— 135 —
Sein Mitgefühl regte ElseS Tränendrüsen noch mehr an; ihr Schluchzen wurde immer krampfhafter. Dem weichmütigen Amtmann wurde selbst bang und weh ums Herz.
„Nu, nu - - weine doch nicht so furchtbar, Kindchen!" suchte er zu beschwichtigen. „Mit der Zeit wirst du ja darüber hinwegkommen. Es gibt ja noch mehr Männer auf der Welt. — Nicht? Na, na!"
Er faßte die Weinende am Kinn und betrachtete sie kopfschüttelnd.
„Wie du aussiehst! Wie schmal deine Bäckchen geworden sind! Und wo hast du deine frischen Farben? — Nein, so was! Ein Jam- mer ists!"
Er gab, tief erschüttert, die ganz in Tränen Aufgelöste an seine Schwägerin zurück und wandte sich erregt seinem Bruder zu.
„Das Kind muß hier heraus!" erklärte er mit starker Entschiedenheit. „Hier geht sie euch zu Grunde. Hier brütet sie doch nur über ihren Schmerz, hier erinnert sie doch nur alles an den Menschen. Ich nehme sie mit. Bei uns ist 'ne andere Luft, und da ist auch keine Gefahr wie hier, daß sie mal mit ihm zusam- inentrifft. Bei uns wird sie vergessen und wieder fröhlich werden. Herrgott, wenn ich denke, wie sie noch vor acht Tagen aussah nu!"
Er drehte sich ganz voll Eifer wieder zu seiner Schwägerin um.
„Pack nur ihren Koffer, Antonie! Ich nehme sie gleich heute mit. Je eher, desto besser!"
Die Frau Professor warf einen fragenden Blick nach ihrem Gatten hin. Der Professor nickte gewährend.
„Fritz hat recht," sagte er. „Eine Zerstreu. img wird ihr zweifellos gut tun. Ich danke dir, Bruder!"
Er reichte dem Amtmann die Hand und die Sache war abgemacht.
Freilich, das Mittel, von dem sich der Amtmann höhere W rkung versprochen hatte, wollte gar nicht anschlagen. Weder seine noch seiner Gattin Bemühungen konnten irgend etwas aus- richten. Else blieb still und in sich gekehrt. Sie ließ sich alle freundlichen Zureden, alle Bemühungen, sie aufzuheitern und zu zerstreuen, mit resigmerter Miene gefallen, ohne sich davon irgendwie seelisch beeinflussen zu lassen. Sie schlich nach wie vor blaß, apathisch und trübselig umher, und ihre enzündeten, geschwollenen Augenlider bewiesen, daß sie im stillen noch immer ungezählte Tränen vergoß.
Es entsprach nicht des Amtmanns Natur, diesem stummen Schmerz ruhig und untätig zuzuschauen und der Zeit das Uebrige zu über
lassen. Sein hilfsbereites, tatkräftiges Temperament trieb ihn, der Leidenden beizustehen. Und da seine Beobachtung ihm zeigte, daß ElseS Kummer ein^tief eingewurzelter und nur durch ein Radikalmittel zu behebe« war, so beschloß er, alle seine Kräfte dranzusetzen, um des jungen Mädchens stilles Sehnen zur Erfüllung zu bringen. Das nächste, was er tat, war, daß er Herrn Meinardus — den Chef Viktor Lehnhards — aufsuchte, um genauere Erkundigungen über den jungen Mann einzu- holen. Was er hier hörte, belebte seinen Mut und sein Vertrauen auf eme baldige, friedliche Beilegung des Konflikts. Aber als er nun seinen Bruder aufsuchte und auf ihn einzureden begann, daß es seine — des Professors — Vaterpflicht sei, nachzugeben und dem Glücke der beiden jungen Leute nicht hindernd in den Weg zu treten, da fand er den hartnäckigsten Widerstand. Der Professor wollte von einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu Viktor Lehnhard absolut nichts wissen. Seine Ansicht war und blieb, daß Else vergessen und einmal einen auderen Gatten finden werde. Für Claus aber würde es viel schwieriger sein, sich mit seinen 25 Jahreu noch einen neuen Beruf zu suchen, er, der vielleicht das Höchste als Ossi zier zu leisten berufen sei und ^u den höchsten Aemtern und Würden im Staat emporstcigen könne. Eise müsse sich eben dem Bruder unterordnen, das sei von Alters her das Los der Schwestern.
In aufgeregter und zorniger Stimmung verließ der Amtmann seinen Bruder. Die Gründe desselben halten ihn ganz und gar nicht überzeugt Im Gegenteil, war ec der Ansicht, daß Else mindestens dasselbe Anrecht auf eine glückliche Zukunst habe, wie ihr Bruder. Claus werde und könnein einer neuen, achtbaren Tätigkeit Zufriedenheit u. Glück finden, für Else aber gäb es doch nun einmal nur den einen Mann in der Welt, an dem ihr junges Herz mit allen Fasern hinge, und da man mit Sicherheit anneh- men könne, daß Lehnhard sie einmal glücklich machen würde, so s.i es eine Grausamkeit, die beiden Liebenden zu trennen.
Während der nächste» Tage arbeitete sich der Amtmann in einen immer lebhafteren Zorn hiuein. Elses stille Trauer schnitt ihm inS Herz und seine Phantasie malte ihm die erschreckendsten Folgen. Wie oft ha'te man nicht schon gelesen, daß verliebte junge Mädchen ins Wasser gegangen seien oder sich sonst ein Leid angetan hatten. Während der Beratungen, die er mit seiner Frau hielt, nannte er seinen Bruder einen grausamen Pedanten und seinem
Neffen einen kalten Egoisten. Und im Bereu mit seiner gleichgestimmten Lebensgefährtin sann er hin und her, um einen Ausweg zu finden.
(Fortsetzung folgt.)
Letzte Nachrichten.
Berlin, 21. März. In der Siegesallee feuerte heute ein stellenloser Flaschnergeselle dreimal hintereinander auf den mit seiner Tochter promenierenden rvürttembergischen Major Wilhelm Gröner beim Großen Generalstab. Der Ueberfallene blieb unverletzt, der Täter wurde festgenommen. Er macht den Eindruck eines nicht ganz zurechnungsfähigen Menschen und behauptet, er habe einen Haß auf alles Militär, weiter während seiner Dienstzeit schlecht behandelt worden sei; er habe sich jetzt einmal an dem ersten Besten, der ihm in den Weg kam, rächen wollen. Bei der Durchsuchung wurden in seinen Taschen anarchistische Zeitungen gefunden.
Braun schweig, 21. März. Die erste Strafkammer des hiesigen Landgerichts verurteilte heute den 18jährigen Bäckerlehrling Brunke, der am 17. Oktober 1905 die beiden Schwestern Haas auf deren ausdrückliches Verlangen erschossen hatte, wegen Totschlags in Verbindung mit Tötung auf ausdrückliche» ernsthaftes Verlangen der Getöteten, sowie wegen Diebstahls in 20 Fällen zu 8 Jahren Gefängnis.
Moskau, 20. März. In die im Mittelpunkt der Stadt gelegene Bank „Kreditgesellschaft auf Gegenseitigkeit" drangen heute ungefähr 20 mit Revolvern bewaffnete Leute ein und raubten, indem sie die Angestellten mit Revolvern bedrohten, ungefähr 850 000 Rubel in Gold und Bankbilletten aus der Kaffe. Der Bande gelang es zu entkommen.
Gerneinnützges.
— Gegen akuten Schnupfen wird folgendes Mittel empfohlen: Ein Teelöffel voll Kampferpulver wird in ein mehr tiefes als weites Gefäß gegossen und dieses zur Hälfte mit kochendem Wasser gefüllt. Ueber dasselbe stülpt man dann eine dreieckige Papierdüte, deren Spitze man so weit abreißt, daß man die ganze Nase hineinstecken kann. Auf diese Weise atmet man die warmen kampferhaltigen Wasserdämpfe 10—15 Minuten lang durch die Nase ein. Das Verrühren wird nach 4—5 Stunden wiederholt, und selbst der hartnäckigste Schnupfen leistet ihm nicht Widerstand, meist verschwindet er >chon noch dreimaligem Einatmen.
Wi!c!dsc!, den 21. Rar? 1906.
0 !
Route i^bend 8 Rbr vmrde meine liebe treubesorZte Rattin, unsere inni^st Avliebte §ute Nutter, loebter, Lebvmster, LebvrsAerin und Laute
frau Mna LbiMane sirmpf
ge», fiat»
im ^.lter von naberiu 44 dabren von ibrem kurzen seligeren Leiden dureb einen ssnkten lod erlöst. Rm stille leilnabme bittet im Rainen der tieftrauernden Hinterbliebenen
>! i r -
Rer Ratte :
OtinistÜLH
Rotsl OoncorälL.
LSSräiZ'iiiiA: La.iR.s'bRA RRolmii'bllÄZ' 4 Ilkr.