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Nr. 12.
Donnerstag, den 30. Januar 1908.
44- Jahrgang
Wirnöfchcrrr.
Stuttgart, 26. Jan. Zum Mord in der Fürstenstratze meldet das Neue Tagblatt, daß der im gleichen Hause bei seiner Mutter wohnende Finanzpraktikant Karl Bareiß verhaftet wurde. Er wurde dem Staatsanwalt Giöggler vorgrführt und einem längeren Verhör unterworfen. — Bareiß, der geisteskrank sein soll, befindet sich in Untersuchungshaft.
Stuttgart, 27. Jan. Bei weiteren Schwierigkeiten Quellwasser im Schwarjwald für Stuttgart zu gewinnen, wird dem Gcdan- ken nahe getreten, eine Versorgung Stuttgarts mit Wasser aus dem Bodensee ins Auge zu fassen. Schwierigkeiten würde nur der Ueber- -ang über die Alb verursachen, der jedoch technisch nicht unmöglich erscheint.
Stuttgart, 25. Jan. Gewisse Bestandteile der VolkSparlei, innerhalb und außerhalb des eigentlichen Parteirahmens, haben über der Haltung der demokratischen Reichstagsfraktion, besonders über der Rede Payers die ruhige Uederlegung vollständig verloren. Statt daran zu denken, daß die Rückkehr der Opposition a tont prix das Gegenteil von einer Förderung der liberalen Sache, nämlich eine Wiedereinsetzung des Zentrums in seinen altangemaßten Einfluß bedeuten würde, fallen diese Kreise nun über ihren eigenen Führer her. Der Liberale Verein in Stuttgart hat ihm eine öffentliche Rüge erteilt. Noch „schwäbisch deutlicher" wird der „Hohenstaufen." Er schreibt u. a.: Also sprach v. Payer am 23. Jan. Und es wird sonach alles denn alten bleiben, trotz der Rede vom 6. Jan. Woraus man wieder einmal ersehen mag, was vom Reden überhaupt zu halten ist. Und es wird auch alles beim alten bleiben trotz der Stimmung der Wähler, auf die sich Herr v. Payer bezieht. Denn die Stimmung der Wähler kümmert die Gewählten des Reichstags nicht im geringsten. Warum auchi Man ist einmal im Block und bleibt im Block, weil es warm ist im Block. Wir wollen darüber kein weiteres Wort mehr verlieren, denn es ist schon zu viel darüber ge- schrieben. Wir geben um Worte längst kernen Pfifferling mehr und auch darum nicht, ob das Interesse des Hrn. v. Payer an der Fortführung der Blockpolitik ein großes oder kleine» ist. Er will sie fortsühren trotz seiner Rede vom 6. Januar — und das genügt. Die „politische Moral kommt dabei weiter nicht in Betracht. . . . Nur eins möchten wir Hrn. v. Payer noch bemerken, wenn er die positive Arbeit lobpreist und sich dabei — wie er es am 6. Januar getan hat — auf die Tätigkeit der Volkspartei im württembergischen Landtag beruft: Es ist etwas anderes, positiv zu werden, wenn man auch die Macht hat, Positives zu leisten, wie es, wenn auch mit Schwierigkeiten verbunden, im württembergischen Landtag der Fall war. Und es ist wieder etwas anderes, positiv zu werden und mitregieren wollen, wenn man die Macht dazu nicht hat. Da wird man, wollend oder nicht, zur komischen Figur, wie man dergleichen wohl in einem guten Zirkus mit Vergnügen sieht, aber nicht im Reichstag. Der Menschenkenner Bülow wird am vor
gestrigen Tage keinen schmeichelhaften Eintrag über den heutigen Liberalismus und seine parlamentarischen Vertreter in sein Tagbuch gemacht haben. Wenn es dereinst im Druck erscheint, wird man Nachlesen können, welchen Spott er über die „liberale" Blockseite ausge- goffen hat, die mit sich kegeln ließ." Payer
— eine „komische Figur" in einem Zirkus, für die die „politische Moral nicht weiter in Betracht kommt," wahrlich es ist ein widerliches Schauspiel, den Führer einer Partei und die hinter ihm stehende Fraktion au» den eigenen Reihen so mit Kot beworfen sehen zu müssen.
(Schw. M.)
— Ein Korresp.-Bureau hat dieser Tage eine Mitteilung ausgegeben, wonach die rückfällige Konjunktur auf manchen industriellen Gebieten auch einen ganz bedeutenden Rückschlag auf die Holzpreise ausgeübt habe, was auch den Glaalseiat ungünstig beeinflussen werde. Diese Notiz ist nun aber, wie au» maßgebende» Kreisen mitgeteilt wird, nicht richtig. Weitaus den größten Teil des Holz- erirags bildet der Erlös au» Nadelholzstammholz und die Preise für dieses Sortiment sind bis jetzt gegenüber dem Vorjahr kaum zurückgegangen. Sie lassen sich überhaupt nicht in einer Zahl ausdrücken, wie dies in der Notiz geschehen, denn es gibt 6 Stärkeklassen, die in ihrem „Taxpreis" um 10 Mk. auseinandergehen, von 14—24 Mk. Eichenholz und namentlich Buchen-Stammholz geht sehr gut und Brennholz gehr infolge der anhaltenden Winterkalte auch nicht zurück, sondern eher etwas in die Höhe. Daraus ergibt sich auch, daß die Rückwirkung auf den Etat, soweit bis jetzt sich übersehen läßt, keine ungünstige sein kann.
— Von anderer Seite wird zu derselben Angelegenheit geschrieben: Nach me» en Beobachtungen beträgt der diesjährige Preisrückgang etwa 50 Pfg bis 1 Mk. der Durchschnittspreise, also 3—4 °/o. Dieser klei-r Rückgang hängt weniger von der wirtschaftlichen Depression, als von dem teuren Gelvstande ab.
— AuS Neuenbürg wird dem „Schw. Merk." geschrieben: In Sache» des Stuttgartei WasservcrjorgungSprojekis aus dem Enzgebiet sind schon in früheren Einsendungen Zweifel laut geworden hinsichtlich der Qualität des SchwarzwaldwasserS. Es ist die Frage, gestellt Word n, ob das nahezu kalllose, bald fave schmeckende Schwarzwaldwasser den Stuttgartern munden wird, ob es ihnen überhaupt gesundheitszuträglich sein wird und ebenso, daß es zweifelhaft erscheine, ob alle die großen und kleinen Quellen, die ge,aßt werden sollen, auch wirkliche Quellen und nicht teilweise — wie es iw Schwarzwald manchmal vorkommt — nur auf kurze Strecken in Spalten oder im groben Geröll versunkene Flußwasser sind. ES kann der Sache Stuttgarts nur förderlich sei», wenn auch diese GesichlSpunkte Beachtung finden und untersucht werden, denn eine Stadt, die viele Millionen für ihre Wasserversorgung auszugeben sich anschickt, hat das größte Interesse daran, ein durchaus einwandfreies gute« Wasser zu erhalten. Wir möchten deshalb nicht unter- lassen, daraus hinzuweisen, daß bezüglich der größten, von Stuttgart erworbenen Quellen — der sog.
Lappachquelle bei Enzklösterle — die Meinung allgemein verbreitet ist, daß man »S nicht mit einer eigentlichen Quelle, sondern mit einer Versickerung von Flußwasser aus der ganz nahe vorbeikommenden Enz zu tun hat. Diese Me'nung wird selbst von Sachverständigen geteilt und findet ihren Anhalt in den Geländeverhältnissen. Inwieweit die Vermutung richtig ist, muß die Untersuchung ergeben; wenn aber die Vermutung zutrcffen sollte, so wäre die Sache insofern fatal, als gerade auf dem der Enz und der Quelle zuneigenden Gelände eine ganze Reihe von bäuerlichen Ansiedlungen vorhanden ist, die alle ihre Abwässer der Enz zuführen. Es wäre damit eine Verunreinigung der Quelle wahrscheinlich. Welche Gefahren daraus entstehen könne», soll hier nicht näher ausgemalt werden, dagegen auf einen großen Vorgang in unserer Nachbaischast Plorzheim hingewiesen werden, die ihre Wasserversorgung auf da« un- bewohote benachbarte Größeltal stützt. Es war anfangs der 1890er Jahre, als während einer längeren Trockenheit da» Quellwasser so sehr zusammeuging, daß es ben Bedürfnissen nicht mehr genügte. Man half sich — wie gerichtlich festgestellt wurde — dadurch, daß man Wasser aus dem Größelb.ach, das zum Teil über gedüngte Wiesen ging, dem Ouellwasser zuführte. Die Folge waren Jnsekiionrkrank- heiten in der Stadt und es sind etwa 80 Menschenleben dem Typhus zum Opfer gefalle». Die dermaligen gerichtlichen Feststellungen in der Sache bilden eine ernste Mahnung zur Vorsicht. Im Bezirk sind nun kürzlich Einleitungen getroffen worden, die Mutmaßungen bezüglich der Lappachquelle durch Sachverstän dige prüfen und srststellen zu lassen.
SternenselS, O.A. Maulbronn, 27. Jan. Ein lOjähriger Junge brach beim Rodeln beide Füße und starb bald darnach an den Folgen.
Reutlingen, 22. Jan. Bei der heutigen Ziehung der Holzelfinger Kirchenbaulotterie fiel der 1. Haupttreffer mit 15,000 Mk. auf Nr. 34,207 und der zweite mit 5000 Mk. auf Nr. 54,207. Der 1. Gewinn wurde in Plochingen verkauf:, der 2. Treffer fiel in die Kollekte von C. Breilmeyer in Stuttgart, der das Los erst gestern verkaufte. Der 3. und 4. Hauptgewinn fielen auf Nr. 76,285, 2000 Ml., und Nr. 16,965, 1000 Mk., und wurden diese beiden Haupttreffer von Generalagent I. Schweickert, Stuttgart, verkauft.
Geislingen a. St., 23. Jan. In den Schützengeseüschaften kommt der Brunch, auch da- Schießen mit dem Armeegewehr zu üben, immer mehr auf, ohne daß deswegen der Stutzen in de» Hintergrund gedrängt würde. Der Zweck dieses Schüßen» besteht hauptsächlich darin, die militärpflichtige Jugend noch vor dem Eintritt beim Militär im Gebrauch dieser Waffe zu üben und anderseits den gedienten Vereinsmitgliedcrn Gelegenheit zu geben, sich mit der ihnen vertrauten Waffe auf dem laufenden zu erhalten. Der hiesige Schützenverein hat nun in seiner letzten Generalversammlung die Anschaffung eines Armeegewehrs Modell 98 aus Vereinsmitteln zu obigem Zwecke beschlossen.