Nr. 180.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

94. Jahrgang.

schelnunsmalwbchentl. S»zeig«nvr«iL: D^ilelnspaltlgeLktleWPsg., «tklamen so Psg. Schluß der Auzetgenannahm« d Uhr vormittag«. Fernsprecher g.

Mittwoch den S. August ISIS.

Bezu gsprelS: In der Stadt mit Lkttgerlohn M. 8.80 vierteljährlich. Postbezug-Preis im OrtS-- u. NachbarortSoertehr Mt. S.bO. im Fernverkehr Mk. 8^0, Bestellgeld ÜOPsg.

Zm Schm« Lage.

Die Rumänen in Vudapest.

Will», 4. Aug. Di« Rumänen haben ihren Bormarsch Argen Budapest fortgesetzt und sind trotz des Einspruchs der -Enteute in die Hauptstadt Ungarns eingezogen.

Die rumänische Armee hat noch nitz eine Gelegenheit, billig« 'Militärisch« Lorbeeren zu ernten, voriibergehen lassen. Dies­mal handelt es sich aber auch darum, ein Faustpfand gegen, über der Pariser Konferenz zn besitzen, um verschiedene An- Kprüch« Rumäniens durchsetzen zu können. Angeblich haben Ach auch die tschechischen Truppen von der Demar­kationslinie aus in Bewegung gesetzt, um an der Besetzung jd'N Budapest durch die Ententemächte teilzunehmen, i Nm 8 Uhr nachmittags wird aus Budapest gemeldet: Ent- -gen den Versprechungen und der Vereinbarung mit dem «rmmanten der rumänischen Vorhut, wonach die rumänische Armee Budapest nicht besetzen werde, ist heute nachmittag um B Uhr General Mardarescu an der Spitze von M000 Mann in der Hauptstadt Ungarns eingezogen und hat st« für gesetzt erklärt. Das rumänische Oberkommando hat sofort Aas Stadtkommando übernommen, dessen erster Akt es war, daß !«s sämtliche in Budapest befindlichen Automobile mit Ein­schluß der Dienstautos der Minister requirierte. Cs ist noch­mals zu betonen, daß in der Nacht vom Samstag auf den Donntag mit dem Kommandanten der rumänischen Vorhut ein ^schriftliches Ueberhin kommen vereinbart worden war, Wonach die Rumänen die Stadt n i ch t bcheffen, fdsiöern dörr" Wir einzelne Truppenkörper einquartieren würden. Heute früh Kit der Haupiteil der Armee Mardarescu die Vorhut von Kndapeft eingeholt. Als Mardarescu von dein Uebereinkom- «eil Kenntnis erhielt, erklärte er, daß er es nicht bsrÄ ck sichtigen könne und in die Hauptstadt einziehen werde. Die Rumänen bezogen sofort dis verschiedenen Kasernen in Buda-' Pest. Auch bas dort befindliche ungarische Militär wurde in den Kasernen zufammengezsgen. Der Einzug der Rumänen HdWrte tiMMHr 146 Stunden und vollzog sich in Ordnung. Dis Bevölkerung, di« auf dieses Ereignis Mnz unvor­bereitet war, hat trotz ihrer Verzweiflung und ihrer begreif­lichen Empörung über den rumänischen Wsrtbruch sich voll« ständig ruhig verhalten.

? Am y Ahr nachmittags haben die Rumänen die wichtigsten Vebäube der Hauptstadt nnd das Telegraphenamt besetzt. Ls hnlautet, dah sie 6 0 9 Geiseln festgenommen haben. Ferner tzeht das Gerücht, dah der Einzug König Ferdinands Von Rumänien in Budapest unmittelbar Levorstehe.

Drohender Staatsbankerott 1« Deirtsch-Oestrekch.

Zürich, V. Aug. Auf der Durchreise hatte der Lsterreichi- W« Finanzminister Dr. Schumpeter eine Unterredung mit mnem Berichterstatter. Er äußerte sich dabei etwa wie folgt: Ms Oeffentlichkelt muß sich auf den B ank » rott des deutsch- Werreichischen Staates gefaßt machen. Selbstverständlich kann Kn verarmtes Volk von SA Millionen die Verpflichtungen nicht einhalten, die man bereits für ein Volk von 28 Millionen für unerträglich drückend gehalten hatte. Man belastet das Kleine Deutsch-Oesterreich mit der Mehrheit der Kriegs­anleihen, wovon der Rest sicherlich noch auf dem Amweg M«r neutrale Staaten zu uns kommen wird. Der Dertei- MNgsplan der Vorkriegsschulden belastet uns ebenfalls über ßH« Matz. Der Grundsatz, der im Art. 200 des Vertrages angenommen wurde, wird dadurch absolut illusorisch. Die Anderen Kriegsschulden und die Kriegsanleihen sollen ebenfalls Prnz zu Lasten Deutsch-Oesterreichs gehen. Wenn diese finan- Men Bestimmungen in Kraft treten, so ist nicht nur der Bankerott des Staates, sondern auch derjenige der Banken, «»atlassen und Versicherungsgesellschaften, sowie Industrie- Unternehmungen unausbleiblich. Die Bestimmung, daß die «Uccessionsstaaten davon befreit bleiben, di« Kriegsanleihen, »le sich auf ihrem Territorium befinden, zu bezahlen, ist ein Weiteres Attentat auf Deutsch-Oesterreich. Diese finan­ziellen Bedingungen schaden nicht Deütsch-Oeflerreich selbst, Mdern treffen auch dir Entente selbst, da einem jeder - Menzmögltchkeit beraubtes Deutsch-Oesterreich nur der Rn- Muß an Deutschland übrig bleibt. Bei der Möglichkeit Lndlicher Verhandlungen hätten wir in kurzer Zeit die ganze

" von der Unstnnigkeit dieser Krdingutzgrn, hi« man uns

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Die östreichische Antwort.

* Wien, S. Aug. Der Berichterstatter desN. W. Tgbl." in St. Germain meldet, die deutsch-österreichische Antwort­note, die morgen überreicht werde, beschränke sich hauptsäch­lich darauf, die Einwendungen gegen die Friedensbedingnn- gen zusammenzufassen und grundsätzliche Forderungen darzu- lcgen, an welchen die Delegation festhalten müsse, solle Dcutsch- Ocflerreich nicht wirtschaftlich zusammenbrechen. Die Note tritt nochmals für die gerechten Eebietsunsprüche Deutsch-Oester­reichs ein und setzt in klarer, überzeugender Weis« die töd­lichen finanziellen und wirtschaftlichen Bestimmungen ausein­ander. Als Beilage zur Note erhält der Oberste Rat Denk­schriften und Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen,, die di« Gegenvorschläge in endgültiger Fassung nochmals Vor­bringen.

Der Völkerbund.

(WTB.) Stockholm, ö. Aug. In der Thronrede, wo­mit der König den außerordentlichen Reichstag gestern er­öffnet«, wird zuerst an die bedeutende Umbildung der Ersten Kammer tmrch das demokratische kommunale Stimmrecht er­innert. Die Rede spricht die Hoffnung aus, daß die nach den Grundsätzen unserer Zeit reformierte Erste Kammer ihren Platz in der Volksvertretung Schwedens erfüllen werde. Der Aebergang ion den außerordentlichen Verhältnissen der Kriegs­zeit in die normale Zeit des Wirtschaftslebens und der Gesell­schaftsarbeit habe die Einberufung des Reichstags notwendig gemacht. Falls der Friedensvertrag von Versailles ratifiziert werdTs und der Völkerbund du mit in Kraft trete, werde die wichtige Frage zur Stellung Schwedens dieser neuen inter­nationalen Organisation gegenüber dem Reichstag vorgelegt werden.

(WTB.) Bern, ö. Aug. Die Schweiz. Dep.-Ag. meldet: Der Bundesrat hat gestern in zwei außerordentlichen Sitzun­gen den Text der Botschaft betreffend den Beitritt der Schweiz zu n Völkerbund behandelt und einstimmig beschlossen, bei den eidgenössischen Räten den Beitritt in Form eines Zusatzartikels zur Bundesverfassung zu beantragen.

Die Vereinigten Staaten «nd der Friede.

(WTB.) Amsterdam, 4. Aug. Laut Pressebureäü Radio er­klärte Präsident Wilson dem Senator Watfon, wenn der Senat die Ratifikation des Friedensvertrags noch länger hin- ausz'rhe, dann könne in Europa eine ernste Krise ent­stehen. Watson bestand darauf, daß bei der Notifizierung ein Vorbehalt gemacht werde, indem er darlegte, daß die Stärke der Vereinigte» Staaten im Krieg ihrer im:l harzigen Stel­lung zuzi schreiben war und daß diese Stillung dem Völker­bünde vorteilhaft sein würde. Bei dieser Gelegenheit erklärte Wii'o.r auch, Rußland müsse sein« Rettung selbst ins Werk stzen.New Work Times" meldet, daß unter den republi­kanischen Senatoren sehr verschiedene Ansichten bezüglich der zu machenden Vorbehalte herrschen und daß zahlreiche Be­ratungen gehalten worden find, «in ein Programm zu formu­lieren.

Amerika vor dem Generalstreik?

* Rotterdam, S. Aug. Der Präsident des amerikanischen Eisenbahnpersonalverbandes, William Lee, gab vor der Untersuchungskommission über den großen Cisenbahner- ausstand die Erklärung ab, daß sich Amerika an der Schwelle des Generalstreiks befände, und zwar infolge der ständig wachsenden Lebensmittelverteuerung. Wenn Kapitalisten und Arbeiter nicht schleunigst Mittel und Wege fänden, um Hand in Hand zu arbeiten, würden in Amerika Unruhen aus- Lrechen, wie man sie noch nie erlebt habe.

* Washington» k>. Aug. Um die Kosten für den Lebens­unterhalt zu verringern, ordnete das Kriegsamt den sofortigen öffentlichen Verkauf aller für das Heer aufgckausten Mehr- bcstände an Lebensmitteln an.

Zur Lebensmittelkrise.

* Haag, 5. Aug.D. Telegraph" meldet aus Newyork, daß außer den Maschinisten der Eisenbahnen auch andere Gewerkschaften «in Ultimatum gestellt haben wegen der ungeheuren Lebensmittelteuerung in Amerika. Sie fordern entweder Lohnerhöhung oder Herabsetzung der Preise für Lebensmittel. Wilson und die andern Mitglieder des Kabinetts sind sich darüber einig, daß die Unruhen, welche durch di« st>rtwährenden Reibungen zwischen Arbeitnehmern Md .Arbeitgebern ju hie Industrie gejrage» werden «ine

äußerst ernste Wendung nehmen und daß die öffentliche Meinung denjenigen Stellen, welche für die Lebensmil» telverteilung zu sorgen haben, die Verantwortung dafür« zuschiebt. In Washington verlautet, daß Hoooer wieder zum Lebensmittelkontrolleur ernannt wird. In den nächsten Togen soll eine allgemeine Versammlung von Kongreßmit­gliedern stattfinden, um Maßnahmen zu beraten zur Besserung der Nahrungsmittelversorgung und der Preise in Amerika.

Französischer Oberbefehl über die Besatzu«g»tr«pven.

sWLB.) B«rn, S. Aug. Lyoner Blätter melden aus Poris: Der interalliierte Oberste Rat hat beschlossen, im Hinblick auf die Bedeutung der französischen Kontingente aitz Rhein die Besatzungstruppen dem Befehl eines französischen Generals zu unterstellen.

Italien ist znfriedengestellt.

* Amsterdam, s. Aug.Allg. Handelsblad" meldet au» Paris, daß mau der Ansicht ist, daß Tittoni vollkommen« UebereiiMmmung mit der französischen Delegation über all« Italien betreffende Angelegenheiten erzielt habe. Italien soll die Stadt Fiume erhalten und den Freihafen unter Auf­sicht des Völkerbundes: es sieht dagegen von wichtigen Teilen seiner Ansprüche in Kleinasien ab. Was Kleinasien an­belangt, so hänge alles von den Entschlüssen Amerikas bezüg­lich der Türkei ab. Tittoni wird nach London gehen, uin das Abkommen, Lloyd George zur Billigung zu unterbreiten.

SeMchlM.

Gin Gegenstück zumFall Mannheim".

(WTB. Berlin» 4. Aug. Am 21. Mai ist der deutsche Ar­beiter Heinrich Bracht im Munitionslager Langenfeld im Kreise Opladen von einem britischen Soldaten erstochen wurden. Nach den Zeugenaussagen stellt sich der Vorfall fol­gendermaßen dar: Bracht war mit andern Arbeitern in einem Mvnitionsfchuppen tätig, während ein britischer Soldat da neben, aber außerhalb eines Drcchtzaunes, auf Posten stand. Djcser zeigte dem Bracht eine Ansichtskarte und sagte dazu: 1914 bis 1S18: Deutschland, Deutschland über alles 1918 bis 1918: Schottland, Schottland über alles". Bracht zeigte daraufhin auf seine Stirn und sagte:Du bist verrückt" Da schrie der Engländer:German kaput!" und stach durch den Zaun mit dem aufgepflanzten Seitengewehr auf Bracht ein. Der erste Stich streifte Bracht an der rechten Hüfte, de» zweit« durchbohrte die rechte Lunge und führte den alsbaldigen Tod herbei. Der britische Soldat wollt« daraufhin auch di« andern deutschen Arbeiter an greifen, wurde ober von den her- bcieilenden englischen Posten daran gehinte.!. Der Vorsitzende der deutschen Waffenstillstandskommission zi. Düsseldorf hat an den Vorsitzenden der britischen Wassenstillstandskomnnssion eilt» Not« gerichtet, in der um Mitteilung ersucht wird, was4ok» den englischen Gerichten iil dieser Angelegenheit veranlass worden sei.

Danzig.

(WTB.) Versailles, 5. Aug.Intranstgeant" als einzige» Blatt meldet, der Oberste Rat der Alliierten «habe sich nicht über die Frage der militärischen Besetzung von Danzig einige» können. Danzig bleibe deshalb ohne, militärische Be- fetung.

Eine deutsche Partei in den abzutreteuden Ostgebieten.

(WTB.) Dirschau, 5. Aug. Die Bildung einer Deutsches Partei für die abzutretenden Gebiete Posen» und Westprcu-- hcns ist von den Landesverbänden der Deutschnationalen Volks­partei und der Deutschen Volks Partei, den Deutschen Volks- raten der abzutretenden Teile dieser Provinzen »nd dr> Deutschen Vereinigung in Bromberg beschlossen worden. Ein Ausruf zum Eintritt in die neue Partei wird heute in der Presse veröffentlicht. Di« neue Deutsche Partei will alkh Deutsche in den abzutrc! »den Teilen Posens und WestprÄe tzens ohne llntersck'ied der Zugehörigkeit zu den bisherige^ deutschen Parteien zu dem Zwecke zusamnienfassen, M Deutschtum in den an Polen gelangenden Teilen dieser betdeck Provinzen zu erhalten und die Interessen aller Deutschen zh wahren. Die Hauptgeschäftsstellen hrsinden sich lv Womberff und Graudenz. .