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Nr. 82-
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Samstag, den 14. Juli 1906.
42. Jahrgang.
Rundschau
— Nach dem am 1. Juli in Kraft getretenen neuen Reichsstempelabgabengesetz, dürfen die Kraftfahrzeuge (Motorfahrräder und Automobile), welche zur Beförderung von Per- sonen dienen, von den Eigentümern bezw. Besitzern zum Befahren öffentlicher Wege und Plätze nur dann in Gebrauch genommen werden, wenn sie zuvor bei dem zuständigen Kame- ralamt gegen Zahlung einer jährlichen Abgabe angemeldet sind. Diese Abgabe beträgt für Krafträder 10 Mk.. für Kraftwagen je nach der Anzahl der Pferdekräfte neben einer Grundtaxe von 25 bis 150 Mk., für jede Pferdekraft 2—10 Mk. und ermäßigt sich um die Hälfte, wenn die Ausstellung der Erlaubniskarte nur für einen vier Monate nicht übersteigenden Zeitraum beantragt wird. Die Erlaubniskarte wird für ein ganzes Jahr ausgestellt, soweit nicht ein kürzerer Zeitraum beantragt wird. Bei gleichzeitigem Besitze mehrerer Kraftfahrzeuge ist für jedes der Fahrzeuge eine besonder Erlaubniskarte zu lösen.
Birkenfeld, 12. Juni. Die Händlerin Katharine Fix Witwe von hier kaufte in dem Zigarrengeschäft von H. Pfizenmeier in Pforzheim ein Los der Stuttgarter Lotterie mit dem Bemerken, daß wenn sie damit 10000 Mk. gewinne, der Ladenkömmis 1000 Mk. davon erhalten solle. Frau Fix gewann nun tatsäch- lich mit dem Los Nr. 3844 bei der letzten Ziehung die gewünschten 10 000 Mk. Als der Kommis dies durch ein Telegramm von Stuttgart erfuhr, ließ er sich eiligst von Frau Fix das Versprechen schriftlich wiederholen Die Frau, die natürlich noch nichts von dem Gewinn wußte, unterschrieb die Urkunde auch, und somit bekommt sie jetzt nur 9000 Mk., während 1000 Mk. für den Kommis zurückbehalten werden. (Pf. Anz.)
Alten steig, 12. Juli. Gestern nachmittag ging über die ganze Gegend ein Gewitter mit 2stündigem Wolkenbruch nieder. Auch eine Reihe Nachbarorte wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Unwetter übertrifft bei weitem das vor 4 Wochen niedergegangene. Die Nagold ist in kurzer Zeit um einen vollen Meter gestiegen, ausgetreten und führt eine große Menge Hölzer und sonstige nicht niet- und nagelfeste Gegenstände mit sich. Der Seltersgraben verwandelte sich in einen reißenden Fluß. Selbst zentnerschwere Steine wurden fortgerissen. Nur mit Mühe gelang es, aus den überschwemmten, niedergelegenen Stallungen das Vieh zu rette». Holzschuppen und auch Mauerwerk wurde eingerissen. Der 62 Jahre alte Bäckereibesitzer Kirn wurde hinter seinem Hause am Seltersgraben von dem tosenden Strom weggerissen und in die Nagold getrieben, von wo er nur mit Mühe und schon bewußtlos durch einige beherzte Männer gerettet werden konnte. Die ältesten Einwohner können sich eines solchen Unwetters nicht erinnern.
Alten steig, 12. Juli. Die Verheerungen welche der gestern hier niedergegangene Wolkenbruch verursachte, sind weit größer als gestern übersehen werden konnte. Hunderte Wagen Sand und Steine mußten heute von
den Straßen und vor den Häusern entfernt werden, um den Verkehr wieder zu ermöglichen. Eine Anzahl Hausgärten wurden weggeschwemmt mit Steinen übersät und teilweise metertief ausgehöhlt. Viele Gewerbegelasse, Ställe und Scheuern, sowie Keller müssen leergepumpt und der Schlamm und Sand entfernt werden. Der Seltergrahen ist mit umgerissenen Tannen und bis zu 100 Zentner schweren Felsenstücken angesüllt. Die an den Bergen liegenden Aecker wurden an viele» Stellen meterrief aufgerissen, auch fanden Erd- rursche statt. Der 69 Jahre alre Martin Kirn, Bäcker, unter dessen Gebäude der Seltcrsgra- ben durchfließt, brach in seiner Küche mit dem Boden, der durchweicht war, durch und wurde dann, wie schon gemeldet, fortgerissen. Außer einem Rippenbruch und sonstigen äußeren Verletzungen befindet er sich außer Lebensgefahr. Auch die Zerstörungen, welche der sonst unschuldige Lömbach gestern anrichtete, stellten d»e vor 4 Wochen in den Schatten.
Neuenbürg, 11. Juli. Wegen einer großen Schlägerei auf dem Heimweg von einer Sängerfestfahrt.wurden gestern aus Pfinzweiler 6 Vereinsmitglieder verhaftet und ins Gefängnis hierher verbracht.
Weissach, 8. Juli. Die Arbeiten an der neuen Strohgäubahn Korntal-Weissach sind soweit vorgeschritten, daß die Betriebseröffnuog in nächster Zeit erfolgen dürfte. Die 22 Kilometer lange Strecke hat 5 Stationen (Münchingen, Schwieberdingen, Hemmingen, Heimerdingen und Weissach). Im Fahrplanentwurf sind 4 Zugspaare vorgesehen; ein weiteres verkehrt Sonn- und Feiertags. Die Strecke wird in 1 Stunde 6 bezw. 1 Stunde 4 Minuten (Nebenbahnbetrieb) zurückgelegt.
Rotten bürg, 12. Juli. In ein dunkles Verbrechen, das vor mehr als 20 Jahren hier begangen worden ist, scheint nunmehr Licht zu dringen. Es betrifft den Mord, der vor 22 Jahren als Leiche aus dem Neckar gezogenen Tochter des Messerschmieds Kaltenmark, der inzwischen gestorben ist. Die Witwe Kalten« mark soll von Schw. Gmünd aus die Nachricht erhalten haben, daß ein Landjäger, der zur kritischen Zeit hier stationiert war und dieser Tage gestorben ist, auf seinem Totenbette das Geständnis abgelegt habe, daß er der Mörder des Mädchens sei. Die Mordtat hat seinerzeit heftigen Staub aufgewirbelt und mehrere Persönlichkeiten wurden der Tat verdächtigt.
Badenweiler, 11. Juli. Der Bau eines Genesungsheims für badische Eisenbahnbeamte und Bedienstete dürfte noch diesen Monat in Angriff genommen werden. Der Aufwand ist auf 335,000 Mk. veranschlagt.
Wyhl (Kaiserstuhl), 10. Juli. Vor etwa 180 Jahren starb in Haag in Holland General Theobald Metzger unter Hinterlassung eines mehrere Millionen betragenden Vermögens kinderlos. Um in den Besitz der Erbschaft zu gelangen, wandten sich die Abkömmlinge des Millionärs an den deutschen Gesandten von Schlözer im Haag. Dieser ließ in den letzten Tagen den Erbberechtigten Mitteilen, daß die Holländische Regierung sich weigere
Verjährung eingetreten sei. Damit find, so wird der „Frb. Ztg." geschrieben, alle Hoffnungen, welche verschiedene hiesige Bewohner in dieser Hinsicht hatten, völlig zerstört.
— Frau Krupp hat anläßlich der Ver- lobung ihrer zweiten Tochter Barbara 1 Million Mark für Arbeiterwohlfahrtßzwecke gestiftet.
München, 13. Juli. Der von Lindau kommende Schnellzug 79 stieß in der Station Kaufering auf einen im zweiten Gleise stehenden Güterzug. Die Maschine uud fünf Wagen entgleisten. Eine Person wurde getötet, zwei erlitten Verletzungen. Ein Hilfszug brachte die sämtlichen unverletzt gebliebenen Passagiere nach München.
Köln, 10. Juli. Der verstorbene Fabrikbesitzer Joseph Coblenz hat der Stadt Köln 300000 Mk. zur Errichtung eines Asyls für altersschwache Personen vermacht.
Berlin, 12. Juli. Die Einführung der 4. Wagenklasse auf den Eisenbahnen in Elsaß- Lothringen bei Gelegenheit der bevorstehenden Reform der Personen- und Gepäcktarife ist nunmehr beschlossen worden und es sind die nötigen Anordnungen wegen rechtzeitiger Beschaffung der erforderlichen Wagen getroffen.
Riga, 10. Juli. Eine revolutionäre Bande überfiel den Kropenhof und den Ringmundt- hof, ermordete die Besitzer, brannte die Gebäude nieder. Sodann raubte dieselbe Bande die staatliche Brennereiniederlage in Ligat aus.
— Die Neuverhandlung der Dreyfus-Af- färe hat zu dem wohl allgemein erwarteten Ende geführt: Der Kassationshof hat das vom Kriegsgericht in Rennes gegen Dreyfus ausgesprochene Urteil ohne Verweisung vor ein anderes Gericht aufgehoben. Die Begründung des Urteils führt als neue Tatsachen an: 1) das Schriftstück Nr. 371, das sich auf die Ersetzung des Buchstabens k durch den Buchstaben v bezieht und das als Beweis für die Schuld Dreyfus' angesehen worden ist; 2) das Schriftstück Nr. 26 über die Organisation der Eisenbahnen, dessen Datum nach dem Prozeß Zola von Oberst Henry eingefügt worden ist: 3) das Konzept des Admirals Bayle. Der Kassationshof ist der Ansicht, daß diese Tatsachen die Unschuld Dreyfus' dartun. Er erklärt ferner, daß das Bordereau von Esterhazy geschrieben worden ist und daß die Anklage, soweit sie sich auf das Bordereau bezog, nur auf Hypothesen beruhte; überdies wurden vor dem Prozeß Dreyfus mehrere Spionage- und Landesverratsverbrechen begangen, au denen Dreyfus erwiesenermaßen unschuldig war. Das Urteil fährt fort, in der Erwägung, daß sowohl die aus der Handschrift als die aus dem Inhalt des Bordereaus hergeleitete Anklage völlig ungerechtfertigt sei. und man sich vergebens frage, in welcher Absicht der reiche Dreyfus ein so schweres Verbrechen hätte begehen sollen, in der Erwägung ferner, daß von der Anklage kein Punkt bestehen bleibe und daß infolgedessen eine Zurückverweisung nicht ausgesprochen werden dürfe, vernichte der Gerichtshof das Urteil und erkläre, daß diese Verurteilung irr -
das Erbgut hcrauszubezahlen, weil schon längfitümlichertveise und zu Unrecht ausgesprochen