Amtsblatt Anzeiger

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Dienstag, öen 18. AprriL 1905.

41. Jahrgang.

R n u d i ch a n.

Stuttgart,>14. April. Die Kam- mer der Abgeordneten begann heute die Beratung des Justizetats, der im Jahre 1905: 5997 885 Mk. und im Jahre 1906 5 984 749 Mk. erfordert, was gegenüber dem Jahre 1904 einem Weniger von 142 765 Mk, beziehungsweise 191901 Mk. ent­spricht. Wie überall knüpfte sich wieder an Titel 1, Gehalt des Ministers 18000 Mk. eine längere allgemeine Debatte über das große Gebiet der Rechtspflege, in der zunächst der Berichterstatter Friedrich Haußmann einige Klagen und Wünsche vvrbrachte, auf die Justizminister v. Breit- ling sofort erwiderte und dabei betonte, daß auch er eine Aenderung des Systems unserer Freiheitsstrafen für notwendig erachte und daß, soweit es dem Richter freigestellt ist, mehr Geldstrafen als Frei­heitsstrafen verhängt werden sollten. Eine verschiedene Wertschätzuug von Kriminalisten und Zivilisten könne man seiner Verwalt- ung nicht zum Vorwurf machen; denn er weise die jungen Juristen stets an, sich da­vor zu hüten, in ihrer Tätigkeit bei den Gerichten einseitig zu werden. Der Mi- mster gab zu, daß heutzutage zu viel Eide geschworen werden, es geschehe dies aber immer gemäß den Vorschriften der Gesetze; er stehe auf dem Standpunkt, daß Ver­haftungen nur vorgenommen werden sollen, wenn die gesetzlichen Voranssetzungen da­für gegeben sind. Der Minister teilte so­dann noch mit, daß die Umschreibung der Grundbücher ende dieses Jahres fertig werde und daß voraussichtlich noch in die­ser Tagung dem Haus der Entwurf einer Gebührenordnung, wie ihn das Gesetz von 1899 vorsehe (Geb.-Satz. in Angelegen­heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), zu­gehen werde. Hieraus wurden verschiedene Anträge eingebracht u. a. betr. Gewährung von Reisekostenentschädigung und Taggel­der an die Geschworenen und Schöffen, Regelung des Gerichtsvollzieherwesens, Be­kämpfung der Duellunsiite und Verschärf­ung des Strafgesetzes über üble Nachrede, Entschädigung unschuldig Verurteilter, Re- Vision der Zivilprozeßordnung. Ferner wurde Klage darüber geführt, daß viel zu viel und oft mit Uebereilung verhaftet werde. Unsere Richter und Staatsanwälte sollten sich klar sein, welch furchtbare Ein­griffe in die persönliche Freiheit die Ver­bringung in Untersuchungshaft mit sich bringen könne und wie sehr oft ganze Familien dadurch in Mitleidenschaft gezo­gen werden.

Stuttgart, 15. April. Die Kammer der Abgeordneten hat heute die all­gemeine Debatte über den Justizetat zu ende geführt und den Titel 1 Gehalt des Ministers 18000 Mark genehmigt. In

einer zweistündigen Rede erwiderte Justiz- Minister v. Breitling auf die verschie­denen Aeußerungen, die die Debatte bisher i gezeitigt hatte. Er erklärte sich mit dem Antrag Gröber hinsichtlich der Aufstellung! eines besonderen Etatstitels für die Ent­schädigung unschuldig Verurteilter und Verhafteter einverstanden, trat für eine Revision des Amtsgerichtsverfahrens und gegen eine Erweiterung der Sondergerichte ein, erklärte, daß die Eisenbahnverwaltung sich geweigert habe, an den Reisekostenent- Schädigungen für die Geschworenen mitzu-' tragen, und betonte, daß die Frage der ! Gewährung von Taggeldern an die Ge­schworenen und Schöffen nur durch Reichs- gesetzgebung geregelt werden könne. Bezüg­lich der Gerichtsvollzieher teilte der Minister mit, daß ein Gesetzentwurf über die Regel- > ung des Gerichtsvollzieherwesens, nament­lich auch über die Regelung der Haftungs-! frage in Vorbereitung sei, daß zunächst aber^ noch Vorerhebungen stattzufinden haben.! Der Minister gab zu, daß zuviel Verhaf^ tungen vorgenommen werden; er habe! deshalb die Landgerichtspräsidenten ange- gehalten, sich jeden Monat zu überzeugen,! wie siele Personen und aus welchem Grund sie in Haft gehalten werden.

Stuttg art, 12. April. (Strafkammer.) Ein raffinierter Heiratsschwindler wurde gestern in der Person des 30jährigen ver­heirateten Kaufmanns Jakob Kuhn von Schnaitheim vorgeführt. Im Jahr 1901 hat er sich erstmals mit der einzigen Töch­ter einer Witwe zu Geislingen verlobt und von letzterer 5500 Mk. erschwindelt. Als dem Mädchen die Augen aufgingen, nahm es sich in der Erregung das Leben. Fer­ner beschwindelte der Angeklagte ein Mäd- chen aus Calmbach um 700 Mk. und eine hiesige Kellnerin um 100 Mk. Mit beiden hatte er sich verlobt, obgleich er be­reits verheiratet war. Allen diesen Mäd­chen log er vor, er sei ein reicher Bauern­sohn und sei im Besitz eines Vermögens von 60000 Mk., sei in einer Lebensver­sicherung mit 20000 Mk., habe Aktien in Italien usw. Das Urteil gegen den An­geklagten lautete auf 2 Jahre Gefängnis und 5 Jahre Ehrverlust.

Stuttgart. Der erste Gewinn der Pferdemarktlvtterie im Betrag von 40000 Mk. fiel lO hiesigen Arbeitern des Reise­artikelgeschäfts von Weidenbacher und Cloß zu. Von den glücklichen Gewinnern sind 9 verheiratet.

Calw. Jagdpächter Joh. Nothacker erlegte dieser Tage einen starken Auer­hahn auf Speßhardrer Markung. In andern Bezirken, in denen das Auerwild ständig ist, kamen bereits mehrere Hähne zum Abschuß. Aus Jägerkreisen vernimmt inan, daß die Zahl desAuerwilds imZunehmcn sei.

Tübingen, 14. April. (Strafkam­mer.) Als der Gerichtsvollzieher Schidel in Wildbcrg bei dem Sonnenwirt Unge­richt daselbst Pfändung vornehmen sollte, traf er nur die Ehefrau Friederike Unge­richt an. Wie er zur Pfändung geschritten war, versetzte sie ihm einige Stöße auf die Brust. Die Sonnenwirtin wurde deshalb vom Schöffengericht Nagold wegen Wider­stands gegen die Staatsgewalt zu einer Woche Gefängnis und den Kosten verur­teilt. Hiegegen erhob sie Berufung, wo­rauf von der Strafkammer eine Geldstrafe von 20 Mk. gegen sie erkannt wurde. Sie hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Freiburg i. B., 15. April. Der natio­nalliberale Reichstagsabgeordnete Posthal- !ter Faller in Bonndorf, welcher den 2. !dad. Reichstagswahlkreis vertrat, ist heute ! morgen gestorben. Er war ungefähr eine l Woche an Influenza erkrankt, wozu Bauch- 'fellenlzündung kam.

« Rund l Million Mk. an höheren

Einkommen soll die Steuerveranlagungs- kommission in Berlin durch schärferes Vor- gehen ermittelt haben. Zwei besonders drastische Fälle seien nach Berliner Zeit­ungen mitgeleilt. Als zwei Steuerpflich­tige, die bisher nur 2100 und 2400 Mk. versteuerten, zur Selbsteinschätzung aufge­fordert wurden, soll sich ergeben haben, daß der eine 45600 und der andere sogar 66 600 Mk. jährliches Einkommen hat.

Die Nordd. Allg. Zlg. schreibt: In­folge der Inangriffnahme neuer Bahn­bauten in unseren Kolonien, der Verbes­serung des Hafens in Swakopinund, sowie der geplanten Ausführung anderer wichtiger Bauarbeiten bieten sich für jüngere mitt­lere Baubeamte günstige Aussichten zur Verwendung im Kolonialdienst. Bevor­zugt werden technische mittlere Eisenbahn­beamte oder Beamte der allgemeinen Bau­verwaltung, die die nötigen Prüfungen abgelegt haben. Die Annahmebedingungen sind folgende: Verpflichtung zu einer l'/s bis 3jährigen Dienstzeit je nach den kli­matischen Verhältnissen, 5400 Mk. jähr­licher Renumeration nebst freier Wohnung, reichlicher Ausrüstung, Reisegeldern und freier ärztlicher Behandlung im Schutzge­biet. Meldungen sind an die Kolonialab­teilung des auswärtigen Amts in Berlin zu richten.

Welch furchtbarem Durst die deutschen Käinpfer in Deutsch-Südafrika bisweilen ausgesetzt sind, beweist folgende Mitteilung derLeipz. N. N." aus dem Brief eines Hannoveraners:Hier in Lüderitzbucht trat uns gleich nach unserer am 14. Januar erfolgten Ankunft ein entsetzliches Kriegs­bild vor Augen: in den Bergen hatte man eine deutsche Patrouille verdurstet aufge- funden. Der Gefreite lebte noch, war