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ment Nr. 34, Leutnant v. Äbettdroth, früher sächsisches Grenadier-Regiment Nr. 100, und 8 Reiter; drei Reiter wurden schwer und 7 Reiter leicht verwundet.
— In Frankreich Hst man Tabaks-, Zigarren- und Zündhölzchen-Monopol, Wagen- und Fenstersteuer, Inseraten-, Kontobuch- und Quittungssteuer, Fahrrad-, Pianoforte«, Livree- und Dienstmädchensteuer, Fahrkarten-. Vergnüg- ungs- und Wettensteuer, kurzum Steuern auf alles Mögliche und Unmögliche. Nur die Einkommensteuer hatte man nicht. Die nannte man seither unmoralisch, weil mit ihr ein Eindringen in die Privatverhältnifse verbunden ei. Jetzt muß man aber doch über dieses feinfühlige Bedenken sich hinwegsetzen. Zur Deckung des Fehlbetrags von 270 Millionen schlägt die Regierung die Einführung der Einkommensteuer vor.
Tokio, 15. Juni. Die Lage in Korea ist sehr ernst. Wie es scheint, erstreckt sich die Unzufriedenheit über das ganze Land. Die Bevölkerung setzt Japanern gehörige Häuser in Brand. Die japanischen Frauen fliehen aus dem Lande.
— Die russische Regierung hat, der „Nowoje Wremja" zufolge, bei der schweizerischen beantragt, daß der Revolutionär Ingenieur Rutenberg, der sich nach der Schweiz geflüchtet hat als gemeiner Mörder ausgeliefert werde, nachdem die Untersuchung ergeben habe, daß der ehemalige Priester Gapon von Rutenberg und zwei Helfern ermordet worden ist.
London, 14. Juni. Die Chicagoer Fleischpacker führen jetzt einen Verleumdungs- und Schmähungsfeldzug gegen den Präsidenten Roose- velt, um das gegenwärtig dem Kongreß vor liegende Fleischschaugesetz zu Fall zu bringen.
— Auch in England hat man einen Fleischskandal aufgedeckt. Der Daily Expreß veröffentlicht Enthüllungen über unerhörte Zustände in den kleinen Fleischerläden. Zahlreiche Fleischhauer pflegen danach sterbendes und krankes Fleisch aufzukaufen und in ihren Privatschlachthäusern schlachten zu lassen.
— In Aegypten, wo seit einiger Zeit bereits Zeichen von Gärung zu bemerken waren, sind dieser Tage englische Offiziere von Eingeborenen tatsächlich angegriffen worden. Während des Marsches einer englischen Trup- penabteilgung von Kairo nach Alexandria betraten 5 Offiziere ein bei Tanta gelegenes Dorf, um Tauben zu schießen. Die Offiziere wurden aber von den Dorfeinwohnern ihrer Waffen beraubt und mit Knütteln tatsächlich angegriffen. 3 Offiziere wurden schwer verletzt; ein Hauprmann ist den erlittenen Verletzungen erlegen.
— Ueber die Lage im Aufstandsgebiet von Deutsch-Ostafrika meldet das dortige Gouvernement weiter: Die Wangoni-Rebellen flüchteten sich auf das portugiesische Gebiet südlich des Rowuma. Ein Zug, der in Lindi stationierten Kompagnie sichert die Grenze. Die Unterwerfung der Aufständischen im Mahenge-Bezirke schreitet fort. Die Hauptführer Kingame und Schin- dano stellten sich freiwillig, andere folgen.
Äus Stadt und Umgebung.
Wild bad, 15.Juni. (Lamborg-Soiröe) Lamborg ist dem Konzerte besuchenden Städtepublikum seit vielen Jahren bekannt, aber immer und überall, wo sich der Künstler hören läßt, besucht man seine Konzerte wieder mit Freude. Lamborg ist in seiner Art wirklich ein Original. Klaviervirtuos pur sxevllsuvs, Sänger, Deklamator, Komiker, alles vereinigt sich in ihm. Sein improvisatorisches Talent zeigteZfich so recht in dem Wettstreit der Melodien, einem Potpourri, nach Angabe des Publikums. Stürme von Heiterkeit entfesselte seine Darstellung einer musikalischen Familie, des Virtuosen der Zukunft und der Vortrag einer ganzen Oper: „Der gebrochene Eid". Ebenso belacht wurden die Deklamationen: Die Glocke, dargestellt von den verschiedensten Charakteren, der Kasinoball, die Jungfrau beim Gewittere etc. Sein großartiges musikalisches Können zeigte der Künstler noch in der Imitation einer Aeolsharfe auf den Saiten des Klaviers, einer Spielnhr und in der Improvisation eines ihm gegebenen Textes
Und deS Nachmittagsprogramms der Kurkapelle Der Besuch des Konzertes war ein sehr guter, der Beifall nach jeder Nummer und am Schluß ein stürmischer.
Wildbad, 16. Juni. Ein französischer Schwank ins Berlinerische übertragen, das ist der „Kilometerfresser". Man mag das Stück schon ein paarmal gesehen haben, immer lacht man mit bei den tollen Einfällen, Eisersuchtsund VerwechSlungsscenen. Herr Grosse und Frau de Scheirder, waren wieder ein prächtiges Schwiegerelternpaar, „sie" natürlich eine Frau Potiphar in des Wortes verwegenster Bedeutung, die Frl. Klöß u. Gros liebe, verliebte Weibchen. Die Herren K a u f m an n „Der Kilometerfreffer" Hille, der Ueber- u. Schlafschauspieler u. Schubart, der Dichter des Berliner „Nachtasyl" (das noch viel schauerlicher sein sollte, wie das von Maxim Gorki) schufen prächtige Typen. Auch das „Dienstpersonal" spielte, wie gewohnt, vortrefflich. — Frl. Köchy ist wegen Erkrankung aus dem Verbände des KnrtheaterS getreten, dafür wurde Frl. Klöß engagiert, die gestern zum erstenmal mit sehr gutem Erfolg auftrat. Der Theaterbesuch war leider nur ein mäßiger.
Aus dem Enztal, 12. Juni. Am Freitag war ein Regenbogenring zu sehen, der in der Größe von etwa 15 Grad Durchmesser bei klarem, stellenweise schwach bewölktem Himmel die Sonne umgab. Bemerkenswert war diese Erscheinung durch die verhältnismäßige Deutlichkeit, mit welcher an wechselnden Stellen des Rings die Regenbogenfarben hervortraten, und durch die lange Dauer derselben: von morgens 8 Uhr bis nach 11 Uhr konnten sie ununterbrochen beobachtet werden, um erst nach 3 Uhr mittags völlig zu erlöschen. Der Witterungsumschlag, der sich dadurch ankündigte, ist inzwischen leider nur allzu gründlich erfolgt.
Htnlerchattenöes.
Zwei Hundertmarkscheine.
Erzählung von Rudolf Jura.
(Nachdruck verboten.)
Herr Kullmann erhielt sofort seine Freilassung angekündigt und wurde in das Zimmer geführt, in dem seine Frau auf ihn wartete.
„Ich freue mich," sagte der Staatsanwalt zu dieser, „daß Sie heute die Wahrheit gesprochen und uns dadurch ans die richtige Spur gebracht haben. Besser wäre es freilich gewesen, Sie hätten die Wahrheit gleich zu Anfang gesprochen. Dann hätten wir diesen sauberen Herrn von Haukwitz vielleicht noch erwischt. Jetzt ist das vielleicht viel schwerer, und daß Sie sich durch die Verschleierung des wirklichen Tatbestandes ein schweres Unrecht haben zu schulden kommen lassen, dessen sind Sie sich wohl bewußt. Hoffentlich unterstützen Sie die Gerechtigkeit wenigstens von jetzt an künftig in der Verfolgung seiner Spuren."
„Selbstverständlich."
„Haben Sie vielleicht eine Photographie des Mannes in Ihrem Besitz? Sie find ja schon wohl von früher her mit ihm bekannt? Auch das genaueste Signalement bietet immer nur einen sehr schwachen Anhalt. Wenn Sie uns eine Photographie zur Verfügung stellen könnteu, so wäre das sehr dankenswert. Wir könnten sie vervielfältigen und an alle Polizeiämter verschicken."
„Aber seien Sie versichert, Herr Staatsanwalt," fügte Heinrich hinzu, „daß ich alles tun werde, was in meinen Kräften steht, um den Schurken ans Messer zu liefern. Komm, Anni, wir wollen gehen."
Bei der ersten Ankündigung seiner Freilassung hatte Heinrich laut aufgejubelt. Offenbar hatte ein törichtes Mißverständnis Vorgelegen. Das war jetzt beseitigt. Er sollte wieder frei sein und durfte sich wieder mit den schöne» Hoffnungen seiner Zuknnft beschäftigen.
So wie er jedoch gehört hatte, von wem die beiden Scheine nach Aunis klar bewiesenem Eingeständnis in Wahrheit stammten, war seine Helle Freudenstimmung jäh zerrissen und schwarze Gewitternacht lrgte sich über sein von stürmischen Schmerzen wild zerrissenes Gemüt.
Mit äußerster Willenskraft hatte er sich in
Gegenwart des Staatsanwalts beherrscht. Aber jetzt beim Heimwege umspannte er mit zornigem Griff Annis Arm und fragte mit heiserem Flüstern:
„Also von deinem Georg von Hankwitz hast du das Geld?"
„Freilich," entgegnete sie möglichst harmlos. „Laß dir nur erzählen . . . ."
„Nicht jetzt!" stieß er jäh hervor. „Nicht auf der Straße. Zu Hause wirst du dich verantworten. Zu Hanse halten wir Abrechnung, mein Täubchen."
So furchtbar verändert hatte sie ihn nie gesehen. Willenlos und von Todesangst erfaßt, hiug sie an seinem Arm. Sie scheute sich, ihm in das harte Gesicht zu sehen, das sonst so gutmütig war, und magre kein Wort mehr zu spreche», während sie nach Hause gingen.
5. Kapitel.
Zu Hause machte sich Heinrichs gerechte Erbitterung in einer wütenoen Anklage Luft, von deren Wucht sich Anui zunächst ganz zu Boden geschmettert fühlte. Ader als er sie ehrvergessen, treulos und nichtswürdig schalt uud seine Empörung gar kein Ende zu nehmen schien, wich ihre Bestürzung bald einem anderen Gefühl.
Sie verglich ihn mit Georg von Hankwitz, dachte an dessen ritterliche Liebenswürdigkeit und fühlte sich nun durch Heinrichs Scheltworte ebenso tief wie ungerecht beleidigt. Das also war der Dank dafür, daß sie ihn durch ihr heldenhaftes Geständnis von seinem schimpflichen Verdacht befreit hatte! So wurde sie belohnt, weil sie entsagungsvoll ihre Pflicht getan hatte, dem eleganten Verführer nicht in die weite Welt gefolgt war, sondern liebevollen Herzens bei ihrem rechtmäßigen Gatten ausharrte in seiner bescheidenen, kleinbürgerlichen Stellung!
Im stolzen Gefühl des ihr angetanen Unrechts blickte sie dem Gatten mitten in seiner Strafpredigt mit keckem Gleichmut ins Gesicht und fragte m müdem, ärgerlichem Tone:
„Bist du nun bald fertig?
Heinrich war sprachlos über eine derartige Frechheit, und Anni benutzte diese Pause seiner Beredsamkeit, um einen Gegenangriff zu machen und sich aufs harmloseste zu entschuldigen.
„ES ist garnicht hübsch von dir," sagte sie weinerlich, „so garstig mit mir zu zanken. Es ist doch nur aus Rücksicht auf dich geschehen, daß ich dir das Hiersein jenes Herrn verschweigen wollte, auf den du nun einmal so geundlos eifersüchtig bist. Ich wollte deine Eifersucht schonen. Aber vielleicht hätte ich noch weiter gehen und mit Georg von Hank- Witz in deiner Abwesenheit überhaupt nicht sprechen sollen? Ich will zngebeu, daß ich noch strenger und vorsichtiger hätte sein können. Aber wenn ich unüberlegt gehandelt habe, so habe ich es in der Meinung getan, ich müßte deine Kunden freundlich und höflich behandeln. Das Geschäftsinteresse mußte ich doch in deiner Abwesenheit wahrnehmen, und das Geschäftsinteresse fragt nicht nach der Persönlichkeit der Kundschaft."
„Kundschaft? — Ein schöner Kunde ist der Herr von Hankwitz. Was hat er denn gekauft bei uns? Meine Ehre hat er kaufen wollen mit seinen falschen Scheinen, und du hast ge- lächelt zu seinem schimpflichen Handel, nicht wahr? Dir hat das Spaß gemacht!"
„Ich habe keineswegs dazu gelächelt und finde es im Gegenteil sehr betrüblich, daß er uns durch sein falsches Geld so großen Schaden zugefügt hat."
„Als ob das der schlimmste Schaden wäre," versetzte Heinrich aufgebracht. „Als ob es überhaupt ein Schaden wäre, daß sich die Scheine, die er dir geschenkt hat, hinterher als gefälscht herausgestellt haben!"
„Geschenkt?"
„Nun ja! Was denn sonst?"
„Du scheinst über die ganze Sache nicht klar unterrichtet zu sein," entgegnete Anni mit der Würde beleidigter Unschuld.
„Im Gegenteil! Ich sehe klarer und bin unterrichteter, als mir lieb ist. Du hast ja eben vorhin gestanden, daß du die Scheine von Herrn von Hankwitz erhalten hast!"
(Fortsetzung folgt.)