Natürlich Murcher und ich mußten ihm ja unter die Arme greifen, um ihn auf- zurichtrn. Tin langer Kerl mit rotem Gesicht, um da» Kinn ein Luch gewickelt und *

»Schon gut wa» ist denn au» ihm ge­worden?"

»Wa» weiß ich! wir harten ohnehin genug zu tu». Er wird schon den Weg nach Hause gefunden haben, da können Sir ganz ruhig sein" ^

»Wie war er denn angezogen?"

»Er trug einen braunen Ueberock."

»Hatte er keine Peitsch» in der Hand?'

»Lin« Peitsche bewahre?"

»Die muß er zurückgelaffen haben," mur­melte Holme». »Kam nicht gleich darauf ein« Droschke gefahren?"

»Nein."

Mein Gefährte nahm seinen Hut zur Hand. »Hier, da» Goldstück ist für Sie, Rance," sagte er; »aber ein andermal seien Sie nicht ganz so kopflo». Ich fürchte, Sie bringen e» sonst Ihr Lebtag zu nicht« Rechtem und Sie hätten sich doch letzt» Nacht mit Leichtigkeit Ihre Beförderung zuch Sergeanten verdienen können. Statt dessen haben Sie den Mann entwischen lassen, nach welchem wir suchen und der den Schlüssel zu dem ganzen Geheim, ni» in Händen hält. Wozu noch lang« hin nnd her streiten e» verhält sich so, wie ich Ihnen sage, verlassen Sie sich darauf. Kom­men Sie, Watson, wir wolle» gehen."

Der Schutzmann machte zwar ein ungläub- ige» Gesicht, aber man sah, die Sache war ihm nicht ganz geheuer. Wir ließen ihn ver­blüfft stehen und gingen unserer Wege.

»Der Han» Narr," rief Holme» ärgerlich, al» wir wieder in der Droschke saßen, um nach Hause zu fahren. »Ein Glück sonder­gleichen fällt ihm ungrsucht in den Schoß und er versteht nicht, es sestzuhalten."

»Sind Sie Ihrer Sacke aber auch ganz gewiß?" fragte ich. »Ranec« Beschreibung de» Betrunkenen paßt zwar im allgemeinen zu Ihrer Borstelluug von dem zweiten Menschen, der in da» Geheimni» verwickelt ist, aber wa» sollte ihn wieder »ach hem Hause zurückge- führt haben? Da» sieht nicht au», al» wäre er der Verbrecher."

»Der Ring, Freund, der Ring den wollte er holen. Wenn wir kein andere» Mittel finden, ihn zu fangen, müssen wir den Ring al» Köder brauchen.

Ich sag« Ihnen, Doktor, er geht mir in» Netz, ich Hab« ihn sicher. Und Ihnen verdanke ich da» alle». Hätten Sie mir nicht zuge- redet, ich wäre um dir schönste Gelegenheit ge­kommen, meine Kriminalstudien zu vervoll­ständigen. Jetzt aber, erst zum Lunch und dann in» Konzert. Die Neruda hat einen famosen Ansatz und spielt köstlich. Wie geht doch da» kleine Ding von Chopin, da» ich von ihr gehört habe? Tra- lalira-liralay."

Er lehnte sich in die Wagenkissen zurück und trillerte wie eine Lerche, während ich über die Vielseitigkeit diese» Menschen nachdachte der bon der Natur zum Detektiv bestimmt schien und sein» Forschungen mit dem Eifer eine» Kunstliebhaber» betrieb.

Fünfte» Kapitel, wir bekommen Besuch.

Die Anstrengungen de» Morgen» waren z« groß gewesen für meine schwache Gesundheit. Ich fühlte mich sehr angegriffen, und sobald Holme» in» Konzert gegangen war, legte ich mich «ns da» Sofa, um mich durch einige Stunden Schlaf» zu stärken. An Ruhr war jedoch nicht zu denken, denn wirre Vorstell­ungen und Bilder drängten sich unablässig in meinem aufgeregten Gehirn. Sobald ich die Augen schloß, sah ich vor mir die verzerrten, pavianähnlichen GesichtSzüge des Ermordeten. Der Eindruck war so abstoßend, daß ich mich kaum eine» Dankgefühl» gegen denjenigen er­wehren konnte, der den Unhold au» der Welt geschafft hatte. Mir war noch nie ein Mensch »orgckommen. dessen Gesicht ein so deutliches Gepräge von Laster und Bosheit trug. Doch sah ich wohl rin, daß man der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen müsse. Mochte dieser Enoch I. Drebber noch so verworfen gewesen sein.

da» rechtfertige die Missetat, deren Opfer er war, nicht in den Augen de» Gesetze».

Je mehr ich über dir Behauptung meine» Freunde» nachdachte, daß der Mann vergif­tet worden sei, um so sonderbarer erschi n sie mir. Holme» mußte auf den Gedanken ge­kommen sein, als er an den Lrppen de» Toten roch. Freilich blieb kaum eine andere An­nahme übrig erdrosselt war er nicht, eine Wunde ließ sich auch nicht entdecken. Und doch wo kam das Blut her, da» auf dem Fußboden verspritzt war? E» schien kein Kampf stattgefunden zu haben, wenigsten» war kein« Waffe da, mitlwelcher Drebber seinen Angreifer verwundet haben konnte. Holme» hatte sich wohl schon eine bestimmt» Theorie über den ganzen Vorgang gebildet, da» glaubte ich an seinem ruhigen, zuversichtlichen Benehmen zu erkennen. Auf welche Weise er sich aber die verschiedenen Tatsachen erklärte, die mir so rätselhaft schienen, ahnte ich auch nicht von ferne.

E» war schon spät, al» er zurückkam unmöglich konnte er die ganze Zeit über im Konzert gewesen sein. Da» Essen stand be­reit» auf dem Lisch, und er nahm sogleich Platz.

»Ein herrlicher Genuß!" rief er. »Nicht» übt doch solchen Zauber auf den Menschen au», wir die Tonkunst. Aber, wa» ist un­terdessen mit Ihnen geschehen, Watson? Sie sehen schrecklich angegriffen au». Hat die Ge­schichte in der Brixton-Straße Sie au» dem Gleichgewicht gebracht?"

»Wahrhaftig, ja mehr als ich für mög­lich gehalten hätte. Seit meinen Erlebnissen in Afghanistan, wo ich meine Kameraden in Stücke hauen sah, glaubte ich weniger schwach besaitet zu sein."

»Derartige rätselhafte Vorgänge erhitzen die Einbildungskraft und erzeugen ein leicht erklärliche» Grauen," meinte Holme».In der Abendzeitung steht ein ziemlich auSführ- licher Bericht über die Begebenheit, doch freut mich, daß der gefundene Trauring nicht er­wähnt wird."

»Wieso?"

»Wegen der Anzeige, die ich heute abend in sämtlich« Zeitungen habe einrückrn lassen. Hier, lesen Sie."

Er reichte mir da» Blatt und unter der Rubrik .Gesunden' la» ich folgendes:

»Ein einfacher, goldener Lrauring ist heute früh auf der Brixton-Straße zwischen dem Gasthaus ,zum Weißen Hirsch' und dem Holland-Hain gefunden worden. Zu er

fragen bei Dr. Watson. Baker-Straße 221 d. zwischen 8 und S Uhr abends."

»Sie entschuldigen wohl, daß ich auf Ihren Namen verwiesen habe! Hätte ich

meinen eigenen genannt, ich wäre vor der Ein­mischung des «neu oder andern unserer pro­fessionellen Dummköpfe nicht sicher gewesen."

Wie aber, wenn der Eigentümer sich

meldet? Ich habe keinen Ring, den ich ihm geben könnte."

»Dafür ist schon gesor»t," sagte er, mir einen Ring einhändigen!». »Er gleicht dem andern auf ein Haar und wird dieselben Dienste tun."

»Wer wird sich denn auf die Anzeige hin melden was glauben Sie?"

Natürlich der Mann mit dem braunen Ueberrock unser Freund mit dem roten Gesicht und dem groben Schuhwerk. Kommt er »ich« selbst, so schickt er einen Spießgesel- len."

»Sollte er nicht Gefahr wittern?"

»Bewahre. Und wenn auch meiner Ansicht nach würde er jeder Gefahr trotzen um den Ring wieder zu bekommen. Ich denke mir, er hat ihn verloren, während er sich über Drebber» Leichnam beugte und e» nicht gleich bemerkt. Erst al» er draußen war, entdeckt» er seinen Verlust, und eilte zurück. Da er aber die Lorhrit begangen hatte, da» Licht brennen zu 'affen, fand er die Polizei bereit» an Ort und Stelle. Um keinen Arg­wohn zu erregen, verfiel er auf den Ausweg sich betrunken zu stellen. Nun versetzen Sw sich einmal in seine Lage. Er überlegt sich die Sache und hält e» nicht für unmöglich

daß er den Ring erst verloren hat, nachdem er wieder auf der Straße angelangt war. Wa» ist natürlicher, al» daß er sich in den Abendblättern nach den gefundenen Sachen umsieht er liest unsere Anzeige und ist überglücklich. Warum sollte er fürchten, in eine Falle zu geraten? Er hat nicht den geringsten Grund anzunehmen, daß der Ver­lust des Rings in Beziehung zu dem Mord gebracht werden könnte, und wird sein Eigen­tum abholen wollen. Noch vor Ablauf einer Stunde kann er hier sein."

»Und dann?"

»Dann lassen Sie mich nur mit ihm ver­handeln das ist meine Sach». Sind Sir mit Waffen versehen?"

»Ich habe noch einen alten Revolver und einige Patronen."

Putzen und laden Sie ihn auf alle Fälle; wir haben mit einem verzweifelten Menschen zu tun. Zwar hoffe ich, ihn zu überrumpeln, aber eS ist immer besser, vorbereitet zu sein."

Ich ging in mein Schlafzimmer und folgte seinem Rat. Al» ich mit der Pistole in der Hand wieder eintrat, fand ich Holmes bei seiner Lieblingsbeschäftigung er kratzte auf der Geige.

»Das Netz zieht sich zusammen " sagte er; eben erhalte ich aus Amerika eine Antwort auf mein Telegramm. Meine Ansicht über den Fall war ganz richtig."

»Ja, wa» denken Sie denn eigentlich da­rüber?" fragte ich eifrig. (Fortsetzung folgt.)

Wie die Neujahrsstunde um die Erde wandelt schildert dieLeipz. Ztg." folgendermaßen: Wenn wir in Deutschland nach mitteleuropäischer Zeit Schlag 12 Uhr al» den Wendepunkt des alten und des neuen Jahres betrachten und das »Glück zum Neu­jahr" durch die nächtlichen Straßen schallt, dann ist e» in Warschau bereits */-1 Uhr, in Moskau und Jerusalem bereits '/-2 Uhr, in Kalkutta und in Bombay um 4 Uhr morgens. In Belgrad ist es zu derselben Zeit 12 Uhr 27 Min., in Ofen-Pest 12 Uhr 22 Min., in Wien 12 Uhr 12 Min., in Teheran 2 Uhr

35 Min. früh, in Aokohama 8 Uhr 27 Min. vormittags, in Peking 6 Uhr 54 Min. früh, in Melbourne 8 Uhr 45 Min. vormittags. In Mailand hingegen ist e» erst 11 Uhr 42 Min. nacht«, in Marseille 11 Uhr 2? Min. nachts, in Paris 11 Uhr 15 Min., in London 11 Uhr 6 Min., in Bern und Basel 11 Uhr

36 Min. nachts, in Madrid 10 Uhr 50 Min. abends, in Lissabon 10 Uhr 30 Min abends, in Washington abends 6 Uhr, in Valparaiso 6 Uhr 20 Min. abends, in San Franziska 3 Uhr nachmittags.

Die weibliche Angst vor Mäusen und Ratten ist kürzlich in origineller Wei e von englischen Studenten gegen die Frauenbewegung auSgenützt worden. Die Frauenstimmrechtler- inuen hatten eine Versammlung in Sutton einberufen. Versammelt waren ihrer viele, aber zum Reden kamen sie nicht, denn, o Schrecken, o Grauen, plötzlich wurden einige Mäuse und Ratten ins Lokal geworfen; und statt wohlvorbereiteter Wahlreden hörte man nur gellende Angstschreie und das Gepolter umsallenver Stühle. Um dar Unglück noch voll zu machen, streute die studierende männliche Jugend Pfeffer, sodaß man in dem allgemeinen Genieße nicht einmal mehr seine eigenen Worte verstehen konnte. Das war zu viel! Nahezu eine Stunde leisteten die Frauen Widerstand, aber dann zogen sie alle lieber den Weg ins Freie dem zwischen quetschenden Mäusen vor.

St«ndest)ir<H-KHronik der Stadt Wildbad vom S7. Dez. 1907 bi» 3. Jan. 1908 Geburten:

3. Jan. Haag Johann Jakob, Holzhauer in Nonnen- miS, 1 Sohn.

Aufgebote:

30. Dez. Weide, Artur, Martin, Felix, Steindrucker in Sindlingen und Frank Katarina, in Sind­lingen.

2. Jan. Gall Christian Heinrich, Hausmeister hier u. Mohr Rosine, Luise, iu Simozheim'