von liberalen Einigungskandidaturen, mögen sie nun demokratische, freisinnige oder nationalliberale Etikette tragen; denn der liberale Einigungsgedanke ist vorwiegend gegen das Zentrum gerichtet. Besonderes Gewicht ist auch in den Kreisen, in denen die Entscheidung sehr wahrscheinlich erst in der Stichwahl fällt, darauf zu legen, daß nicht durch Zersplitterung der nichtliberalen Stimmen ein liberaler Eini- gungskandidat oder ein Nationallibcrottr in ausfichtsvolle Stichwahl, namentlich mit den Sozialdewokrateu gelangt. Bei den badischen Landtagswahlen hat das Zentrum auch bereits mehrfach mit gutem Erfolg so verfahren, daß es in solchen Fällen von vornherein für die schwächeren Konservativen stimmte, um den Sieg eines liberalen Blockmannes zu verhindern; ein Zentrumskandidat wäre da vielleicht auch in die Stichwahl gelangt, aber in dieser nicht durchgedrungen. Jetzt gilt es, diese Wahltaktik im großen zu erproben."
Alis AM m!> Mgedmg.
Sitzung der bürgerlichen Kollegien
vom 14. Dezember 1906.
Die Abtretung der Parzelle 450 — 23 ar 76 gm Acker im Eiberg mit Scheuernanteil auf Parzelle 447 an die Versicherungsanstalt Württemberg um 2260 Mark wird genehmigt.
Dem städtischen Holzhauer Johann Wilhelm Bausert wird in Anerkennung seiner 41 jährigen vorwurfsfreien Tätigkeit als städtischer Holzhauer eine Prämie von 50 Mark ans der Stadtkasse bewilligt. Die Lehrer der evangelischen Volksschule bitten die Schullokale einer täglichen Reinigung zu unterziehen, da das seither wöchentlich zweimal erfolgende Reinigen unzulänglich sei. Die bürgerlichen Kollegien beschließen, dem Gesuch zu entsprechen und die Reinigung der Schullokale der Volksschule auf 1. Januar 1967 neu zu verakkordieren. Die Anwohner der Rennbachstraße bitten um Kor- rektion und Erbreiterung der Rennbachstraße. Es wird beschlossen, den Stadtbaumeister mit der Ausarbeitung eines Projekts der vollständigen Korrektion der Rennbachstraße zu beauftragen und dann über den Gegenstand weitere Beratung zu pflegen. Es folgen Dekreturen, Schätzungen, kleinere Gegenstände.
):( Wildbad, 1. Jan. Welche Anziehungskraft die Weihnachtsfeier des Militär- Vereins „Königin Charlotte" jedes Jahr ausübt, das zeigte sich auch bei dem diesmaligen Feste wieder, welches am letzten Sonntag, wie üblich, in der Turnhalle abgehalten wurde. Jeder Stuhl der sinnig geschmückten Halle war besetzt trotz der vorausgegangenen Feiern in anderen Vereinen. Zur allgemeinen Freude fand sich auch Heuer wieder Se. Exzellenz Herr Generalleutnant a. D. von Schott mit Frau Gemahlin ein, ebenso beehrten das Fest der Herr Badkommissär, Oberstleutnant a. D. von Gemmingen und Herr Stadtschultheiß Bätzner mit Frau Gemahlin. Der Verein hatte zu dem Abend einen Teil der Kapelle des Feldart.-Reg. Nr. 29 in Ludwigsburg gewonnen, dessen Vorträge neben Männerchören und komischen Scenen für Unter» Haltung vorzüglich sorgten. Herr Gustav Schmid, Vorstand des Vereins, sprach zum Beginn der Feier zündende Begrüßungsworte und brachte ein stürmischen Wiedeihall findendes Hoch aus auf Seine Majestät den König und aus Ihre Majestät die Königin, Protek» torin des Vereins, woraus mit Jubel die Königshymne angestlinmt wurde. Sodann übergab Herr Schmid mit einer kurzen, markigen Ansprache künstlerisch ausgeführte Ehrenmit- gliedschastS-Diplome an Exzellenz von Schott und an Herrn Stadtschultheiß Bätzner und teilte mit, daß für 25jährige Mitgliedschaft im Verein Diplome erhalten: Robert Funk, Sattler Treiber und Baddiener Rapp. Der Württ. Kriegerbund ehrte den Kassier des Vereins, Herrn Privatier Ehr. Treiber, für die Verwaltung der Kasse während eines Zeitraums von 25 Jahren dürch eine Urkunde mit folgendem Wortlaut: „Dem Kameraden Christoph Treiber. Privatier, Kassier des
Militärvereins Wildbad, Königin Charlotte, welcher seit 25 Jahren ununterbrochen fdiese Stelle versehen hat, bringt das Präsidium zu seinem Jubiläum die besten Glückwünsche dar, unter gleichzeitigem Ausdruck herzlichen Dankes für seine treue, ersprießliche Tätigkeit." — Wer die musikalischen Eigenschaften des Dirigenten der Männerchöre, Herrn W. Wörner kennt und zu schätzen weiß, der hat sicher in den drei prächtigen Chören „DaS Vaterland", die „Kapelle" und „Rückkehr der Fahnenkompagnie von der Kaiserparade" — letzterer ein flotter Chor mit Musikbegleitung — aufs neue den Eindruck gewonnen, daß Herr Wörner tüchtiges zu leisten vermag. Die Chöre klangen correct, rein und ansprechend, fleißige und feine Ausarbeitung verratend. Namentlich der Chor „Die Kapelle" von Kreutzer, war in seiner Lieblichkeit und eindrucksvollen Stimmung eine Freude für Herz und Ohr. Daß die komischen Aufführungen, meist Episoden aus dem Soldatenleben, große Heiterkeit erregten, ist nicht in letzter Linie dem guten Spiel der Darstellenden zu verdanken, die ihre mit Lust und Fleiß eingeübten Rollen ausgezeichnet Wiedergaben. „Die beiden Rekruten" (B e ch t l e und Chr. Schmid), „Hase mit der langen Nase" (Gottl. Eitel), „Herr Distelfink läßt sich scheiden" fFrl. Holz und Kappelmann, die Mitglieder: Chr. Horkheimer, G. Eitel, Conzelmann, Sauer, Proß, Fuchslocher), „Der geheimnisvolle Schrank" (Frl. Kappelmann, Christian Horkheimer, Bechtle, Schmid) fanden großen Beifall; sämtliche Mitarbeiter verdienen volles Lob. Eine Gabenverlosung ließ jedes Mitglied zu einem hübschen Gewinn kommen. Mitternacht wars, als die Tanzlustigen zu ihrem Recht kamen, wie lange sie diesen Genuß auskoiteten, entzieht sich der Beurteilung; jedenfalls war die Feier wieder eine in allen Teilen wohlge- lungcne, ein spezielles Verdienst des rührigen, schneidigen Vorstands.
— Im Handelsregister, Abteilung für Gesellschaftsfirmen, ist bei der Firma Hotel Klumpp in Wildbad, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eingetragen worden: „Als weiterer Geschäftsführer wurde bestellt am 16. Dezember 1906: Franz Bopp, Hoteldirektor in Wildbad."
Neuenbürg, 28. Dez. Daß mit der Einführung des elekrischen Lichtes auch Unannehmlichkeiten verbunden sind, mußten wir schon seit einigen Wochen hier wahrnehmen. Infolge des großen Stromverbrauchs ist unsere elektrische Anlage gegenwärtig zwischen 6 bis 8 Uhr abends kaum imstande, soviel Licht zu erzeugen, als notwendig ist. Während dieser Zeit ist die Beleuchtung mitunter so schwach, daß man z. B. mit einer Lampe von 16 Kerzenstärken kaum mehr lesen und schreiben kann. Seit einigen Tagen versagt der elektrische Strom in der genannten Zeit auf 5 bis 20 Minuten hie und da gänzlich, so vaß das Städtchen während der Feiertage öfters in tiefes Dunkel gehüllt war. Man greift dann wohl gerne wieder zur alten Beleuchtung, zur Erdöllampe, wenn man eine solche noch besitzt. Derartige Zwischenfälle muß man aber bei unserer modernen Beleuchtung mit in den Kauf nehmen, andererseits erregen sie auch wieder viel Heiterkeit, wenn z. B. aus Anlaß einer Weihnachtsfeier plötzlich eine früh» lich zechende Gesellschaft damit überrascht wird. Wie man hört, soll in etwa 4 Wochen durch Aufstellung einer größeren Maschine unsere Beleuchtung wieder in geordnete Bahnen geleitet werden.
Alten steig, 27. Dezember. Infolge des gestrigen außergewöhnlichen starken Schneefalls mußte nachmittags in den Höhenorten überall der Bahnschlitten geschleift und Schnee geschaufelt werden, um den Postverkehr aufrecht zu erhalten. Hier liegt Schnee einen halben Meter, auf der Höhe 1 Meter tief. Der gestern abend von Nagold hieher fahrende Bahnzug blieb zwischen Ebhausen und hier im Schnee stecken, einige Wagen mußten abgehängt werden. Die Passagiere wurden in einem Wagen hierher verbracht. Der von hier nach Nagold heute abfahrende Frühzug blieb unterwegs im Schnee stehen und mußte wieder hierher zurückfahren.
Im hintern Wald liegt der Schnee 1,42 Meter tief.
Pforzheim, 31. Dez. Ueber das Ver» mögen der Firma Valentin Benzing, Schuhfabrik in Schwenningen, wurde nach dem „Le- dermarkt" das Konkursverfahren eröffnet. Der Inhaber der Firma, der kürzlich im Hagenschieß erschossen aufgefunden wurde, soll im großen Stil mit der inzwischen ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuhhandlung Franz Huber in Pforzheim gearbeitet haben. Die Passiven werden mit 300000 Mk. beziffert, von denen 107 000 Mk. auf Warenforderungen der Rest auf Bank- u. Verwandtcn-Forderungen entfällt. Als beteiligt wird eine kleine Bank in Rottweil genannt, die Wechsel diskontierte. Die Warengläubiger sind in der Hauptsache Lederhandlungen in Frankfurt a. M., sowie verschiedene Gerbereien in Württemberg und Straßburger Lederfabriken. Der genaue Status ließ sich bei der mangelhaften Buchführung noch nicht feststellen; wahrscheinlich werden die nicht bevorrechtigten Gläubiger leer ausgehen. — Die Passiven der Schuhftrma Franz Huber in Pforzheim, deren Schwierigkeiten bereits erwähnt wurden, betragen nach dem „Schuhmarkt" Mk. 470 000, die Unterbilanz wird mit Mk. 219 000 beziffert.
MnterHattenöes.
Das Testament.
Erzählung von Georg Hartwig. sForts.) ^Nachdruck verboten.)
„Er war so blaß, so aufgeregt, Mutter," flüsterte sie. „Er sah mich nicht."
„Umgelleidet war er also nicht? Sondern wie zuvor in Mantel und Hnt? Sehr gut. Und nun, wann kam er ein zweitesmal nach Hause, Fräulein Martha?"
„Das soll sie auch noch wissen?" rief Frau Schnitzer entrüstet.
„Schüchtern Sie Ihre Tochter ja nicht ein!" unterbrach ffie der Polizeirat warnend. „Es hängt von der Aussage mehr ab, als Sie denken. Also" — u«d wieder richtete er den Blick des jungen Mädchens wie mit Zauberkraft auf sie — „also, wann war es, als Wilfred Jordan ein zweitesmal nach Hause kam?"
„Neun Uhr," flüsterte sie. „Ich mußte es hören. Die Uhr schlägt so laut. Da kam eine Droschke vor das Haus. Ich rief nach Christine und machte dir Flurtür auf —"
„Nein, dieses vorwitzige Mädchen!" ries Frau Schnitzer, den Arm ihrer Tochter drückend und schüttelnd. „Du sitzst gut drin in der Geschichte!"
Martha brach in Tränen auS.
„Mir war so angst, Mutter! Wenn Dir ein Unglück zugestoßen wäre."
„Na, na!" sagte Frau Schnitzer besänftigend. „Das konnte sie allerdings nicht wissen. Sie hängt eben zu srhr an mir, die Kleine, und das wird ihr hoffentlich niemand zum Vorwurf machen. — Da sage nun also noch rasch, was Du gesehen hast.'
Er kam dicht an mir vorüber. Sehr rasch. Und sagte: „Guten Abend! Ich muß gleich wieder fort. Die Droschke wartet!" Weil er so elend aussah und so verstört, fragte ich ihn, ob er wohl krank sei' Weiter sprach ich nichts."
„DaS war aller ganz in der Ordnung," er- mutigte sie Höckner „Also, Fräulein Martha, Sie fragten Jordan, ob er sich krank fühle. Nicht wahr? Gut. Nun, was antwortete er daraus?"
„Er sagte," stanmelte sie, „ja, er fragte mich: „Sehe ich so aus? Ein Wunder wäre es nicht."
„So, sehr gut gecntwortet! Und dann stieg er die Treppe wieder hinunter? Wann?
„Das weiß ich nicht —flüsterte sie mit zitternder Stimme.
„Ist auch nicht nötig, da ich es weiß," sagte der Polizeirat und rächte ihr freundlich die Hand. „Also, Madame Schnitzer, ich gehe jetzt einmal in die Stube oben hinauf."
„Herr Jordan soll ja noch zurückkommen!" rief die gewissenhafte Hauswirtin unwillig. „Und wenn er mir auh die Miete bis heute