Nr. 138.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

84. Jahrgang.

' Irsch slnuriu <»«,(«> S «at »Schentl. «lnzrlgrnpreiS; Li« kleinspaltige Zeile Ä) Pfg., s - kenanien M Pfg. Schluß ber Anjelgenannahm« S Uhr vvrmittag«. Fernsprecher S,

Freitag den IS. August 1918.

VeziigSpreiS: In der Stadt rntt LrÜgerlohn Mk. 8.30 vierteljährlich, PostbezugspreiS tm Orttz- u. NachbaroNSverkehr Mk. 8^0. tm Fernverkehr Ml. 3.60, Bestellgeld UZ Pfg.

Ae ErriWnz der WWWH

romiiWn WeSlhmMft.

Während wir uns zum Gaudium und Vorteil unserer Feinde »darüber streiten, ob im Herbst 1917 ein für Deutschland an­nehmbarer Frieden möglich gewesen wäre, während unsepp /Wirtschaftsleben infolge der Kohlen- und anderer Streiks zu- Isammenzubrechen droht, während unser nationales Leben in­folge der dauernden einseitigen Parteiagitationen, die ein »Gemeinschaftsgefühl nicht aufkommen lassen, totkrank darnte- drrliegt, schreiten die Hauptmächte der Entente dazu, ihre /Ziels zu verwirklichen, die sie mit der Nisderkämpfung ihres ui>bequemen wirtschaftlichen und politischen Gegners verfolgt hatten: die Errichtung der angelsächsisch-romanischen Welt­herrschaft. Bekanntlich haben England, Frankreich und Namentlich Amerika den Krieg gegen Deutschland nur geführt, .-m den preußischenMilitarismus" und dieWeltherrschafts- -lüste" der Kohcnzollern zu bekämpfen, und wir haben in Deutschland selbst ja noch leider allzuviel Volksgenossen, die Lauben, Deutschland sei an diesem Kriege schuld gewesen, ^eil sie sich nicht die Mühe nehmen oder nehmest wollen, dar­über nachzudenken, wie de? Krieg eigentlich entstanden ist. Nicht durch das Ultimatum an Serbien entstand der euro­päische Krieg, sondern durch das Bestreben Frankreichs, Elsaß- Lothringen wiederzugcwinnen, durch das Bestreben Rußlands, die Dardanellen in seinen Besitz zu bekommen, und diesen beiden Begierden, war England entgegengekommen, um sein eigenes Ziel, Deutschland als wirtschaftlichen und weltpoli­tischen Konkurrenten zu beseitigen, zu erreichen, und gleichzeitig lein Kolonialreich von Aftika bis Indien zu ergänzen. Der Kricgsplan Englands begann feste Gestalt anzunehmen, als es sich, nachdem es die Japaner kurz vorher gegen Rußland interstützt hatte, mit den Russen 1997 über die Teilung Per- iens verständigte, was abet auch nur mit dem inneren Vor- xhalt einer endgültigen Lösung zum Vorteil Englands in einem späteren Zeitpunkte geschah. Viele Russen yjxrkten die clbsicht, ober England arbeitete mit einer gekauften Presse and mit sonstigen großen Geldmitteln und der russische Pansla­wismus ging, dem perfiden Albion ins Garn. Der zweite Schritt war die endgültige Abtrennung Italiens vom Drei­bund, indem man ihm den Tripolisfeldzug mit späteren Ans­ichten auf österreich-ungarisches Gebiet und Albanien geneh­migte. Der dritte Schachzug war die Forcierung der Marokko- »L-rlegenheil, in der Frankreich die Sicherheit erhielt, daß -> aus England unter allen Umständen rechnen kann. Die vierte Vorarbeit bestand in der gemeinschaftlichen Jnszenie- -ung des Balkankriegs durch Rußland und Frankreich, um die Türkei als Bundesgenossen Deutschlands abzuttennen, und es .Er di« geplant« Verteilung reif zu machen. Selbstverständ­lich hielt sich England in allen diesen Fällen mit Ausnahme »er Marokkofrage politisch im Hintergrund, um den deutschen Echel nicht schließlich doch von seinem Schlaf zu erwecken, «ber so vorsichtig hätte Herr Crey nicht sein brauchen; denn »enn die deutschen Diplomaten bis 1812 nichts gemerkt hatten, >o war ihr politischer Instinkt eben in der Tradition erstarrt, und daß das der Fall war, bewies die Tatsache, daß England oir ganze Welt gegen Deutschland anfbringen konnte. Als m» Netz gespannt war, kam der Mord von Serajewo, der tät­licher im Einverständnis mit der Entente geschah, und zwar aus dem Grunde, um sowohl Italien als auch Rumänien, Hessen Staatsmänner ebenfalls ohne Wissen der deutschen Diplo­maten im Bunde mit der Entente standen, die formale Mög- t zu schaffen, ihre VLndnispslicht zu verweigern. Denn sowohl mit Italien wie mit Rumänien hatten die Mittel­mächte sogen. Dcfensivverträge. Die'beiden Mächte konnten ich also damit herausreden, daß Oesterreich-Ungarn deran- greisende' Teil sei, durch das Ultimatum an Serbien, das >rst das Eingreifen Rußlands verursacht habe.

'^-1 trat.nur mit den besten Aussichten in den Krieg, der r. Drrin^-tung der unbequemen deutschen Militärmacht, dis -- ftösung der österreich-ungarischen Monarchie und die Der- «eilung des türkischen Reiches zum Ziele hatte. Zwar hatte man mit ernstem deutschen Widerstand gerechnet, aber so furcht- . r hatte man sich die Kraft und Zähigkeit des deutschen ni: t vorgestellt. Und so wußten die Neutralen ebcn- i. >,e> ind-'in sie in die Blockade gegen Deutschland

sie,. . wurden. Die moralisch berechtigten deutschen -enniaßnahmen ob sie politisch klug waren, ist eine andre 5rnge gegen den völkerrechtswidrigen Aushungerungskrieg Nesrn die Amerikaner auf den Plan, dis ihre Sympathie für

die Entente schon lange durch Kriegsliefoaungen und Anleihen betätigt hatten, und die schließlich daran interessiert waren, daß Deutschland den Krieg nicht gewann. So mußte das deutsche Volk zugrundegehen, und die Revolution, so bedauer­lich sie in dem Sinne ist, als sie uns vollends den Feinden auf Gnade und Ungnade auslieferte, war nur die natürliche Reaktion auf die übermenschlichen Anstrengungen und Ent- Entbehrungen des deutschen Volkes.

Die Entente aber hat ihr Ziel erreicht. Elsaß-Lothringen gehört den Franzosen mit der Aussicht auf die Derwelfchung des linken Rheinufers, dazu noch Syrien und deutsches Kolonialgebict. Die Italiener haben Siidtirol, Trielt und große Einflußsphären auf dem östlichen Adriaufer, sie be­kommen wieder Tripolis und wohl sonst noch Gebiete aus dem Kadaver des türkischen Reiches, die Engländer haben die deutsche Kriegs- und Handelsflotte vernichtet, sie stecken den größten Teil der deutschen Kolonien in Afrika ein, sie nehmen Aegypten, Palästina, Mesopotamien und nach neuesten Nach­richten auch noch das wehrlose Persien und Afghanistan in ihr Riesenkolonialreich auf, alles das nur, um derFreiheit der Völker" zuin Siege zu verhelfen.

Die merkwürdigste politische Erscheinung dieses Krieges aber ist -er Eintritt Amerikas in europäische Politik nicht nur durch , das offizielle Bündnis mit Frankreich gegen Deutsch­land, sondern vor allem durch die Besitznahme großer Er­biete zwischen Afrika und Asten, die vordem zur europäischen Einflußspäre gehört haben. Es handelt sich um Arabien, Transkaukasten und Armenien, also ein zusammenhängendes Gebiet, das vom Arabischen bis zum Schwarzen Meer reicht. Die Amerikaner werden selbstverständlich dort Truppen unter­halten und es wird sich eine englisch-amerikanische Inter­essengemeinschaft dort bilden, aber nicht nur um die dortigen Völker zu beherrschen und auszubeulen, sondern dieses amerika­nischeVerwaltungsgebiet" wird zum strategischen Stützpunkt gegen Rußland und Japan ausgebildet werden, wäh­rend Frankreich und Italien, sowie die verhätschelten Polen Europa im Schach zu halten haben. So siebt die Welt heute ohne den Schleier der angelsächsischen Heuchelpropaganda aus, und wer sein Aüge absichtlich von diesen nackten Tatsachen ab­wendet, das ist entweder ein Schlafwandler oder ein Idiot, ober aber ein deutscher Pazifist. 0 8-

»

Das sozialistische Hanplorgan zur Abrüstungsfrage.

Berlin, 15. August. ImVorwärts" wird di« Frage aufge­worfen, ob wir auf dem Wege zur Abrüstung uns befinden und ge­sagt: Di« Entente hat ihr Ziel erreicht. Die gewaltigste Kriegs­maschinerie der Welt ist gebrochen und der brutale Gewaltfrieden, den die Feinde unZ aufgezwmMN haben, ist ein Mt schnöder im­perialistischer Vergewaltigung, um Deutschland dauernd zur Ohn macht zu verdammen und ihm die spezifische Heeresorganisation der Demokratie zu rauben, die allgemeine Wehrpflicht. Hierbei von Ab­rüstung zu reden, ist elende Heuchelei, denn die erste Voraussetzung wäre völlige Gegenseitigkeit. Die siegreichen Mächte denken aber gar nicht daran, auch bei sich abznrüsten. Frankreich und Amerika rüsten im Gegenteil munter weiter.

Der Friedensvertrag im französischen Senat.

Versailles, 14. August. Der Friedensausschuß des Senats hörte gestern den Schluß des Berichts des Senators MillieS-Lacroix über die Finanzen und dir Wiedergutmachungen, alsdann den Finanz­minister Klotz und den Minister für den wirtschaftlichen Wieder­aufbau, Loucheur. Die Minister erläuterten im einzelnen den fi­nanziellen Mechanismus, den die Friedenskonferenz auSgearbeitet hat, um die vollständige Erfüllung der Verpflichtungen Deutschlands sicherzustcllrn. Sie betonten ausdrücklich, daß Deutschland die Summe, dir die WiedcrgntmachungSkommission fcstlegen werde, rest­los bezahlen müsse. Die Minister sprachen sich auch über die Maß­nahmen ans, die die alliierten und assoziierten Regierungen getroffen haben, nm die restlose Ausführung der Deutschland aufgezwungcuen Verpflichtungen sichcrzujikllen. Man steht, der französische Haß gegen Deutschland ist unergründlich.

Auch Persien unter englischer Oberherrschaft.

Versailles, 15. August. In auffallender Weise verbreiten TcmpS" undJournal des Debüts" die Nachricht, daß der Schah von Persien infolge eines mit England abgeschlossenen Abkommens und der deshalb in Teheran entstandenen Unruhe nach Europa abgcrcist sei. Durch das Abkommen wird Persien, obwohl ihn« Un­abhängigkeit und Integrität zugesiandcn worden ist, unter englisches Protektorat gestellt. Die persischen Finanzen «>ü» die persisch« Armee kommen unter englische Kontrolle. England stellt Instrukteure und liefert modern« Waffen. Kein Staat außer ihm dark Beamte nach

Persien entsenden. England gewährt Persien eine Anleihe von un­gefähr einer Milliarde Francs, leistet aber vorerst nur zwei Million neu Pfund Sterling Anzahlung, eine Summ^ die dasJournal des DebatS" als in keinem Verhältnis zu der politischen Bedeutung deS Vertrages stehend bezeichnet. England sagt Persien auch Bei­stand zu, um Geldentschädigungen, sowie territoriale Wiederkerftel- lungen zu erlangen, die im gemeinsamen Jntäscsse Englands und^ Persicnö liegen. Die persisch« Delegation, die sich, seit Januar iw Paris befindet, ist aufgelöst worden. Zum neuen persischen Ministe» des Aeußern wurde Prinz Firouze Mirza ernannt, der das Abkom­men unterzeichnet hat und den Schah auf seiner Reise nach Europa begleitet.Temps" stellt fest, daß die Forderungen der persischen. Regiening an die Friedenskonferenz niemals weder von dem Ober­sten Rat der Alliierten noch von der interalliierten Komission behan­delt worden seien.Journal des Debets" bemerkt, Persien füge sick, nunmehr in das englisch-indische System ein. Die englisch-indischen Agenten hätten diesen Vorstoß machen können, denn in dem leeren Raum, den sie- vor sich hätten, baue sich das neue britische Protektorat aus. Während sich die Friedenskonferenz, ohne Entscheidungen zu finden, um die Proöelme Mitteleuropas bemühe, erziele eine Poli­tik, die wisse, welche sehr großen Vorteile sie ans dem Kriege ziehen könne, Erfolge und verwirkliche große Veränderungen im Orient. Journal des DebatS" hofft, daß Frankreich durch Zugeständnisse in anderen Teilen des Orients werde entschädigt werden. ES spricht aber seinen Wunsch resigniert aus. Wie sagten doch die Engländer und Franzosen: Sie wollten die Welt von dem deutschen (!) Mili- täriSmus und Imperialismus befreien.

Die amerikanischen Absichten ans Armenien und Teanskank-rften.

(WTB.) Paris, 14. Aug. (Reuter.) Der amerilanisch«" General Harbord und zwei weitere amerikanische Generals begeben sich demnächst nach Armenien und Transkaukasten, um Untersuchungen darüber anzustellen, welche Verpflichtungen eine Uebcrnahme des Landes mit sich bringen würde.

Zur Sicheren Lüge.

Deutsche Vorschläge zur Ablieferung

der FrscheeLtfatzLsLAge.

(WTB.) Versailles, 14. Aug. Gestern fand zwischen den deutschen Regierungsvertretern und Fischereisachverständig« einerseits und den Ententevertretern andererseits eine Be­sprechung über die Ablieferung der Fischereifahrzeuge statt. Deutscherseits wurde das Angebot gemacht, ein Viertel der nach' dem Friedensvertrag abzuliesernden Fahrzeuge innerhalb de», vorgeschriebenen 60 Tage nach dem Inkrafttreten des Ver­trags zu übergeben und drei Viertel der abzulieferaden Fahr­zeug« nach den Wünschen der Entente auf deutschen Werste« neu zu bauen. Dieser Vorschlag hat für Deutschland den Vor­teil, daß unsere Fischerei keine Unterbrechung zu erleiden brauchte und bietet der Entente den Vorteil, anstatt älterer für sie unbrauchbare Fahrzeuge modern', nach eigenen An­gaben gebaute zu erhalten. Der Vertreter Frankreich» fragte, ob Deutschland damit einverstanden sein würde, daß die neu zu bauenden Schiffe insgesamt als Dampfer gebaut wev den. Der deutsche Vorsitzende sagte dies zu. Die Vertreter der Enienteregierungen erbaten schriftliche Uebeireichung d« Vorschlags. ^

Die englische Regierung und die deutschen Kriegsgefangenen.

(WTB.) Amsterdam, 14. Aug. Englischen Blättern vonp 12. d. Mts. zufolge erklärte Bonar Law auf die Frag« Kenwocthys, welche Schritte unternommen würden, um di« deutsche,r Kriegsoefanaenen in England jetzt, wo die deutsch« Regierung den Friedensvertrag genehmigt hebe in ihre Kei­nmal zurückzubefördern, daß die Gefangenen so bald wie mög­lich nach der Ratifikation des Friedensvertrages hesmbrsörd<rk werden. Dies sei jedoch eine Angelegenheit, die dem Friedens- Vertrag zufolge gemeinsam mit den Alliierten behände!^ werden müsse. ^

Wie die FrmnsLn im besetzten Gebiet und in Elsaß-Lothringen Hause«.

Berlin, 14. August. DerAbend" meldet aus Kreuznach: Di» französischen Militärbehörden haben das Singen vaterländische» Lieder bei Schulausflügen verboten. Größere Ausflüge mit der Eisenbahn müssen vorher genehmigt werden. Wie dasselbe Blatt aus Karlsruhe berichtet, haben die Franzosen das Kaiser Friedrich» Denknral in Wörth, sowie vierzehn deutsche Kriegerdenkmäler durch Dynamit gesprengt. Schon vorher hatten sie Kriegerdenkmäler i» Straßburg, Metz, Saint Privat und anderen Orten zerstört. Allein tm Kehler Vrücksnkopfgebiet find innerhalb weniger Wochen vier Leirkinisler u»d Stands! guren ehemaliger Kais« schwer beschädigt