— 203
liger Gott, kann so etwas geschehen/ ries Karl Huber.
„Rechte nicht mit Gott, Karl" bat Lis- beth, „was geschehen ist, ist geschehen. Ich wußte, daß du gestern frei wirst, mir war's, als müßte ich die erste sein, die dir alles erzählt. Gottlob, es ist mir möglich gewesen. Und nun komm — zu deiner Mutter."
' Da stand sie vor ihm, das Mädchen, das ihm vertraut und geglaubt, und wie sie emporsah zu ihm mit feuchtem Blick, wie sie nun die Arme um ihn schlang und vor Freude in Tränen ausbrach, da hob Karl Huber die Hände empor zum leuchtenden Himmel.
„Vater im Himmel," rief er. „vergib mir, daß ich an dir irre geworden bin. Du bist die Liebe und die Gnade, und wie dein Geist die Welt durchdringt, edle Herzen zu erwecke» zu neuem, frohem Leben, so laß auch mich, laß uns vertrauend die Wege gehen, die du uns führst."
Und wiederum klang's herauf vom Tale zu den beiden glücklichen Menschen, die droben standen, fest umschlungen und einander stumm in die Augen sahen.
Ja, sie läuteten einem seligen Glück den ernsten Willkommgruß entgegen, die Karfreitagsglocken, und froh verkündet ihr hallendes Tönen die Botschaft der Liebe, die auch unterm Kreuze und vor des Gefängnisses Tür Treue hält denen, die an sie glauben.
Mrrlei. Hcrl'tendes.
Meine offizielle Frau.
Von Col. Richard Henry Savage.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
Elftes Kapitel.
Als ich mein Zimmer betrat, fand ich drei Briefe — der erste enthielt eine eilig hingeworsene Botschaft von Helene und lautete:
„Beeile Dich, lieber Arthur, ich habe mich schon angezogen und bin allein zum Diner bei der Fürstin gefahren; komm so schnell wie möglich nach und rette Deinen Ruf als höflicher Mann, indem Du noch rechtzeitig erscheinst.
Deine kleine Frau."
Unter den gegebenen Verhältnissen war es mir lieb, daß sie allein vorausgefahren war; denn ich legte keinen Wert auf ein tsw-L-ttztö mit meiner offiziellen Neuvermählten, solange sie sich hochmütig und schweigend zeigte.
Das zweite Schreiben kam von Boris, der sich an Bord seines Schiffes in Krön- stadt befand und mich und meine Frau einlud, dorthin zu fahren und sein Fahr- zeug zu besichtigen. Offenbar wußte er noch nichts von unsrer bevorstehenden Abreise.
Der dritte Briefumschlag enthielt nur den Paß, der Oberst Arthur Lenox und Frau gestattete, Rußland via Eydtkuhnen zu verlassen.
Ein Gefühl der Erleichterung, des Glückes, ja sogar des Uebermutes überkam mich, als ich dieses Schriftstück las. Nun konnte ich der Angst vor Entdeckung und den Qualen der Eifersucht entfliehen und am nächsten Mittag mit meiner offiziellen Gattin abreisen. Kein Verdacht war auf uns gefallen — die Mausefalle war offen.
In angeregter Stimmung kleidete ich mich an und begab mich zur Fürstin Pa- litzin, wo ich eine Gesellschaft traf, wie man sie nur iu den höchsten Hofkreisen
einer europäischen Hauptstadt finden kann; alle Herren trugen prächtige Uniformen; mein Rock war der einzige schwarze an der Tafel.
Die Gesellschaft bestand zum größten Teil aus jüngeren, lustigen Elementen, aber Sascha war bei weitem der lebhafteste der hier versammelten Löwen Petersburgs. Eine neue, wilde Freude glühte in Len Augen dieses Tataren und raubte mir alle Eßlust; ich fürchte, während der ersten halben Stunde der Mittagsgesellschaft war ich ziemlich langweilig.
Später aber machte sich die Wirkung der in Strömen fließenden Weine auch bei mir bemerklich und cs gelang mir, meinen Teil des Tisches in ständiger Heiterkeit zu erhalten und aus dem Lachen über meine Anekdoten aus der Türkei, aus Aegypteu, Spanien, Mexiko und den Vereinigten Staaten gar nicht mehr herauskommen zu lassen.
Die einzige, die über meine reizenden Geschichten nicht lachte, deren sanfte Äugen traurig auf Sascha ruhten, während er sich ganz und ausschließlich meiner offiziellen Ehehälfte an seiner Seile widmete, war Prinzessin Dosia.
Da man aber in Rußland von einem Ehemann nicht erwartet, daß er in Gesellschaft ein allzu scharfes Auge auf seine Frau hat, fügte ich mich der Sitte und widmete mich außer dem Champagner auch den verschiedenen russischen Schönheiten und zwar das letztere mit einem Erfolg, der bei einem längeren Aufenthalt jedenfalls hätte recht befriedigend werden können. Zwischen hinein dachte ich aber im- mer wieder: morgen mittag um ein rihr ist dieses ständige Schwanken zwischen Eifersucht und Entsetzen zu Ende. Schließlich ging die Zeit, bis wir uns von unsrer Wirtin verabschieden mußten, ganz erträglich herum.
„Es war eine ganz reizende Gesellschaft, liebe Fürstin," flötete Helene, „vermutlich aber auch meine letztein Rußland."
„Was soll das heißen?" fragte Frau Palitzin verwundert.
„Vermutlich," mischte ich mich in das Gespräch, „nimmt meine Frau Bezug darauf, daß ich meinen Paß in der Tasche habe, um morgen von St. Petersburg abzureisen."
„Und Sie wollen Ihre Frau mitnehmen! Das leide ich nicht," rief die Prinzessin hastig. „Morgen abend ist der Jgnatiefsche Ball in der,8uIIs ä6^oble88s/ einer der interessantesten im ganzen Winter. Herr Oberst, Sie dürfen Ihre Frau nicht um dies Vergnügen bringen, schon weil — aber sagt beide niemand ein Wort davon - - der Zar selbst hinkommen wird, obgleich es noch Hofgeheimnis ist. Der Zar teilt seine Absicht, an einer Privatgesellschaft teilzunehmen, aus Vorsicht nie vor einem bestimmten Tage mit, aber ich glaube, daß ich Ihrer Frau sicher eine Vorstellung beim Zaren versprechen kann und das wird das größte Ereignis ihres Lebens sein!"
„Das größte Ereignis meines Lebens," widerholte Helene, die plötzlich unter dem Einfluß einer heftigen Gemütsbewegung zu stehen schien. Ihre Gestalt wuchs zusehends und sah vornehm und gebietend aus und ihre Augen leuateten in einem Feuer, das ich der verfluchten weiblichen Eitelkeit zuschrieb.
„Gleichwohl rufen wich meine Geschäfte nach Paris zurück," erwiderte ich kurz, „und ich nehme meine Fra« immer mit
mir. Ich weiß, man glaubt, wir amerikanischen Ehemänner gestatten unfern Frauen jede Freiheit, aber —"
„Aber bis morgen wird sie's Ihnen schon abgeschmeichelt haben," lachte unsre Wirtin, „versprechen Sie mir, daß Sie das thun wollen, Frau Lenox."
„Ich werde — Ihnen morgen — schreiben," erwiderte meine Gemahlin langsam, fast stammelnd.
„O, ich weiß gewiß, daß eS Ihnen gelingen wird."
„Diesmal nicht," sagte ich mit einer Strenge, die die Fürstin veranlaßte, mich und Sascha abwechslungsweise auzufehen, welch letzterer eben herankam, um noch sein „letztes Wort" mit la Kollo ^.mori- eumo zu sprechen. Eilig führte ich Helene die Treppe hinab, schob sie in den Wagen und fuhr fort, ehe der unternehmende junge Offizier uns hatte Nachkommen können.
Durch die Mitteilung der Fürstin war meine Frau sehr nachdenklich gestimmt worden, wenigstens sprach sie kaum ein paar Worte auf unsrer Fahrt nach Hause und ich geleitete sie — weil ich ärgerlich darüber war, daß sie den ganzen Abend keinen Blick für mich gehabt hatte — ruhig »ach unfern Zimmern und sagte dann anzüglich: „Sie wissen, daß ich die Pässe habe?"(Forts, folgt.)
Vermischtes.
— Die Fenster auf! muß jetzt mehr als je der Ruf se:n. Alle Frühjahrskrankheiten, wie Schnupien, Husten, Müdigkeit und nervöse Verstimmungen aller Art, werden leichter überwunden, wenn jetzt durch geöffnete Fenster die anregende Frühlings- luft in die Zimmer dringe» kann. Der dauernde Aufenchalt in der verdorbenen Luft der Wohnungen, Werkstätten und Vergnügungslokalc mit ihrem Tabaksrauch, Kohlenruß und Staub, ihren sauerstosszeh- renden Oefen und Lampen, die mangelnde Bewegung der Städter in frischer Luft während des Winters führen in ihrer Zu- sammenwirkung zu Störungen des Stoffwechsels. Es sind Folgeg des Mangels reiner Lust, die sich dann in den Beschwerden des Frühjahrs entladen. Darum gilt es, vornehmlich in den Schlafzimmern diesem Mangel abzuhelfen. Denn im Schlaf bedürfen wir besonders reiner Luft, damit das Blut einen Saverstoffvorrat für den kommenden Tag gewinnen kann und wir nicht immer wieder mit der ausgeatmeten Kohlensäure uns vergiften. Es gibt ja noch immer Leute, die davon durch kein Zureden zu überzeugen sind. Ihnen ist folgende Probe zu empfehlen: Nach dem Erwachen am Morgen mögen sie recht bald ihr Schlafzimmer mit geschlossenen Fenstern und Türen verlassen und nur zehn Minuten tief atmend draußen in de: frischen Morgenluft spazieren gehen. Sodann sollen sie zurückkehren in das verlassene noch geschlossene Schlafzimmer und jetzt ihre Nase gebrauchen! Sie werden erschreckt sein über die Stickluft, in der sie sich stundenlang befunden haben. Vielleicht begreifen sie dann auch, warum sie oft benom- men und müde das Lager verließen. Ihnen fehlte die reine Luft während der Nacht, ohne die sich im Schlaf keine Erneuerung unserer Spannkraft vollziehen kann. — Wer es also im Winter nicht wagte, der öffne jetzt die Fenster seines Schlafzimmers oder doch des Nebenzimmers. Er stelle sie so, daß Zugluft die Schläfer nicht treffen kann und bedecke sich gut. Ruhiger Schlaf wird diese einfache Kur lohnen.