegen selbst die noch so peinlichsten Untersuch­ungen und Urieile aller hervorragenden Sach­verständigen uns keinerlei Gewähr bieten wür­den. Eine weitere schwerwiegende Sache sei aber die sogenannte Schnakenfrage, es sei näm­lich gar nicht ausgeschlossen, ob nicht in diesen Staugewässern, die eine beträchtliche Wärme- zunah..,e e-fahren müßten, sich diese unange­nehmen Wasserbewohner cinstellen würden, wo­durch unsere Bodestadt schwel geschädigt wer­den könnte, denn unsere Gäste entfliehen oft und viel der in ihrer Heunai so lästigen Schnakenplage und suchen sich unser schnaken­freies Eldorado aus. Der Herr Referent be- merkce unter anderem, daß hauptsächlich auch Herr Oberreallehrer vr. Pfeffer ein bedeu­tender Kenner dieser lästigen Tierchen ihn schon des öfteren auf diese heikle Frage auimerksam gemacht habe. (Herr vr. Pfeffer wird übrigens in einer der nächsten Nummern dS. Bl. die Sache etwa- näher wis­senschaftlich beleuchten). Gewiß ist aber, daß sich im Slauwehr viele vegetabilische Stoffe ablagern, das Wasser verunreinigen und daß alsdann nicht mehr ein frischer, klarer munterer Gebirgsbach mit seinen so wohltuend kühlenden Fluten sich über FclSblöcke rauschend durchs Enzbeet drängen würde wie unser Uhland so begeistert singt, nein, es müßte dann fein Sang entsprechend abgeändert werden etwa dahin, daß die Enz sehr gealtert sei, sich langsam da- hinichlcppe und ein undefinierbares »Eau de Cologne" mit sich führe, vielleicht etwa so:

Dann grhks durck Tannenwälder ins öde Tal

gesprengt

Wo durch seinFelsrnbrktr das Enflrinkräg sich schlängt, Wo nur noch Fiöschr quacken und sich kein Fisch

mehr xrigt.

Wo nur die schlimme Schnake u. Wassrrflirgr geigt."

Nicht wahr ihrEnztaler Bauern", denn so wurdet shr Enztatbewohner kürzlich verächtlich

in einer Stuttgarter Bürgerversammlung genannt, ist das nicht eine liebliche Poesie, mit der etwa ein neuer Uhland unser sonst so herrliches Tal und seine Enz besingen müßte, ja eine solche Melodie würde selbst den schlafenden Sänger wecken, der voll heiligen Zornes uns ein unwürdige-, ja verächtliche- Gelchlecht schelten würde, da« die erhabene Schönheit unseres herrlichen Tales, das der gütige Schöpfer mit so verschwenderischer Pracht und Herrlichkeit ausgestattet, so schimpflich sich verderben ließ. Wa- nun die Zahl 5,5 Mill, Cubikmeter betrifft, so führt der Referent wei­ter aus, so sei dieselbe viel zu nieder gegriffen, das zeigten die schon vorhandenen Talsperren, denn dieselben haben diesen Sommer alle fal­liert. Prof. Holz verlangte daher auch, daß 25°/o der jährlichen Abflußmengen gestaut wer­den müßten, damit aber käme man auf 1315 Millionen Cubikmeter Wasser, da» find aber so ungeheure Zahlen, daß man sich ein solches Stauwehr kaum denken könne. Erfreulicher­weise seien nun die gemachten Vorstellungen Üeser Art nicht wirkungslos verhallt. Der Verband der Wasserwerksbefitzer des Enztals habe sich zusammcngetan und gegen dieses Projekt Stellung genommen in einer eingehend begründeten Eingabe an d»S K. Ministerium des Innern, und so wollen sie auch in nächster Zeit eine Abordnung an die K. Centralstelle enden, um ihre Bedenken auch dieser Behörde vorzutragen. Der BeschwichtigungSvortrag de» Hrn.vr. M alte- vor dem Bezirksrat inMeuen- bürg habe die erwähnten Bedenken nicht nur nicht beseitigt, sondern dieselben noch vielmehr bestärkt. Redner führt nun seine eigenen Er­fahrungen an, indem er sagte, daß er selber im vergangenen Jahr in der Papierfabrik nur 8 Tage lang Ueberwaffer gehabt habe, in der anderen Zeit aber hätte es beständig an der nötigen Wafsermenge gefehlt; würden da noch 500 Sekundenliter nach Stuttgart abgeführt, so Härte er von Mitte Mai ab etwa nur die Hälfte der Zeit arbeiten lassen können, von Oktbr. 1907 ab wäre dann da- Enzbett vollständig leer gewesen. Durch die Verwirk­lichung dieses Projekts würde also nicht nur unser so liebliches Tal verwüstet, sondern auch unsere so blühende Industrie geradezu vernich­tet. Darum habe auch kürzlich Herr Ober­amtmann Hornung in ganz bestimmte und exakte Stellung genommen gegen diese Ablei­tung des EnzwassirS, die nicht bloß Wildbad ruinieren, sondern auch den ganzen Bezirk Neuenbürg aufs empfindlichste schädigen würde; Stuttgart könne aber aus dem Fils- und Neckar- tal, oder sogar viel besser aus dem Bodensee sein Wasser beziehen und zwar in einer solchen Menge, daß Stuttgart für ewige Zeiten der Wassersrage emgilng emhoden wäre. Zu die­ser Ansicht seien nun auch einige hervorragende Persönlichkeiten gekommen, ist insbesondere Professor Lueger und Hr. Hofrat vr. Distler in Stuttgart; der letztere schreibt imSchwäb. Merkur, daß er die große Erregung der E»z- talbewohner durchaus wohl begreifen könne, wenn sie sich gegen ein» Wasserentnahme von über 40 Mill. Liier im Tag wehren und führt dabei an, daß Prof. vr. Wolf der Inhaber deS Lehrstuhls der Hygiene in Tübingen schon im Jahr 1906 den Stanvpunkl vertrete» habe, daß vie Wasserversorgung Groß-StuttgartS avS dem Bodenjee vom geiundheitl. Standpunkt aus voilstänvig einwandfrei und praktisch sehr wohl durchführbar sei insbesondere, wenn man bedenke, daß die Stadt Paris für ihre 3 Mill. Einwohner Wasser bi» au» dem Gen­fer See herleiten will, der doch 4 mal so weit von Paris entfernt ist als der Bodensee von Stutt­gart. Der Referent schloß mit einem warmen Apell an all? Anwesenden, eS möge jeder ip seinem Teile tun, was in seinen Kräften steHe damit dieses für unser Enztol so verderbliche Projekt uns alle Weise verhindert werde. Der Vorsitzende dankt dem Herrn Redner für sein eingehendes Referat und führt die sich aus jenem Projekt für unser Wildbad ergeben­den Uebelstände noch einmal auf, beleuchtet kurz diese Mißstände und weist nochmals aus die groß Gefahr hin, die das Stuttgarter WasserversorgungSprojekt für unsere Badestadt bringen werde. Herr Commerzienrat Heermann pflichtet dieser Anschauung kräftig bei.und er­

mahnt ebenfalls alle Anwesenden fest zusam­menzustehen zu gemeinsamer Abwehr. Herr Stadlrat Aberle erinnert daran, daß vor einigen Jahren in Frankreich ein solches Stau­wehr zusammengebrochen und die demselben entströmende Wassermaffe habe in kürzester Zeit ein vorher blühendes Tal vernichtet. Herr Stadtrat Eitel berichtet nochmals über die Schnakensrage. Herr SanitätSrat Hauß- mann hebt die Einzisartigkeit unserer Ther­men hervor, würden dieselben geschädigt, so würde die» geradezu einen unersetzlichen Ver­lust nicht nur für Wildbad, sondern für die ganze leidende Menschheit bedeuten. Der Kurverein kam daher zu dem Beschluß, die bürgerl. Collegien zu ersuchen, der den h'ezu maßgebenden Behörden vorstellig zu werden, um dieselben zu bitten, sie mögen doch diesem für unser liebl. Tal so verderblichen Stutt­garter Wafserprojekt die Genehmigung versa­gen, da eS den Ruin unserer Weltbadestadt und unseres Enztales bedeutet. Der Vorsitzende leitet nun die Besprechung deS 4. Punktes der Tagesordnung ein, der von der Erbauung eines Kurhauses handelt, er führte dabei aus, daß wir gewiß der Kgl. Domänendirekrion größten Dank schulden für all die vielen Neuer- ungen und Verbesserungen, die alle in letzter Zeit unter großen Opfern du e chgeführt worden seien. Aber allen diesen dankenswerten Neu­schöpfungen fehle noch die Krönung durch ein nicht vloS von uns, sondern vielmehr von un­fern hiesigen Kurgäste» so sehnlichst gewünschtes Kurhaus. Unsere Babeeinrichtungen seien gewiß tadellos, unsere Thermen einzigartig und hervorragend wirksam, unsere Kuranlagen eine seltene Sehenswürdigkeit und Naturschön­heit ersten Ranges und um unsere herrliche Waldumgebung beneide» uns die meisten ande- ren Bäder, dazu sei jetzt noch eine Bergbahn geschaffen und so fehle uns nur noch ein Kur­haus, dieses sei aber auch ein unabweisbares Be- dürfnis, denn ohne dasselbe könne Wildbad mit andern Badeorten, die meist überaus schöne und zweckmäßigeKurhäuser besitzen, nicht ko nkurrieren. Die jetzigen Einrichtungen hätten sich haupt­sächlich in der Hochsaison als nicht hinreichend erwiesen. Aber nicht nur während der Zeit der Hauptsaison habe sich der Mangel einer Kurhauses fühlbar gemacht, ssndern auch in den Frühjahrs- und Herbstmönaten, wo wir häufig unter kühler und nasser Witterung zu leiden hätten, die die Kurfremden auf das Zim­mer, u. den Aufenthalt in geschloffenen, durch­wärmten Räumen aiiweise. Gerade in dieser Zeit wäre rin Kurhaus von größtem Werte, da nur die Möglichkeit, sich stundenlang in den verschiedenen Räumen eine- Kurhauses z. B. Lese-, Spiet, und Rauchzimmmer. Con- certsal rc. aufzuhalten. die Kurgäste zum AuS- harren während einer solchen Regenzeit am hiesigen Platze veranlassen könne. Herr Sam- tätSrat vr. Hanßmann pflichtete dem Vor- redner bei und spricht auch die üeberzeugung au», daß Wildbad ohne KonvrrsalionShau» anderen Bädern gegenüber nrcht mehr ko nkur- renzfähig bleibe. Di« Lesesälr im König-Karls­bad seien z. Zt. der Haute-Saison unzulänglich und der KonversationSsaal dies in eiurm Maße, das jeder Beschreibung spotte. Bei Lanzunter- Haltungen sei kaum für di« Hälfte der Besucher Platz vorhanden. Bei feuchter kalter Witterung fehle eS an einem großen Konzerlsaal hier voll- ständig und die übrigen zu einem Kurhaus gehörigen Räum» wie Schreib-, Rauch-, Damen­zimmer seien auch nicht vorhanden. Unseres Kurgäste verlangen die baldige Erbauung eines Kurhauses und es s ei von der Opferwilligkeit der Kgl. StaatSfinanzverwaltung zu erhoffen, daß diesem dringenden Bedürfnis in einer unseren hiesigen Verhältnissen Rechnung tragenden Weise endlich entsprochen werde.

Der Kur-Berein kam demgemäß zu dem Be- schlufse im Verein mit den bürgerlichen Kollegien eine Emgabe an daS König!. Finanzministerium und an den Landtag zu richten mit der dring­enden Bitte, es möchten in Bälde die Mittel zur Erbauung eines Kurhauses in Wildbad bewilligt werden. Die Zeit war nun leider bei der Durchsprache dieser umfangreiche» und wichtigen Stoffmeuge so weit vorgeschritten,daß man zum letzten Punkt der Tagesordnung: Sonstige»" gar nicht mehr kam und doch hätte