genommenen, von Prof. Dr. Vogel aus Stuttgart ausgeführten Sektionen ebenfalls alle Merkmale einer schweren Bluterkrankung, welche jedoch mehr Ähnlichkeit mit jener Blutzersetzung hat, welche infolge Abscheidung des Blutfarbstoffs der Blutkörperchen unter dem Namen Hämoglobinämie schon länger bekannt ist, und sich durch Lähmung des Hinterkörpers und Abgang von sehr dunkel gefärbtem Nierensekret kennzeichnet. Die neue Erscheinung hat in Baden schon größere Verheerungen angerichtet und wurde in dem tierhygienischen Institut in Freiburg i. Br. ^als eine infektiöse Rückenmarksentzündung erkannt, die durch einen bis jetzt nicht bekannt gewesene Diplococcus tzervorgerufen wird. Derselbe findet sich zahlreich in allen Organen, am meisten im Lendenteile des Rückenmarks und im Marke einiger Röhrenknochen des Hinterteils. Er hat die Eigentümlichkeit, nicht nur eine durch ausgebreitete kleine Blutungen in fast allen Organen gekennzeichnete septische Zersetzung der Säftemasse zu erzeugen, sondern auch den roten Farbstoff der Blutzellen in schwarzes Pigment umzuwandeln, er wurde daher als Ltroptoeooerw wslgmoKsrws bezeichnet. Besonders auffallend ist die Schwarzfärbung des Knochenmarks in obengenannten Röhrenknochen. Als erste Folge tritt Verminderung der Empfindlichkeit im ganzen Hinterkörper mit rasch nachfolgender Lähmung ein. Nachdem alle Heilmittel sich als erfolglos erwiesen haben, und eine weitere Verbreitung in unserm Lande zu befürchten steht, wird es notwendig, auf die obengenannten Merkmale ein vermehrtes Augenmerk zu richten und rechtzeitig Hilfe zu suchen, um wenigstens dem Umsichgreifen der perniziösen Krankheit möglichst Einhalt zu gebieten. Die weitere Ur« suchen derselben konnten bis jetzt noch nicht erforscht werden.
Friedrichshafen, 30. Aug. Gras Zeppelin wird im Laufe des nächsten Monats mit dem Bau eines neuen Ballons beginnen, der sein jetziges Luftschiff noch an Größe übertreffen wird. Tie einzelnen Teile des neuen Fahrzeuges find bereits bei Manzell aufgestapelt. Die Probefahrten mit dem neuen Luftschiff werden voraussichtlich Ende Septbr. beginnen. An Neuheiten zeigt dasselbe außer Veränderungen des Steuers auch Anwendung eines Scheinwerfers und die Einrichtung einer Telefunken-Stalion. Wie es heißt besteht die Absicht, die Probefahrt, an der etwa 10 Personen teilnehmen werden, bei günstiger Witterung bis nach Stuttgart und zurück auszudehnen.
Vi 1 lingen, 20. Aug. Ein ganz gewaltiger Schwindel ist bei dem in Villingen abgehaltenen Schützenfest noch gerade zur rechten Zeit glücklich aufgedeckt worden. Der 2. Schützenmeister des Villinger Schützenvereins, der bereits aus der Gaufestscheibe den vom Fürsten von Fürstenberg gestifteten Silberpokal im Wert von 500 Mk. erobert hatte, schien auch auf zwei anderen Festscheiben ein ganz auffallendes Glück zu haben. In Schützenkreisen war man über die Treffsicherheit des glücklichen Schützen umsomehr stutzig, als der neblige Morgen das Ziel nur schwer erkennen ließ. Angestellte Recherchen führten denn auch zu dem überraschenden Ergebnis, daß der zweite Schützenmeister mit dem Zeiger, seinem eigenen Gesellen, heimlich im Einvernehmen stand und durch letzteren nach abgegebenem Schüsse mittels eines spitzen Gegenstandes die Scheibe durchstechen ließ. Der Zeiger legte ein offenes Geständnis ab. Selbstverständlich wurden dem unehrlichen Schützen die ihm bereits zuerkannten Preise wieder entzogen und die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung übergeben. Aus dem Gauverband, wie auch aus dem Deutschen Schützenverband wurde der wackere Nimrod bereits ausgeschlossen. Der Fürstenberg-Preis ist vom Preisgericht nachträglich Herrn Frank von Hüfingen zuerkannt worden.
Baden-Baden 31. Aug. In hem Hauptrennen um den großen Preis von Baden gewann den 1. Preis von Baden der F. H. Hamurabi des Kgl. Preuß. Hpt. Gest. Grabitz, mit 10 Längen den 2. (5000 Mk.), Mons. A. Aumonts F. H. Pernord den 3. (3000 Mk.),
Mons. Jean Sterns F. H. Mont Monale. Der große Preis ist somit in diesem Jahr in Deutschland geblieben.
Baden-Baden, 2. Sept. In ein hies. Hotel drangen nachts Diebe ein und stahlen der Baronin Ephrussi aus Wien Schmucksachen im Werte von 90 000 Mk., und dem Baron Goldschmidt-Rotschild, Paris, die Barschaft von 100000 Franken. Der Direktor des Hotels glaubt, daß Hotelgäste die früh abreisten, den Diebstahl begangen haben.
Baden-Baden, 1. Sept. Die bekannte Villa Seelach ist durch Kauf in das Eigentum des Besitzers des Hotels „Stefanie", Camille Brenner übergegangen. Die Villa ist von dem Pariser Architekten Olive erbaut, der auch die Pläne zum hiesigen Theater lieferte. Kaiser Wilhelm I., Kaiserin August« und alle Fürstlichkeiten, die Baden in den 60er bis 80er Jahren besuchten, haben als Gäste in der herrlichen Villa geweilt.
Kreuznach. Ueber die zur Verhinderung des Staubes angewandte Teerung der Straßen berichtete der städtische Baurat in der Stadtratssitzung. Die Durchdringung der Packschicht mit Teer hat sich nicht bewährt, dagegen ergab die Besprengung der Oberfläche mit Teer das gewünschte Resultat. Die Kosten belaufeu sich auf 3 Pfg. für das Quadratmeter Die Probestrecken haben sich in diesem Sommer bei lebhaftem Fährverkehr so? gut bewährt, daß Stadt u. Provinz im nächsten Jahre das Verfahren in größerem Umfange anwenden werden.
Berlin, 2. Sept. Der Kaiser hat eine Begnadigung des sogen. Hauptmanns von Köpenick abgelehnt.
Landau (Pfalz), 30. Aug. Die hiesige Strafkammer verurteilte den Winzer Jakob Lang von Rhodt wegen Weinsälschung zu 2 Monaten Gefängnis und 3000 Mk. Geldstrafe.
Kopenhagen, 30. Aug. Prinz Georg von Griechenland verlobte sich mit der Prinzessin Maria Bonaparte. (Prinz Georg von Griechenland ist der zweite Söhn des Königs Georg I. Er ist am 12. Juni 1869 zu Korfu geboren, bekleidet den Rang eines Vizeadmirals der griechischen, dänischen und russischen Flotte und ist besonders bekannt geworden als ehemaliger General-Kommissär der Großmächte aus Kreta. Die Braut ist die Tochter des Prinzen Roland Bonaparte und dessen zweiter Gemahlin Marie Felic Blanc. Sie ist geboren am 2. Juli 1882.
— Das Unternehmen der Franzosen in Marokko schwillt diesen unter den Händen auf. Schuld jdaran ist zweifellos die unüberlegte und übereilte Schärfe bei dem Vorgehen gegen Casablanca, das den ohnedies schon vorhandenen Haß der Marokkaner gegen die Franzosen in Helle Flammen hat ausbrechen lassen. Mit 5000 Mann, so hatte es anfangs von amtlicher französischer Seite geheißen, werde General Drude in der Lage sein, der ihm gestellten Aufgabe vollauf zu genügen. Nun sind schon 6000 daraus geworden, und wer möchte bürgen dafür, daß es dabei sein Bewenden haben werde? An die Nachrichten von einer angeblichen Bereitwilligkeit des neuen Sultan- Prätendenten, Mulay Hafid, sich mit den europäischen Mächten aus Verhandlungen über Ge- nugtuung nud Sühnung der Morde vom 30. Juli einzulassen, glaubt doch niemand recht, schon aus dem Grund nicht, weil Mulay Hafid sich damit gerade die Wurzeln ferner Popularität abgraben würde. Es ist viel wahrscheinlicher, daß, wenn Mulay Hafid vor Casablanca erscheint, er dies mehr als grimmiger Feind, denn als Vermittler tut. Dann heißt es aufs neue: Verstärkungen. Und was die Marokkaner nicht fertig bringen sollten, das wird die vorwärts drängende Kriegspartei tun, die offenbar am Werk ist, weniger vielleicht in Regierungskreisen zu Paris, sicher aber im Heer und in der Flotte vor Casablanca. Vorerst liegt aus Paris eine halbamtliche Meldung vor, in der es heißt: General Drude verfüge zurzeit über annähernd 4500 Mann. Die Entsendung von 2 Bataillonen zu je 800 Mann werde den Effektivbestand auf 6000 Mann bringen. Hiezu komme die Artillerie der französischen Schiffe, welche sich augenblicklich in
Marokko befinden. In amtlichen Kreisen wisse man über die Absichten Mulay Hafids nichts. General Drude könne jetzt seine Tätigkeit bis auf 20 oder 30 Irin längs der Küste ausdehnen dabei handle es sich aber keineswegs um ein Vordringen ins Innere, denn der Gedanke, sich aus eine Eroberung Marokkos einzulassen, sei der französischen Regierung niemals gekommen.
„Frau Torr".
Erzählung von I. Jobst.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Ihr Bruder kam mit dem jungen Paare aus der Kirche, wo sie dem Sylvestergottesdienst beigewohnt hatten, um nun im stillen Kreise das neue Jahr zu erwarten.
Auch Frau Hummel, die es sich nicht hatte nehmen lassen, mit dem neuen Mädchen, Rickes Nachfolgerin, das Festmahl zu richten, und Kutscher Siegfried durften dabei nicht fehlen. Und so sprach man denn bald darauf den Tafelfreuden sowohl oben bei der Herrschaft, als unten im Küchenrevier in heiterster Stimmung zu, und die Kochkunst der Frau Hummel wurde dabei gebührend gelobt.
Die alte Standuhr kündete die elfte Stunde als man sich am brennenden Kamin zusammenfand zu traulichen Gesprächen, indessen Siegfried die dampfende Punschbowle auftrug gefolgt von Frau Hummel, die allerlei frische Backware auf dem runden Tisch einladend ordnete.
Das Brautpaar zündete eben die letzten Lichter am Weihnachtsbaum an, als der Forstmeister der strahlenden Braut zuflüsterte:
„Lore, was gibst du mir, wenn ich mir heute noch einen Kuppelpelz verdiene?"
Lore mußte lachen.
„Du hast ja schon Uebung in solchen Dingen, Onkel Forstmeister, aber ich kann dir nicht'abraten, denn ich finde es steht dir besonders gut, du bist um zwanzig Jahre jünger geworden. Und auf einen Kuß soll es mir nicht ankommen."
„Nun hören Sie einmal, Schulz, welche Fortschritte Ihre Braut im Küssen macht. Das wird ja ganz ängstlich Ueberhaupt finde ich, daß schlechtes Beispiel gute Sitten verdirbt- Rette sich, wer kann. Was meinen Sie, alter Siegfried?"
Schmunzeld wandte sich der Forstmeister an den alten Kutscher, der mit Wohlgefallen zu seiner glücklichen Herrin hinsah indessen Frau Hummel wieder heimlich an den Augen wischte, die ihr stets feucht wurden, wenn sie ihr Engelskind so vor sich sah als glückstrahlende Braut.
„Ich meine, Herr Forstmeister, daß alle Frauenzimmer heiraten müssen. Das ist so von unserem Herrgott eingerichtet, und das ist auch gut", bekräftigte oer Alte.
„Hm", erwiderte Braun launig, „und die Mannsleute Siegfried? Was meint Ihr zu denen ?"
Siegfried brummte: „Die können auch so durchs Leben kommen."
„Meinen Sie, alter Knabe?" Der Forstmeister sah ihn scharf an, als er sortfuhr: „Was mich betrifft, so sorgt meine Schwester, seitdem der liebe Gott mir meine Frau nahm, so gut führ mich, daß ich wohl beraten bin. Aber wie das mit Ihnen werden soll, wenn Frau Hummel mit der künftigen Frau Forstassessor fortzieht, das will ich lieber nicht weiter ausmalen."
Siegfried sah ganz verstört den Sprechenden an und dann Frau Hummel, die glühend rot wurde und vor lauter Verlegenheit den Zipfel ihrer knisternden schwarz-seidenen Schürze aus alter Gewohnheit an die Augen führte. Lächelnd blickten die Anwesenden auf das alte Paar, sie wußten nun, worauf der Forstmeister lossteurrte, und um ihn zu unterstützen, zogen sie sich an den Kamin zurück und waren bald in ein eifriges Gespräch vertieft.
Der Forstmeister fuhr derweil eindringlich fort.- „Ja da gibt es kein gemütliches Kaffeestündchen mehr und abends keinen steifen Grog zu zweien. Denn wenn Sie auch dank der