Beilage z.Wildbader Chronik."

-LS.

Samstag, den 15. Apvit 1905.

41. Jahrgang.

Vermischtes.

Von einer wunderbaren Errettung im Tunnel unter dem East River zwischen Newyork und Brooklyn wird der Ar­beiter Creegan bis an sein Lebensende erzählen können. Mit 22 anderen Arbei­tern war er in einer mit komprimierter Luft gefüllten Kammer beim Bau des Tunnels beschäftigt, als sich an der Decke des letzteren ein Riß zeigte und im Nu das Wasser in Strömen sich in die Kammer ergoß. Während die übrigen Arbeiter nur auf ihre Rettung bedacht waren, ergriff Creegan einen mit Sägemehl gefüllten Sack und stieg eine Leiter hinaus, um den Riß zu verstopfen. Durch den Luftdruck aber wurde er gegen die Decke der Kammer- gepreßt, so daß er nicht Hand noch Fuß rühren konnte. Der Riß erweiterte sich, und plötzlich flog Creegan wie aus der Kanone geschossen durch Erde, Schlamm und Wasser hindurch ins Freie. Er wurde mehr als 20 Fuß hoch in die Luft ge­schleudert und fiel in der Nähe eines vor­überfahrenden Schleppboots nieder, das ihn auffischte. Die Mannschaft des Bootes war nicht wenig erstaunt, als sich plötzlich vor dem Boote eine Wassersäule erhob und aus ihr heraus ein Mann in den Fluß flog. Creegan halte bei seinem merkwür­digen Abenteuer keinen Schaden erlitten. Seinen Bemühungen haben seine Kamera­den es zu danken, daß sie sich unversehrt in Sicherheit bringen konnten.

Die Dienstbotennot hat in ganz Amerika einen Höhepunkt erreicht, der die Leute zwingt, die gesamte Hausarbeit selbst zu verrichten. Ein Dienstmädchen, das nicht einmal etwas Tüchtiges kann, verlangt in Amerika 3040 Dollars pro Monat, also zwischen 120160 Mark. Für erst­klassige Dienstboten, Bediente, Kutscher usw. müssen Preise bezahlt werden, die man bei uns Beamten, Lehrern, Ingenieu­ren bezahlt. Verschiedene amerikanische Familien haben deshalb versucht, deutsche Dienstmädchen mit hinüberzunehmen. Das tat aber nur kurze Zeit gut, denn nur zu rasch stellten auch diese Dienstmädchen, von ihren Kolleginnen aufgeklärt, die näm­lichen Forderungen. Die Dienstbotennot hat übrigens eine neue Erscheinung ver­ursacht. nämlich die kolossale Entwickelung des Hotelwesens, denn viele Familien ziehen es vor, ständig im Hotel zu wohnen. Das ist unter solchen Verhältnissen nicht nur billiger, sondern auch bequemer.

Das Trinkgeldgeben ist zu einem Unfug geworden, der den Reisenden viel Geld kostet und meist nicht den Beschenkten, sondern den Wirten zu gut kommt. Wie das kommt, erzählt ein Reisender in derFrkf. Ztg.": Ich logierte einige Tage in einem Wiener Hotel. Als ich abreisen wollte, trat der Oberkell­ner an mich heran, übergab mir die Rech, nung und bemerkte dabei:Trinkgelder sind nicht berechnet."Sehr wohl, ant­wortete ich und zahlte.Ich erlaubte mir vorhin. Sie darauf aufmerksam zu machen, daß keine Trinkgelder berechnet sind", re­dete er mich wieder an.Nun! ich habe doch Ihnen auch keine bezahlt," erwiderte ich.Bitte, Sw haben mich mißverstan­den, ich bin darauf angewiesen, ein Trink­geld zu erhalten."So? na dann bitte"

und überreichte dem Herrn einen halben Gulden!Entschuldigen Sie", replizierte er,ich wünsche nicht lästig zu sein, allein unter einem Gulden bekomme ich nie!" Aber!" entgegnete ich,das finde ich doch sonderbar, das hängt doch von mir ab, ob ich Ihnen überhaupt etwas gebe!" Ich kann Ihnen diese Meinung nicht verübeln," erwiderte der Herr sehr höflich, allein ich zahle für meine Stellung 2000 Gulden Pacht!" In der fortgesetzten Un­terhaltung darüber erklärte er mir, daß jeder Hausknecht ebenfalls 1000 Gulden Pacht zahlen müsse, daß sich diese aber alle besser stünden, denn die früheren Haus­knechte hätten sich ein jeder vis-ü-vw ein kleines Hotel kaufen können. Soviel mir bekannt, finden dergleichen Tnnkgelder-Ver- pachtungen noch vielfach statt.

Die Verdaulichkeit der Speisen.

Dr. Klenke gibt in seinen diätetischen Vorschriften Angaben über die Verdaulich­keit der Speisen, welche hier ebenfalls Platz finden mögen. Die von genanntem Forscher aufgestellte Skala ist etwa folgende: Zum Verdauen bedürfen:

1 Stunde: Gekochter Reis.

Ist- Stunde: Geschlagene Eier, Gersten- snppe, gebratenes Wildpret, Obst als Muß gekocht, gekochte Forelle, Spinat, Spargel, Sellerie, Hirn, gekochter Sago, Gersten­brei, Hafergrütze.

2 Stunden: Gekochte Milch, rohes Ei, gekochte Gerste rc.

2st- Stunden: Rohe Milch, Truthahn, gebratene wilde Gans, gekochtes Sauer­fleisch, gebratenes Spannferkel, geröstete Kartoffeln, in den Hülsen gekochte Bohnen, Erbsen rc.

2^/4 Stunden; Pudding von Eiern und Milch, Austern, Hühnerfrikassee, geröstetes Rindsfilet.

3 Stunden: Roher Schinken, geschmor­tes Hammelfleisch, gekochte Mohrrüben, frühe Salate, Kohl.

Astr Stunde»: Gebratenes Schweine­fleisch, harte Eier, gekochtes Rindfleisch, ein gesalzenes Rindfleisch, gekochte Kar­toffeln, frisches Weizenbrot, gekochter Weiß­kohl rc.

33/1 Stunden: Gekochtes, fettes Rind­fleisch, Butterbrot mit Kaffee.

4 Stunden: Gekochtes und gebratenes Hausgeflügel, Hammelbraten, Kalbsbraten, trockenes Brot mit Kaffee.

4fli Stunden: Schweinefleisch mit Gemüse, wildes Geflügel.

4st- Stunden: Gekochtes Hammelfleisch, gesalzenes Pöckelfleisch und Sauerkohl.

5 Stunden: Gebratene Rauchwurst, altes Hammelfleisch gebraten, Steinobst, Pilze, Nüsse.

6 Stunden: Altes Pöckelfleisch, gebratene fette Aale, gebratene Neunaugen.

Fett, Oel und Säure zu den Speisen erschweren die Verdauung, während diese durch Reizmittel, wie Salz in zulässigen Grenzen, Gewürze, Rettig rc. entschieden befördert wird. Freilich, die individuellen Differenzen kommen auch hier in Betracht, und nw darf vergessen werden, daß dieselbe Speise von dem einen auf Grund seines subjekliven Empfindens als schwerverdau­lich bezeichnet werden kann, welche der andere für leichlverdaulich erklärt.

Gemeinnütziges.

Angebrannte Speisen find immer eine wenig angenehme Sache für die, welche sie genießen sollen. Das rasche Umschütten in einen säubern Topf, bei dem man acht­geben muß, daß man nicht das, was schon am Boden haftet, mit in den reinen Topf be­kommt, nützt bei Milchspeisen nicht. Da­gegen hilft trefflich zur Verdeckung des Geschmacks der Zusatz von 12 Eßlöffel Kognak, Rum oder Branntwein, mit dem die Speise noch einige Minuten kocht; war das Anbrennen nicht gar zu schlimm, so merkt man nichts mehr von dem Ungemach, das auch der besten Hausfrau einmal passieren kann.

Zur Aussaat von Bohnen, Gurken u. s. w. empfiehlt Pfarrer Kranz im praklischen Ratgeber Sägemehl. Ich säe nur in Sägemehl, die Töpfe werden 2/1 damit angefüllt, hierauf kommt eine Lage Bohnen, eine a» die andere, oft habe ich in einem Topf 50 bis 100 Bohnen; obenauf kommr noch eine Decke Sägemehl, und nun muß das Ganze richtig ange­feuchtet werden: beim Gießen von oben verschwimmt man meist die Decke, darum stellt man besser den Topf gut zur Hälfte in ein Gefäß mit Wasser, daß es sich selbst voll ansaugt, etwa einen Tag lang. Nun kommt er in irgend eine Ecke des Zimmers, daß die Bohnen quellen; gut ist es hier, noch den Untersatz des Topfes voll Wasser zu gießen; so kann er 48 Stunden stehen bleiben. Jetzt kommen aber bessere Tage für meine Bohnen, sie kommen ins Treib­haus, das bei mir leider nur aus einer alten Fensterscheibe besteht; der Topf kommt auf die äußerste Ecke des Kochherdes, mit der Glasscheibe bedeckt, im Untersatz war­mes Wasser; oft schon über Nacht, jeden- falls in einigen Tagen treiben die Bohnen mit aller Macht, so daß sie mir das ganze Glasdach in die Höhe schieben und herun­terwerfen. Zur Strafe werden sie wieder kalt gestellt an irgend einem Fenster des Wohnhauses und nicht mehr begossen; bei günstiger Witterung im Freien. Meist sind sie während ihrer Karenzzeit schon fingerhoch und haben zwei richtige Blätter außer den Samenlappen und stehen im Topfe in drangvoll fürchterlicher Enge, bis die Zeit ihrer Erlösung an einem schönen Maientage naht. Ich stürze den Topf und reiße eine Bohne nach der andern los von dem Wurzelfilz, mache ein Loch in den Boden, gieße oder schlämme sie ein, und ich weiß m:t Sicherheit: jede Bohne wächst fort, nicht eine bleibt aus.

(Einfaches Mittel für üble Aus­dünstungen.) Man zerschneide zwei oder drei hinlänglich große Zwiebeln und stelle sie auf einem Teller auf den Boden des Gemachs. Sie ziehen in unglaublich kurzer Zeit alle üblen Ausdünstungen in dem Krankenzimmer rc. an sich und sind jeden­falls den üblichen Räucherungen vorzu- ziehen, welche die üblen Gerüche nur verdecken, aber nicht vertreiben. Man sollte die Zwiebeln alle sechs Stunden wechseln.

Um Linoleum lang glänzend zu erhallen, behandelt man es aus folgende Weise: Bevor man zum Wichsen des­selben schreitet, wäscht man es mit glei­chen Testen Milch und Wasser sauber auf, sodann reibe man es mit Terpentinspiri-