Wader Mwnik
Amtsblatt
für die SlcröL Witöbcrö.
Erschein» Dienstags, Donnerstags und Samstags. Bestellpreis vierteljährlich i Mk. IO Pfg. Bei allen Württemberg! scheu Postanstalten und Boten im Orts- u. Nach- barortSverkehr vierteljährl l >F 15 außerhalb desselben 1 Mk. 20 ^ ; hiezu 15 Bestellgeld.
Anzeiger
für WilÄbaö u. Hlmgevung
Die «inrüSungsgrbühr
beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 8 Pfg. auswärts 10 Pfg., Reklamezeile 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.
Hiexu: Illustriertes Sonnkagsblakt und wahrend der Saison: Amtliche Fremdenliste.
Nr.
98.
Dienstag, den 21. August 1906.
42. Jahrgang.
Rundschau.
— Die Gültigkeitsdauer der über die Tage des Cannstatter Volksfestes, 27., 28., 29. und 30. September, von Stuttgart Hauptbahnhof nach Cannstatt, sowie umgekehrt zur Ausgabe gelangenden einfachen und Rückfahrkarten wird auf ein Tag beschränkt. Für diese Fahrkarten erlischt somit die Gültigkeitsdauer je um Mitternacht des Ausgabetags.
— Zufolge einer Verfügung im Amtsblatt der Verkehrsanstalten wird die Verwendung von Tintenstiften bei der Ausfertigung von Eisen- bahnpacketadresfen zu Expreßgutsendungen bis auf weiteres versuchsweise gestattet.
Neuenbürg, 16. Aug. Das Anwesen des Herrn Oberamtsarzts Dr. Herrmann (Wohnhaus mit Garten in der Schwanengasse), ist dem Vernehmen nach um die Summe von 25 000 Mk, in den Besitz des Herrn Küser- meisters G. Schaube hier übrrgegangen.
Calw, 15. Aug. Beim Semesterschluß der Höheren Handelsschule hielt der Leiter des Instituts, Direktor Weber, eine Rede, in der er die jungen Leute vor Selbstüberhebuug warnte, als ob sie nun schon fertige Männer wären. In der Schule könne nur ein guter Grund gelegt werden. Der Prinzipal müsse von dem neuen Gehilfen die Ueberzeugung gewinnen, daß er es mit einem ernsten, strebsamen jungen Mann zu tun habe, der lernen und die Zufriedenheit seiner Vorgesetzten sich erwerben wolle. Arbeiten und lernen um jeden Preis, das müsse die Devise des jungen Kaufmanns sein. Unser Geschlecht wolle vielfach nur genießen, ohne sich die Berechtigung zum Genuß durch Arbeit zu verschaffen. Wirklich gewissenhafte, zuverlässige und arbeitsfreudige junge Kaufleute seien selten, so selten, daß ein mit diesen Tugenden ausgestatteter junger Mann hoch über vielen Kollegen stehe und, aus dem Niveau des Durchschnittskausmanns heraus- tretend, seinem Prinzipal angenehm auffalle. Der Gehilfe müsse das Geschäft als sein eigenes ansrhen und an dem guten Fortgang desselben arbeiten, ais ob er am meisten dabei interessiert und allein verantwortlich wäre; er dürfe seine Arbeit nicht nach Stunden abwägen, nicht ober- flächtlich geleistete Arbeit liefern, nur um rechtzeitig aus dem Kontor zu kommen. Niemals dürfe der Vergnügungen wegen auch nur eine Minute der Geschäftszeit versäumt werden. Man wolle heute möglichst wenig arbeiten, aber recht schnell reich werden und sei bei Verfolgung dieser Ziele in der Wahl der Mittel leider wenig wählerisch, das sei eine gefährliche Krankheit unserer Zeit. Die Erwerbsverhältnisse liegen heute in Deutschland nicht schlechter als in dem vielgepriesenen Amerika; jeder, der arbeiten wolle, könne sich Wohlstand verschaffen. Leider gebe es so wenig Leute, die ernstlich arbeiten wollen. Gerade diese Tatsache ebne aber dem Fleißigen und Strebsamen den Weg. Der Wohlstand, der befriedige und beglücke, könne nur auf der Grundlage der Redlichkeit erworben werden, jeder andere Erwerb befriedige nicht, er mache die Menschen nur unglücklich. Mau müsse in allem Tun so handeln, daß man nie Ursache habe, etwas verbergen zu müssen; der Schild des
Kaufmanns müsse blank sein, keine zweifelhafte Handlungsweise dürfe seinen Glanz trüben. Alle großen Männer aus dem Kaufmanns- f stände seien auf diesem Weg zu ihrem Erfolgs gelangt. Das Glück liege für jedermann auf der Straße, man müsse es nur sehen und nicht zu bequem und zu stolz sein, es auszuheben.
Altensteig, 18. August. Die Handwerker müssen noch besser rechnen lernen, wenigstens hat es eine große Anzahl von ihnen nötig. Das geht, wie von auswärts geschrieben wird, aus dem Ergebnis der Submission auf einen städtischen Bau hervor. Von den im ganzen eingereichten Offerten war, wie die Nachprüfung ergab, keine einzige ohne Rechenfehler. Bei einem Objekt von 25000 Mark hatten zwei davon sogar solche von mehr als 3600 Mark und 5200 Mark zu ungunsten der Meister aufzuweisen. So kam es, daß der Mindest- sordernde nach Beseitigung des Fehlers der Höchstfordernde wurde. — Der Handwerker muß heutzutage auch Kaufmann sein, denn wer nicht rechnen kann, verrechnet sich nicht nur, sondern kommt überhaupt nicht auf seine Rechnung.
Freuden st adt, 18. August. Die sechste Kurliste des Höhenluftkurorts Freudenstadt ist am 15. August abgeschlossen und zeigte als Gesamtzahl der Kurgäste (ohne Passanten) 5012. Voriges Jahr wurde die sechste Kurliste am 23. August mit 5714 Kurgästen abgeschlossen. Ist das Wetter nur einigermaßen günstig, so wird Heuer also doch noch trotz der schlechten Wüterung die letztjährige Frequenz erreicht, bemerkt der „Grenzer".
Eningen, 14. August. Wie nach dem „Gen.-Anz." verlautet, wurde heute das Weltgeschäft W. Rall, Kunstgärtner, Kgl. Hoflieferant, an den Inhaber Gottlob Rall, Kunstgärtner, zu 290000 Mark verkauft.
Berlin, 20. August. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Wie wir hören, hat der Reichskanzler und Ministerpräsident das von uns bereits erwähnte Schreiben des Herrn Laiidwirt- schaftsministers vom 13. August zum Gegenstand eines eingehenden Vortrags bei Seiner Majestät dem Kaiser und König gemacht. Se. Majestät hat darauf in Uebereinstimmung mit einem Antrag des Fürsten Bülow erklärt, daß er auf Grund der Ausführungen des Herrn Ministers vom 13. August zur Zeit nicht in der Lage sei, über die Frage der Entlassung von Sr. Exz. v. PodbielSki aus dem Staatsdienst eine definitive Entschließung zu fassen.
Berlin, 17. August. Das Luftschiff des Majors v. Parseval hat gestern in einem bei Tegel unternommenen Aufstieg abermals eine Probe auf seine Lenkbarkeit gemacht. Der letzte Versuch am 26. v. Mts. war an einer Havarie des Ballons gescheitert. In der folgenden Zeit hatten der Konstrukteur und Hauptmann a. D. v. Krogh, der bereits als Gefährte Zeppelins auch dieses Luftschiff bei allen seinen Auffahrten gelenkt hat, den Schaden nicht nur wieder gut gemacht, sondern weitere Verbesse« rungen angebracht. Sie haben anscheinend die daran geknüpften Erwartungen erfüllt, wie der gestrige Versuch beweist. Der Ausstieg erfolgte gegen Abend vom Kasernenhof des Luftschiffer-
Bataillons aus und es nahmen daran teil: Major v. Parjeval, Hauptmann v. Krogh als Führer des Steuers und die Monteure Keidel und Müller. Bei schwachem Südwest wandte sich der Ballon zunächst nach Westen, schwenkte dann in sanfter Aufwärtsbewegung nach Osten und eilte hierauf in sehr schneller Fahrt dem Tegeler Schießplatz zu, wo er in etwa 200 Meter Höhe die Grenzen dieses Platzes genau umfuhr. Dabei erfolgten die Wendungen stets nach links. Nach 10 Minuten war der Platz umkreist. Der Ballon machte >n der Nähe des Kasernements kehrt und steuerte der vorher vereinbarten Lan- dungsstelle zu, weil ein heraufziehendes Gewitter den Abstieg gebot. Das Auslegen der Schleppseile und das Auslassen von etwa 60 Kilogramm Wasserballast genügten, um das Fahrzeug in etwa 50 Meter Höhe über dem Spandauer Weg abzufangen, worauf es von den Mannschaften des Lnftschiffer-Bataillons sanft zur Erde geholt und in die Halle aktionsfähig zurückgebracht wurde. In den nächsten Tagen wird lt. „Franks. Ztg." abermals ein Aufstieg erfolgen.
Altona, 18. Aug. Der aus Lübeck gebürtige üotteriekollekteur Gustav Fischer wurde heute verhaftet. Fischer hatte über 10 000 Prospekte der Königsberger Geldlotterie zur Freilegung des Königl. Schlosses in Königsberg in Preußen in die Welt geschickt mit der Aufforderung, 3.30 Mk. für jedes los einzusenden. Cr hat auf diese Weise zirka s30000 Mk. vereinnahmt. Lose zur Lieferung halte er aber nicht. Nach seiner Verhaftung sind über 500 Briefe und Postanweisungen aus Deutschland und Oestreich-Ungarn eingelaufen. Die Zahl der Geschädigten beläuft sich auf mehrere tausend. Fischer hatte in Altona ein, in Hamburg zwei Kontore gemietet. Er soll früher in Kopenhagen ein Lotteriegeschäft betrieben haben.
— Der frühere Witwenfitz der verewigten Kaiserin Friedrich ist in der abgelaufenen Woche der Schauplatz der seit einiger Zeit viel erörterten Begegnung zwischen dem deutschen Kaiser und dem König von England gewesen. Es war eine gute Wahl, die gerade das Taunusschloß Friedrichshof als den Ort bestimmte, an dem die beiden Herrscher nach längerer Zeit wieder die Hände zur freundschaftlichen Begrüßung in- einanderlegten. Ist doch dieses Schloß, das seinen Namen nach dem im deutschen Volk unvergessenen Heldenkaiser trägt, voll Erinnerungen, die beide Herrscher aufs tiefste bewegen mußte. Hier war der Lieblingsaufenthalt der Mutter des deutschen Kaisers, welche die bevorzugte Schwester Königs Eduards gewesen ist und solche Erinnerungen konnten die beiden Monarchen vielleicht näher führen und enger verknüpfen als ein prunkvoller Festempfang in der Hauptstadt des deutschen Reiches Der Anblick, wo König Eduard und Kaiser Wilhelm gemeinsam in der Kirche zu Cronberg, wo Kaiserin Viktoria aufgebahrt war, traten, war sicherlich geeignet, sie innig fühlen zu lassen, wie nahe sie sich stehen und wie weit sie sich im vorigen Jahre von einander entfernt haben. Mit auffallendem Ernst, so wird berichtet, hat Kaiser Wilhelm die Ankunft des Zuges, der König Eduard nach Cronberg brachte, erwartet,