Nr. 179.

Amts- und AnzeigeWtt für den Oberamtsbezirk Calw.

94. Jahrgang.

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Dienstag den 5. August ISIS.

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Schwere Anklagen des Prinzen Heinrich von Preuße« gegen England.

Berlin, 8. Aug. DieHamb. Nachr." veröffentlichen seinen csienen Brief de» Prinzen Heinrich von Preußen an den sKönig von England, worin es u. a. heiht: Da die Stimmen

der Ententepressc bezüglich der Auslieferung Kaiser Wilhelms II. nicht verstummen wollen, richte ich folgenden offe­nen Kries im Anschluß an meine bis heute unbeantwor­tet gebliebene Depesche vom 7. Juli an Ew. Majestät, indem ich nochmals an das Gerechtigkeitsgefühl Ew. Majestät appel­liere. Sollten sich Ew. Majestät und Ihre verantwortlichen Ratgeber noch wirklich im Unklaren befinden über Ursache und Schuld am Weltkriege, so bitte ich zu bedenken, daß vor­handene Dokumente sowie Tatsachen zweifelsfrei daraus hin­heuten, daß einzig die englische Regierung es war, die seit Jahren diesen Weltkrieg vorbereitete, um Deutschland als ästigen Mitbewerber auszuschalten und somit auch diese Re­gierung allein die Schuld an der Entstehung des Krieges und «n seinen Folgen trägt. Ich möchte noch erinnern an die Be­gegnung Ew. Majestät mit Herrn Sasonow im September 1912 kn Balmoral und an jene von Ew. Majestät bei dieser Gelegen­heit gemachten Aeußerungen über das Schicksal, das der deut­schen Handels- und Kriegsmarine zugedacht war. Trägt somit England die Hauptschuld an der Herbeiführung des furcht­barsten aller Kriege, so tragen auch Mitschuld alle jenen Nationen, die sich als mit England verbündet betrachten. Sollte man in der unerhörten Forderung der Auslieferung eines Souveräns den Wunsch erblicken, der Wahrheit über die Kriegsursachen näher zu kommen (ich vermag das nicht), so müßte man folgerichtig den Schluß ziehen, daß auch jene vor »in Forum gestellt werden, die sich in erster Linie der Schuld üm Kriege dringend verdächtig gemacht haben. Es gehören zu diesen dis leitenden Staatsmänner der britischen Regierung, sowie der mit England verbündeten Staaten. Winz Heinrich erklärt weiter, er könne sich einen Gerichtshof vorstellen, zu­sammengesetzt aus mehreren neutralen Staaten, mit dem Sitz k- Madrid, der Hauptstadt jenes Landes, das einen rechtlich henkenden Souverän besitze, der redlich bemüht gewesen sei, die Unbedingten Neutralität zu wahren. Der Prinz schildert dann, Mir Deutschland nicht durch die Waffen der Entente, sondern durch silberne Kugeln, sowie durch die Hungerblockade, dieses humane Werkzeug englischer Kriegskunst!, bezwungen wurde sind wehrlos der Rache und Raubgier seiner erbarmungslosen Gegner ausgeliefert sei. Deutschland sei schwer getroffen, aber laicht tot. Der deutsche Geist, der zurzeit schwer umnachtet er- scl^ine, lebe weiter und werde dereinst Rechenschaft von seinen Feinden fordern. Darum bitte ich, schließt der Prinz, in zwölfter Stunde, Ew. Majestät nochmals, nicht zum geringsten ta Ihrem Interesse, von der Vorgericht st ellung S. M. Kaiser Wilhelms II. Abstand nehmen oder Ihrer nach der Verfassung zulässigen Einfluß gegen diese Strömungen geltend machen zu wollen.

Erklärung des General von Gallwitz zum Weißbuch.

General von Gallwitz erläßt in der Kreuzztg." folgende Erklärung: Die Angaben des Weißbuches über die am 28. Oktober 1918 von General v. Mudra und mir mit dem Kabinett gepflogenen Besprechungen legen nach der mir zugänglichen Fassung der Zeitungen die Deutung nahe, als hätten wir auch Mitteilung von dem Sonderschritt Oesterreichs unsern ent­schiedenen Vorschlag unter Aufbietung aller moralischen und Materiellen Mittel weiter Widerstand zu leisten, fallen ge­lassen oder wesentlich ab ge schwächt. Ich halte mich für verpflichtet, dem gegenüber zu erklären: Nachdem wir in Kiehrstündigem Vortrag die Notwendigkeit weiteren Wider- Bandes zur Erkämpfung günstiger Waffenstillstands- und Frie­sdensbedingungen dargelegt hatten und unsere Vorschläge für die anzuwendenden Mittel wenigstens bei einem Teil der Minister nicht ohne Eindruck geblieben zu sein schienen, setzte allerdings die Verlesung des Telegramms über den Sondcr- rchritt Oesterreichs durch Staatssekretär Dr. Sols einen merk- Nchen Dämpfer auf die allgemeine Stimmung. Dis Vespre- chung der daraus sich ergebenden Möglichkeiten konnte gleich­wohl uns Generale nicht davon abbrlngen, weiterem Wider­stand unter schärfster Anspornung des nationalen Emp­findens das Wort zu reden. Wir konnten nicht anders handeln, va wir viel zu fest überzeugt waren, daß eine sofortige Nach­giebigkeit für den Gegner nur Anlaß sein könnte, unsere Lage als hoffnungslos einzuschätzen und ihm die Auferlegung fchwer- b" BedMUMA Mhezulegen. Ach habe diese Ueberjeugung

insbesondere Herrn Gröber gegenüber vertreten, welcher be­fürchtete, daß durch weiteres Kämpfen der Gegner nur ge­reizt würde und wir alsdann schwerere Bedingungen zu erwarten hätten. Sie werden jetzt die denkbar übelsten Bedin­gungen bekommen, habe ich den Herren Ministern zugerufen und mich darin leider nicht geirrt. Der niederdrückende Ein­fluß, den die Nachricht über Oesterreich auf die Herren des Kabinetts gemacht hatte, wurde mir beim Adschiednchmen von jedem einzelnen nochmals besonders deutlich. Vor der Türe waren General Mudra und ich bald einig, daß die timidere Entscheidung im Kabinett obsiegen würde. Ich versuchte da­raufhin noch eine letzte Einwirkung, indem ich Herrn Staatssekretär Dr. Sols herausbat und die Möglichkeit, die Lage im Osten auch nach Ausfall Oesterreichs für einige Zeit zu halten, ziffernmäßig belegte und ich bat, diese Darlegung sogleich noch zur Kenntnis des präsidierenden Vizekanzlers von Payer und des Kollegiums zu bringen. Ob dies geschehen, weiß ich nicht. Eine Voraussetzung für erfolgreiche Leistung weiteren Widerstandes war, daß die Führer der Sozialdemo­kratie es gewollt und verstanden hätten, die mißleiteten Mas­sen national neu zu beleben und zu willigem Mittun an­zuregen. Eine Auseinandersetzung mit Herrn Scheidemann hierüber erweckte freilich bange Zweifel.

Enthüllungen Scheldemanns.

* Berlin, 4. August. Unter der UcberschriftAus kriti­schen Tagen" veröffentlicht Philipp Scheidemann im Vorwärts" auszugsweise Notizen, die (wie er meint) zur Beleuchtung der Situation im Juli und August 1917 mancher-' lei beitragen dürsten. U. a. befinden sich in diesen Notizen auch Aeußerungen des Staatssekretärs v. Kühlmann, der am S. September 1917 sich Scheidemann gegenüber sehr zuversichtlich dahin aussprach, daß in drei oder vier Wochen Verhandlungen zwischen England und Deutschland über die belgische Frage im Gang« sein würden. Als Scheidemann spä­ter aber Herrn v. Kühlmqnn an diese Erösfnung erinnerte und nach den englischen Verhandlungen fragte, znckte der Staatssekretär die Achseln.

Finanzwirtfchast der A. - und S.«Räte.

Weimar» 4. Aug. Der demokratische Abg. Schiffer hat eine Anfrage eingebracht, in der er daraus Bezug nimmt, daß nach der Verordnung über das Finanzgebahren der A.- und S.-Rüte diese bis zum 31. Januar 1919 zu einer Rechnungs­legung über ihre sämtlichen Einnahmen und Ausgaben unter Erläuterung der Herkunft der Geldmittel verpflichtet waren. Für unzulässige Ausgaben und Verfügungen der Verpflegungs-, Bekleidung»-, Geräte- und sonstigen Materialbestände sollen die Mitglieder der A.- und E.-Röte im Falle einer schuldhaf­ten Ausgabe haftbar gemacht werden. Der Abgeordnete fragt die Regierung, ob sie bereit sei, darüber Auskunft zu er­teilen, welche Ergebnisse diese Rechnungslegung gehabt habe und in welchem Umfange die Haftbarkeit einzelner Mitglieder eingetreten ist.

Kriegsgefangenen-Abtransport aus England.

* Berlin, 4. Aug.Daily Mail" meldet: Die ersten fünf Transportdampfrr mit deutschen Kriegsgefangenen verlassen am Donnerstag die englischen Häfen. Dir Heimbeförderung der deutschen Kriegsgefangene« ist am Freitag endgültig vom Miuisterrat beschlossen worden.

Gerettetes Heeresgut.

* Berlin, 4. Aug. Das Neichsverwertungsamt hat laut ,S. Tgbl." den Kampf gegen das Schiebertum mit größter Tatkraft ausgenommen. In den letzten Monaten find in den Groh-Berliner Gemeinden über 9ÜV Fälle von Schie­bungen aller Art aufgedeckt worden. Daraus ergaben sich bis­her rund 299 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Bis jetzt ist es, wie halbamtlich mitgrteilt wird, gelungen, aus der Versorgung dieser Schiebungen für 85 Millionen verun­treutes Heercsgut dem Reiche wieder zu verschaffen.

Der Abtransport der deutschen Truppen ans Kurland.

Mita», 2. Aug. Der Pressebeirat der deutschen Gesandt­schaft in Mitau teilt mit: Heute fand eine erneute Bespre­chung über den Abtransport der deutschen Truppen aus Kurland statt. General Eough stellte die Forderung, Haß der Abtransport der deutschen Truppen bis zum 29. August beendet sein müsse. Die deutschen militärischen Stellen wiesen darauf hin, daß die Durchführung in dieser ,(urzen Zeft, technisch »tLLMSSljgM. ' " ' ^

Deutsche Ferienkinder in der Schweiz.

Nach sechswöchentlichem Aufenthalt in Adel Loden (im Berner Oberland) reisten am 24. Juli die von der National­stiftung in die Schweiz entsandten Kriegerwaisen aus Groß- Berlin wieder in die Heimat zurück. Den Kindern, die aus­nahmslos sofort in der wunderschönen. Alpenlandschaft heimisch geworden waren, fiel der Abschied ersichtlich schwer und sie wären wohl alle gern noch länger dageblieben, wenn sie nicht dem zweiten Transport, der inzwischen aus Westdeutsch­land in Adelboden eingetroffen ist, hätten Platz machen müs­sen. Es war erfreulich, wie der Aufenthalt den allgemeinen Gesundheitszustand der äußerst erholungsbedürftigen Waisen gehoben hatte.

Angebliche Milderungen bei der Besetzung der Rheinlands.

* Berlin, 4. Aug. DerTemps" veröffentlicht den Text einer am 16. Juli zwischen Wilson, Clemenceau und Lloyd George getroffenen Abmachung, deren Wortlaut wie folgt lautet: Die a. und k. Mächte haben noch nicht darauf be­standen, zu erklären, daß die Besatzungspsriode bis zur voll­ständigen Erfüllung der Wiedergutmachungsklauseln dauert, weil sie glaubten, daß Deutschland verpflichtet werden müßte, alle Beweise seines guten Willens und alle notwen­digen Garantien vor der Beendigung der Periode von 15 Jah­ren zu geben. Da die durch die Besatzung notwendigen Aus­gaben eine entsprechende Verminderung der für die Wieder­gutmachung zur Verfügung stehenden Summe nach sich ziehen muß, haben die a. und a. Regierungen durch Art. 481 des Friedensvertrages festgesetzt, daß, wenn vor Beendigung der 15 Jahre Deutschland den Verpflichtungen nachgekommen ist, die im Friedensvcrtrag auferlegt sind, die Besatzungstruppen sofort zurückgezogen werden. Wenn Deutschland zu einem früheren Termin den Beweis seines guten Willens und die erforderlichen Garantien gegeben hat, um die Erfüllung dieser Verpflichtung sicherzustellen, werden die daran beteilig­ten a. und A. Mächte bereit fein, unter sich ein Abkommen zu treffen, um der Befatzungsperiode früher ein Ende zu machen. Für fetzt und in Zukunft sind die Mächte, die Lasten der Wiedergutmachungen zu vermindern, bereit, sobald sie da­von überzeugt werden, daß die Summe, die Deutschland für die U, ierl altung des Besatzungsheeres ausgegeben hat, die Summe von 249 Millionen Goldmark nicht übersteigen wird. Dieses Abkommen kann modifiziert werden, sobald die a. und a. Negierungen der Uebcrzeugung sind, daß eine derartige Ab­änderung notwendig ist.

Die Verräterin im östreichischen Kaiserhaus.

* Berlin, 4. Aug. In denHamb. Nachr." wird mitgeteilt, die Mittelsperson, die Herrn Erzberger seinerzeit den vertraü- lichen und geheimen Jmmcdiatbericht des Grasen Ezernin zu­gesteckt habe, sei die Herzogin von Parma gewesen. Diese Dame, die Schwiegermutter des früheren Kaisers Karl, hat während des Kriegs, oder genauer während der Regiemngszeit ihres Eidams, «ine geradezu verhängnisvolle Nolle gespielt. Sie war und blieb stockfranzösisch. An ihrem Hof i» Schwarzach durfte auch während des Kriegs kein Mors

'deutsch gesprochen werden. Die Bedienten waren durchweg Reichsitaliener, obgleich Oesterreich mit Italien im Kriege lag. Au-; der Schwarzacher Giftküche find die Indiskretionen aus- g. gangen, die die Entente fortlaufend über die Lage der Mittelmächte unterrichteten. _

Zm Wem Lage.

Die schweizerische Streikbewegung.

Bern, 2. Aug. Der Bundesrat besprach heute die inner- politische Lage und nahm davon Kenntnis, daß die Ausstandr- bewegung in Basel nicht fortschreitct und in Zürich eher abflaut. Die Eeschäftslcitung der Sozialistischen Partei der Schweiz betont in einem Aufruf an die Parteigenossen, daß sie die Auffassung der kämpfenden Proletarier in Bafel und Zürich zu der ihrigen mache.

Die Gesamtkriegskosten.

Rotterdam, 4. Aug. Der Friedensausschub der französisch»» Kammer beauftragte den Finanzminister Klotz, rin« Zstt/ sammenstellung der Kriegslasten aller Kriegführenden pH machen. Minister Klotz stellte fest, daß die Gklamtkriegskost», 1995 Milliarden Franke« betragen, von denen 799 Milliarde^ auf die Alliierten und W WMrtzen M di« ZWWlMchtd

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