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Hir;u: Illustriertes SonnLagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremdenliste.

Nr. 5-

Samstag, den 12. Januar 1907.

43 Jahrgang.

Stuttgart, 8. Jan. DasNeue Tagbl." schreibt: Der Teilhaber der Firma Truchseß u. Saile, Glashandlung, Kaufmann Emil Truch­seß, hat sich der Staatsanwaltschaft gestellt unter der Selbstbezichtung, erhebliche Summen von Wechseln gefälscht zu haben. Die Fälschun­gen geschahen in äußerst raffinierter Weise und in großem Umfange, soweit bis jetzt feststeht in Höhe von 80009 Mk. An diesem Betrag ist eine Reihe hiesiger Privatbankiers mit be­deutenden Summen beteiligt (in einem Falle mit etwa 40000 Mk). Es besteht Aussicht, daß die beteiligten Firmen nicht große, viel­leicht auch gar keine Verluste erleiden werden, da der andere Teilhaber der Firma Truchseß und Saile ziemlich Vermögen besitzt und zur Deckung der Fälschungen herangezogen werden dürfte. Die Untersuchung der Angelegenheit durch die Staatsanwaltschaft ist eingeleitet.

Stuttgart, 10. Januar. Gutsbesitzer Adlung auf dem Sindlingerhof, OA. Herren­berg, hat die ihm vom Bund der Landwirte angebotene Reichstagskandidatur für den 7. württembergischen Wahlkreis (Calw, Neuenbürg, Nagold, Herrenberg) angenommen.

Stuttgart, 8. Januar. In einer am Montag abend in der Karlsvorstadt Heslach abgehaltenen Bezirksversammlung der Sozial­demokratie wandte sich der Abgeordnete Hilden­brand in scharfen Ausführungen gegen die Volkspartei wegen des Abkommens, das sie für einige Reichstagswahlkreise mit der Deutschen Partei getroffen hat. Auf einen Zuruf, welche Haltung die Sozialdemokratie bei den Stich­wahlen einnchmen werde, anwortete Hildenbrand: Wir werden uns keinen Augenblick Gewissens­bisse darüber machen, die paar volksparteilichen Mandate in der Versenkung verschwinden zu lassen. So unangenehm es sein mag, wenn das Zentrum ein Mandat mehr bekommt, so wenig werden wir das verhindern können, wenn die Volkspartei nicht davor zurückschreckt, unsere Mandate anderen Parteien zuzuschanzen. Die Volkspartei wird die Erfahrung machen, daß sich die Sozialdemokratie von demokratischen Führern nicht an der Nase herumführen läßt. Das ist ja das Lustige, daß erst vor 3 Wochen die Volkspartei in ihrer Höllenangst ihre Zu­flucht zu uns nehinen mußte; es ist das gewiß der Gipfel politischer Demoralisation, aber es ist eben volksparteilich und man muß sich daran gewöhnen."

Berneck, 8. Januar. Ein großer Leichen­zug bewegte sich gestern nachmittag durch unsere Stadt, galt es doch der hier allgemein beliebten Patronatsherrin Freifrau Luise von Gültlingen, Witwe des 1898 verstorbenen Erbkämmerers und Landgerichtsdirektors, welche am 4. d. M. im Alter von 63 Jahren in Stuttgart bei ihrem Sohne Konrad Freiherr von Gültlingen, Geh. Legationsrat und Kabinettsekretär Seiner Majestät des Königs, nach längerem Leiden starb, die letzte Ehre zu erweisen. Die Ver- storbene wollte hier im Familiengrab mit ihrem im Tod vorausgegangenen Gemahl vereint sein, und wurde von ihren Hinterbliebenen hieher begleitet. Der Sarg wurde mit der Bahn

heute nachmittag 2Vi Uhr hieher gebracht und in den Trauerwagen gehoben, von wo aus sich der nicht enden wollende Trauerzug auf den Friedhof bewegte. Nach erhebendem Gesang von Lehrern hielt Stadtpfarrer Müller eine ergreifende Grabrede, in welcher er der vielen Wohltaten der Entschlafenen gedachte und um welche edle Wohltäterin nicht nur die hiesigen Armen, sondern auch die ganze hiesige Gemeinde und noch viele Hunderte anderwei­tige Arme trauern. Auch von auswärts war die Beteiligung ain Gang zu ihrer letzten Ruhe­stätte eine ausnahmsweis große.

Tübingen, 10. Januar. Der akademische Senat hat heute vormittag Prof. vr. Rümclin zum Vertreter der Landesuniversität in der Ersten Kammer gewählt.

Tübingen. Die Strafkammer verurteilte den Fabrikarbeiter Friedrich Burkhardt von Oberreichenbach wegen Urkundenfälschung zu 7 Wochen und dessen Ehefrau, die einen Burter- und Eierhandel treibt, zu 4 Wochen Gefängnis. Betreffs eines Darlehens der Kreditbank in Calw hatten sie noch einen 2. Bürgen hinsicht­lich 650 Mk. zu stellen. Die Frau Burkhardt hatte die Unterschrift des Bürgen gefälscht und Burkhurdt hatte sie beglaubigen lassen. Durch diese Manipulation gelang es ihnen 200 Mk. bei der Kasse zu erschwindeln. Beide sind schon vorbestraft, sodaß die Strafe noch milde ausgefallen ist. Die 450 Mk. hatten sie schon früher erhalten.

Pforzheim, 10. Jan. Ein schweres Un­glück ereignete sich heute nachmittag in der Durlacher Straße. Eiu Gerüst an einem 4- stöckigen Hause brach plötzlich zusammen. Die auf demselben beschäftigten Arbeiter, 2 Mau­rer und 2 Flaschner, stürzten aus einer Höhe von ca. 20 Meter in die Tiefe, wodurch sie sich alle schwere Verletzungen zuzogen und es Zweifelhaft ist, ob sie mit dem Leben davon­kommen. Das Unglück ist vermutlich durch den Bruch eines morschen Balkens herbeigeführt worden.

Pforzheim, 9. Januar. Unweit des Nieserner Bahnhofs ereignete sich gestern ein Unglück. Als nachmittags der Güterzug um halb 4 Uhr von Pforzheim kam, war der Bahn­wärter Reinhardt unterhalb des Niefener Bahn­hofs auf der Strecke mit Anziehen von Schrauben an den Schienen beschäftigt. Er hörte den Zug nicht herankommen und wurde von demselben überfahren, sodaß er sofort tot war. Reinhardt war schon 72 Jahre alt.

Baden-Baden, 9. Jan. Die Gesamt­einnahme der Kurtaxen beträgt im Jahre 1906 135 319 Mk. gegenüber dem Jahre 1905 mehr 4177 Mk.

Heidelberg, 11. Jan. Von der hiesigen Strafkammer wurde heute der Hoftheaterinten­dant Joachim Gans Edler Herr zu Putlitz aus Stuttgart und Redakteur Or. Karl Piper von Stuttgart wegen eines am 23. Okt. v. I. beim Speyrer Hof hier ausgetragenen Duells mit. 2maligem Kugelwechsel zu 4 Monaten Festungs­haft und in die Kosten verurteilt. j

Vom Schwarzwald, 9. Januar. Der' Schnee im Gebirge ist teurer als in den Städ­ten. Aus Schönwald berichtet dieFreib.'

Ztg.",'ooß dieser 1700 Einwohner zählende Ort in schneereichen Wintern für Offenhalten der Straßen die unverhältnismäßig hohe Summe von 4000 Mark aufwenden muß. Neulich waren 140 Schneeschaufler mit einem Taglohn von je 2 Mark nötig, sogar der Bahnschlitten mit seinen 8 Pferden mußte herausgeschaufelt werden. Jede Fahrt des BahnschlittenS kostet 45 Mark. Ichönwald zahlt für seinen Schnee nahezu so viel ivie für seine Schule.

Berlin, 9. Januar. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt zu dem Tode des Schahs in Persien:Der verstorbene Schah war ein Freund Deutschlands. Sein nach langem schwerem Leiden erfolgtes Ableben wird bei uns aufrichtig beklagt werden. Wir hoffen, daß die guten Beziehungen zwischen dem Deut­schen Reiche und Persien auch unter der Re­gierung seines Nachfolgers fortdauern werden in demselben Geiste wie bisher, das will sagen, nicht zur Durchführung der gelegentlich in aus­ländischen Blättern erfundenen politischen Pläne, sondern im Interesse der Entwicklung unseres Handels mit Persien und der Förderung fried­licher Kulturbestrebungen."

In einer auf Veranlassung einer freien Vereinigung von Gelehrten und Künstlern in Berlin abgehaltenen Versammlung hielt Ko­lonialdirektor Dernburg einen Dortrag über die kolonialen Fragen, in dem er darauf hin- wieS, daß die Frage der deutschen Kolonien, ihre Behandlung und ihre Zukunft ganz unab­hängig von der Stellung sei, in welcher der Beurteilende sowohl in politischer wie sozialer Hinsicht sich befinde. Für uns dränge sich die Frage in den Vordergrund, ob wir uns gewach­sen fühlten, das einmal begonnene Werk fort­zuführen. Im letzten Jahrhundert sei Deutsch­land an der Spitze der Nationen in bezug ans angewandte Wissenschaft und Technik getreten, welches die Mittel zur Erschließung fremder Weltteile seien. Kolonisation heiße die Nutz­barmachung des Bodens und vor allem der Menschen zu Gunsten der Wirtschaft der kolo- nisierenden Nationen, welche dadurch zur Her­gabe ihrer höheren Kultur verpflichtet würden. Durch die Kolonisation werde das Bild eines Landes verändert, sowohl in der Tier- als in der Pflanzenwelt. Der Eingeborene sei aber der wichtigste Gegenstand der Kolonisation. Die manuelle Leistung des Eingeborenen bilde da- wichtigste Aktivum. Unmöglich durchzuführen sei das Verlangen gewisser deutscher Kolonisa­toren, innerhalb von 30 Jahren oder einer ähnlichen Zeit, alle Eingeborenen auf eine dem Europäer gleiche Stufe zu bringen. Hier helfe nur langsames und verständiges Arbeiten be­sonders befähigter Leute. Früher habe man mit Zerstörungsmitteln kolonisiert, heute koloni- siere man mit Erhaltungsmitteln und dazu gehöre ebenso der Missionar, wie der Arzt, die Eisenbahn wie die Maschine. Erfreulich sei das Wirken der Missionare und der Aerzte, . welch letztere glänzende Erfolge gegen Malaria !und Schlafkrankheit aufzuweisen hätten. Da» ^ wichtigste Mittel sei die Eisenbahn, denn sie 'mache den Eingeborenen konsumjähig. Nur ein minimaler Prozentsatz der gewonnenen- 'ter könne jetzt den Weg zur Küste finden, der